Protocol of the Session on December 20, 2005

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss meiner Rede. – Ich denke, wir sollten nicht nur zu dieser Tradition in Hessen stehen.Vielmehr sollten wir den hessischen Basisorganisationen auch sagen, dass wir uns bewusst sind, dass es diese gute Tradition gibt, und dass wir für unsere Auffassung der Rechtsstaatlichkeit und der Ordnung in der Welt werben werden.

Wir sollten dabei auch an andere Standorte des Sports in der Zukunft denken. Dann merken wir, dass dies eine Botschaft für die Gesellschaften in der Welt ist, die man nicht klein reden sollte.Wir ermuntern damit andere – andere Spiele werden in Afrika stattfinden –, für sich ins Auge zu fassen, entsprechende Kampagnen zu starten, die dort dann Gutes bewirken.

Wir wünschen uns, dass dieses Anliegen heute die bereits verabredete breite Mehrheit erhält. – Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte noch diese Sätze. – Wir wünschen uns aber auch, dass es im Sozialpolitischen Ausschuss zu einer Nachbereitung kommt. Dann könnte man zeigen, was die hessischen Organisationen, die an der Basis arbeiten, wie „Frauenrecht ist Menschenrecht e. V.“ und die Fachhochschule Wiesbaden, zu diesem Thema geleistet haben. Sie haben mit ihrer Arbeit den Weg bereitet.

Ich möchte mich bei den Mitgliedern aller Fraktionen sehr herzlich dafür bedanken, dass wir in dieser Art und Weise zusammenwirken. Wir machen hier etwas miteinander für ein lobenswertes Projekt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Namens der Hessischen Landesregierung begrüße ich die Initiative der vier Fraktionen. Ich begrüße sie auch als Innenund Sportminister.

Zwangsprostitution ist ein massiver Verstoß gegen die Menschenwürde. Herr Kollege Rentsch hat es bereits gesagt: Sie ist ein Verbrechen. – Unabhängig von den Zahlen, die wir dazu haben, ist es immer richtig, dass wir uns gemeinsam gegen dieses Verbrechen und gegen die wenden,die durch dieses Verbrechen große Gewinne erzielen.

Ich will auch Folgendes den Mitgliedern dieses Hauses mitteilen: Wir haben eine ganze Reihe Erfahrungen in den zurückliegenden Jahren sammeln können.Alle Großveranstaltungen sind immer auch ein Anziehungspunkt für Kriminalität. Dabei geht es zum einen um die Massenkriminalität wie Taschendiebstahl und vieles andere. Dabei geht es aber auch um Kriminalität, die sich im Umfeld des Rotlichtmilieus abspielt.

Wir haben uns darüber sehr viele Gedanken vor dem Confederations Cup gemacht, der in diesem Jahr hier

stattfand. In gewisser Weise handelte es sich um eine Generalprobe für die Weltmeisterschaft. Dabei muss man allerdings sehen, dass die Dimension nicht so groß war. Wir haben während des Confederations Cup nicht feststellen können, dass sich die Situation veränderte. Gleichwohl beruhigt uns das nicht.

Mit unserer eigens gegen Menschenhandel aufgestellten besonderen Organisation haben wir 350 Tatverdächtige im Jahr 2004 ermitteln können. Wir haben insgesamt knapp 50 Opfer in die besondere Betreuung genommen. Besondere Betreuung bedeutet die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm. Die Zeuginnen bekommen dann Fachberatung.

Ich komme jetzt zu der Bemerkung, die Frau Kollegin Zeimetz-Lorz gemacht hat. Wir müssen nämlich feststellen, dass die Zahl der Verurteilungen in diesem Bereich eher zurückgeht als steigt. Das hat sehr viel damit zu tun, dass die Frauen, die der Zwangsprostitution unterworfen werden, sehr große Angst davor haben, gerichtsverwertbare Auskünfte zu erteilen. Das ist kein völlig neues Phänomen. Aber wir müssen zunehmend feststellen, dass es bei der Angst vor allen Dingen darum geht, dass den Angehörigen in der Heimat etwas geschehen könnte.

Wir können hier durch verschiedene Programme Hilfestellung leisten. Wir können aber nicht die Familienangehörigen und die Freunde im Heimatland schützen. Die Verbrecherorganisationen sind sehr stark international vernetzt. Deshalb sind deren Mitglieder in der Tat in der Lage, dort ihre „Bestrafungen“ – ich sage das in Anführungszeichen – durchzuführen.

Das erklärt auch, warum die Statistik der Justiz und die der Polizei nur einen Teil der Wahrheit darstellen können. Es gibt dort eine große Dunkelziffer. Ich fürchte, auch in Zukunft wird es diese große Dunkelziffer geben.

Wir haben festgestellt, dass die allermeisten, die hierher kommen, zwischen 18 und 25 Jahre alt sind. Zu fast 95 % kommen sie aus Mittel- und Südosteuropa. Zu fast 100 % reisen sie mit PKW, Bus oder Bahn ein. Sie werden in aller Regel betreut.

Auch das Nachfolgende ist ein Teil unserer Erkenntnisse. Ich will auch das dem Haus nicht vorenthalten. Vielleicht wissen Sie, dass wir auch sehr viel Vorfeldarbeit leisten. Ich will das jetzt vorsichtig formulieren. Es geht dabei nicht nur um Frauen aus Moldawien. Aber in Moldawien haben wir eine Verbindungsstelle, die versucht, die jungen Frauen darüber aufzuklären, was sie hier erwartet. Wir machen das mithilfe von Frauen, die hier waren. Wir haben sie gebeten, für uns zu arbeiten.

Leider zeigt die Erfahrung, dass manche Frau hierher kommt, obwohl sie auf diese Umstände dezidiert hingewiesen wurde, unter denen das geschieht. Diese Frauen haben die Hoffnung, dass ihnen das nicht widerfährt. In aller Regel ist diese Hoffnung aber unbegründet. Das Schicksal dieser Frauen ist schlimm.

Ich will jetzt einen Strich darunter ziehen. Sie wissen, dass wir unter Leitung des Sozialministeriums einen runden Tisch haben, der sich mit Menschenhandel beschäftigt. Dort beschäftigt man sich sehr intensiv mit diesen Fragen. Auch die Organisationen, die Sie genannt haben, sind mit an diesem Tisch.

Wir werden in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Wir haben bei der Polizei besondere Maßnahmen vorbereitet. Sie werden verstehen, dass ich das hier nicht in al

len Einzelheiten vortragen kann. Aber seien Sie versichert, dass wir da hellwach sind.

Ich möchte noch Folgendes sagen.Auch das gilt.Wir wollen die fröhlichen Spiele nicht verderben. Wir wollen den Verbrechern ihr Geschäft verderben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich der Deutsche Fußballbund auch in dieser Frage engagieren wird. Das zeigt meine Erfahrung. Der Deutsche Fußballbund hat vielfach großes gesellschaftliches Engagement unter Beweis gestellt. Ich denke, ich kann Sie alle in folgender Weise vereinnahmen: Niemand will den Deutschen Fußballbund an den Pranger stellen. Vielmehr wollen wir zum Ausdruck bringen, dass gerade eine so große und renommierte Organisation, wie es der Deutsche Fußballbund ist, über besonders gute Möglichkeiten verfügt, hinsichtlich dieser Frage auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Das wird keine Wunder bewirken.Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

In meinen Augen ist das ein Signal für diese Frauen. Das ist nicht nur im Interesse der Frauen, um die es dort geht, sondern auch im Interesse ihrer Familien, die sich ebenfalls häufig in einer sehr schwierigen Situation befinden. Ich werde mich deshalb im Namen der Landesregierung an den Deutschen Fußballbund wenden.

(Petra Fuhrmann (SPD):Tun Sie das im Namen des Parlaments!)

Frau Kollegin, Sie haben Recht. Der Dringliche Antrag sieht aber vor, dass das Parlament die Landesregierung auffordert, in diesem Sinne tätig zu werden. Ich werde das aber so formulieren, dass es uns alle einschließt.

Ich denke, es ist auch im gemeinsamen Interesse, dass ich das nicht mit Schaum vor dem Munde, aber mit gehörigem Ernst betreiben werde.Ich bin zuversichtlich,dass ich bei Gelegenheit den Mitgliedern dieses Hauses berichten kann, was wir gemeinsam erreicht haben. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister, vielen Dank. – Damit ist die Debatte beendet.

Es ist vorgeschlagen, den Dringlichen Antrag dem Innenausschuss und dem Sozialpolitischen Ausschuss, begleitend, zu überweisen. Es erhebt sich dagegen kein Widerspruch? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 64 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Worten Taten folgen lassen – Drucks. 16/4970 –

Ebenfalls rufe ich Tagesordnungspunkt 68 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Abschiebestopp jetzt – dauerhaftes Bleiberecht umsetzen – Drucks. 16/4999 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Frau Kollegin Waschke hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion dieses Hauses begrüßt die Initiative des Herrn Ministers Bouffier, eine Bleiberechtsregelung für in Deutschland lang geduldete Flüchtlinge zu erzielen.

(Beifall bei der SPD)

Leider konnten sich die Innenminister auf ihrer Konferenz nicht einigen.Nach unserer Auffassung ist es aber zur Vermeidung von Härtefällen notwendig, wirtschaftlich und sozial integrierten Ausländern,deren Kinder hier aufgewachsen sind, ein Aufenthaltsrecht in Deutschland einzuräumen. Aber die Innenministerkonferenz hat einen Beschluss dazu wieder einmal vertagt und für die betroffenen Menschen keine Lösung gefunden.

Allein in Hessen leben derzeit ca. 1.500 geduldete Menschen. Sie haben keine Perspektive für ihr Leben. Sie haben hier eine Heimat gefunden und müssen doch auf gepackten Koffern sitzen. Mit unserem Dringlichen Antrag fordern wir Herrn Innenminister Bouffier auf, die Spielräume, die er in Hessen hat, im Sinne der Menschen zu nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Seit zehn Monaten haben wir eine Härtefallkommission, die dem Innenminister in Einzelfällen empfehlen kann, Aufenthalt zu gewähren. Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne ein paar Zahlen aus anderen Bundesländern nennen.

In Rheinland-Pfalz hat die Härtefallkommission in knapp vier Monaten 40 Fälle bearbeitet. In 15 Fällen kam es dabei zu einer im Sinne der Betroffenen positiven Empfehlung.

In Baden-Württemberg wurden in drei Monaten 700 Fälle bearbeitet. Dabei wurden 126 Härtefallersuchen anerkannt.

In Nordrhein-Westfalen hat die Härtefallkommission in acht Monaten 396 Fälle beraten. Dabei wurden 75 Härtefallersuchen anerkannt.

In Schleswig-Holstein wurden in elf Monaten 150 Härtefallersuchen anerkannt.

In Hessen wurden in zehn Monaten sieben Fälle bearbeitet. Lediglich ein Härtefallersuchen wurde anerkannt.

Woran liegt es, dass in Hessen nur ein Fall im Sinne der Betroffenen positiv empfohlen werden konnte? – Aus unserer Sicht gibt es dafür zwei Gründe.

Erstens. Die Härtefallkommission in Hessen ist ausschließlich mit Politikerinnen und Politikern besetzt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist gut so!)

Das ist in keinem anderen Bundesland so. Selbst in Niedersachsen ist ein Beratungsgremium vorgelagert, in dem Mitglieder aus NGOs sitzen.

(Axel Wintermeyer (CDU):Was ist eine NGO? Wir sind hier in einem deutschen Parlament!)

Wir, die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion, haben von Anfang an befürchtet, dass die Politiker, die in diesem Gremium sitzen, politisch entscheiden. Nach einem Dreivierteljahr Arbeit in der Härtefallkommission muss ich feststellen: Es ist genau das eingetreten, was wir befürchtet hatten. Es wird politisch entschieden.