Protocol of the Session on November 24, 2005

Genau. – Dann kommt die Erwiderung von Herrn Forell. Er hat eindeutig gesagt, es gibt keine belastbaren Zahlen, die diese Meinung der Ministerin in irgendeiner Art und Weise beweisen würden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke für den Beifall. Ich finde den Artikel jetzt nicht, er ist weg.– Auch dies hat der Staatssekretär im Ausschuss eindeutig bestätigt:Wir haben keine Zahlen. Man hat sich zwischen der Landesregierung und der Bundesagentur geeinigt, Kennziffern zu entwickeln, anhand derer Vergleichbares verglichen wird, nicht Äpfel mit Birnen, nicht unterschiedliche Räume. Es sind Kennziffern entwickelt worden, und aufgrund dieser Kennziffern wird Ende des Jahres abgerechnet. Es wird geguckt:Was ist in diesen ersten zwölf Monaten passiert in Hofgeismar, in Kassel oder in Wiesbaden? Das halte ich für einen seriösen Weg. Ich fordere Sie eindeutig auf, zu diesem seriösen Weg zurückzukehren. Denn es hat überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Schimären in die Welt zu setzen und zu sagen, die sind Klasse und die sind schlecht. – Es gibt solche und solche.

Es gibt hervorragend laufende ARGEn, es gibt auch ARGEn, wo es hakt und öst und wo es Klagen über die Bundesagentur und den Zentralismus gibt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das ist überhaupt keine Frage,Herr Kollege Rentsch.Das ist kein Widerspruch. Es gibt aber auch Optionskommunen, in denen mir gesagt wird: Moment, wo gibt es denn hier Fachkompetenz, z. B. für die Betreuung Behinderter? Wir hätten gerne wieder eine gute Fachagentur.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es gibt Optionskommen, in denen behinderte Kinder nicht in eine Werkstatt für Behinderte eingegliedert werden, weil sich keiner für zuständig erklärt. Herr Kollege Rentsch, das sind die Probleme, über die wir uns streiten sollten. Im Interesse der Menschen müssen wir dieses Knirschen sowohl in den Optionskommunen als auch in den Arbeitsgemeinschaften abschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich wünsche mir wirklich, dass wir im Rahmen dieser Debatte nicht immer nur darüber sprechen, wie wir effektiv, schnell und gut qualifizieren und wieder eingliedern können – obwohl auch das wichtig ist –, sondern dass wir uns auch damit beschäftigen, wo wir die Menschen eingliedern. Der erste Arbeitsmarkt ist nicht so aufnahmefähig, wie wir alle uns das wünschen.Auch das gehört zur Wahrheit.

Sie haben vorhin gesagt, dass der Herr Ministerpräsident aus Wisconsin zurückkam.Herr Kollege Rentsch,ich habe schon in der damaligen Debatte Folgendes gesagt.

(Unruhe)

Florian, hörst du mir noch zu, oder hast du das jetzt aufgegeben? Es fällt ihm wirklich schwer.

Vorhin wurde gesagt, der Herr Ministerpräsident sei aus Wisconsin zurückgekommen und habe etwas gelernt.Wie ich schon damals gesagt habe, hat der Herr Ministerpräsident nicht das Richtige gelernt. Er hat gelernt, dass derjenige, der nicht arbeitet, auch nicht essen solle. Er solle in Gemeinschaftsunterkünfte ziehen. Das ist nicht das Ziel, das die SPD-Fraktion anstrebt.

(Ministerpräsident Roland Koch: Ach du liebe Güte, Frau Fuhrmann!)

Herr Ministerpräsident, wir haben, was die Wahrnehmung der Wirklichkeit betrifft, völlig unterschiedliche Voraussetzungen. Wisconsin litt unter einem sehr großen Arbeitskräftemangel.Deswegen war das Programm “Wisconsin works“ sehr erfolgreich. Wir haben fünf Millionen Arbeitslose in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein kleiner, aber feiner und wichtiger Unterschied.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Rentsch, ich wünsche mir wirklich, dass Sie nicht immer wieder versuchen, über das Gleiche zu diskutieren, sondern dass Sie erst einmal darauf warten, dass Fakten vorgelegt werden. Ende Dezember oder im Januar werden wir vergleichbare Zahlen für Hessen haben. Ich hoffe, wir werden auch im Bund vergleichbare Zahlen haben. Wir werden sehen, dass es Unterschiede zwischen dem Hochtaunuskreis und Mecklenburg-Vorpommern gibt.Wir werden auch feststellen, dass es in Kassel anders aussieht als in Wiesbaden.All das können wir aber erst anhand einer soliden Datengrundlage feststellen.

Ich fordere Sie auf: Hören Sie auf, Schaufensteranträge zu stellen. Sie wissen ganz genau, dass momentan in dieser Richtung überhaupt nichts passiert, weil wir uns in Berlin darauf geeinigt haben, eine ordentliche Evaluation durchzuführen. Im Interesse der Menschen ist das notwendig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Krämer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum haben wir über Arbeitsmarktreformen in Deutschland diskutiert? Das haben wir getan, weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit vielen Jahren kontinuierlich angestiegen ist und weil wir festgestellt haben, dass die bisherigen Systeme nicht wirksam genug waren, um die Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zurückzuführen. Das war die Voraussetzung.

Ministerpräsident Koch hat, als er seine Erfahrungen aus Wisconsin mitgebracht hat, sozusagen einen Stein ins Wasser geworfen. Diese Erfahrungen sind aber fundiert und lassen sich auch in vielen anderen Ländern sammeln, ob Sie nun nach England, in die Niederlande oder nach Dänemark fahren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist schon sehr unterschiedlich!)

Herr Schäfer-Gümbel, zusammen mit einigen anderen Kollegen hatten wir letztes Jahr das Vergnügen, in Dänemark Erfahrungen zu sammeln. – Überall dort haben wir festgestellt, dass vor allem eine Erkenntnis die Arbeitsmarktpolitik prägt. Zunächst einmal ist es nicht sinnvoll, Verschiebebahnhöfe zu organisieren. Diese Verschiebebahnhöfe hatten wir in Deutschland.

(Petra Fuhrmann (SPD): In großer Zahl! Deswegen haben wir das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ aufgelegt!)

Es stellt sich die Frage, warum die BA, als sie allein dafür zuständig war, mit all ihrem großen Know-how nicht in der Lage war, das Problem zu lösen.

Außerdem gibt es die Erkenntnis, dass die Arbeitsmärkte, die geeignet sind, Langzeitarbeitslose aufzunehmen, regionale Arbeitsmärkte sind.

(Wortmeldung der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, ich möchte gern erst ausreden. – Der Fall, dass ein gering qualifizierter und mit weiteren Vermittlungsproblemen belasteter Arbeitsloser aufgrund des überregionalen Know-hows der Bundesagentur von Mecklenburg-Vorpommern ins Rhein-Main-Gebiet – oder umgekehrt – vermittelt wird, gehört in das Reich der Legende. Die Arbeitsplätze für die Langzeitarbeitlosen, die wir hier heute haben, müssen in der Region zu finden sein. Sie können dort auch gefunden werden.

Viele Menschen – das war das Interessante an dem vorherigen System – sind in der Sozialhilfe angekommen.Die Sozialhilfeträger – sprich: die Kommunen – haben sich den einzelnen Menschen erst einmal intensiv vorgenommen und herauszufinden versucht, wo die Vermittlungs

hemmnisse liegen. Sie haben mit ihrem ganzen Knowhow versucht, diese Vermittlungshemmnisse abzubauen und gleichzeitig aufgrund der besseren Kenntnis des regionalen Arbeitsmarkts Arbeitsplätze für diese Menschen zu finden.

Der beste, weil prominenteste Akteur – der bundesweit herumgereicht wird – ist Landrat Pipa. Aber Sie wissen, dass dies in vielen anderen Landkreisen, ob dies der Hochtaunuskreis, der Main-Taunus-Kreis oder ein anderer Kreis ist, schon vorher genauso erfolgreich gelaufen ist.

Das wiederum war die ausschlaggebende Erkenntnis dafür, dass wir gesagt haben, die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit könne am besten in kommunaler Verantwortung geschehen. Diese Seite des Hauses hat sich immer anders entschieden. Sie sah die Verantwortung bei der Bundesagentur.

Dieser Landesregierung ist im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren, das den inzwischen unrühmlichen Namen „Hartz“ trägt, einiges zu verdanken. Herr Boddenberg,Sie haben Recht,wenn Sie sagen,man müsse darüber nachdenken, ob der Name noch beibehalten werden solle.Vielleicht sollte man es einmal mit „Schröder I“ bis „Schröder IV“ probieren. Das ist sicherlich unbelasteter.

In diesem Zusammenhang ist es auf die Initiative dieser Landesregierung zurückzuführen, dass wir wenigstens die Chance haben,in Deutschland einen Wettbewerb der Systeme durchzuführen. Die Erfahrungen in den 13 Optionskommunen in Hessen sind in der Tat so ausgefallen, dass wir sagen können, dass dieses Modell erfolgreich ist.

Herr Kollege Bocklet, Sie haben die Diskussion im Ausschuss sehr lebendig, aber nicht umfassend wiedergegeben. Es ist schließlich sehr schwierig, eine einstündige Diskussion in einer Ausschusssitzung in einer Viertelstunde zusammenzufassen. Das schaffen auch Sie nicht.

Ich habe aber darauf hingewiesen, dass wir noch keine gemeinsamen Kennzahlen und Parameter haben, dass wir sehr unterschiedliche Arbeitsmärkte vergleichen und dass bei den Zahlen der BA noch nicht genau zwischen denen, die selbst eine Betätigung gefunden haben oder aus anderen Gründen herausgefallen sind, und den reinen Vermittlungszahlen der Optionskommunen unterschieden wird.

(Petra Fuhrmann (SPD): Dann können Sie auch keine seriöse Aussage machen!)

Ich habe darauf hingewiesen, dass es nicht zuletzt aufgrund der Softwareprobleme,die durch die BA verursacht worden sind, in den Optionskommunen am Anfang außerordentlich schwierig war, die Zahlen in einer Form zu erfassen, die für die BA nutzbar war. Diese Schnittstellenprobleme hat die BA zu verantworten, und sie arbeitet daran.

Wir treffen uns regelmäßig mit den Vertretern der Optionskommunen – Herr Bocklet, insofern kommen wir unserer Aufsichtsfunktion von Anfang an intensiv nach – und mit den Vertretern der Arbeitsgemeinschaften. Bei diesen Treffen sind auch Vertreter der Regionaldirektion der Bundesagentur anwesend. Die Regionaldirektion der Bundesagentur ist eigentlich der Ansprechpartner, wenn es um die in den Arbeitsgemeinschaften auftauchenden Probleme geht.

Die Arbeitsgemeinschaften klagen bis zum heutigen Tag über den nicht endenden Zentralismus der Bundesagentur für Arbeit, der ihnen das Arbeiten in der Region schwer macht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Alle Geschäftsführer, mit denen ich in diesem Rahmen gesprochen habe, haben immer wieder betont, es liege nicht an den Kollegen vor Ort oder an dem Arbeitsamtsdirektor – eine alte Bezeichnung, die wir alle noch kennen.Vielmehr liegt es daran, dass von Nürnberg aus nach wie vor durchregiert wird.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Das hat selbst die alte rot-grüne Bundesregierung im Spätsommer erkannt.

(Petra Fuhrmann (SPD): „Durchregieren“ sagt Frau Merkel!)

Dann hat sie gesagt, sie könne sich vorstellen, dass die kommunale Seite in den Arbeitsgemeinschaften die Mehrheit erhält. Das sieht auf den ersten Blick gut aus. Der Landkreistag, der früher für die Mehrzahl der Sozialhilfeempfänger zuständig war und deshalb auch die Mehrzahl der Kommunen vertritt,die hier im Geschäft sind,hat die Vereinbarung nicht unterschrieben, weil er erkannt hat, dass die Grundproblematik auch nach dem neuen Modell des kommunalen Hutes nicht abgeschafft war. Auch bei diesem Modell gibt es immer noch die inhaltlichen Vorgaben aus Nürnberg, die verhindern, dass vor Ort flexible und regionalisierte Antworten gefunden werden,

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

die notwendig sind, um das Problem anzupacken und Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Deshalb ist und bleibt das eine Fehlkonstruktion.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhr- mann (SPD): Nein!)