Protocol of the Session on November 24, 2005

Das Wort hat Herr Dr. Wagner, Vorsitzender der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die große Koalition in Berlin unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel bedeutet eine Chance für Deutschland und eine Chance für Hessen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Michael Sie- bel (SPD))

Sie bedeutet eine Chance für die Sanierung der öffentlichen Haushalte in unserem Land, im Bund, in den Ländern und auch in den Kommunen. Meine Damen und Herren, sie ist für mich ein Neuanfang bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland.

(Michael Siebel (SPD): Ihr Ministerpräsident hat heute Morgen im Radio etwas anderes gesagt!)

Die Ausgangslage, die Bilanz nach sieben Jahren RotGrün ist katastrophal:

(Norbert Schmitt (SPD):Ach du lieber Gott!)

Erstens haben wir seit Jahren im Europavergleich eine der niedrigsten Wachstumsraten.

(Norbert Schmitt (SPD): Seit 1993, machen Sie sich einmal sachkundig! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr seid doch Koalitionsfreunde! – Norbert Schmitt (SPD): Meine Freunde suche ich mir schon selbst aus, und der gehört sicherlich nicht dazu!)

Zweitens haben wir eine Massenarbeitslosigkeit in nie gekanntem Maße, Herr Kollege Schmitt, 5 Millionen Arbeitslose und dazu noch einmal eineinhalb Millionen Menschen in versteckter Arbeitslosigkeit. Das sind 6,5 Millionen. Diese Zahlen werden Sie natürlich nicht gern hören.

Drittens. 40.000 Firmenpleiten jedes Jahr.

Viertens. Die Energiekosten in Deutschland sind um 30 % höher als im EU-Durchschnitt – ein riesiger Wettbewerbsnachteil für die deutsche Wirtschaft und damit auch eine Ursache von Arbeitslosigkeit.

Fünftens. Eine dramatische Haushaltslage, eine strukturelle Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben in der Größenordnung von etwa 64 Milliarden c.

Sechtens. Eine fortschreitende Bürokratisierung, die die Wirtschaft in unserem Land gelähmt hat. Ich erinnere nur an das Antidiskriminierungsgesetz, das zum Glück nicht mehr in Kraft treten konnte, weil die Wahlperiode zu Ende war.

Meine Damen und Herren, das ist eine dramatische Ausgangslage. Ein Umsteuern ist dringend erforderlich. In dieser Situation, die ich eben in wenigen Sätzen beschrieben habe, ist der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ein Aufbruchsignal für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Jörg-Uwe Hahn (FPD): Für das Protokoll: verhaltener Beifall bei der CDU!)

Liebe Ruth Wagner, ich will gern einräumen, dass wir in einer Koalition mit der FDP noch mehr Zeichen der Hoffnung hätten setzen können.

(Beifall bei der FDP)

Aber man muss immer sehen,was machbar ist.Unter dem Gesichtspunkt des Machbaren ist das, was Union und SPD geschaffen haben, durchaus sehr respektabel.

Das Hauptziel der großen Koalition ist die Wiederbelebung der Wachstumskräfte in Deutschland und damit ein deutlicher Abbau von Massenarbeitslosigkeit. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Entlastung des Arbeitsmarktes ist beschlossen worden. Ich will hier nur einige wenige Punkte nennen: Senkung der Lohnzusatzkosten,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt nicht!)

stärkere Flexibilisierung des Kündigungsschutzes und damit auch endlich wieder eine Chance für ältere Arbeitslose, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren und auf diese Art und Weise auch Arbeit zu finden;

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt auch nicht, das hat der EuGH aufgehoben!)

Stärkung von Wachstum und Beschäftigung durch Einsatz von 25 Milliarden c in den nächsten Jahren, außerdem eine Förderung von Existenzgründungen; Erhöhung der Mittel für Forschung und Innovation um 6 Milliarden c. Auch hier müssen wir zusätzliche Akzente setzen, damit wir im internationalen Wettbewerb wieder mithalten können.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung des Mittelstandes und von Betrieben, die sich in der Gründung befinden. Ich nenne hier die Erleichterung der Unternehmensnachfolge. Ich nenne nur stichwortartig das neue Unternehmenssteuerrecht, mit dem Kapital- und Personengesellschaften weitgehend gleichgestellt werden, die Befreiung der Unternehmen von bürokratischen Auflagen und dergleichen mehr. Deregulierung,Aufgabenabbau und die Entlastung der Wirtschaft von Bürokratiekosten sind unverzichtbare Bausteine, damit sich unternehmerisches Handeln in unserem Land wieder entfalten kann, Arbeitsplätze neu entstehen und Deutschland als internationaler Wirtschaftsstandort wieder attraktiver und wettbewerbsfähiger wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich füge hinzu: Es ist fast schon viel gewonnen, wenn der Staat nicht durch eine Überregulierung, durch überflüssige Vorschriften den Unternehmungen bei ihrer Arbeit in die Speichen greift.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, für Hessen bedeutet der Koalitionsvertrag wieder verlässliche Steuereinnahmen. Ich will das am Rande noch einmal ausdrücklich erwähnen. Wir haben angesichts unserer Sparbemühungen, die uns immer wieder kritisch vorgehalten werden, deutlich gemacht: Wir haben in unserem Landeshaushalt kein Ausgabenproblem, wir haben ein Einnahmenproblem. Wir hoffen, dass mit den Verabredungen zwischen Union und SPD auch die öffentlichen Einnahmen im hessischen Landeshaushalt wieder zunehmen – eine existenzielle Frage.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Ruth Wag- ner (Darmstadt) (FDP))

Meine Damen und Herren,wir erhoffen uns auch für Hessen von dieser Koalitionsverabredung, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch zahlreiche Maßnahmen wieder nachhaltig und besser als in der Vergangenheit gefördert wird.

Herr Kollege Dr. Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen:Wir werden als Union nicht nachlassen, auch in den kommenden Jahren dafür einzutreten,dass diese vernünftige Koalitionsverabredung Schritt für Schritt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und im Interesse Hessens umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Das Wort hat die Frau Kollegin Ruth Wagner, FDP-Fraktion.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Machen wir mal Wagner gegen Wagner!)

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst meine Freude zum Ausdruck bringen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2005 erstmals eine Bundeskanzlerin hat,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

nachdem die Frauen 1918 das Wahlrecht erhalten haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, GRÜNE!)

Ich will Ihnen einmal etwas sagen, junger Mann: Sie haben gar keine Veranlassung, in diesem Zusammenhang zu schreien. Ich will nämlich gerade sagen: Ich gratuliere Frau Dr.Angela Merkel,dass sie sich gegen junge und alte Männer in ihrer eigenen Fraktion, ihre Konkurrenten, durchgesetzt hat.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich auch!)

Das werden wir doch in diesem Parlament einmal sagen dürfen.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Roland, das ist gegen dich gerichtet!)

Ich glaube, meine Damen und Herren, es gilt, ihr Respekt zu bezeugen für ihre bisherige Lebensleistung, was für Menschen aus dem deutschen Osten mit Sicherheit in den letzten 15 Jahren schwieriger war als für alle Männerbündnisse im Westen.

Meine Damen und Herren, ich hätte das noch überzeugter getan, wenn sie auch die Politik machen würde, die sie vor der Wahl versprochen hat.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb, verehrte Kollegen von der CDU und CSU – so sage ich einmal mit schönem Gruß nach München –, wird sie ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen.

Was für uns noch viel gewichtiger ist: Sie hätte das, was für Deutschland 2005 wirklich nötig wäre, auch anders tun können, als sie das in dieser Koalition jetzt vorträgt. Wer am 6. September 2005 gemeinsam mit der FDP im Deutschen Bundestag sagt, dass eines der zentralen Ziele der nächsten Jahre die Haushaltspolitik sei, um mehr Wachstum zu generieren, mehr Arbeitsplätze zu schaffen – durch eine ausgeglichene Haushaltspolitik, durch eine Absenkung der Staatsquote, durch die Begrenzung der Steuer- und Abgabenlast – und jetzt das Gegenteil tut, der hat jetzt schon ein Glaubwürdigkeitsproblem, Herr Kollege Wagner.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Roland Koch und Sie eben auch, Herr Wagner, gesagt haben, es sei gleichgültig, ob man die Einnahmesituation des Staates verbessere oder die Staatsausgaben reduziere, dann sagen Sie