Protocol of the Session on November 23, 2005

Ministerstellen zunächst bestanden haben. Da ging es zuallererst darum – ich will nicht sagen: die Machtwaage; denn eigentlich hätte es ja keine Waage sein dürfen –,aber dann doch eine Machtwaage auszutarieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war also erstens die Frage: Wie kann ich 8 : 8 aufstellen, damit jeder die gleiche Zahl an Posten hat? Die zweite Frage war:Wer macht das?

Dann kam die dritte Ebene, das waren die Sachdiskussionen. Auch da hat Tarek Al-Wazir richtig gesagt: Es ist ja keine Sachdebatte geführt worden, sondern es ist eine Haushaltsfinanzierungsdebatte geführt worden. Warum war denn außer Herrn Steinbrück und Herrn Koch fast keiner der Strategen von den – ich glaube, es waren 14 Arbeitskreise; aber ich will mich nicht festlegen – anderen Arbeitskreisen so häufig im Fernsehen? Weil die doch da nichts getan haben, sondern weil sie sich ausschließlich mit dem Thema beschäftigt haben: Wie kriegen wir irgendwie einen Haushalt hin? Die wollten – lieber Stefan Grüttner, das habe ich auch gehört: bei den Sozialpolitikern soll es arg gewesen sein – noch einige Milliarden, wohl einen zweistelligen oder gar dreistelligen Betrag, zusätzlich in den nächsten vier Jahren ausgeben.

Aber Scherz beiseite. Wir wollen damit deutlich machen, dass es nicht darum gegangen ist, zunächst einen Entwurf auszuarbeiten und zu sagen: Wir wollen Deutschland weiterbringen. – Die Frage war vielmehr ausschließlich: Wie kriege ich einen Haushalt hin?

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dann kam das dazu, was einen Liberalen nun einmal erzürnt. Ich glaube, das Verständnis in der Union wird auch von Tag zu Tag größer: Verfassungswidrige Haushalte in Hessen sind schon schlecht. Dieses Modell aber in die Bundespolitik zu transportieren ist noch schlechter.

(Beifall bei der FDP)

Es ist zum einen schlecht, weil man den Druck aus dem Karton nimmt, weil man all denjenigen, lieber Staatsminister Grüttner, die gern noch mehr Geld ausgeben wollen,oder auch denjenigen,die nicht bereit sind,bei den sozialen Sicherungssystemen Einsparungen vorzunehmen, nunmehr ein Alibi gegeben hat, weiter zu mauern. Man kann es ja nach der Philosophie finanzieren, die wir vorhin von Roland Koch in der Debatte um die Vereidigung des Justizministers schon gehört haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann nicht funktionieren. Es kann nicht richtig sein, dass wir die Ausgaben nicht an die Einnahmen koppeln. Und es kann nicht sein, die Ausgabenpolitik dadurch zu lösen, dass man verfassungswidrige Haushalte vorlegt, ohne dass es eine Organisation, ohne dass es eine Arbeit gibt, wirklich Vereinfachungen in den Systemen vorzunehmen. Das ist der erste Punkt, warum verfassungswidrige Haushalte schlecht sind.

Der zweite Punkt ist: Es ist unsozial.

(Norbert Schmitt (SPD): Dann seid ihr aber unsozial!)

Lieber Norbert Schmitt, ich höre aus Ihrem/deinem Munde, Sozialdemokraten würden eine solidarische Politik machen. Ihr macht so etwas von unsolidarischer Politik, dass das auf überhaupt keine gedankliche Welt mehr geht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ihr seid doch diejenigen, die der künftigen Generation ganz bewusst das Geld stehlen. Ihr seid doch diejenigen, die unseren Kindern die Lasten aufbürden,die ihr jetzt als Wohltaten verteilen wollt.

(Reinhard Kahl (SPD): Wie war das denn 2002 mit den 2 Milliarden?)

Das ist unsolidarisch. Unsolidarischer geht es überhaupt nicht mehr.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann es langsam nicht mehr hören, wenn gerade diejenigen, die die Schuldenlast auf Bundesebene haben explodieren lassen,

(Norbert Schmitt (SPD): Wie war das denn unter Kohl fünfmal? Und da war die FDP dabei!)

sich heute hinstellen und so tun, als ob sie etwas für die Menschen täten.Nein,ihr schadet den Menschen,und insbesondere schadet ihr unseren, deinen und meinen Kindern, und das ist nicht solidarisch.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Fünfmal war die FDP dabei!)

Der dritte Punkt, warum verfassungswidrige Haushalte schlecht sind,ist die Verfassung selbst.Wolfgang Gerhardt hat zu Recht am letzten Wochenende auf unserem Landesparteitag in Stadtallendorf gefragt: Wo sind wir denn eigentlich? Leben wir in einer Bananenrepublik? Wolfgang Gerhardt hat mit dem sicherlich etwas übertriebenen Bild aber vollkommen Recht.Wir fordern von jedem Bürger, dass er sich an die Regeln hält. Wir fordern von jedem Bürger, dass er die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhält und vor roten Ampeln stehen bleibt. Wenn er das nicht tut, dann bekommt er einen Bußgeldbescheid und eine Geldbuße.Wir erwarten von jedem, der im geschäftlichen Leben unterwegs ist, dass er die Regeln des HGB, des BGB und des Wettbewerbsrechts einhält. Wenn er es nicht tut, kriegt er eine Strafe, sei es eine zivilrechtliche oder gar eine richtige Strafe vom Staatsanwalt und den Gerichten. Die Menschen erwarten von uns Politikern, dass wir die Verfassung einhalten. Dazu ist die Verfassung nämlich da.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist ja richtig!)

Aus diesen Gründen ist es dreimal schlecht, dass dieses Modell „verfassungswidriger Haushalt“ von Hessen nunmehr auch in die Bundespolitik transportiert worden ist.

Jetzt sind wir ja zufrieden, dass wenigstens die Diskussion aufgehört hat, die am Ende der vergangenen Woche herrschte. Da war es dem aus Hessen kommenden Kollegen Meister vorbehalten – das war wirklich eine „meister“-hafte Tat –,

(Norbert Schmitt (SPD): Das war wirklich eine Meisterleistung!)

auf einmal das Argument hineinzubringen, das wäre die rot-grüne Abschlussbilanz, und deshalb müsste man das auch so deutlich machen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe Hans Eichel schon seit Jahren nicht mehr geglaubt, und ich denke auch, dass der Ministerpräsident des Landes und der CDU-Finanzminister schon seit Jahren Hans Eichel nicht mehr geglaubt haben, was er für Zahlen hat. Dann ist es doch relativ absurd, jetzt so zu tun, als ob das als Abschlussbilanz zu werten sei. Man wollte parteipoli

tisch noch einmal ein Spielchen treiben. Ich sage: schöne Grüße an die Koalition. Die 51 Kollegen aus der Regierungskoalition, die gestern mit Nein gestimmt haben, wissen meines Erachtens schon, warum sie das getan haben.

(Norbert Schmitt (SPD): An der Ecke hat der Kollege Hahn Recht!)

Dann wurde der Meister wieder eingesammelt. Die „meister“-hafte Tat aus Südhessen ist damit in den Akten. Aber,meine sehr verehrten Damen und Herren,jetzt wollen wir doch einmal sehen, wie es denn eigentlich der künftige, nein, Entschuldigung, der inzwischen neu gewählte Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, Peer Steinbrück, darlegt, dass mit seinem Haushalt die Probleme des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wieder gelöst werden können.Denn das ist die einzige Argumentation, die er hat. Er muss sagen, dass – –

(Unruhe)

Ich muss ehrlich gestehen, Herr Präsident – –

Herr Kollege Hahn, ich habe das selbst auch gemerkt. Ich höre ab und zu noch ganz gut. Ich darf bitten, dass auf der Regierungsbank und auch im Hause etwas Ruhe herrscht, damit der Redner gut zur Geltung kommt.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich wollte gerade sagen und sage das auch noch: Es war für den Redner angenehmer, als die Kabinettsmitglieder draußen waren.

(Heiterkeit)

Aber ich meine, wir können das noch üben, dass die Kabinettsmitglieder hier sind und auch noch zuhören. Das wäre sozusagen das Optimum.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir haben ja Zeit, wir sind alle noch lernfähig.

(Zuruf von der CDU: Aber das liegt auch am Red- ner!)

Wir haben also nunmehr zur Kenntnis zu nehmen und warten gespannt darauf, wie Peer Steinbrück deutlich macht,dass er gerade mit diesem Haushalt,den er vorlegt, der offensichtlich eine viel höhere Verschuldung hat, als auf der anderen Seite Investitionen getätigt werden, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder herstellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf warten wir Liberalen. Wir werden das weniger im Hessischen Landtag, sondern natürlich mehr im Deutschen Bundestag dann auch zu bewerten haben.

Ich will deshalb in dieser Debatte, die man besser im Deutschen Bundestag als im Hessischen Landtag weiterführt, für die Liberalen zusammenfassend Folgendes sagen: Wir hätten ein Programm für Wachstum und Beschäftigung gebraucht. Wir hätten einen Reformprozess für mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung gebraucht. Wir haben eine sozialdemokratisierte Union bekommen, die zusammen mit den Sozialdemokraten eine Fortführung der sozialdemokratischen Politik organisiert hat.Wir haben eine Regierung und eine Koalition in Berlin, die gestern ein sehr brüchiges Haus übernommen ha

ben. Es ist ein wackliges Regierungsgebäude, wenn 51 Kollegen der Koalition bereits zu Beginn ihre Zustimmung verweigern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich deshalb, ein bisschen humoristisch gemeint, am Ende sagen: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wird nicht damit wieder ins Lot gebracht, dass Angela Merkel unbedingt Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden wollte. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.Ich gehe davon aus,dass wir über alle Anträge sofort abstimmen. Die Koalition steht ja; dann können wir auch abstimmen und müssen nicht irgendwohin verweisen.

Tagesordnungspunkt 38: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene, Drucks. 16/4648. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die GRÜNEN. Dagegen? – Das übrige Haus. Das ist unzweifelhaft,Herr Kollege Kaufmann,abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 63: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend große Koalition mit kleinen Ergebnissen,Drucks.16/4678.Wer ist dafür? – Die FDP. Wer ist dagegen? – Das übrige Haus. Also offenbar auch abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 68: Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit, Drucks. 16/4684. Wer ist dafür? – SPD. Dagegen? – Das übrige Haus.Auch abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 69: Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD ist ein neuer Anfang für Deutschland, Drucks. 16/4685. Wer ist dafür? – Das ist die CDU-Fraktion. Dagegen? – Das übrige Haus. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag angenommen.

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 7 auf: