Protocol of the Session on November 23, 2005

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, über die Frage, ob diese Privatisierung – das heißt, nicht die Privatisierung, sondern der Verkauf des Universitätsklinikums Gießen und Marburg an einen privaten Betreiber – richtig oder falsch ist, haben wir in diesem Hause ausführlich debattiert.

Ich habe überhaupt keinen Anlass, für die SPD-Fraktion an dieser Position etwas zu ändern. Nehmen wir aber einmal an, Ihre Einschätzung wäre richtig. Nehmen wir einmal an, es wäre auch nur zu vertreten – geschweige denn, ein tatsächlich erfolgreiches Konzept –, die Universitätsklinika in Mittelhessen an einen privaten Betreiber zu verkaufen. Selbst wenn dem so wäre, bliebe eine ganze Reihe von Anforderungen an die Art und Weise, wie mit der Privatisierung der Universitätsklinika umzugehen ist, die wir aus der Anhörung kennen. Frau Oppermann, ich hatte bei Ihren Ausführungen das Gefühl, ich sei auf einer völlig anderen Veranstaltung gewesen.

Der erste Punkt ist die Freiheit von Forschung und Lehre. Ich fange mit der Forschung an. Meine Damen und Herren, eines müsste an dieser Stelle doch unstreitig sein, eines scheint doch, wenn man sich das Vorgehen der Landesregierung bei den Universitätsklinika anschaut, gar

nicht zur Disposition zu stehen, nämlich die Feststellung, dass die primäre Aufgabe der Universitätskliniken die Zuarbeit für Forschung und Lehre ist. Das betrifft nicht zuallererst die Krankenhäuser, sondern in erster Linie Einrichtungen, die der Ausbildung von Ärzten und der medizinischen Forschung dienen. Das hat Konsequenzen, weil es nach einer solchen Privatisierung keineswegs eine Gleichheit des privaten Klinikbetreibers und des Fachbereichs bzw. der Universität geben kann, sondern das Primat von Forschung und Lehre erhalten bleiben muss.

Wenn wir über den Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre reden, dann ist doch auch völlig unstreitig, dass deren wesentliche Punkte in das Gesetz hineingehören. Dann ist doch klar – darauf hat Frau Beer vorhin schon verwiesen –, dass der Schutz der Freiheit der Forschung nicht durch ein Aufsichtsrecht ohne Sanktionsmöglichkeiten gewährleistet werden kann,sondern nur dadurch,dass bereits die Möglichkeit der Einschränkung der Forschungsfreiheit verhindert wird.

Das hat erhebliche Konsequenzen für die Stellung des Fachbereichs, des Fachbereichsrats und des Dekans. Die erste Konsequenz ist, dass der Fachbereich bzw. der Dekan eine Kompetenzkompetenz bekommen muss. Die Frage, ob die Forschungsfreiheit berührt werden könnte, muss seitens des Dekans entscheidbar sein. Daraus muss ein Recht des Dekans folgen, Entscheidungen, die die Forschung betreffen, insoweit zu beeinflussen, dass ihre Umsetzung bis zu einer Schlichtung aufgeschoben wird. Daran kann es, wenn man das Primat von Forschung und Lehre und die Unantastbarkeit der Forschungsfreiheit ernst nimmt, gar keinen Zweifel geben.

In der Frage der Berufung von Professoren kann es nicht denkbar sein, dass ein privater Betreiber über den Umweg der Verweigerung des Abschlusses eines Chefarztvertrages Berufungen de facto verhindert,weil der vom Fachbereich ausgewählte Bewerber am Ende nicht kommt, weil er die Chefarztposition nicht bekommt. Umgekehrt muss allerdings das Primat von Forschung und Lehre zur Folge haben, dass die Chefärzte nicht gegen den erklärten Willen des Fachbereichs berufen werden können.

Hinsichtlich der Kompetenzen des Dekans und des Vorstands des Klinikums haben wir viele interessante Aspekte in der Anhörung gehört. Letztendlich bleibt die Frage:Wer haftet für Entscheidungen des Vorstandes, wie es z. B. Geschäftsführer tun? Man kann sich nicht völlig des Eindrucks erwehren,dass an dieser Stelle die Frage einer möglichen Amtshaftung die Landesregierung beunruhigt. Genau dies spielt aber im Konflikt zwischen der Forschungsfreiheit und den Interessen eines privaten Betreibers eine Rolle.

Bei der Forschungsfreiheit gibt es ein zweites Problem, das in der bisherigen Diskussion noch gar nicht aufgetaucht ist, nämlich die Frage der Öffentlichkeit. Zur Freiheit von Forschung und Lehre gehört auch die Freiheit der Reflexion des eigenen Handelns – einschließlich der Strukturen und Bedingungen des eigenen Handelns. Die Metaanalyse der Forschung und die Metaanalyse der Lehre sind also Bestandteile der grundgesetzlich geschützten Freiheit. Diese wird viel eher mit den geschäftlichen Interessen eines privaten Betreibers auf Geheimhaltung seiner Geschäftsgeheimnisse in Konflikt kommen als die Frage der unmittelbaren Beeinflussung der Forschungsfreiheit. Kein privater Betreiber wird hingehen und sagen: Da und dort darfst du nicht forschen. – Wie ist es aber eigentlich mit der der Forschungs- und Lehrfreiheit immanenten Öffentlichkeit, der Betrachtung dessen,

was man tut? Wie kann denn eigentlich die Öffentlichkeit gewährleistet sein, wenn es, völlig unstrittig, Interessen privater Betreiber geben wird, die keinesfalls öffentlich werden sollen? Wie wir bisher gehört haben,soll nicht einmal der Vertrag, der den Verkauf der Universitätsklinika betrifft,öffentlich gemacht werden,geschweige denn,dass wir am Ende Interna diskutieren könnten.

Zur Frage der Qualität und der Entwicklung der Lehre gehört aber natürlich auch die Struktur, in der das stattfindet. Ich sehe mit großem Interesse den Lösungsvorschlägen der Regierung entgegen. Wir werden zur Ausschusssitzung Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf unterbreiten.

In der Frage der Lehre gibt es einen zweiten zentralen Punkt. Gebetsmühlenartig wird seitens der Landesregierung die Aussage wiederholt: In diesem Hause wurde beschlossen, dass es keinesfalls einen Abbau von Studienplätzen geben darf. – Denken wir das einmal zu Ende. Es kann ja nicht nur um Studienplätze für das erste bis vierte Semester gehen. Das wäre völlig sinnlos. Die Studienplätze müssen also auf eine volle Medizinerausbildung ausgerichtet sein. Eine vollständige Medizinerausbildung wird durch die Zahl der belegten Betten begrenzt. Wenn ein privater Betreiber die Ausbildungskapazität nicht reduzieren darf, sondern das sicherstellen muss, was der Landtag wünscht, was die Landesregierung immer wieder als unantastbar erklärt hat, dann bedeutet das, dass in den Universitätsklinika Marburg und Gießen kein Bett frei werden darf. Ein Abbau darf bis zu einer hundertprozentigen Belegung erfolgen, aber die Zahl der belegten Betten darf sich nicht ändern.

Das ist ein Fakt, von dem im Gesetzentwurf nichts zu lesen ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich ein privater Betreiber auf eine solche Festlegung in den Verträgen einlassen wird.Auch an dieser Stelle wird man also im Gesetzentwurf nacharbeiten müssen.Frau Oppermann,insofern ist Ihr Argument, dass 30 % der Klinika vor dem Exitus stehen, dass das ein Argument für den Verkauf der Universitätsklinika sei, völlig aberwitzig.

Solange die gegenwärtige Kapazitätsverordnung gilt, darf die Bettenkapazität nicht in nennenswertem Umfang abgebaut werden. Das wurde hier immer wieder gesagt, und das ist angesichts des Versorgungsbedarfs unstrittig. Eine Änderung der Kapazitätsverordnung ist als Ausweg in weiter Ferne. Die Verhandlungen in der KMK sind, das wird die Landesregierung sicher wissen, seit Jahren festgefahren. Es ist nicht abzusehen, wie das geschehen soll. Es kann auch gar nicht passieren, weil die Ausbildung von Ärzten eine praktische Ausbildung ist, die ohne Patienten nicht zu leisten ist. Das heißt, es ist aus sachlichen Gründen und aufgrund der Approbationsordnung völlig unvermeidlich, dass die Zahl der Patienten, die in den Betten liegen, mit der Zahl der Auszubildenden korreliert. Das gilt im Übrigen auch für die Vollständigkeit des Fächerkanons.Man kann zwar den einen oder anderen Professor hin- und herschicken, aber es ist völlig klar, dass für alle relevanten Fächer entsprechende Standorte erforderlich sind.

Eine weitere Frage, für die es bislang keine Lösung gibt, die aber meines Erachtens ebenfalls im Gesetz geregelt werden muss: Was passiert eigentlich, wenn sich die Ausbildung der Ärzte ändert und das auch Auswirkungen auf die Struktur des die Ausbildung gewährleistenden Krankenhauses hat? Muss der private Betreiber eine Änderung der Approbationsordnung durch eine Änderung seiner inneren Organisation nachvollziehen, wenn denn

diese Veränderung erforderlich sein sollte? Das ist eine spannende Frage.

Selbst wenn wir den Vorschlag der Privatisierung,des Verkaufs der Universitätsklinika für gut halten würden, so wäre es doch für einen Wissenschaftsbetrieb völlig grotesk, wenn er nicht einer kontinuierlichen Evaluation unterworfen würde. Wenn man die Ankündigungen der Landesregierung ernst nimmt, gehört zur Privatisierung selbstverständlich eine wissenschaftliche Begleitung. Es wäre außerordentlich hilfreich, die Frage, wie das methodisch geht, wie man eigentlich beurteilen will, ob die Privatisierung gut oder schlecht war, ob das die Forschung und die Lehre an den Standorten Gießen und Marburg vorangebracht hat oder nicht, in der Weise zu beantworten, dass man die Methoden der Evaluation vorher feststellt, statt sie hinterher so anzupassen, dass das Ergebnis den Wünschen entspricht.

In den Vertrag gehörte natürlich auch die Festschreibung einer Rückkaufoption, nicht etwa nur die Frage, ob im Falle von Katastrophen die Klinika an das Land zurückfallen, sondern auch die Frage, wie das Land, wenn das Experiment schief gehen sollte, der Klinika wieder habhaft wird.

Wenn man die Privatisierung auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs Frankfurt gegen Gießen und Marburg, also eines Wettbewerbs zwischen einem privaten Betreiber und einer öffentlicher Einrichtung, sehen wollte, was ebenfalls keine völlig unspannende Frage ist, dann wäre es doch angemessen, die Wettbewerbsbedingungen, also die Regeln, nach denen an beiden Orten zu verfahren ist,gleichwertig zu gestalten.Das hat erhebliche Konsequenzen für die Standards beim Personal. Die Qualitätsstandards für die Besetzung der Stellen des nicht wissenschaftlichen Personals, der ärztlichen Hilfsberufe usw., müssten abgeklärt werden, ebenso die tariflichen Regelungen.An der Stelle wäre im Gesetz bzw. im Vertrag eine an die tariflichen Vorgaben angelehnte Bezahlung festzulegen, weil sonst kein Wettbewerb stattfinden kann oder unter völlig absurden Bedingungen stattfände.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Roland Koch)

Sie haben völlig Recht, Herr Ministerpräsident, auch in anderen Fällen wäre das ein sinnvolles Instrument. Deshalb wird an vielen Stellen der jeweilige Flächentarifvertrag für verbindlich erklärt. Da das nur in einigen Branchen gilt,wäre es unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Wettbewerbs und der Exzellenz außerordentlich hilfreich, wenn sich die Unternehmen um Qualität und nicht um Lohndumping bemühen würden.

Beim Personal wurde das Problem des Übergangs der Personalvertretung bislang ebenfalls noch nicht genügend berücksichtigt. Die bisherigen Lösungen sind unzureichend.

Meine Damen und Herren, auch die Frage der Gültigkeit des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes für den privaten Betreiber ist nicht völlig unspannend. Bislang galt das für die Hochschulen und die ihnen anhängenden Betriebe als einem Ort, an dem man das in Hessen fördern wolle. Auch jetzt noch spielt die Frauenförderung bei der Mittelzuweisung für die Hochschulen eine Rolle. Es ist ebenfalls eine spannende Frage, welche Regelungen zur Wahrnehmung der Rechte weiblicher Beschäftigter an den Universitätsklinika zukünftig gelten sollen: ob sie zukünftig nur noch für die Akademikerinnen,die beim Land beschäftigt sind, gelten, für die anderen aber nicht mehr.

Zu den finanziellen Risiken.Frau Oppermann hat erklärt, es gebe mit der VBL keines. Das ist richtig. Solange der private Betreiber in der VBL bleibt – das wird seine Begeisterung mehren und den Kaufpreis dramatisch in die Höhe treiben –, so lange muss das Land nicht dafür aufkommen. Diese Frage war nie strittig.

Beim Thema der Mehrwertsteuerpflichtigkeit sehen wir mit Interesse der Entscheidung entgegen, ob die Landesregierung die betreffenden Gutachten dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zugänglich macht.Natürlich wäre dann noch die Frage, ob der Übergang aus der Gemeinnützigkeit in die Gewerblichkeit Konsequenzen hat – aber wir sind sicher, auch hier werden wir im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst von der Landesregierung angemessene Auskunft erhalten.

Herr Kollege, Ihre Redezeit geht zu Ende.

Meine Damen und Herren, wenn die Idee des Verkaufs der Universitätsklinika in Mittelhessen an einen privaten Betreiber tatsächlich sinnvoll erschiene, so müsste man dennoch diesen Gesetzentwurf an einer Vielzahl von Punkten korrigieren, um dem Anspruch, dass alles Wesentliche im Gesetz stehen muss, zu genügen, um die Position des Landes an dieser Stelle dauerhaft zu sichern und um die gebotene Öffentlichkeit an vielen Punkten herzustellen.

Meine Damen und Herren, aber hier wird nicht der Botanische Garten der Biologen an einen Gärtner verkauft. Weil die Vorstellung der Trennung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung – jenseits der ökonomischen Trennung, die noch relativ einfach ist –, der strukturellen Trennung mit all ihren Konsequenzen für Lehre und Wissenschaft, kaum lösbar erscheint, bleiben wir dabei: Wir halten dieses Experiment nicht für sinnvoll und keineswegs für aussichtsreich.

Frau Oppermann hat freundlicherweise schon eine dritte Lesung beantragt. Dazu werden wir ein paar Änderungsvorschläge machen, damit die Katastrophe nicht ganz so groß wird. Meine Damen und Herren, dieser Weg ist aber ein Irrweg. Denken Sie noch einmal darüber nach.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abg.Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss mich gleich einmal umdrehen, um zu sehen, ob nicht versehentlich die FDP hier wieder applaudiert – denn die tun das normalerweise vor der Rede.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit knapp einem Jahr reden wir jetzt hier über die Privatisierung der mittelhessischen Universitätskliniken. Seit knapp einem Jahr benennen wir hier die Risiken wie beispielsweise die Gefährdung der Freiheit von Forschung und Lehre, die Auswirkungen auf die Krankenver

sorgung und auf die Arbeitsplatzsituation in Mittelhessen sowie die finanziellen Risiken für das Land, die sich – ich habe das hier mehrfach vorgerechnet – auf insgesamt ca. 1 Milliarde c belaufen.

Aber seit knapp einem Jahr ignoriert die Landesregierung alle diese Bedenken, alle Risikobefürchtungen und will die Privatisierung gegen alle vernünftigen Argumente durchziehen – nur damit der Ministerpräsident seinen Ehrgeiz, immer der Erste sein zu wollen, befriedigen kann.

Frau Oppermann, wenn ich Ihren Redebeitrag hier höre, dann kann ich nur wiederholen,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

dass wir offensichtlich in zwei ganz verschiedenen Veranstaltungen gewesen sein müssen.Wenn wir uns die Ergebnisse der Anhörung anschauen, dann kann ich nur sagen: Dieses Vorgehen der Landesregierung ist umso erschreckender, als jetzt schon die zweite Expertenanhörung stattgefunden hat, die sich mit der Privatisierung der Kliniken beschäftigt und die eindeutig ergeben hat, dass das Gesetz so,jedenfalls in der bisherigen Form,nicht verabschiedet werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir diskutieren hier bereits in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs. Frau Beer ist sehr ausführlich darauf eingegangen, was das für den Zeitplan bedeutet. Wegen dieser knappen Zeitplanung hatten jetzt weder die Fraktionen noch die Landesregierung bisher die zeitliche Möglichkeit, die aus der Anhörung am vergangenen Freitag gewonnen Erkenntnisse in einem vernünftigen Verfahren in diesen Gesetzentwurf einzuarbeiten. Dennoch will die Mehrheitsfraktion diesen Gesetzentwurf offensichtlich im nächsten Plenum verabschieden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheitsfraktion, Herr Koch und auch Herr Corts, ich möchte Sie hier wirklich nochmals eindringlich bitten, wenigstens das Tempo aus diesem Verfahren herauszunehmen. Das ist wirklich das Mindeste – wenn wir verhindern wollen, dass dem Land Hessen durch dieses übereilte und mit Mängeln behaftete Verfahren immenser Schaden entsteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Der Wissenschaftsrat und auch die Rechtsexperten haben in dieser Anhörung nochmals eindringlich wesentliche Nachbesserungen eingefordert, die zu einem großen Teil die Absicherung der Freiheit von Forschung und Lehre betrafen. Hier geht es nicht um Kleinigkeiten, nicht um eine „Feinjustierung“, wie der Minister das gerne nennt, sondern hier geht es im Endeffekt darum, ob dieses Gesetz überhaupt verfassungsgemäß sein kann.

Denn diese Anhörung hat eindeutig ergeben, dass die Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre in diesem Gesetzentwurf bislang höchst unzureichend geregelt ist. Die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts – dass das zum Schutz von Freiheit und Forschung Wesentliche im Gesetz geregelt sein muss – ist im vorliegenden Entwurf nicht genügend berücksichtigt. Hier bedarf es dringend noch weiterer Konkretisierungen,gerade in § 25a Abs. 2 und 3. Die Regelungen dort sind wirklich noch nicht hinreichend bestimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wissenschaftsrat hat Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht: Allein die Gefahr der Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre reicht für einen Verstoß gegen das Grundgesetz aus. Das heißt, das Gesetz muss explizit vor einer Grundrechtsverletzung schützen. Dies ist weder mit der Rechtsaufsicht – die Sie vorgesehen haben – noch mit der Schlichtungsregelung möglich. Hier reichen die Regelungen im Gesetzentwurf eindeutig nicht aus.

Ohnehin ist diese Schlichtungskommission ein ziemlich peinliches Behelfsinstrument. Ich habe das in der ersten Lesung bereits vorgetragen: Es gibt im Gesetzentwurf zwar die Möglichkeit der Anrufung der Schlichtungskommission,wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Klinik und Universität kommt; aber es sind keinerlei Sanktionsmöglichkeiten festgelegt. Durch diese Anrufung wird noch nicht einmal eine aufschiebende Wirkung ausgelöst. Das heißt, im Konfliktfall können einfach Fakten geschaffen werden, die hinterher nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Daher hat der Wissenschaftsrat die Aufnahme der aufschiebenden Wirkung beim Einschalten der Schlichtungskommission in den Gesetzentwurf als unverzichtbaren Punkt bezeichnet und sogar selbst ein Verfahren dafür vorgeschlagen.

Der Wissenschaftsrat hat zur Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre noch weitere Forderungen aufgestellt. So muss im Gesetz unbedingt festgelegt werden, dass das Fächerspektrum durch die Universitäten bestimmt werden muss, nicht etwa durch einen privaten Betreiber. Im jetzigen Gesetzentwurf ist der Erhalt von Abteilungen durch das zukünftige Klinikum allerdings beeinflussbar. Das jedoch darf nicht sein, denn das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung von Forschung und Lehre zur Folge. Würde hier allein das Klinikum bestimmen, wäre dies ein direkter Eingriff in die Belange der Universitäten und hätte Auswirkungen auf das Fächerspektrum der Hochschulen. Allein eine Information des Fachbereichs reicht hier definitiv nicht aus.