Protocol of the Session on September 21, 2005

Der Bericht des Rechnungshofs ist aber auch ein Beleg dafür, dass augenscheinlich eine völlig falsche Organisationsreform bei der hessischen Polizei durchgeführt wurde. Das früher bestehende Hessische Polizeiverwaltungsamt kann als reine Dienstleistungsbehörde eben nicht mit einem Polizeipräsidium gleichgesetzt werden.Es hat keine Verschlankung der Hierarchien stattgefunden. Ein laut Rechnungshof eigentlich überflüssiger Vizepräsident hat die Führung dieser Behörde übernommen und den Präsidenten auf Steuerzahlerkosten zum Frühstücksdirektor degradiert. Das ist ein unverantwortlicher Vorgang.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Mi- nisters Volker Bouffier)

Natürlich kann man das so locker wie Sie machen: Sie tragen die politische Verantwortung, aber das kostet das Geld der Steuerzahler. Herr Innenminister, so flapsig können Sie auf Veranstaltungen der CDU reden.Das sollten Sie aber nicht hier im Hessischen Landtag machen. Ich wollte das jetzt einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auf Beleg bekommen Sie jedes Zitat von Ihnen der vergangenen Jahrzehnte um die Ohren gehauen, bei dem Sie genau das einfordern. Ich mache das ganz schlimm; denn ich messe Sie an Ihren eigenen Ansprüchen. Es ist falsch, aber ich mache es dennoch, Herr Bouffier.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es geradezu abenteuerlich,wenn Sie und die CDU feststellen, der Innenminister habe konsequent und umgehend gehandelt. Auf die ersten Hinweise im Jahr 1999 ist gar nichts passiert. Im Jahr 2000 hat man versucht, irgendetwas zu machen. Man hat es noch nicht einmal ge

schafft, den Mitarbeiter, gegen den erste Vorwürfe erhoben wurden, aus dieser Behörde zu versetzen; denn – O-Ton des Herrn Innenministers – man hätte keine andere Verwendungsmöglichkeit gefunden. In einer Landesbehörde mit rund 150.000 Mitarbeitern kann man angeblich keinen Mitarbeiter einer Behörde, in der es um Beschaffung und damit verbundene Vorwürfe geht, versetzen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Sie machen doch sonst eine harte Hand deutlich.Weshalb bekommen Sie das mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht hin?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage des Herrn Kollegen Frömmrich ist durchaus berechtigt, ob nicht erst durch das Nichthandeln weitere kriminelle Taten möglich geworden sind. Das werden wir im Untersuchungsausschuss zu klären haben.

Meine Damen und Herren, ein Schaden zulasten der Steuerzahler Hessens ist entstanden. Das ist unstrittig. Über die Höhe werden wir im Untersuchungsausschuss zu reden haben. Hierbei handelt es sich um Geld, das wir für andere Aufgaben auch im Bereich der inneren Sicherheit dringend benötigen.

Herr Innenminister, über drei Jahre lang sind Sie Ihrer Verantwortung als oberster Dienstherr einer nachgeordneten Behörde nicht gerecht geworden.Sie haben auch zu verantworten, dass die Dienst- und Fachaufsicht völlig versagt hat.Sonst lassen Sie sich für jede Wohltat und jede gute Sache der hessischen Polizei feiern. Also sind Sie auch für die Missstände verantwortlich. So einfach ist das in diesem Leben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie diesen Amtsleiter in das Innenministerium abgeordnet haben, zeigt doch, dass Sie unsere Auffassung offensichtlich teilen, dass es Fehlverhalten und eklatante Mängel in der Führung gibt. Deswegen gestehen Sie ein, dass in diesem Amt vieles nicht in Ordnung war. Das würde man nicht machen, wenn alles wunderschön wäre.

Meine Damen und Herren, all diese Vorgänge belegen, dass der Herr Innenminister in Hessen sehr viel Wert auf die Farbgebung von Polizeiautos und von Uniformen sowie die Einstellung von Spitzensportlern bei der Polizei legt. Darüber kann man übrigens reden. Diese 15 Stellen müssten Sie aber zusätzlich bereitstellen, da sie zulasten der allgemeinen Ausbildung bei der Polizei gehen. Das ist einmal sehr deutlich zu sagen. Sie investieren aber augenscheinlich zu wenig Zeit in die Dienst- und Fachaufsicht Ihrer Behörden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist nicht der einzige Fall. Uns bereitet große Sorge, was in den vergangenen Tagen und Wochen über weitere Affären berichtet wurde. Die „Bild“-Zeitung schreibt in ihrer Ausgabe vom 13. September 2005 von einem Leibwächterskandal, bei dem offensichtlich Mitarbeiter Überstunden abgerechnet haben sollen, die ihnen nicht zustehen. Ich erwähne Ermittlungen gegen Polizeibeamte wegen Betrugs, die in ca. 17.000 Verfahren Bußgelder einbehalten haben. Hierbei soll es sich um eine Schadenssumme von etwa 600.000 c handeln. Herr Innenminister, deswegen stimmt etwas nicht unter Ihrer Verantwortung in Hessen, um es einmal sehr

deutlich zu sagen. Dafür tragen Sie und sonst niemand die politische Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wer die harte Hand und den harten Hund gegen alle kriminellen Verfehlungen zu Recht einfordert, muss sich an seinen eigenen Taten und Sprüchen messen lassen. In Hessen ist in den vergangenen drei Jahren die Kriminalität um 13 % gestiegen. Herr Innenminister, wenden Sie doch einmal etwas weniger Kraft für die eigene PR auf. Diese ist ganz ordentlich. Wir brauchen nicht darüber reden, dass Sie das drauf haben. Davon kommt jeden Tag viel aus dem Presseticker.

(Minister Volker Bouffier: Jeder zweite Satz!)

Treten Sie doch einmal entschieden gegen Korruption und kriminelle Verfehlungen in Ihren eigenen Behörden auf. Das ist Ihre zentrale Aufgabe, die Sie sträflich vernachlässigt haben. Dazu fordern wir Sie ausdrücklich auf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist der Untersuchungsausschuss dringend notwendig. Ich fordere die Landesregierung auf – damit wir mit der Tätigkeit richtig beginnen können –, uns endlich die Akten zur Verfügung zu stellen.

(Jürgen Walter (SPD): Das kennen wir!)

Wie in dem anderen Untersuchungsausschuss muss man offensichtlich seit fast zwei Monaten Dinge schwärzen. Wir wollen die Akten, damit die Öffentlichkeit weiß, was wirklich in dieser Behörde los ist.Deshalb rücken Sie endlich die Akten heraus, damit wir mit der Arbeit beginnen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben keinen Aktenplan! Deswegen finden sie sie nicht!)

Die haben vielleicht keinen Aktenplan, Herr Frömmrich. Das wäre noch nicht so schlimm. Ich glaube aber, man fürchtet den politischen Schaden,der dahinter steckt. Deswegen:Akten raus, damit wir mit der Arbeit beginnen können.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Land Hessen ist durch diese Affäre und weitere Affären schon jetzt ein großer finanzieller Schaden entstanden. Sie behaupten, wir würden immer die Mitarbeiter kriminalisieren. Ich sagte eingangs, und das halte ich für wirklich wichtig: Die übergroße Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leistet eine verantwortungsvolle Tätigkeit trotz nahezu unmöglicher Arbeitsbedingungen, wie z. B. einer verlängerten Arbeitszeit, der Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld und anderer Dinge.

(Zuruf von der CDU)

Weil solche Leute wie Sie beratungsresistent sind. Deswegen muss man es Ihnen oft genug sagen. Das werden wir an dieser Stelle auch tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Innenminister, Sie können wolkig erklären, es sei alles wunderbar. Weshalb Sie den Bericht des Rechnungshofs nicht veröffentlicht haben, ist relativ klar. Man kann doch wohl nicht ernsthaft erwarten, dass man einen sol

chen Verriss, eine solche schallende Ohrfeige als Innenminister selbst vorstellt. Das haben wir getan, damit die Öffentlichkeit informiert wurde. Das ist gut so. Der Rechnungshofbericht ist ein Beleg dafür, dass der Untersuchungsausschuss notwendiger denn je ist. Wir werden belegen,dass dieser Innenminister in seiner politischen Kontrollfunktion versagt hat.

Herr Innenminister, wenden Sie mehr Kraft auf, damit solche Dinge künftig vermieden werden. Setzen Sie die Hemmschwellen so hoch, dass kriminelle Taten nahezu unmöglich werden. Hören Sie endlich auf, zu sagen, Sie hätten irgendetwas aufgeklärt. In der ganzen Affäre waren Sie getrieben von den Medien und der politischen Opposition. Deswegen sind die Anträge der GRÜNEN, der SPD und der FDP richtig. Herr Innenminister, gestehen Sie ein, dass es Versäumnisse und Fehler gab. Jetzt ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Dinge in Zukunft abgestellt werden. Etwas mehr Demut würde Ihnen an dieser Stelle mehr als gut tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Hahn,Vorsitzender der FDP-Fraktion.

(Zuruf von der SPD: Eine Geburtstagsansprache!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen herzlichen Dank für die vielen Wünsche, die ich in den vergangenen Stunden bekommen habe. Ich gehe fest davon aus, dass Sie, wenn Sie mir Gesundheit wünschen, dies auch ernst meinen. Vielen herzlichen Dank.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Herrn Kollegen Frömmrich war wenig Jamaika und viel Kuba. Wir werden noch viel üben müssen, wenn Jamaika der Rum sein soll, den die Bundesregierung gemeinsam trinken will.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Rudolph,die Themen „Wechselschicht“ und „42 Stunden“ haben mit dem PTLV nichts zu tun. Kein Mitarbeiter des PTLV arbeitet in Wechselschicht.Deshalb ist es relativ egal, ob die 42 Stunden so herum oder so herum zu sehen sind.

Wir wollen mit dem Thema so umgehen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer im Raum sowie die Zuhörerinnen und Zuhörer darüber hinaus ein bisschen verstehen, worum es geht. Ich gebe für die FDP-Fraktion zu, dass wir zu Beginn der Diskussion über die Fragen des PTLV nicht gedacht haben, dass sie solche Dimensionen annimmt.Das gebe ich ganz offen und ehrlich zu.Ich hatte gehofft, dass die Angriffe, die zunächst medial – – Wir wissen alle, wie das Geschäft funktioniert. Ich war auch beim Reiten mancher Pferde dabei gewesen. Eines haben wir zu Tode geritten.

(Gerhard Bökel (SPD): Der Metternich, auch ein Alkoholiker!)

Dann dachten wir, das könne so nicht stimmen. Es ist schon starker Tobak, den Inhalt des Rechnungshofberichts zur Kenntnis nehmen zu müssen.Man muss aber relativ entspannt hinzufügen, dass der Rechnungshof diese

Arbeit nicht auf eigene Veranlassung begonnen hat, sondern einen entsprechenden Prüfungsauftrag nach einer neuen Regelung des Rechnungshofgesetzes vom zuständigen Minister erhalten hat.

Das Ergebnis aber ist erschütternd. Ich hätte nicht gedacht, dass auch in der Zeit, in der wir politisch mit Verantwortung getragen haben, so etwas in der Regierungskoalition von CDU und FDP passieren konnte, wie es offensichtlich passiert ist. Es kann nicht sein, dass das Vieraugenprinzip nicht beachtet wird. Es darf nicht sein, dass über 28 % der Beschaffungsvorgänge mangelhaft sind. Das ist fast ein Drittel. Das darf einfach nicht sein, insbesondere nicht bei einem Unternehmen, dessen Hauptaufgabe die Beschaffung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sich jemand damit zu beschäftigen hat, der das nebenbei macht, dann würde ich die Fehlerquote auch als zu hoch ansehen und Nachbesserungen einfordern. Eine Abteilung aber, die keine andere Aufgabe hatte, als zu beschaffen, darf diese hohe Fehlerquote nicht haben. Das finden wir als Liberale unerträglich. Ich glaube, dass der Herr Minister das im Nachhinein auch als unerträglich ansieht.

Funktionstrennungen haben nicht richtig stattgefunden. Die Rotation, die in diesem Bereich dringend notwendig ist, ist nicht beachtet worden. Ich will mich jetzt nicht über die Petitesse mit der Unterschriftsrücknahme usw. unterhalten. Damit hat Herr Kollege Rudolph Recht. In einer Ausschusssitzung hat uns übrigens ein Vertreter des Rechnungshofs belehrt, was man im Ministerium damit gemeint hat. Das ist aber alles Pillepalle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was aber nicht sein kann, ist diese Lagerhaltung. Einer muss doch geschlafen haben. Vielleicht haben aber auch kollektiv einige geschlafen. Immerhin geht es um Geld des Steuerzahlers.