Protocol of the Session on July 14, 2005

Auch beim Lesen lässt sich die gleiche Feststellung machen. Da kommen wir auch zu dem, was am Gesamtergebnis,ohne dass man Länder gegeneinander ausspielt,eigentlich auch für uns interessant sein müsste. Bayern liegt auch hier noch 25 Punkte hinter Finnland zurück. Das heißt, an dem, was sich in der deutschen Bildungslandschaft noch zu verändern hat,an dem wir uns messen müssen, ist in allen Bundesländern noch ein weiter Schritt zu tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, ich werde die Redezeit nicht länger ausschöpfen. Frau Kultusministerin. Ich denke, die Absicht hinter dem, was hier eben abgelaufen ist, war klar. Ich glaube nicht, dass Sie damit punkten können, wenn Sie uns mitteilen, Hessen sei auf dem gleichen Stand wie vor zwei oder drei Jahren.

(Zuruf von der SPD: Stillstand!)

Wir werden andere Veränderungen in diesem Bundesland vornehmen müssen, um entsprechende Kompetenzzuwächse zu erzielen.

(Norbert Schmitt (SPD):Diese Regierung feiert die Mittelmäßigkeit!)

Zum Abschluss, weil auch hier die Abhängigkeit des Bildungserfolgs der Kinder vom Sozialstatus noch einmal explizit genannt wurde: Auch dazu sagt diese Vorveröffentlichung noch etwas aus, was nicht dem entspricht, was die Kultusministerin gerade bekannt gegeben hat; denn es heißt darin, dass erst im ausführlichen Bericht die Zusammenhänge zwischen Merkmalen der sozialen Herkunft, der Bildungsbeteiligung und der Kompetenzentwicklung detailliert behandelt werden. Dazu heute schon etwas auszusagen halte ich für verfrüht und der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU: Herr Irmer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere außerordentlich, dass Sie sich nicht im Interesse Hessens darüber freuen, dass unsere Kinder gute Ergebnisse erzielt haben.

(Reinhard Kahl (SPD): Gute Ergebnisse? – Michael Siebel (SPD): Sie sind betriebsblind geworden!)

Ich kann verstehen, Herr Kollege Kaufmann, dass Sie das nicht hören wollen und dass Sie deshalb dagegen waren. Aber ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, Frau Kollegin Habermann, dass Sie alles, was hier als Ergebnis von

der Ministerin vorgetragen wurde, in entsprechend negativem Licht darstellen.

Sie haben gesagt, das sei alles nur vorläufig. Ich will von Seite 1 des Vorberichts zitieren.Es ist hier gefragt:Wie belastbar sind die Ergebnisse des Vorberichts? Die Antwort heißt: Bei den Ergebnissen, die im Folgenden vorgestellt werden, handelt es sich um Endergebnisse, die genau so im ausführlichen Bericht erscheinen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

So weit dazu, meine Damen und Herren.

Im Übrigen müssen Sie sich doch auch einmal fragen, warum beispielsweise die GEW – ich bin ja wirklich selten verdächtig, die GEW besonders gerne zu zitieren – in ihrem Gutachten in Nordrhein-Westfalen, das erst vor wenigen Tagen veröffentlicht worden ist, zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die bildungspolitische Situation in Hessen signifikant besser geworden ist. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, warum das Ihre eigenen Genossen in Nordrhein-Westfalen öffentlich erklären, meine Damen und Herren. Von daher sind wir in der Tat auf einem sehr, sehr guten Weg.

(Jürgen Walter (SPD): Ins Mittelfeld!)

Was wir machen, ist doch im Grunde genommen nichts anderes als bildungspolitische Aufräumarbeit von rot-grünem bildungspolitischem Schrott aus Ihrer eigenen Regierungszeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das, was die Ministerin staatstragend formuliert hat, darf ich als Abgeordneter vielleicht ein bisschen deutlicher formulieren. Es ist doch völlig unstreitig, wenn Sie die Ergebnisse über Jahrzehnte hinweg betrachten: Überall da, wo die Union insgesamt über lange, lange Jahre die Verantwortung für Bildungspolitik hatte, sind die Ergebnisse signifikant besser als in allen anderen Ländern; und sie sind genannt:

(Beifall bei der CDU)

Bayern, Baden-Württemberg,Thüringen, Sachsen.

Es gibt eine zweite Aussage:Da,wo die Union gemeinsam mit der FDP relativ kurz dran ist, fünf oder sechs Jahre, ob dass das Saarland ist oder Sachsen-Anhalt oder Hessen, ist erkennbar, dass es einen Aufwärtstrend gibt. Und da, wo Sozialdemokraten über lange Jahre Verantwortung getragen haben oder noch tragen, sind die Länder überall Schlusslicht. Das muss Ihnen doch einmal zu denken geben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erinnere daran – das wissen Sie doch eigentlich selber –, was ich vor zwei Jahren schon einmal an anderer Stelle gesagt habe. Es gibt und gab einen Brief der Arbeitsgemeinschaft für Bildungsfragen in der SPD. Die hat sich an die damals noch zahlreicheren SPD-Kultusminister gewandt und hat sich gegen Leistungsvergleiche ausgesprochen. Das war doch Ihr Kardinalproblem. Die Begründung ist noch das Interessante. In diesem Brief sind die Kultusminister der SPD davor gewarnt worden, Leistungsvergleichen zuzustimmen. Die Begründung lautet: weil doch völlig klar ist, dass überall dort, wo die Union regiert und das dreigliedrige Schulsystem besteht, die Ergebnisse signifikant besser sein werden als in den Ländern, wo es integrierte Systeme gibt.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Das heißt, Sie kennen doch eigentlich die Ergebnisse schon. Sie wollen sie nicht zur Kenntnis nehmen. Deshalb können wir aus unserer Sicht sehr mit dem zufrieden sein, was jetzt hier herausgekommen ist. Das ist ein weiteres Ergebnis auf dem Weg nach vorne. Die Kernaussage ist: Bayern vorn, Bremen hinten. Hessen ist in einem stabilen Mittelfeld auf dem Weg nach oben: Verbesserung bei der Lesekompetenz und bei der Problemlösungskompetenz. Unter Berücksichtigung der sozialen Herkunft sind wir bei den schulischen Leistungen mittlerweile vom drittletzten Platz ins Mittelfeld gekommen. Unabhängig davon kann man sagen: Generell gilt für Deutschland – das sollte uns doch gemeinsam freuen –, dass die Ergebnisse in Deutschland insgesamt besser geworden sind, aber besonders besser geworden sind in Hessen. Das ist doch auch ein Ergebnis.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiteres Ergebnis ist – das gehört dann zur weiteren, vertiefenden Analyse –: Überall dort, wo der Anteil von Kindern, die nicht Deutsch sprechen, bei 20 % und mehr liegt, gibt es einen signifikanten Leistungseinbruch. Aus der Erkenntnis heraus haben wir beispielsweise die Deutsch-Vorlaufkurse vor drei Jahren eingeführt. Sie haben doch in dieser Phase noch nicht einmal gewirkt. Deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass wir bei der nächsten PISA-Studie noch deutlich besser abschneiden werden, als wir bei der jetzigen ohnehin schon abgeschnitten haben.

Meine Damen und Herren, wir wissen doch alle gemeinsam: Bildungspolitik ist ein großer Tanker, der nur sehr schwer umzulenken ist, und alle Maßnahmen, die wir ergriffen haben, dienen einzig und allein einem einzigen Ziel,nämlich die Qualität von Schule in Hessen und damit die Berufs- und Lebenschancen unserer Kinder besser zu machen, ob das durch den Bildungs- und Erziehungsplan ist, der beim nächsten Mal greifen wird, oder ob es durch die Abschlussprüfungen geschieht, die dann natürlich greifen werden,oder die Vergleichsarbeiten oder das Landesabitur oder die Schulwahlfreiheit im Sinne von mehr Wettbewerb, die Lehrerausbildung, die geändert worden ist und die natürlich erst in einigen Jahren greifen wird, die Lehrerfortbildung, den Schul-TÜV, der aus unserer Sicht eine riesengroße Chance ist, etwas im Sinne von Qualität zu verändern. Wenn wir das alles einmal addieren und dann abwarten, was in drei Jahren bei der nächsten PISA-Studie herauskommt, wird sich zeigen – davon bin ich zutiefst überzeugt –, dass wir diesen erfolgreichen Weg, den wir – CDU und FDP – gemeinsam in diesem Bundesland eingeschlagen haben,weiter beschreiten werden, und die Ergebnisse werden für uns sprechen. Deshalb sind wir guten Mutes und freuen uns über das Ergebnis dieser Untersuchung im Interesse unserer Kinder in Hessen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Hinz das Wort.

(Zurufe von der CDU: Owei!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte schon befürchtet, dass es mit der PISA-Debatte so kommt,als die Kultusministerkonferenz die Teilveröffentlichung von PISA-E vorgezogen hat, also den nationalen Ländervergleich, dass er zu einer verkürzten Debatte genutzt wird und vor allen Dingen zum Schlagabtausch im Wahlkampf. Ich sage Ihnen nur: Das nützt weder den Schülerinnen und Schülern, noch führt es dazu, dass wir Hessens Schulen zu besseren Leistungen bringen. Im Übrigen heißt diese Teilstudie: Vorinformation. Herr Klein, vielleicht sollten Sie diese doch einmal lesen. Auf der ersten Seite steht: Dem Auftraggeber wie dem Auftragnehmer ist bewusst, dass eine angemessene Interpretation der Ergebnisse des Ländervergleichs erst auf der Basis des ausführlichen Berichts möglich sein wird. – Der wird Anfang November vorliegen. Aber Sie wissen heute schon, wieder einseitig parteipolitisch geprägt, genau, was richtig ist, wo es langgeht und dass Sie sowieso schon immer alles auf dem richtigen Weg hatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser CDU-Antrag ist wirklich an Plattheit nicht zu überbieten. Die Bildungspolitik ist nur da gut, wo CDU oder CSU regiert.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): So ist es!)

Meine Damen und Herren,warum ist eigentlich Hamburg dann überall so schlecht bei den Ergebnissen? Bei Frau Dinges-Dierig wäre man fast geneigt, zu sagen, dass es einen nicht wundert, aber das würde genauso bedeuten, dass man nur in diese parteipolitische Kerbe haut.

Es gibt noch ganz andere Ergebnisse, die Sie sich vielleicht einmal zu Gemüte führen sollten. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind bei der mathematischen Kompetenz im internationalen Vergleich nach diesem Ranking im Mittelfeld. Brandenburg und MecklenburgVorpommern sind nicht unbedingt seit vielen Jahren CDU-regiert. Schleswig-Holstein, Berlin, MecklenburgVorpommern sind im naturwissenschaftlichen Bereich im Mittelfeld, noch vor Hessen, meine Damen und Herren. Da liegen wir nämlich mit NRW auf dem letzten Platz im Mittelfeld.

Die Kultusministerin hat außerdem in ihrer Presseerklärung etwas schamhaft verschwiegen. Sie hat gesagt: Im mathematischen Bereich sind wir um einen Platz vorgerückt, in der Lesekompetenz um zwei Plätze. Beim naturwissenschaftlichen Bereich hat sie nur die Punktzahl genannt, weil da etwas verbessert wurde, aber real sind wir im Ranking vom achten auf den zwölften Platz zurückgefallen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Das gehört dann eben auch zur Wahrheit, wenn man nur ein Ranking macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jürgen Walter (SPD): Vertrauensfrage stellen!)

Aber das ist doch gerade das Fatale: Zurzeit wird erst das Ranking veröffentlicht. Das sagt noch nichts darüber aus, wie viele Lern- und Leistungszuwächse in den Schulen in den Ländern tatsächlich eingetreten sind. Es gibt Leistungszuwächse, die vor allem in den neuen Ländern eingetreten sind, weil da anscheinend eine besondere Anstrengung vorgenommen wurde. Deshalb sind wir als

Bundesrepublik auch international etwas besser geworden, weil sehr viele in bestimmten Leistungsbereichen besser geworden sind.

Hessen ist aber schlicht und einfach im Mittelfeld. Natürlich ist es besser, als im unteren Bereich zu liegen. Trotzdem kann man nicht sagen, dass alles gut sei, dass alles stabil sei, wir hätten die richtigen Maßnahmen eingeschlagen, wir müssten nur so weitermachen, und alles sei paletti.– Nein,meine Damen und Herren,so kann es nicht gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Markant ist nach wie vor die breite Streuung zwischen schlechten Kompetenzen und sehr guten Kompetenzen. Es muss uns nach wie vor zu denken geben, wenn wir eine solch breite Streuung haben. Das heißt nämlich, dass wir nach wie vor zu viele Bildungsverlierer haben. Das ist doch das Eigentliche, auf das wir unser Augenmerk richten müssen, dass wir die schwachen Schülerinnen und Schüler so fördern, dass sie in höhere Kompetenzbereiche vorstoßen, damit sie nicht zu Bildungsverlierern und damit zu Verlierern in unserer Gesellschaft werden. Denn nur über eine gute Bildung kann man gesellschaftliche Teilhabe ausüben und hat man auch einen Zugang zum Arbeitsmarkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Im Übrigen hat PISA 2003 international zumindest ergeben, dass die Lernzuwächse von 2000 auf 2003 im Wesentlichen im Gymnasium waren, nicht in den Hauptschulen. Wir schauen uns einmal im November an,ob sich das nach Schulformen für Hessen bestätigt. Es reicht eben nicht aus, nur zu sagen, die Schulform müsse besser werden, sondern wir müssen individuelle Förderung für die Kinder anbieten, damit sie mehr leisten können.