Heike Habermann
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Last Statements
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Stress, Überbelastung und mangelnde Freizeit aufgrund längerer Unterrichtszeiten sowie eine regelmäßig sehr hohe Hausaufgabenbelastung lassen kaum noch Freistunden für sportliche und musikalische Aktivitäten. Das Familienleben leidet unter der immensen Arbeitsbelastung der Kinder. Auch am Wochenende muss regelmäßig gelernt werden, um in der Schule mitzukommen.
So ist es in einem offenen Brief des Landeselternbeirats zu lesen, den er am 5. September an die Kultusministerin über die Auswirkungen von G 8 geschrieben hat. Das ist ein Brief, der von den Mitgliedern des Landeselternbeirats nach einer Diskussion formuliert wurde. Deshalb ist die gestrige Presseerklärung von Herrn Irmer mit dem Titel „Frau Geis lässt sich vor den Karren der SPD spannen“ eine Unverschämtheit.
Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf, sich von diesen Äußerungen zu distanzieren. Sie diffamieren damit nicht nur die Vorsitzende, sondern den gesamten Landeselternbeirat, der die Eltern in diesem Land vertritt.
Herr Irmer, Entgleisungen dieser Art sind wir von Ihnen gewohnt. Ich will noch aus einem Artikel des „Darmstädter Echos“ vom 31.10. zitieren. Es ging um eine Wahlkampfveranstaltung der CDU in Roßdorf. Hier berichtet Herr Irmer von einer Reise, auf der er die Staatlichen Schulämter besucht hat, und stellt fest, es gebe eigentlich gar keine Probleme mit G 8. Er sagt wörtlich:
Die normalen Eltern haben keine nennenswerten Probleme. Die Berufseltern mit anderer Feldpostadresse lasse ich mal beiseite.
Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Bildungspolitik ist schlimm genug. Aber dass Sie es zulassen, dass Herr Irmer mit den berechtigten Anliegen der Eltern sein parteipolitisches Süppchen kocht und angesichts des Wahlkampfs in blinde Hetzerei verfällt, ist ein Skandal.
Herr Irmer, wenn Sie nicht nur mit den Vertretern der Staatlichen Schulämter, sondern auch mit den Eltern reden würden, wüssten Sie, dass die Darstellungen des Landeselternbeirats noch sehr moderat sind.
Ich weiß aus Gesprächen, dass Eltern Arbeitsgemeinschaften zur abwechselnden Hausaufgabenbetreuung gründen.Ich weiß von den Eltern,dass ihre Kinder Stresssymptome zeigen und dass sie befürchten, dass die sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen massiv unter der G-8-Belastung leiden.
Die Kinder werden aus Sport- und Musikvereinen abgemeldet, damit die Zeit für die Hausaufgaben reicht.
Auch der Landessportbund weist inzwischen in einem Positionspapier auf diese Problematik hin. Er stellt fest, dass Kinder wegen G 8 nicht mehr zum Sporttraining kommen können, und fordert, die Gymnasialzeitverkürzung in der Mittelstufe zurückzunehmen.
Auf den Internetseiten des Kultusministeriums zur Information der Eltern über G 8 liest es sich noch ganz anders – ich zitiere –:
Wenn der unterrichtsfreie Samstag beibehalten wird, führt dies zwar zu einer Ausweitung des Unterrichts über die sechste Stunde hinaus, die Mehrbelastung am Nachmittag wird sich jedoch in Grenzen halten.
Frau Kultusministerin, dies ist ein Hohn. Sie wissen genau wie ich, welche Probleme die Eltern in diesem Lande vortragen. Diese Internetseite sollten Sie schleunigst korrigieren.
Aber genauso hat diese Kultusministerin noch bis Anfang September selbst geredet,
bis dann der nahende Wahltermin zu einer späten Einsicht führte und man Veränderungsbedarf signalisierte.
Was passiert nun mit diesem Veränderungsbedarf?
Man hat eine Arbeitsgruppe gegründet. Das ist sehr lobenswert. Frau Kultusministerin, in Ihrer ersten Stellungnahme – die habe ich sehr ernst genommen, die habe ich Ihnen auch abgenommen – haben Sie gesagt, bis zum Schuljahr 2009/2010 sei realistischerweise mit Veränderungen der Lehrpläne zu rechnen. Sie haben darauf hingewiesen, dass laut Vereinbarung der Kultusministerkonferenz bis zum Abitur 265 Stunden in den Stundentafeln untergebracht werden müssen, und Sie haben angedeutet, man könne auch darüber nachdenken, ob man einen Teil dieser Stunden schon in der Grundschule vorzieht.
Ich glaube, das würde die Situation eher noch verschlimmern – wenn man diesen Stress auch noch in die Grundschule überträgt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, lassen Sie mich an dieser Stelle sagen:
Ich halte diese Argumentation für realistisch. Deswegen ist Ihr Vorschlag ein Ausweg für Helden: Sie spitzen zwar den Mund, aber Sie pfeifen nicht. Sie fordern möglichst umgehend eine Veränderung der Lehrpläne, wissen aber, dass das eine gewisse Zeit braucht, wenn man das ordentlich machen will.
Frau Kultusministerin, Lehrpläne für G 9 gibt es allerdings, und danach arbeiten auch noch Klassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben auch offengelassen, was Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 heißt. Heißt das denn, dass man die Wahlfreiheit hat wie derzeit, an einer integrierten Gesamtschule oder an einem Gymnasium Abitur zu machen? Oder heißt das, Sie wollen die Gymnasien auffordern, G 8 und G 9 gleichzeitig anzubieten? Ich glaube, auch die Klärung dieser Frage würde etwas dazu beitragen, dass wir uns mit Ihrem Konzept etwas näher auseinandersetzen könnten.
Frau Kultusministerin, Sie haben die Bedenken von Eltern, Lehrerverbänden und Schülern von Anfang an mit gewohnter Arroganz ignoriert. Schon bei der Verabschiedung Ihres Gesetzes zum Abbau der Qualität in hessischen Schulen haben die Ihnen mit 25.000 Unterschriften
bescheinigt, was sie von der Einführung von G 8 halten – nämlich gar nichts.
Übrigens waren die Argumente damals die gleichen wie heute. Wie üblich haben Sie Ihre bildungspolitischen Experimente mit der Brechstange durchgesetzt,
ohne auf die Kritik der Betroffenen zu hören, die frühzeitig geäußert wurde.
Wenn man fragt, warum, dann hört man immer, ein Hauptargument für die Einführung der verkürzten Gymnasialzeit ist, die Chancen der hessischen Jugendlichen im internationalen Vergleich müssten durch Verkürzung der Ausbildungszeiten verbessert werden.
Frau Kultusministerin, ich habe Ihnen gestern in der Debatte zum Haushalt schon einmal gesagt, wenn Sie dieses Argument selbst ernst nehmen, dann müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie nicht durch die flexible Eingangsstufe den Kindern schon am Schulanfang die Chance geben, ihre schulische Ausbildung zu verkürzen.
Lernzeit kann ebenso wie der Unterricht individuell und flexibel gestaltet werden. Das gilt für den Schuleintritt und auch für die Ausgangsphase in der Oberstufe.
Auch eine weit reichende Flexibilisierung der Oberstufe führt zur Schulzeitverkürzung, ohne sie für alle verbindlich zu machen. Deswegen soll es einen individuellen Weg zum Abitur nach zwölf Jahren geben,
es muss aber auch die Möglichkeit bestehen bleiben, dass Kinder 13 Schuljahre zum Abitur haben, ohne ständig unter Druck und Versagensängste zu geraten.
Das System muss sich den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen anpassen, nicht umgekehrt. Schnell lernende Kinder sollen auch schneller voranschreiten können, langsam lernende Kinder sollen sich mehr Zeit lassen können.
Nur so wird es möglich sein, allen Kindern eine optimale Entwicklung zu ermöglichen.
Herr Weinmeister, jetzt will ich noch einmal über Ihren Antrag sprechen. Er ist intellektuell so schlicht, dass man darüber wirklich noch ein paar Worte verlieren muss.
Sie bringen es tatsächlich fertig, Schulwahlfreiheit und Verkürzung der gymnasialen Mittelstufe in einem Antrag zu verbraten und uns verbieten zu wollen,
die Diskussion um G 8 – –
Könnten Sie einmal für Ruhe sorgen? Ich kann mich nicht mehr konzentrieren.
Gut, ich fange also noch einmal an. Vielleicht ist Herr Weinmeister dann in der Lage, dem intellektuell zu folgen.
Sie bringen es fertig, festzustellen,
dass unsere Diskussion um G 8 den Gymnasien schaden wolle. Das ist wirklich eine intellektuelle Glanzleistung –
wenn ich gleichzeitig die Botschaft des Landesvorsitzenden des Hessischen Philologenverbandes Knud Dittmann vom Vertretertag in Fulda an die Kultusministerin sehe; ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 09.11. dieses Jahres:
G 8 ist Hokuspokus, seine Einführung eine krasse Fehlentscheidung.
Er fordert die Abschaffung der verkürzten Schulzeit bis zum Abitur und stellt fest, das Turbo-Abitur führe zu einem Qualitätsverlust und einer immensen Belastung für die Gymnasiasten.
Meine Damen und Herren, der Realitätsverlust bei Ihnen muss wirklich sehr groß sein, wenn Sie sagen, wir greifen das Gymnasium an, weil wir die gleichen Argumente gebrauchen, die die Gymnasiallehrer in der Öffentlichkeit vertreten. Das ist wirklich eine Glanzleistung.
Ich will zum Abschluss kommen. Peter Harnack hat es in der letzten Woche in der „Frankfurter Rundschau“ sehr schön auf den Punkt gebracht: G 8 heißt mehr Frust und weniger Bildung, und deswegen muss das hessische Modell der verkürzten Gymnasialzeit zurückgenommen werden. Es muss abgeschafft werden.
Wenn ich Sie sehe, fällt mir das schwer.
Herr Weinmeister, ich habe etwas dagegen, wenn Sie hier vorne am Rednerpult Menschen zitieren, die sich nicht dagegen wehren können, falsch zitiert zu werden.
Wie Sie die Vorsitzende des Landeselternbeirats zitiert haben, kann vielleicht Herr Wagner in seiner anschließenden Rede noch richtig stellen,
aber wie Sie Herrn Domisch zitiert haben, werde ich hier nicht so stehen lassen. Finnland hat zwar zwölf Jahre bis zum Abitur,
aber es hat genau das System, über das ich vorhin gesprochen habe,
nämlich eine flexible Schulzeit, die es zulässt, dass Kinder auch 13 oder gar 14 Jahre bis zum Abitur in der Schule sind, ohne deswegen – wie das in Ihrem System üblich ist – mehrere „Ehrenrunden“ drehen zu müssen und Angst zu haben, überhaupt nicht mehr zu einer Abschlussprüfung zu kommen. Das ist der erste Punkt.
Zweitens hat Finnland vor langer Zeit das geschafft, bei dem wir noch am Anfang stehen, nämlich eine frühkindliche Bildung auf die Beine zu stellen, die gleiche Bildungschancen und bessere Startchancen von Anfang an gewährleistet. Sehen Sie, das genau ist der Unterschied. Wenn Sie zwölf Jahre zur Regel machen wollen, können Sie nicht mit einem solchen Schulstart und mit einem solchen Stand der frühkindlichen Bildung ins Rennen gehen, denn dann riskieren Sie, dass Sie unterwegs viel zu viele auf der Strecke lassen.Deswegen werden wir zunächst genau das ändern, und dann reden wir über alles andere.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Beratung über den Einzelplan 04 kommt am heutigen Tag eigentlich zu spät, denn die bildungspolitische Debatte hat heute Morgen der Ministerpräsident für die Landesregierung geführt. Ich will Ihnen sagen, warum die Bildungspolitik in diesem Land inzwischen zur Chefsache geworden ist. Roland Koch muss den Ausputzer für eine Kultusministerin spielen, deren Bildungspolitik gescheitert ist und die es noch nicht einmal mehr schafft, Zuversicht und Zustimmung in den eigenen Reihen zu organisieren.
(Beifall bei der SPD Sie schafft dies nicht in den eigenen Reihen und auch nicht bei den Eltern und den Lehrkräften in diesem Land. Roland Koch wollte seiner Partei Mut zusprechen. Ich denke, den kann sie im bevorstehenden Wahlkampf gut gebrauchen. Die Abgeordneten der Fraktion der CDU, die Abend für Abend auf bildungspolitischen Veranstal- tungen im Land den Unmut und den Zorn der Eltern zu spüren bekommen, wissen ganz genau, dass sie diesen Mut brauchen werden. (Beifall bei der SPD)
Dabei ist Ihnen bis jetzt nicht klar geworden, wo das eigentliche Versagen Ihrer Schulpolitik liegt, wo Sie große Fehler gemacht haben. Das hat man auch heute Morgen in der Rede des Ministerpräsidenten wieder gehört. Diese Erkenntnis ist bei Ihnen noch nicht angekommen.
Ich möchte gern ein Zitat in die Debatte einführen. Der Herr Ministerpräsident hatte heute Morgen sehr schöne Zitate auf Lager. Mein Zitat stammt von Ludger Wößmann. Er ist Bildungsökonom und Professor an der Lud
wig-Maximilians-Universität München. Außerdem ist er Abteilungsleiter am ifo Institut für Wirtschaftsforschung.
Es wäre ganz sinnvoll, wenn Sie zuhören würden. Ich habe deshalb so lange zur Person von Prof.Wößmann ausgeführt, um Ihnen zu zeigen, dass er nicht verdächtig ist, unsere parteipolitischen Konzeptionen zu unterstützen.
Herr Wößmann schreibt zum Thema Schulsystem:
Wir müssen zwei Hauptprobleme angehen. Zum einen sind das die insgesamt unterdurchschnittlichen Leistungen im internationalen Vergleich, und zum anderen hängt Schulleistung zu stark vom familiären Hintergrund ab. Dafür sind unterschiedliche Lösungen notwendig. Im Bereich der Chancengleichheit sind es längeres gemeinsames Lernen und ein ausgebautes frühkindliches Bildungssystem. Beim Leistungsniveau sind es vor allem die Selbstständigkeit der Träger und die externe Leistungskontrolle.
Zur Selbstständigkeit der Schulen, auf die ich zuerst eingehen will, stehen, wie ich glaube, alle Parteien in diesem Hause, und sie haben dazu entsprechende Aussagen getroffen. Wir haben unser Konzept dazu bereits vorgelegt, als diese Kultusministerin unausgegorene Fragmente in Regierungserklärungen noch als „Meilensteine“ bezeichnet hat. Was unser Konzept allerdings von dem Ihren unterscheidet,Frau Kultusministerin:Sie setzen auf Überregulierung; Sie haben den Irrglauben, dass mehr Tests und Prüfungen auch mehr Qualität bedeuten. Diesen Glauben haben wir nicht.
Der Gipfel Ihres Konzepts der Eigenverantwortlichkeit ist die Unterrichtsgarantie plus. Kaschieren zu wollen, dass man die eigenen Versprechen nicht halten kann, und den Schulen unter dem Deckmantel von mehr Eigenverantwortlichkeit den Schwarzen Peter dafür zuzuschieben, das hat nichts mit Qualität und auch nichts mit Leistung zu tun. Das ist schlicht und einfach ein Versagen auf dem Rücken der Schulen, der Schüler und der Eltern.
Ich komme jetzt zu der zweiten Feststellung von Ludger Wößmann, die ich noch einmal wiederholen will: „Im Bereich der Chancengleichheit sind es längeres gemeinsames Lernen und ein ausgebautes frühkindliches Bildungssystem.“
Auch da können wir Herrn Wößmann nur voll zustimmen.Auch hierfür haben wir ein Konzept im Haus der Bildung entwickelt. Wir wollen nämlich nicht nur bessere Leistungen, sondern wir wollen, dass mehr junge Menschen überhaupt die Chance haben, bessere Leistungen in unserem Schulsystem zu erreichen.Wir können mit Ihnen darüber so lange nicht diskutieren, wie Sie Ihren vorsintflutlichen Ideologien und Ihren Vorstellungen von einer Zwangseinheitsschule nachhängen. Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Sie werden im Wahlkampf damit auf den Bauch fallen, weil die Eltern und die Lehrer in diesem Lande wesentlich weiter sind als die Sprüche, die die hessische CDU hier klopft.
Ich komme zum Bereich frühkindliche Bildung. Da sind wir uns im Prinzip einig. Mit der Vorlage dieses Haus
haltsentwurfs haben Sie das Scheitern des Bildungs- und Erziehungsplans in diesem Lande besiegelt. Es bedurfte schon einiger Nachfragen in der kursorischen Lesung, um herauszufinden, ob das Kultusministerium in den kommenden Jahren überhaupt Mittel zur Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans zur Verfügung stellt. Hierfür haben wir 500.000 c im Produkt „Fach- und Vollzugssteuerung“ gefunden. 73.000 c davon sind für Multiplikatorenschulungen, 115.000 c für die Fachberatung. Der Rest geht in Hochglanzbroschüren und Honorare.Im Haushalt des Kultusministeriums gibt es aber keine Mittel für die dringend notwendige Qualifizierung,keine Mittel für eine gemeinsame Fortbildung von Erziehern und Grundschullehrkräften, und es gibt keine Mittel für zusätzliche Personalstunden,um den Kooperationsauftrag zwischen Kindergärten und Grundschulen überhaupt erfüllen zu können.
Ohne die Bereitstellung dieser Mittel bleibt der Bildungsund Erziehungsplan eine theoretische Grundlage, deren Umsetzung in der Praxis scheitern wird.Wo bleiben denn die Ansätze im Haushalt, um beispielsweise eine flexible Schuleingangsstufe zur Regeleinrichtung zu machen? Auch hier Fehlanzeige im Bereich der Stärkung der frühkindlichen Bildung.
Wenn ich Ihr Argument ernst nehme, das Sie bezüglich der Verkürzung der Gymnasialzeit geäußert haben, dass diese nämlich die Konkurrenzfähigkeit stärke, dann frage ich: Warum fangen Sie damit eigentlich nicht früher an? Warum fangen Sie nicht in der Grundschule damit an und geben Kindern die Chance, die ersten beiden Grundschuljahre in einem Jahr zu durchlaufen, und den anderen Kindern, die etwas länger brauchen, die Chance, eine solide Grundlage aufzubauen, um später ebenfalls einen guten Bildungsabschluss zu erreichen? Auch hier: Fehlanzeige auf der ganzen Linie.
Wenn wir schon beim Thema Förderung sind:Der Bereich Ganztagsschulen wurde heute Morgen vom Ministerpräsidenten angesprochen. Auf dem Schulleiterkongress wurde das vollmundige Versprechen gegeben, das da heißt, ab 2013 soll es ein flächendeckendes Angebot an ganztägig arbeitenden Schulen in Hessen geben. Es hat vier Jahre gedauert, bis Sie das Wort Ganztagsschule überhaupt in den Mund genommen haben.
Dann sind fünf Jahre verstrichen, und Sie haben es nicht geschafft,
auch nur eine Handvoll Ganztagsschulen einzurichten, in offener und gebundener Form, die diesen Namen überhaupt verdienen.
Jetzt ist in diesem Haushaltsplan keinerlei Perspektive für die Aussage: Bis 2013 werden wir ein flächendeckendes Angebot haben. – Null und nichts sind zusätzlich darin.
Da ist Zusätzliches drin? – Das ist eine Frage,die Sie uns gerne beantworten können.
Wir haben mit unserem Haus der Bildung Angebote vorgelegt, die genau diesen Bereich stärken wollen.Wir wollen gemeinsame Fortbildung von Lehrkräften und Erziehern finanzieren. Wir wollen die Kooperationsstunden fi
nanzieren, und wir wollen einen Anfang und den ersten Schritt machen, um die Schuleingangsstufen flächendeckend einzuführen.Wir wollen auch, dass die Schulen die Chance haben,Ganztagsschulen zu werden,um länger gemeinsam zu lernen. Das werden wir im nächsten Jahr umsetzen können.
Wir wollen darüber hinaus die Zweckbindung der 30 Millionen c für die Unterrichtsgarantie plus aufheben und diese Mittel den Schulen zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung überlassen.
Ob sie damit feste Stellen für Vertretungsunterricht schaffen, ob sie zusätzliche Angebote oder Projekte für Vertretungsfälle entwickeln oder anderes Personal beschäftigen, können die Schulen im Interesse ihrer Schüler und ihres Schulprogramms selbst entscheiden.
Schließlich wollen wir den Bereich des lebenslangen Lernens stärken, und zwar in diesem Jahr mit 1 Million c zusätzlich. Wir unterstützen die regionale Zusammenarbeit vor Ort und wissen, dass es großes Interesse in den Regionen gibt, sich am Projekt Hessen-Campus zu beteiligen. Die zusätzlichen Mittel sollen dies weiteren Trägern ermöglichen. Wir wollen aber auch anteilig die Finanzierung nach dem Hessischen Weiterbildungsgesetz für Volkshochschulen und freie Träger aufstocken, nachdem der Anteil des Landes an der Förderung der Weiterbildung seit Jahren auf niedrigem Niveau eingefroren ist.
Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.
Die Träger haben genug schöne Worte über die Bedeutung lebenslangen Lernens gehört. Ich denke, hier sind in den kommenden Jahren zusätzliche Finanzmittel notwendig, um diese Aussage auch Realität werden zu lassen.Wir können nicht verstehen, dass die CDU-Fraktion ihre Aufstockung der Mittel für Weiterbildung ausschließlich den freien Trägern zukommen lässt und nicht, wie üblich, zwischen den Trägern der Weiterbildung eine gerechte Verteilung organisiert.
Sie werden heute unsere Anträge wieder ablehnen. Das wissen wir. Aber wir wissen auch, wenn wir sie im nächsten Jahr einbringen, können wir beginnen, das Haus der Bildung zu gestalten, denn dann werden diese Anträge in diesem Hause eine Mehrheit bekommen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Henzler,ich habe mich an der Stelle gemeldet,als Sie über das Hamburger System und über die gleiche Ausstattung von Schulen gesprochen haben. Ich habe mich gemeldet, weil ich diese Argumentation für falsch halte. Ich will nicht sagen, für unredlich.Aber ich wollte an dieser Stelle zumindest einige Bemerkungen dazu machen.
Sie wissen genau, dass auch zurzeit Schulen nicht gleich ausgestattet sind. In Hessen kann eine Gymnasialklasse mit 33 Schülern und eine Hauptschule mit 18, höchstens 20 Schülern bestehen. Das heißt, wir gehen auch davon aus, dass insbesondere Schüler mit schwächeren Lernvoraussetzungen eine stärkere Bindung an die Lehrkräfte brauchen, dass wir dort eine intensivere Förderung in den Klassen brauchen. Ich glaube, genau das gilt auch, wenn man Klassen mit sehr heterogener Schülerschaft unterrichtet. Das ist genau der Inhalt dessen, was Herr Wagner vorgetragen hat, was auch wir unter individueller Förderung und Differenzierung innerhalb der Klassen verstehen. Dafür bedarf es einer großen pädagogischen Anstrengung, und dafür bedarf es meines Erachtens auch einer besonderen Ausstattung. Ich glaube, man kann an dieser Stelle nicht davon reden, dass dies ungerecht sei oder einen Zwang auf Eltern ausübe, sich für bestimmte Schulformen zu entscheiden. Frau Henzler, Ihre Form von Gleichheit hat zu genau der Ungleichheit der Bildungschancen in Hessen geführt, die wir im Moment haben. Da wollen wir gerne Abhilfe schaffen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Irmer, Sie haben einen einzigen richtigen Satz in Ihrer Rede gesagt. Ich will ihn wiederholen: Jedes Kind hat das gleiche Recht auf Bildung.
Sehen Sie, genau weil das so ist, frage ich mich, was Hessen in den letzten Jahren in der Schulpolitik gemacht hat, damit Sie dieses gleiche Recht auch umsetzen; denn das haben Sie nicht getan. Da haben Sie auf ganzer Linie versagt.
Wenn Sie von uns Erklärungen dazu haben wollen, was wir in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen, und sagen, wir sollten es der Öffentlichkeit erklären, sage ich Ihnen: Wir erklären das im Moment der Öffentlich
keit, und wir stoßen dort auf sehr viel mehr Verständnis, als wir das natürlich von Ihrer Seite aus haben.
Ich werde Ihnen hier nur noch partiell erklären, Herr Irmer, was unsere Positionen sind, nämlich entsprechend Ihrer Aufnahme- und Wahrnehmungsfähigkeit. Es macht keinen Sinn, ständig zu wiederholen, wie Sie das tun, immer die gleichen Sätze herzuplappern. Denn das führt uns in dieser Diskussion nicht weiter.Sie wissen auch nur,dass Sie damit von dem ablenken wollen,was Sie in Hessen angerichtet haben.
Wir reden lieber von der Bildungspolitik plus, wie das – so habe ich heute verstanden – künftig in Hessen heißt. Bildungspolitik plus ist wohl etwas Ähnliches wie die Unterrichtsgarantie plus, und über deren Folgen und deren Akzeptanz bei Eltern, Lehrern und Schülern müssen wir eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. Die Unterrichtsgarantie plus ist schon bei der Namensgebung verunglückt. Deswegen wäre ich mit weiteren Pluszeichen sehr vorsichtig, Herr Irmer. Sie sorgen weiterhin für Verdruss bei Eltern und Lehrerkollegien.
Sie sind letztlich daran gescheitert – wie in manchen anderen Fällen –, dass Sie den Mund zu voll genommen haben und Ihr Versprechen gebrochen haben, es werde keine Unterrichtsstunde mehr ausfallen. Sie müssen auf der anderen Seite den Menschen klarmachen, was denn noch Unterricht ist, wenn Menschen darin sind, die alle möglichen Qualifikationen haben – die streitet ihnen niemand ab –, aber nicht die Ausbildung zu einem Lehramt, nicht die Qualifikation, Kinder zu unterrichten.
Herr Boddenberg, ich würde einer Lehrkraft auch keinen Vertretungsauftrag für das Führen eines Flugzeugs erteilen. Damit werte ich in keiner Weise ihre Qualifikation ab.
Nein, Herr Boddenberg, dort, wo Unterricht draufsteht, dort gehören Lehrer hinein und niemand anderes.
Die Schulen werden in Zukunft die Möglichkeit erhalten, mit einer ausreichenden Zahl von Lehrkräften verlässliche Schule zu organisieren, aber auch mit Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen und die nicht daran gebunden sind, dass die Statistiken der Kultusministerin ihre Ordnung behalten müssen.
Ich habe im Wahlprogramm der hessischen CDU gestöbert. Dort gibt es ein Kapitel: „Hessen – Vorreiter beim E-Government“.
Ich erinnere mich noch sehr gut an eine fürchterlich langweilige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, in der er sich ausführlich zu den Fortschritten der Landesre
gierung in diesem Bereich geäußert hat. Der Frust mit der LUSD lag damals noch in der Zukunft. Was sich hier in den vergangenen Monaten an den Schulen abgespielt hat, lässt die Überschrift im Regierungsprogramm eher als Drohung erscheinen.
Schüler müssen in endlosen Sitzungen am Computer aktiviert werden, habe ich mir berichten lassen. Diese Aktivierung findet nicht nur einmal statt. Vielmehr muss sie für alle Fächer erfolgen, in denen die Schüler unterrichtet werden.
Wenn das einmal erfolgreich gelungen und das System bis dahin nicht abgestürzt ist, dann muss man damit rechnen, dass die Daten beim nächsten Aufruf möglicherweise schon wieder verschwunden sind.Außerdem gibt es sogenannte Geisterschüler, die schon einmal 107 Jahre lang die Grundschule besucht haben.
Die Kultusministerin taucht im Ausschuss ob solcher Katastrophenmeldungen ab und schickt stattdessen ihren Staatssekretär. Dieser stellt sich mit breiter Heldenbrust vor seine Ministerin und erklärt lächelnd, man habe die Probleme erkannt und arbeite daran.Herr Staatssekretär, da freuen wir uns. Die Schulen würden sich wahrscheinlich noch mehr freuen, wenn diese Arbeit auch irgendwelche Erfolge zeitigen und zu einem funktionsfähigen System führen würde.
Jetzt ist Karin Wolff auch noch beleidigt und wirft der Opposition vor, sie schlachte den Frust mit der LUSD politisch aus.
Frau Kultusministerin, was denn sonst? Was hätten Sie denn an unserer Stelle gemacht? Frau Kultusministerin, wenn dies das einzige Fiasko wäre, das Sie in Ihrer Leistungsbilanz zu verbuchen hätten, wäre das Echo, das Ihnen nicht nur von den Mitgliedern der Opposition, sondern auch aus den Schulen entgegenschlägt, womöglich gemäßigter.
Die an den Schulen Arbeitenden wären wahrscheinlich auch geduldiger, wenn sie Arbeitsbedingungen hätten, die ihnen eine positive Schulentwicklung und eine bestmögliche Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler ermöglichen würden. Aber da besteht leider Fehlanzeige. Deswegen ist der Frust mit der LUSD das Tüpfelchen auf dem i, mit dem die Stimmung im Lande noch einmal zusätzlich angeheizt wurde.
Aber die LUSD ist nur ein Symptom in einer langen Reihe von Fehlentscheidungen. Es ist ein Debakel, dass Sie jetzt den Schulen erklären, sie müssten sich ein weiteres Jahr mit den Folgen dieser LUSD herumschlagen. Es ist auch überfällig – das will ich ganz deutlich sagen –, dass Sie endlich eine klare Aussage zu den Kosten machen, die durch die bereits jetzt angefallene Mehrarbeit entstanden sind, und zu dem Ausgleich, der den Schulträgern und den Schulen für die Mehrarbeit zur Verfügung zu stellen ist. Ich glaube, das ist das Mindeste, was man zu diesem Zeitpunkt tun muss.
Die Fristverlängerung bis zum 1. November 2007 zur Abgabe der Daten für die Schulstatistik ist schön und gut. Aber die Mehrarbeit, die sich daraus ergeben hat, muss rückvergütet werden. Das muss den Schulsekretärinnen und den Schulträgern zur Verfügung gestellt werden. Da erwarten wir, dass es zu einer Lösung kommt.
Mit der LUSD belasten Sie Lehrkräfte und Schulsekretärinnen, mit G 8 haben Sie dafür gesorgt, dass die Belastung und der Stress für die Kinder am Gymnasium und für deren Eltern unzumutbar gesteigert wurden. Bei der Lesung der Novelle des Schulgesetzes wurde hier ein Bündel von Unterschriften übergeben. Es waren 74.000 Unterschriften von Eltern,Lehrern und Schülern,die sich gegen die Einführung von G 8 ausgesprochen haben. Die Unterschriften wurden im Plenarsaal übergeben.
Herr Irmer – ich möchte ihn angucken, aber ich sehe ihn nicht. Das macht nichts. Herr Irmer vergisst immer, zu sagen, dass der Landeselternbeirat zwar der Stundentafel und den Lehrplänen zugestimmt hat, dass er aber das nur deswegen tat, weil er zu diesem Zeitpunkt absehen konnte, dass das Kultusministerium G 8 ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Rücksicht auf die Kritik der Gremien durchsetzen wollte, koste es, was es wolle. G 8 wird bis zum heutigen Zeitpunkt sowohl vom Landeselternbeirat als auch von den Schüler- und Lehrergremien abgelehnt.
Herr Irmer, das, was Sie sagen, ist nicht richtig. Sie behaupten, Ganztagsschulen seien das Gleiche wie das, was sich im Moment bei G 8 abspielt. Ich habe Sie immer für flexibel genug gehalten, dass Sie erkennen, dass es nicht um Zwangsganztagsschulen geht. Das hat keine der Parteien jemals in irgendeiner Form in ihrem Programm gehabt. Vielmehr geht es darum, dass die Ganztagsschulen ein pädagogisches Konzept haben, bei dem der Unterricht, die Förderung, die Freizeit und die Angebote der Vereine miteinander kombiniert und über den Tag ausgedehnt werden.
Das, was im Moment an den hessischen Schulen passiert, bedeutet 34 bis 36 Stunden Unterricht in der Woche. Es häufen sich die Berichte der Eltern,die sagen,dass das Familienleben unter dieser Anspannung leidet. Die Eltern haben Angst, dass ihr Kind nach einer Erkrankung in der Klasse den Anschluss verliert. Sie haben Angst, dass die gesellschaftlichen Kontakte der Kinder und die Kontakte zu Vereinen sowie die Freizeitaktivitäten viel zu kurz kommen, weil sich das gesamte Leben auf die Schule konzentrieren muss. So wollten wir lebenslanges Lernen eigentlich nicht verstanden haben. Kinder dieser Altersstufe sollten nicht bereits in dieser Art und Weise belastet werden.
Die Kritik ist jetzt auch im Kultusministerium angekommen. Plötzlich kündigt die Kultusministerin an, die Bestimmungen zum verkürzten Abitur würden überarbeitet. Zwei Jahre lang hat es Proteste gegeben. Zwei Jahre lang haben die Eltern, die Lehrer und auch die Schüler auf die Folgen von G 8 hingewiesen. Das ist alles verpufft. Aber jetzt werden Änderungen angekündigt. Von einer Evaluation der Lehrpläne ist die Rede, und außerdem vom Jahr 2009. Ich glaube, das wird niemanden beruhigen, dessen Kind im Moment eine gymnasiale Mittelstufe besucht.
Frau Kultusministerin, ich versichere Ihnen, die Eltern werden nicht bis zum Jahr 2009 warten. Es gibt nur eine Lösung für den Murks, den Sie angerichtet haben, das ist die Rücknahme der Verkürzung der Gymnasialzeit in der Mittelstufe. Das werden wir vornehmen. Denn es entspricht dem, was die Kinder in der Mittelstufe lernen sollen, besser, wenn sie dafür ein Jahr länger Zeit haben. Das entspricht auch unserer Forderung nach Durchlässigkeit des Schulsystems.
Die Verkürzung der Schulzeit ist nämlich kein Wert für sich. Sie lässt sich darüber hinaus auch für Kinder, die schneller lernen, umsetzen, ohne dass damit eine ganze Schülergeneration belastet wird. Der flexible Schuleingang oder eine flexible Oberstufe sind die Antworten auf unterschiedliche Ausgangslagen hinsichtlich des Lernens und unterschiedliche Begabungen.
Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schulsystems, die von Frau Wolff immer angeführt wird, steigert sich nicht dadurch, dass von den 45 % der am Gymnasium angemeldeten Schüler gerade noch gut 30 % am Ende der Oberstufe ankommen. Viele von ihnen haben bis zu diesem Zeitpunkt trotz oder gerade wegen der Schulzeitverkürzung immer noch 13 oder 14 Schuljahre auf dem Buckel, weil sie sitzen geblieben sind oder weil sie ein Jahr wiederholt haben. Schon jetzt wiederholen 6,5 % der Gymnasialschüler die Klasse 11. G 8 wird seinen Beitrag dazu leisten, dass diese Zahl nochmals steigen wird.
Ich möchte jetzt auf die Ignoranz zu sprechen kommen. Wir sprechen dabei aber nicht von der „Ignoranz des Elternwillens“, wie es im Titel des Antrags der GRÜNENFraktion heißt.Vielmehr reden wir über die Ignoranz der Kultusministerin, die sich nicht scheut, den Willen der Eltern,Schulen und Schulträger ad absurdum zu führen.Anträge auf Umwandlung in integrierte Gesamtschulen werden augenscheinlich mit fadenscheinigen, ausschließlich ideologisch begründeten Argumenten abgelehnt.
Ich will dazu zwei Beispiele anführen,die das deutlich machen. In Offenbach fordern wir seit Jahren die Einrichtung einer weiteren integrierten Gesamtschule. Zum letzten Schuljahr waren es 140 Eltern, deren Wunsch auf einen Platz für ihr Kind in einer integrierten Gesamtschule abgelehnt werden musste.
Die Frau Kultusministerin wird dabei nicht müde, zu betonen, dass sie bereits eine zweite integrierte Gesamtschule in Offenbach genehmigt habe. Frau Wolff, ich denke aber, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Bedarf in Offenbach das Angebot an Plätzen in integrierten Gesamtschulen offensichtlich weit übersteigt.
Dieser Wunsch wird nicht nur von den Eltern und dem Lehrerkollegium getragen. Er wird auch von der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung getragen.
Der Antrag auf Einrichtung einer integrierten Gesamtschule wird mit der Begründung abgelehnt, es gebe in Offenbach nicht genug für den gymnasialen Zweig geeignete Kinder.Diese Begründung ist natürlich entlarvend.Denn, Frau Kultusministerin, Sie wissen sehr wohl, dass es keine wie auch immer geartete Empfehlung der Grundschule bei Übergang auf die integrierte Gesamtschule gibt. Da entscheidet allein der Wunsch der Eltern.
Hier wird sich bewusst über den Wunsch der Eltern nach einem offenen Schulangebot hinweggesetzt. Meines Erachtens nach hat das rein ideologische Gründe. Ein Grund ist, dass Sie verhindern wollen, dass der Bedarf nach Plätzen in integrierten Gesamtschulen, der in Hessen steigend ist, auch erfüllt werden kann.
Ich komme zum zweiten Beispiel. Es stammt aus dem Landkreis Waldeck-Frankenberg.
Hier gibt es sogar eine einstimmige Entscheidung all derjenigen, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Ich habe jetzt gehört, dass die Mitglieder der CDU-Fraktion das seit Neustem doch etwas differenzierter sehen würden.
Ja,das habe ich mir auch sagen lassen.– Aber es gibt dort zumindest einen einstimmigen Beschluss, der zu einem Antrag an das Kultusministerium geführt hat. Diese Umwandlung einer kooperativen Gesamtschule in eine integrierte Gesamtschule wurde ebenfalls abgelehnt. Die Begründung ist in diesem Fall eine andere. Dieses Mal heißt es, durch die Umwandlung in eine integrierte Gesamtschule sei ein Haupt- und Realschulstandort in der Nähe gefährdet.
Ich komme zum Schluss meiner Rede, wenn ich das zusammengefasst habe, was ich eigentlich noch alles sagen wollte.
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Kultusministerin Richtwerte in das Schulgesetz aufgenommen hat und dass dann Schulstandorte aufgrund dieser Richtwerte geschlossen wurden.
Die gleiche Kultusministerin hat aufgefordert, vor Ort zu intelligenten Lösungen zu kommen. Die Schulträger sollten über Schülerlenkungen nachdenken. Frau Kultusministerin, wenn die vor Ort das jetzt haben wollen und ein Bildungsangebot für ihre Kinder in Form einer integrierten Gesamtschule haben wollen, die den Kindern möglichst lange den Weg offenhält, dann wird von Ihnen die Genehmigung dafür versagt. Das ist sehr erklärungsbedürftig, denn auch hier hat Sie Ihre eigene Ideologie wieder einmal überholt.
Wir werden noch mehr Gelegenheit haben, einen Radikalschlag über die gesamte Bildungspolitik zu fahren. Deshalb mache ich an dieser Stelle Schluss und erwarte von Ihnen einige Antworten, Frau Kultusministerin.
Herr Boddenberg, ein Blick in unser Bildungskonzept würde genügen, um Ihnen zu zeigen, was ich mit meiner Bemerkung gemeint habe. Darin steht nämlich, dass
Schulen, die in einer integrierten Form arbeiten, eine zusätzliche Ausstattung brauchen. Wir möchten, dass sie als Ganztagsschulen arbeiten können, und wir wollen ihnen auch Mittel zur Verfügung stellen, um innerhalb des Unterrichts zu differenzieren. Die Ausstattung der integrierten Gesamtschulen ist unter anderem in Ihrer Regierungszeit zurückgefahren worden, und die Bedingungen, die diese Schulen im Moment haben, halten wir für nicht ausreichend.
Der zweite Punkt ist viel spannender. Herr Boddenberg, ich verwahre mich gegen die Behauptung, ich hätte hier Menschen diskreditiert, die sich für U plus zur Verfügung stellen.
Ich habe die Landesregierung diskreditiert, die es zulässt, dass „Unterricht“ auf etwas draufsteht, was nicht von Lehrkräften gehalten wird. Die Landesregierung hat es versäumt, genügend Personal zur Verfügung zu stellen, und jetzt versucht sie, über die sogenannte Unterrichtsgarantie plus darüber hinwegzutäuschen, dass es zu wenige Lehrer an den Schulen gibt. Darüber habe ich gesprochen.
Sie wissen genau, dass gute fachliche Qualifikationen, in welchem Fach auch immer, nicht ausreichen, um vor eine Schulklasse zu treten.Wenn ich so etwas mache, wenn ich sage, jeder, der guten Willens ist, könne das auch leisten, diskreditiere ich nämlich den Beruf des Lehrers.
Herr Boddenberg, Sie sollten einmal darüber nachdenken, was Sie für das Ansehen des Lehrerberufs durch die Unterrichtsgarantie plus getan haben, die Sie den hessischen Schulen aufgezwungen haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kultusministerin, gestatten Sie mir am Anfang, dass ich Ihnen einen herzlichen Gruß von Herrn Domisch überbringe.
Ich glaube, er wäre über Ihre Rede, die Sie heute gehalten haben, sehr enttäuscht; denn er hatte gehofft, dass Sie bei Ihrem Besuch in Finnland etwas gelernt haben.
Frau Kultusministerin, es scheint mir nämlich, dass Sie diejenige sind, die hier in einer schulpolitischen Parallel
welt lebt. Es ist auch sehr erstaunlich, dass Sie Ihre Regierungserklärung dazu nutzen, die Politik der Regierung Ypsilanti zu erklären.Ich sage Ihnen:Sie hätten davon lieber die Finger lassen sollen. Sie verstehen davon nichts. Aber offensichtlich finden Sie sich so langsam wieder in Ihre Rolle als Oppositionssprecherin hinein.
Herr Wagner, Sie werden mir meine Redezeit nicht mit Ihren dummen Zwischenbemerkungen klauen.
Sie werden es nicht tun, weil ich genau weiß, warum diese Zwischenrufe kommen, und zwar weil Sie vor dem Wahltag Angst haben und wissen, dass Ihre Schulpolitik gescheitert ist. Die Wählerinnen und Wähler werden Ihnen dafür die Quittung geben.
Heute ist ein guter Tag für Hessens Schulen, denn sie wissen, dass dies in jedem Falle die letzte Regierungserklärung dieser Kultusministerin sein wird.
Sie haben eine Bilanz des Scheiterns vorzuweisen. Diese lässt sich mit den Stichworten zusammenfassen: verpasste Chancen, ungelöste Probleme und falsche Entscheidungen. Als ob dies nicht schon genug wäre, senden Sie auch noch das Signal aus, dass Kreationismus an hessischen Schulen im Biologieunterricht willkommen sei.
Frau Kultusministerin, Sie würden längst nicht mehr auf diesem Stuhl sitzen, wenn der Wahltag nicht so nah wäre und eine Ablösung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht unmöglich wäre.
Ich will heute eigentlich lieber über Ihre Politik reden als über die unsrige, weil ich glaube, wir haben den Schulen – –
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich hoffe, dass dies auch besonders für die Regierungsbank gilt, denn Zwischenrufe von hinten sind besonders störend.
Ich will über Ihre Politik reden, denn wir haben die Gelegenheit schon genutzt,um unsere Ziele und Vorstellungen an die Eltern und Schulen zu vermitteln. Das Ergebnis dessen werden Sie im Januar auch zu sehen bekommen.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung haben Sie die Chancen verpasst. Die SPD hat bereits vor der letzten Landtagswahl ihre Eckpunkte eines Bildungs- und Erziehungsplans und die entsprechenden Schritte zur Einführung vorgelegt. Sie wiederum haben eine ganze Legislaturperiode verstreichen lassen.
Trotz ständiger und wiederholter Beteuerung, man wolle die Grundlagen dieses Plans in den Einrichtungen flächendeckend einführen, warten wir bis heute auf die Konsequenzen, die Sie aus der abgeschlossenen Modellphase ziehen.
Eine Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses, der sich mit der Ausweitung der Ergebnisse beschäftigen sollte, wurde ohne Begründung abgesagt.
Meine Damen und Herren, man kann feststellen, dass die Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans gefährdet ist, und zwar durch Verschleppung, Verzögerung und dadurch, dass Sie nicht in der Lage sind, auch dafür die notwendigen Mittel im Landeshaushalt bereitzustellen.
Bei der Neustrukturierung des Schulanfangs ist ebenfalls Fehlanzeige zu vermelden. Seit der Novellierung des Schulgesetzes im Jahre 2004 gibt es in Hessen nach dem Gesetz die Möglichkeit einer flexiblen Schuleingangsstufe. Da die erforderlichen Stellen für Sozialpädagogen bis heute noch nicht eingeplant worden sind, ist auch noch nichts passiert. Doch nun überraschte die Kultusministerin plötzlich zum Schuljahresbeginn mit der Meldung, die flexible Schuleingangsstufe in 18 Grundschulen einzuführen. Mit den Schulen aus dem abgeschlossenen Modellversuch sind das dann insgesamt 47 von etwa 1.150 Grundschulen.
Frau Kultusministerin, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie dies nicht in Ihre Rede eingebaut und dazu auch keine Prozentzahlen errechnet haben, denn ich sage Ihnen: Bei diesem Tempo sind die Kinder,die heute geboren werden, bereits gestandene Großeltern im Alter von 60 Jahren, bis Hessen eine Eingangsstufe vorweisen kann, die den Schuleingang erleichtert und Bildung fördert.
Andere Bundesländer haben die Bedeutung einer entzerrten Schuleingangsstufe für die Entwicklung und die Bildungschancen von Kindern längst erkannt – sieben Bundesländer haben bereits Stufenpläne, oder sie haben die flächendeckende Schuleingangsstufe umgesetzt. In Hessen dagegen gibt es – wie immer – nur leere Versprechungen und symbolische Schritte.
Sie haben auch bei den Förderschulen versagt. Die Einrichtung sonderpädagogischer Beratungs- und Förderungszentren geht sicherlich in die richtige Richtung, aber dies ist auch keine Idee, die ursprünglich von Ihnen war.
Dagegen stagniert die Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts. Er ist in Hessen nicht gewünscht. Seit Jahren ist das Stellenaufkommen für diesen Bereich unverändert, obwohl der Bedarf steigt.
Die Weiterführung des gemeinsamen Unterrichts in der Sekundarstufe I geht zulasten neuer Integrationsklassen in der Grundschule. Erst gestern haben wir aufgrund einer Frage in der Aktuellen Stunde von Herrn Dr. Jürgens noch einmal die aktuellen Zahlen erhalten. 203 Kinder wurden nicht für den gemeinsamen Unterricht berücksichtigt, obwohl die Eltern es wünschten. Deutlicher kann man eigentlich nicht zeigen, dass diese Landesregierung auf Selektion aus ist und eine wachsende Integration behinderter Kinder ablehnt.
Gleichzeitig steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen.
Bereits im Schuljahr 2004/2005 gab es 16,2 % mehr Schüler für Lernhilfe als im Jahr 1999. Die Zahl der Schüler in Erziehungshilfeklassen hat sich fast verdreifacht. Verstärkte Selektion und fehlende individuelle Förderung führen zu einer Verdrängung in die Förderschulen für Lern- und Erziehungshilfe. Frau Kultusministerin, das sind die Ergebnisse Ihrer Schulpolitik.
Das ist weder sozial noch leistungsorientiert.
Ungelöste Probleme wird auch Ihr Vermächtnis für die Hauptschulen sein. Die Zahl der Anmeldungen geht kontinuierlich zurück. Nur noch 4,5 % der Eltern wünschen, dass ihr Kind nach der 4. Klasse eine Hauptschule besucht. Fehlende Ausbildungsstellen für diese Schüler, fehlende berufliche Perspektiven und der Wunsch nach einer besseren Bildung für ihre Kinder führen zu dieser Abstimmung mit den Füßen.
Alle Schulträger schließen Hauptschulstandorte. Ihre einzige Antwort darauf ist, die Politik mit dem Rechenschieber fortzusetzen und flächendeckend SchuB-Klassen einzurichten.
Aber SchuB-Klassen sind nicht die Lösung für die strukturellen Probleme der Hauptschule. Sie stellen eine Lösung für diejenigen dar, die sich jetzt im System befinden und zu scheitern drohen.
Ihr Vorstoß,SchuB-Klassen flächendeckend einzurichten, ist erstens unrealistisch, weil die Bereitstellung von Praktikumsplätzen für den Praxistag mit der hessischen Wirtschaft nicht ausreichend besprochen wurde. Zweitens ist er bezeichnend für eine Bildungspolitik, für die Fördern nicht Bestandteil jedes Lernprozesses ist, sondern lediglich eine Reaktion auf drohendes Schulversagen.
Das ist entlarvend für eine Bildungspolitik, die bei einer ebenso alten wie falschen Begabungstheorie verharrt. Kinder werden in praktisch und theoretisch Begabte aufgeteilt. Dabei gibt es den intellektuellen Professor, bei dem das Wechseln einer Glühbirne scheitert, ebenso wenig wie den Handwerker, der außer seinen Geschäftsbüchern nichts mehr liest. Das sind Klischees aus der Feuerzangenbowle. Darauf bauen Sie in Hessen Ihre Schul
politik auf. Sie lassen es zu, dass viel zu viele Kinder zurückbleiben und ihre Talente nicht entfalten können.
Falsche Entscheidungen gab es auch bei den Gymnasien. Die Einführung von G 8 war ein Fehler. Das haben Ihnen die Eltern, die Lehrer und die Schüler schon bei der Verabschiedung der Novelle des Schulgesetzes mit 74.000 Unterschriften attestiert. Jetzt, nachdem drei Schülerjahrgänge in das Gymnasium mit G 8 aufgenommen wurden, entdeckt die Kultusministerin endlich selbst,dass es falsch war, den Stoff aus sechs Schuljahren in fünf Schuljahren zu komprimieren.
Ich will Ihnen den Kern der Kritik anhand eines offenen Briefs des Landeselternbeirats noch einmal deutlich machen, der heute veröffentlicht wurde. Ich zitiere:
G 8 und die verkürzte Mittelstufe führen neben den enormen Stunden zu höheren Stoffbelastungen für die Kinder,die dies nicht bewältigen können.Stress, Überbelastung und mangelnde Freizeit aufgrund längerer Unterrichtszeiten sowie eine regelmäßig sehr hohe Aufgabenbelastung lassen kaum noch Freistunden für sportliche und musische Aktivitäten. Das Familienleben leidet, und auch am Wochenende muss regelmäßig gelernt werden, um in der Schule mitzukommen.
Die Kinder haben 34 Wochenstunden Unterricht und zwei Stunden Hausaufgaben pro Tag zu bewältigen. Meine Damen und Herren, Sie haben es mit der Verkürzung der Gymnasialzeit zu verantworten, dass die Kinder solch einem Druck ausgesetzt sind.
Ganz nebenbei haben Sie bewusst die erforderliche Durchlässigkeit des Schulsystems zerstört.
Sie haben auch über Ganztagsschulen gesprochen. Das hessische Ganztagsschulprogramm war von Beginn an eine Mogelpackung. Der Wunsch vieler Schulen, offene oder gebundene Ganztagsschulen einzurichten, wurde nicht berücksichtigt. Sie haben die Förderung des Landes auf die pädagogische Mittagsbetreuung beschränkt.
Die Schulen hatten keine Chance, bestehende Angebote weiterzuentwickeln.
Wie sieht die Bilanz in der Realität aus? Von den 470 in Ihrer Bilanz inzwischen als ganztägig arbeitend ausgewiesenen Schulen verfügen 366 über eine halbe zusätzliche Stelle, die ihnen für diese Arbeit zur Verfügung gestellt wird.
Die 104 Ganztagsschulen, die in offener oder gebundener Form arbeiten, wurden fast ausschließlich vor 1999 genehmigt und eingerichtet. Das ist die Realität Ihres Ganztagsschulprogramms in Hessen.
Diese Bilanz ist ebenso dürftig wie verräterisch. Denn es geht nicht allein darum, den Eltern eine Entlastung zu verschaffen und den Eltern ein Angebot zu machen. Die Ganztagsschulen sind eine Chance für die Kinder, mehr Zeit zum Lernen zu haben. Damit kann Chancengleichheit in der Bildung umgesetzt werden. Ihnen können dort bessere Chancen geboten werden, als das in einer Halbtagsschule möglich ist.
Ich möchte jetzt auf die verlässliche Schule und die Unterrichtsversorgung zu sprechen kommen. Frau Kultusministerin, Sie haben wieder einmal vergessen, die aufgrund der „Operation düstere Zukunft“ 1.000 gestrichenen Stellen aus dem Jahr 2004 zu erwähnen.Das wollte ich nur der Vollständigkeit halber sagen.
Der fachspezifische Mangel an Lehrern ist auch ein Ergebnis falscher Personalpolitik. Sie ist davon ausgegangen, dass weniger Köpfe durch längere Arbeitszeit ausgeglichen werden können.
Sie haben auch vergessen, zu erwähnen, dass sich die Lehrerversorgung in diesem Schuljahr faktisch verschlechtert hat.
Ich habe inzwischen eine richterliche Bestätigung für diesen Zustand an Hessens Schulen. Es gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel, bei dem es darum ging, ob Klassen in einer Grundschule zusammengelegt werden dürfen. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber die Begründung im Urteil lautet:
Ausweislich der dem Gericht vom Ministerium vorgelegten Stundenbedarfs- und -bilanzrechnung für das Schuljahr 2007/2008 an Grund-,Haupt- und Realschulen besteht an der...
dann folgt der Name der Schule –
ein Defizit von 18,84 Stunden, sodass auch hier von einem Stellendefizit auszugehen ist.
Eines wird daran deutlich: Die Ausnahmeregelung zur Klassenbildung wurde in Hessen schlicht und einfach zum Regelfall erhoben.
Die Folge sind vollgestopfte Klassen. Die Eltern konnten sich wirklich nur noch wundern, nachdem sie den Elternbrief des Kultusministeriums zur Kenntnis genommen hatten. Dort wurde der Anspruch auf bestmögliche Förderung formuliert.Mit Grundschulklassen mit 28 Kindern und Gymnasialklassen mit 33 Kindern werden Sie diesen Anspruch mit Sicherheit nicht erreichen.
Sie haben den Zuschlag für Fördermaßnahmen bei den Grundschulklassen von 2 auf 0,7 Stunden gekürzt. Sie haben auch die Zuschläge für das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufsgrundbildungsjahr und die Berufsfachschulen an den beruflichen Schulen erneut gekürzt. Frau Kultusministerin, angesichts dieser Entwicklung bezweifle ich
sehr, dass Sie außer den amtlichen Rückmeldungen sehr viele positive Rückmeldungen aus allen Landesteilen vorlegen könnten.
Die Unterrichtsgarantie plus ist auf der schulpolitischen Großbaustelle in Hessen die größte Fallgrube. Die Kultusministerin hat offensichtlich noch nicht gemerkt, dass sie längst hineingefallen ist.
Allein mit den Kommentaren der Medien und den kritischen Briefen aus den Schulen und von Eltern könnte man 30 Minuten Redezeit locker füllen. Aber ich heiße nicht Herr Irmer. Deswegen will ich noch einmal zusammenfassen, was ich in der letzten Aktuellen Stunde zu diesem Thema gesagt habe.
Rund 8.190 Personen wurden im ersten Halbjahr für die Unterrichtsgarantie plus eingesetzt. Nur etwa 18 % davon, also 1.478 Personen, hatten die Befähigung zum Lehramt. Die anderen etwa 82 % sind Lehramtsstudenten, Menschen mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung jeglicher Richtung und Menschen ohne näher definierte Qualifikation. Diese Personen erteilten ca. 250.000 Vertretungsstunden, die, wie wir wissen, ab dem dritten Tag Fachunterricht zu sein haben. Diese Bilanz zeigt, welche Lücke hier zwischen Anspruch und Realität besteht.
Die Unterrichtsgarantie plus bedeutet weniger Qualität an Hessens Schulen. Die Unterrichtsgarantie plus ist das Verdecken der Tatsache, dass Sie nicht genügend Lehrkräfte dafür eingestellt haben. Die Unterrichtsgarantie plus führt auch zu einer Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitungen an den Schulen, die Sie mit bürokratischen Vorgängen überhäuft haben.
Sie haben Ihr Versprechen, für eine ausreichende Anzahl von Lehrern zu sorgen, längst gebrochen. Was Sie jetzt tun, geht letztendlich zulasten der Qualität, die an Hessens Schulen immer noch Bestand hat.
Zum Abschluss möchte ich auf den Antrag der SPD-Fraktion eingehen. Das Haus der Bildung der SPD will Chancengleichheit und bestmögliche Bildungsperspektiven für alle
mit frühkindlicher Bildung, mit Ganztagsschulen und mit Schulen, die in großer Selbstverantwortung darüber entscheiden, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler fördern. Wir wollen Schulen, die sich dafür entscheiden, den Bildungsweg eines Kindes möglichst lange offenzulassen.
Wir wollen Schulen, die Kinder als individuelle Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Entwicklung und vielfältiger Begabung gemeinsam fördern. Diese Schulen sollen sich freiwillig für diesen Weg entscheiden. Sie geben uns auch eine Antwort auf den Rückgang der Schülerzahlen, der es uns erschwert, in Zukunft ein breites Bildungsangebot mit allen Abschlüssen in allen Regionen für alle offenzuhalten.
Wenn Sie von Finnland etwas lernen wollen,dann sind die Motive, die dort zu einer neuen Schule geführt haben, näher zu betrachten.Wie bei uns wurden viel zu viele Kinder auf dem Bildungsweg zurückgelassen. Wie bei uns erreichten viel zu wenige einen hoch qualifizierten Schulabschluss. Wie bei uns führte die demografische Entwicklung zu Schulschließungen.
Wie bei uns begannen viele Politiker,Wissenschaftler und Pädagogen, darüber nachzudenken, wie man das besser machen könnte. Im Unterschied zu Hessen aber hat in Finnland auch die konservative Partei begonnen, nachzudenken. Man hat begonnen, darüber nachzudenken, wie man ein zukunftsfähiges Schulsystem schaffen kann, das den Begabungen und der Vielfalt der Kinder gerecht wird und das insgesamt zu höheren Leistungen führt.
Das ist der entscheidende Unterschied zu diesem Bundesland. Denn trotz Ihrer Besuche in Finnland hat das Nachdenken bei Ihnen nicht eingesetzt. Sie verharren lieber in Ihren Schützengräben ideologischer Schulkämpfe, über deren Rand die meisten von Ihnen schon lange nicht mehr hinausschauen können.
Inzwischen denken in der Bundesrepublik viele nach. Inzwischen denkt der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, über einen Systemwechsel nach und schreibt in der „Wirtschaftswoche“,dass dieses System – er meint damit das gegliederte Schulsystem – die Ungleichheit erhöhe, ohne den Durchschnitt zu verbessern. Deshalb gehöre es in den Abfalleimer der Geschichte.
Lothar Späth denkt im „Handelsblatt“ über ein neues Schulsystem nach und kritisiert das althergebrachte Dreiklassensystem. Der Deutsche Elternbeirat denkt nach. Rita Süssmuth denkt nach und fordert eine Schule für alle. VBE und GEW denken ebenfalls nach. Sogar in Österreich wird jetzt ein Modellversuch gestartet, um eine gemeinsame Schule und längeres gemeinsames Lernen einzuführen.
Wenn Sie sich aus diesen ideologischen Stricken nicht befreien, werden wir das letzte Land sein, in dem es nicht erlaubt sein soll, darüber nachzudenken, wie man Kinder bestmöglich fördert.Alle um uns herum haben gehandelt und werden handeln.
Unser Ziel ist eine gemeinsame Sekundarstufe für alle.Jedes Ziel erreicht man aber nur über einen Weg. Unser Weg heißt: überzeugen, werben, Schulen und Eltern mitnehmen und vor allem Bedingungen schaffen, um Schulen, die dies wollen, in die Lage zu versetzen, Kinder im gemeinsamen Unterricht bestmöglich zu fördern. Unser Weg heißt nicht die von oben verordnete Zerschlagung des Schulsystems. Deshalb ist Ihre Zwangseinheitsschule eine Zwangsvorstellung.
Sie sollten versuchen, endlich Ihre pawlowschen Reflexe in den Griff zu bekommen; denn das würde es erleichtern, dass auch Sie mit dem Denken beginnen. So könnten Sie
sich das Schattenboxen im Wahlkampf ersparen. Ich garantiere Ihnen, dass es ins Leere laufen wird.