Die zweite Frage: Ist es vertretbar, dies mit einer auf die Kultur beschränkten Finanzausgleichs- und Organisationslösung zu machen, oder will man neue Großgebilde à la Regionalkreis oder gar Eingemeindung schaffen, um dieses Problem zu lösen, ja oder nein?
Die Antwort auf diese beiden Fragen führt zu einem Ergebnis.Die Hessische Landesregierung ist der Auffassung, dass wir die Selbstständigkeit der Gemeinden, die Selbstständigkeit der Landkreise und damit die direkte Bürger
Die Hessische Landesregierung ist zugleich der Auffassung, dass wir nicht zusehen dürfen, wie der kulturelle Rang dieser Region so weit von denen Abstand nimmt, und zwar in die falsche Richtung, die in Europa und darüber hinaus unsere Wettbewerber sind, dass daraus ein schwerer, auch wirtschaftlicher Schaden wird.
Wenn man das beides sagt, dann hilft es nichts, Programme zu schreiben. Programme sind in den letzten 30 Jahren wahrlich genug geschrieben worden. Dann ist es vielmehr notwendig, Entscheidungen zu treffen.
Deshalb hat das Kabinett die Dringlichkeitserklärung abgegeben. Nun gilt es, den Dialog zu pflegen. Es gibt ein Jahr Zeit.Dazwischen liegt eine Kommunalwahl.Die wird den einen oder anderen erst einmal am Nachdenken hindern und das möglicherweise später beschleunigen. Es ist eine Zeit, in der man Alternativen finden kann. Das Problem ist lösbar. Keine Kommune ist überfordert, wenn sie bereit ist, konstruktiv daran mitzuwirken, das Problem zu lösen. Aber es ist aus der Sicht der Landespolitik nicht hinnehmbar, dass sich die Beteiligten verabreden, das Problem nicht lösen zu wollen.
Es ist unter Beteiligung des Landes, auch unter finanzieller Beteiligung des Landes, die Verantwortung eines Bundeslandes, dafür zu sorgen, dass eine Region zusätzliche Chancen gewinnt und nicht Chancen verliert.Und darum handelt es sich hier. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dietz, bleiben Sie einen Moment hier; denn Sie als Ballungsraumabgeordneten betrifft das ja nun auch. Ich spreche Sie gleich direkt an; deshalb wäre es hilfreich, wenn Sie hier bleiben würden. – Herr Ministerpräsident, aus dem Beifall Ihrer Fraktion könnte man entnehmen, dass Ihre gesamte Fraktion die Kabinettsentscheidung vom Montag begrüßen und unterstützen würde. Ich habe großen Beifall gehört,wenn ich auch gesehen habe,dass manche Augen ein bisschen heruntergeschlagen waren. Aber Sie wissen, dass das jedenfalls für die Ballungsraumabgeordneten Ihrer Partei nicht gelten kann. Sie wissen, dass ein Rudi Haselbach aus Mörfelden-Walldorf,der dort hinten sitzt, eine Brigitte Kölsch aus Bad Homburg, die direkt hier vorn sitzt,
und Herr Dietz aus Bad Nauheim hier im Parlament klatschen, wenn Sie reden, dass sich diese drei Ballungsraumabgeordneten aber vor Ort bestenfalls in die Büsche schlagen werden.Wahrscheinlicher aber werden Ihre Abgeordneten vor Ort gänzlich anders reden als hier im Plenum.
(Widerspruch bei der CDU – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Man soll nicht von sich auf andere schließen!)
Jetzt halten Sie das Ganze wieder für Oppositionsrhetorik.Aber, lieber Kollege Jung, was erwarten Sie denn von Ihren eigenen Abgeordneten, wenn sich der Chef der Staatskanzlei, der hier hinter mir sitzt, sozusagen derjenige, der die Verantwortung für die Ausarbeitung der Dringlichkeitsentscheidung in der Staatskanzlei hat, unser Freund Stefan Grüttner, vor Ort in die Büsche schlägt?
Ich will das nicht als Oppositionsrhetorik machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielleicht hören Sie an der Stelle einmal zu. Beschluss vom 17.06.2004 der Stadtverordnetenversammlung Offenbach, dessen Mitglied unser Freund Stefan Grüttner ist, und zwar beschlossen mit den Stimmen der CDU.Vielleicht sagen Sie etwas dazu, ob Sie dagegen waren. Ich lese den Text vor:
Die Stadtverordnetenversammlung fordert den Magistrat auf,gegen eine Realisierung der von Hessens Ministerpräsident Roland Koch angekündigten Gründung von Zwangsverbänden alle juristischen und politischen Mittel zu prüfen und einzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war kein Einzelfall. Die Offenbacher CDU hat das Thema „Ballungsraum“ als ein großes Wahlkampfthema im Oberbürgermeisterwahlkampf entdeckt. Denn es geht weiter.Antrag diesmal der CDU zum Haushalt. Ihr Chef der Staatskanzlei vom 09.12.2004 auf Antrag der CDU:
Die Offenbacher Stadtverordnetenversammlung spricht sich entschieden gegen einen Zweckverband Kultur im Rhein-Main-Gebiet aus,
dessen Hauptziel eine Umverteilung kommunaler Haushaltsmittel in der Region zugunsten der Frankfurter Kultureinrichtungen ist.
Da Stefan Grüttner weiß, dass Widerstand manchmal Geld kostet, hat er das richtig vorbereitet, und in Abs. 3 heißt es:
Für den Fall einer notwendigen Klage werden im Unterabschnitt... zusätzlich 5.000 c in die Haushaltsstelle eingestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt könnte man immer noch argumentieren: Na ja, das war im Dezember. Wie Konrad Adenauer gesagt hat: Was interessiert mich mein Geschwätz vom letzten Jahr? Jetzt sind wir in einer ganz anderen Situation.
Lieber Kollege Grüttner, Sie wissen, welcher Beschluss jetzt kommt. Der ist vor nicht allzu langer Zeit gefasst
worden, nämlich am 8. Juni 2005. Das ist gerade einmal sechs Wochen her. Mit Zustimmung der CDU wurde folgender Beschluss gefasst:
Der Magistrat wird beauftragt, für den Fall, dass die Hessische Landesregierung den Kommunen des Ballungsraums Frankfurt/Rhein-Main die Gründung eines Pflichtverbandes zur gemeinsamen Kulturfinanzierung vorschreibt, umgehend alle juristischen Möglichkeiten dagegen auszuschöpfen.
Herr Grüttner, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, aber Ihre Positionen – zum einen als Staatsminister in der Staatskanzlei in Vorbereitung dieser Dringlichkeitsentscheidung, zum anderen im Offenbacher Stadtparlament gegen diese Entscheidung – führen nicht zu politischer Glaubwürdigkeit.
Wenn schon Sie sich vor Ort in die Büsche schlagen, dann werden das auch die Rudi Haselbachs dieser Welt machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Roland Koch: Sie wissen, dass Sie nicht die Wahrheit sagen!)
Liebe Kollegen, ich weise darauf hin, dass ein Dialog zwischen Regierungsbank und Redner nicht zu einer Besserung führt.Also: immer schön hintereinander.
Herr Grüttner, Sie haben nachher die Möglichkeit, sich von der CDU vor Ort und von Ihrer Stadtverordnetenfraktion zu distanzieren.Das können Sie nachher machen.
Herr Kollege Grüttner, Ihre Position im Stadtparlament von Offenbach ist verständlich,denn nach dem Gutachten des Herrn Pfäffli, das Grundlage der Dringlichkeitsentscheidung ist, müsste die Stadt Offenbach einen Betrag in Höhe von 5.352.000 c an den Zwangsverband zahlen. Da das Städtische Ledermuseum und das Klingspor-Museum zukünftig auf den Zwangsverband übergehen sollen, d. h. die Stadt Offenbach von den kommunalen Ausgaben in diesem Bereich in Höhe von 1.089.460 c entlastet werden würde, kämen wir zu einer zusätzlichen Belastung für die Stadt Offenbach in Höhe von über 4 Millionen c. Dieser Betrag entspricht ungefähr dem, was die Stadt Offenbach für die eigene Kulturarbeit aufwendet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, keine Kommune im Ballungsraum, keine Kommune in unserem Bundesland Hessen, keine Kommune in Deutschland könnte je einem solchen Modell zustimmen.
Es handelt sich um den härtesten Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung, denn da, wo kein Geld mehr ist, kann auch keine örtliche Politik mehr gemacht werden.
Jetzt die Frage an den Ministerpräsidenten zu dem Beifall von vorhin: Wenn sich schon Ihr Chef der Staatskanzlei – wie beim Thema Frankfurter Flughafen – in die Büsche schlägt, wie sollen sich denn dann Rudi Haselbach, Frau Kölsch und Herr Dietz verhalten?
dieses Gutachten haben Sie in Auftrag gegeben, hören Sie zu – müsste die Stadt Mörfelden-Walldorf 576.000 c an den Zwangsverband zahlen. Herr Kollege Haselbach, das ist mehr als das, was Ihre Kommune für Vereine und für kulturelle Veranstaltungen insgesamt aufbringen kann.
Dieser Betrag soll – so steht es in dem uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten Manuskript der Rede, der Ministerpräsident war heute defensiver – für den Anteil dieser Kommune zur Haushaltskonsolidierung der Stadt Frankfurt aufgewandt werden, die dieser die Möglichkeit gibt, neue Kultureinrichtungen zu schaffen. Herr Kollege Haselbach, glauben Sie denn, dass Sie mit dieser Position in Mörfelden-Walldorf kommunalpolitisch überleben werden?