Herr Al-Wazir hat es vorhin angesprochen, andere Kollegen haben es auch schon gesagt,eine liberale Partei müsse doch dies und jenes. – Das ist eine so vordergründige Interpretation von Liberalismus. Es heißt doch nicht, dass ich auf Qualitätsanforderungen verzichte. Das hat mit liberalem Zugang überhaupt nichts zu tun.
Jeder hat den Zugang, er muss nur entsprechende Voraussetzungen erfüllen. Da gibt es keine Sperren, das wird immer sehr kurz gegriffen. Heißt es denn, weil man liberal ist, dass man beispielsweise von den Ärzten keine Approbation mehr verlangt oder bei den Juristen auf die zweite Staatsprüfung verzichtet? – Das hat doch damit nichts zu tun. Das ist doch ein Scheingefecht, das hier ausgetragen wird.
Diese Reform der Handwerksordnung hat bis heute nichts Erkennbares gebracht. Für so ein Fazit ist es sowieso zu früh. Ich weiß gar nicht, woher Sie den Mut dafür nehmen. In drei Jahren kann man dies vielleicht einmal reflektieren,heute aber auf jeden Fall nicht.Alles,was bisher an Daten vorliegt, deutet genau auf das Gegenteil hin, nämlich dass es ein Schuss in den Wind war, wie so vieles aus Berlin.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alles im Leben hat Licht- und Schattenseiten. Die SPD beschreibt die Handwerksreform unter Bezugnahme auf die Bewertung, dass erste Wirkungen zu sehen seien.
In der Tat, das muss man nüchtern betrachten, ist die Anzahl der Betriebe, die nach dieser Handwerksreform gegründet worden sind, gestiegen. Das sind immerhin 4,8 % im Jahr 2004 im Land Hessen mehr, es handelt sich dabei um eine Steigerung von 58.746 auf exakt 61.550 Betriebe. So weit, so gut.
Ich kann Herrn Denzin nur nachdrücklich zustimmen, dass es für eine Bewertung einer solchen Reform heute weitaus zu früh ist,weil genau die Gefahren,die in der Debatte schon deutlich geworden sind,nach wie vor über uns
schweben. Diese Gefahren können auch zu entsprechenden negativen Ergebnissen führen.Wir müssen fragen, ob es sich bei dieser Reform und der Gründung von Betrieben,die dieser Reform folgte,nicht lediglich um ein Strohfeuer gehandelt hat.
Interessant ist dabei die Aufgliederung der Zahlen, zu der ich hier noch einiges hinzufügen will. Es wurde bereits deutlich, dass vor allem der große Anteil der Gründungen darauf zurückzuführen ist, dass es diese neue B-1-Liste Handwerk gibt – also all das, was wir in Verbindung mit der Qualifikation diskutiert haben. Hier sind die eben erwähnten Berufe von Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern an erster Stelle,die Gebäudereiniger an zweiter Stelle und die Raumausstatter an dritter Stelle. Diese Handwerke machen in der Kategorie der B-1-Liste 85 % der Neugründungen aus.
Wenn man dann fragt, woher diejenigen kommen, die die Betriebe gründen oder gegründet haben, dann ist eine weitere Statistik von hohem Interesse. Für diesen spezifischen Bereich liegen mir nur die Daten aus dem ersten Halbjahr vor, weil sie für das zweite Halbjahr noch vertieft analysiert werden müssen, aber sie geben einen wichtigen Hinweis: Die so genannte Altgesellenregelung, die neu eingebaut worden ist, macht einen großen Anteil der neuen Handwerksbetriebe aus. Immerhin sind dort 250 Anträge positiv bewertet worden. Wir gehen davon aus, dass diese Quelle – Altgesellen – einen großen Zuwachs für die Gründungen mit sich gebracht hat. Diese Menschen haben ihre Berufswünsche jetzt entsprechend realisiert. Von dieser Seite ist keine Zunahme mehr zu erwarten.
Interessanter ist die Tatsache, dass so genannte Kleinunternehmer für einfache Tätigkeiten, die in Verbindung mit der Ich-AG stehen, im ersten Halbjahr keine einzige Eintragung gefunden haben. Somit kommen wir auf die zulassungsfreien Handwerke, die den größten Teil ausmachen. Dabei kommen wir auf das Qualitätsproblem. Das Qualitätsproblem möchte ich mit Prozentzahlen ausdrücken: Diejenigen, die diese Neueintragung beantragt haben und die Genehmigungen bekamen, kommen zu 10 % aus der Qualifikation mit Meisterprüfung. 10 % aller Neugründungen in diesen zulassungsfreien Handwerken stammen von Leuten mit Meisterprüfung. Die zweite Gruppe, solche Leute, die eine Gesellenprüfung absolviert haben, ist mit 13 % vertreten. 23 % haben also eine echte Qualifikation. Darin liegt das Hauptproblem: Der Rest, nämlich drei Viertel, hat überhaupt keinen Qualifikationsnachweis.
Das sind gerade die Menschen, die aus solchen Ländern kommen, wie Herr Denzin sie eben unter Berufung auf das Zitat des Handwerkspräsidenten hier vorgestellt hat, nämlich aus mittel- und osteuropäischen Ländern. Das ist in der Tat eine Frage für den Verbraucher.
Wenn Sie sagen, der Verbraucher könne wählen, dann ist das richtig.Auf der anderen Seite ist es so, dass bei vielen, die aus anderen Ländern hierher kommen und ihre Arbeit hier ausführen, überhaupt keine Chance mehr besteht, wenn Qualitätsmängel auftreten, sie dafür haftbar zu machen.
Ich komme zum Schluss. – Wir sollten in dem Zusammenhang dankbar sein, dass es Neugründungen gibt. Allerdings hat das für das Handwerk insgesamt keine positive Konsequenz. Die Anzahl der Handwerksbetriebe ist für Hessen insgesamt zurückgegangen.
Ich warne hier vor Euphorie. Ich warne vor Euphorie im Hinblick auf die Qualität und möchte darauf aufmerksam machen, dass die Handwerksbetriebe klassischer Art, gerade unter dem Aspekt der Ausbildung, um ein wichtiges Thema zu nehmen, zusätzliche Kosten haben, die sie im Verhältnis zu den Betrieben, die wir heute hier im Zentrum ansprechen, benachteiligen. Aus dieser Wettbewerbssituation heraus ist die Gefahr abzuleiten, dass weitere qualitätsorientierte Handwerksbetriebe aus dem Markt scheiden müssen. Das wäre dann ein hoher Preis, den wir zahlen müssten.
Ich sage noch einmal nachdrücklich: Für ein endgültiges Urteil sollten wir uns noch einige Zeit nehmen. Wir sollten aber vor allem darauf achten, dass jetzt auch Ruhe an der Front herrscht, und jetzt nicht wieder mit einer neuen Reformdiskussion beginnen. Wir sollten abwarten und nüchtern analysieren und gegebenenfalls dann die Konsequenzen ziehen.
Es wird vorgeschlagen, über die Anträge abzustimmen. Wer dem Antrag der SPD-Fraktion, Drucks. 16/2769, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Damit stelle ich fest, dass dieser Antrag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abgelehnt wurde.
Wir stimmen jetzt über den Dringlichen Entschließungsantrag der CDU, Drucks. 16/3235, ab. – Herr Kahl, zur Geschäftsordnung.
Wer den Nummern 1 bis 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dann sind die Nummern 1 bis 3 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Wer wünscht Nummer 4 des Antrags zuzustimmen? Den bitte ich um das Handzeichen. – Nummer 4 ist einstimmig angenommen.Vielen Dank.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kundencharta für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Hessen – Drucks. 16/2801 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Rechte der Bahnkunden stärken – jeglicher Haftungsausschluss für Ausfälle und Verspätungen von Zügen ist kundenunfreundlich – Drucks. 16/3557 –
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Stärkung der Fahrgastrechte im Schienenpersonennah- und -fernverkehr – Drucks. 16/3633 –
Es sind zehn Minuten Redezeit vorgesehen. Als erster Redner hat sich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mathias Wagner gemeldet. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollegen von der CDU, Herr Kollege Reif, bitte keine Vorschusslorbeeren. Hören Sie erst einmal zu, was wir wollen. Ich glaube, Sie können mir dann auch zustimmen, wenn Sie es von der Sache her entscheiden.
Meine Damen und Herren, am 1. Oktober 2004 ist die Kundencharta Fernverkehr in Kraft getreten. Auf Initiative von Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast haben die Kundinnen und Kunden der Deutschen Bahn AG zum ersten Mal fest definierte und klar definierte Kundenrechte, auf die sie sich berufen können.
Zum ersten Mal wurde in der Kundencharta Fernverkehr festgelegt, welche Entschädigungen es gibt, wenn die Deutsche Bahn AG die Leistungen, die sie ihren Kundinnen und Kunden versprochen hatten, nicht erbringt. Das ist ein wesentlicher Fortschritt in den Rechten der Bahnkundinnen und -kunden und ein wesentlicher Schritt hin zu einem attraktiveren Bahnangebot in unserem Land.
Wir wollen, dass wir diesen Fortschritt für den Verbraucherschutz und für die Verbraucherrechte auch im öffentlichen Personennahverkehr haben, nicht nur im Fernverkehr. Meine Damen und Herren von der CDU, dafür sind wir als Land Hessen, sind wir als Hessischer Landtag originär zuständig.
Es ist unsere originäre Zuständigkeit, zu definieren, wie wir in unserem Land den ÖPNV organisieren wollen. Deshalb können wir hier diesen Schritt gehen und können mit einer Kundencharta Nahverkehr dafür sorgen, dass auch in Hessen die Benutzerinnen und Benutzer von Bussen und Bahnen endlich nicht mehr als Beförderungsfall, sondern als Fahrgast mit klaren Rechten behandelt werden.
Wir wollen diesen Qualitätsschub für den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen erreichen. Wir sind der Meinung, auch für Busse und Bahnen muss das gelten, was für andere Produkte und Dienstleistungen gilt: gutes Geld für gute Leistung. Unsere Verkehrsverbünde sind gut, auch wenn ab und zu etwas nicht klappt, aber im Großen und Ganzen sind sie gut.Bei schlechter Leistung muss es aber Entschädigungen geben und müssen die Kunden klare Ansprüche haben. Wenn man im Prinzip gute Verkehrsverbünde hat, gehört dazu, dass diese Verkehrsverbünde dann selbstbewusst sagen: Wenn uns einmal ein Fehler passiert, wenn einmal etwas schief geht, dann stehen wir dafür gerade, dann haben unsere Kunden Ansprüche an uns, und dann werden diese Ansprüche auch erfüllt. – Genau das wollen wir mit der Kundencharta Nahverkehr erreichen.
Meine Damen und Herren, für uns sind die Fahrgäste von RMV, NVV und VRN im Süden von Hessen eben König Kunde und nicht nörgelnde Querulanten.