Protocol of the Session on January 26, 2005

Die FDP möchte auch eine weiter gehende Inkompatibilitätsregelung. Sie möchte künftig auch Bedienstete der Kommunalaufsicht, die nur eine mittelbare Aufsichtsfunktion über die betreffende Gemeinde ausüben, von der Ausübung eines kommunalen Mandats ausschließen. Das ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. Eine weitgehende Inkompatibilitätsregelung, wie sie der FDP-Fraktion offensichtlich vorschwebt, existiert z.B.in Nordrhein-Westfalen.Auch in Bayern und Baden-Württemberg ist die Unvereinbarkeit nicht auf Beamte der unmittelbaren Rechtsaufsicht beschränkt. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen dagegen entspricht die Rechtslage der zurzeit in Hessen geltenden Regelung.

Wir möchten diesem Antrag nicht folgen, da die gegenwärtige Rechtslage bereits seit 1976 existiert, uns bislang noch keine Probleme bekannt geworden sind und dies im Übrigen nur einige wenige Einzelfälle beträfe.

Herr Kollege Rudolph, mit dem gemeinsamen Änderungsantrag der CDU und der FDP folgen wir einer dringenden Empfehlung des Hessischen Städtetags. Sie haben sich immer darauf berufen, dass wir nicht auf die Kommunalen Spitzenverbände hören und ihren Sachverstand nicht berücksichtigen würden. Herr Kollege Rudolph, ich darf feststellen: Sie sind nicht satisfaktionsfähig, was unsere Initiativen angeht.Aber ich denke, damit können wir gut leben.

(Beifall bei der CDU – Günter Rudolph (SPD): Das ist aber schade!)

Ich möchte kurz auf die Grundzüge des Gesetzentwurfs eingehen, der sich im Wesentlichen in drei Bereiche gliedern lässt. Der wohl am heftigsten diskutierte Teil war die Regelung hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Herr Kollege Rudolph hat wiederum einen Großteil seiner Redezeit darauf verwandt, uns dafür zu beschimpfen.

Ich muss sagen, das Thema ist in der Tat während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens sehr streitig geblieben. Interessant finde ich die divergierenden Auffassungen in diesem Hause. Die FDP auf der einen Seite ist der Über

zeugung, der Gesetzentwurf bringe nichts Neues. Alles bleibe so, wie es ist.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Demgegenüber behauptet die SPD, dass durch die Einführung der Subsidiaritätsklausel die Absicherung der Daseinsvorsorge beeinträchtigt und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig beschädigt würde.

Eine ganz interessante Auffassung haben die GRÜNEN in diesem Haus kundgetan. Sie vertreten sozusagen eine vermittelnde Position. Sie behaupten nämlich, durch den Gesetzentwurf ändere sich nichts. Es bleibe alles beim Alten. Trotzdem würden die Kommunen durch diese Regelungen stranguliert. Daraus bin ich nicht recht schlau geworden, Herr Frömmrich.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das liegt aber an Ihnen!)

Fakt ist, die Kommunen werden sich auch weiterhin wirtschaftlich betätigen können, allerdings nach klaren Regeln und nicht zu Bedingungen, die den Wettbewerb verzerren. Es wird dafür gesorgt werden, dass künftig mehr Transparenz, mehr Klarheit und bessere Informationen die Grundlage für Entscheidungen über das wirtschaftliche Handeln der Kommune sind.

Ich bin ganz sicher, dass dieser Gesetzentwurf einen fairen und klugen Kompromiss zwischen der Wahrung der Interessen der Wirtschaft und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auf der einen Seite und der Wahrung der Interessen der Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zum Erhalt ihrer Gestaltungsspielräume auf der anderen Seite darstellt. Mit dem Beteiligungsbericht werden Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter in den Stand gesetzt, im Gegensatz zur heutigen Rechtslage, sich ein umfassendes Bild über die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Kommune zu verschaffen. Wenigstens in diesem einen Punkt scheint große Einigkeit in diesem Hause zu herrschen.

In § 121 Abs. 7 ist darüber hinaus festgelegt, dass sich jede Kommune einmal pro Wahlperiode in öffentlicher Sitzung mit ihrem wirtschaftlichen Handeln auseinander setzen muss. Ich frage Sie noch einmal: Was ist bitte schön daran verkehrt? – Öffentlichkeit und Verbände der Wirtschaft haben die Möglichkeit,sich in diese Diskussion einzubringen. Auch daran finde ich nichts Verwerfliches. Wenn eine Kommune künftig neue wirtschaftliche Bereiche erschließen will, so muss sie zunächst eine Markterkundung vornehmen. Die SPD ist der Ansicht, Marktanalyse sei ein unnötiger bürokratischer Aufwand,

(Günter Rudolph (SPD): Stimmt!)

Gängelung der kommunalen Ebene für den Papierkorb und deswegen völlig überflüssig. Das sehen wir allerdings völlig anders.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein weiterer wichtiger Bereich geregelt. Darauf ist Herr Kollege Rudolph, wie immer, mit keinem Wort eingegangen. Allerdings scheint auch hier weitgehende Übereinstimmung zu bestehen. Es geht nämlich um die Fragen des kommunalen Haushaltsrechts. Hier wird ein Paradigmenwechsel vollzogen. In den hessischen Städten und Gemeinden wird das kaufmännische Rechnungswesen eingeführt,und zwar nicht als Zwang, sondern als Wahlmöglichkeit. Damit sind wir das einzige Bundesland, das dies ermöglicht. – Herr Kollege Rudolph,so viel zum Thema Strangulieren

der Kommunen. Wir sind für die größtmögliche Freiheit der Kommunen.Wir werden dies auch immer wieder vortragen, selbst wenn es Ihnen nicht gefällt.

Das neue Haushalts- und Rechnungswesen mit doppelter Buchführung ermöglicht erstmals die vollständige Erfassung des Ressourcenverbrauchs und seine Darstellung im Haushaltsplan und im Jahresabschluss. Wesentliches Ziel ist auch hier die Verbesserung der Transparenz in der kommunalen Haushaltswirtschaft. Hessen ist, wie gesagt, bisher das einzige Bundesland, das den Kommunen freistellt, ob sie zur kaufmännischen Buchführung übergehen wollen oder die bisherige kamerale Haushaltswirtschaft, dann allerdings mit einer Reihe von Besonderheiten, weiterführen wollen.

Auch hinsichtlich der Änderungen der so genannten Kommunalverfassung gab es eine Reihe von unterschiedlichen Vorstellungen. Die einzelnen Änderungsvorstellungen haben wir ausgiebig diskutiert. Ich will hier nur einige Stichworte nennen: zum einen die Abschaffung der so genannten Eine-Person-Fraktionen – das wollen naturgemäß FPD und GRÜNE nicht –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat nichts mit „naturgemäß“ zu tun, sondern mit Paradigmenwechsel!)

und zum anderen die Wahlanfechtung. Herr Kollege Frömmrich,auch dies ist ein dringender Wunsch der Kommunalen Spitzenverbände, dem wir gefolgt sind. Auch hierüber gab es keinen wesentlichen Streit.

Wir hatten eine sehr umfangreiche Anhörung und auch eine Reihe von Änderungen im Gesetzentwurf vorgenommen. Ich fand die Diskussionen interessant und spannend. Ich bin sicher, dass wir hier und heute in dritter Lesung einen sehr guten Gesetzentwurf beraten, und ich bitte daher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Zeimetz-Lorz. – Herr Frömmrich hat das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Zeimetz-Lorz, Sie haben dem Kollegen Rudolph gesagt, er habe in der Debatte nichts Neues vorgetragen. Daraufhin habe ich mir einen Zettel gemacht, um zu notieren, was Sie Neues vortragen. Dieser Zettel ist leider leer geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Horst Klee (CDU): Aber jetzt geht es los!)

Frau Kollegin, das, was Sie hier vorgetragen haben, ist überhaupt nichts Neues. Es verwundert mich schon

(Zurufe von der CDU)

jetzt ist wenigstens einmal wieder ein bisschen Stimmung in der ersten Reihe;das ist schön,wir sitzen uns jetzt ein bisschen näher –, dass Sie sich bei dem Antrag, den Sie hier zusammen mit der FDP eingebracht haben, in dem Sie die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte von den Füßen auf den Kopf stellen, klammheimlich daran vorbeigemogelt haben, eine Begründung vorzulegen.

Ebenfalls fehlt die Begründung dafür, warum Sie dies in einem Schweinsgalopp kurz vor dem Beschluss über diesen Gesetzentwurf tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich erinnere daran, dass wir im Hessischen Landtag und auch in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion über die Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten geführt haben. Wir haben darüber diskutiert, ob dieses System der Direktwahl in die Kommunalverfassung in Hessen passt. Wir haben überlegt, ob die Direktwahl in die Magistratsverfassung passt. Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen haben darüber abgestimmt und sich für die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten ausgesprochen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollten das nicht!)

Das ist bei uns Verfassungsgrundsatz geworden. Jetzt kommen Sie kurz vor Toresschluss. Am 19. Januar in der Sitzung des Innenausschusses, in der die dritte Lesung vorbereitet worden ist,haben Sie einen solchen Vorschlag, der einen Systembruch für das Kommunalwahlrecht darstellt, eingebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie müssen begründen, warum Sie auf der einen Seite sagen, die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten sei richtig, man gebe den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Möglichkeit, zwischen den Parteien auszuwählen, sondern auch zwischen freien Kandidaten, auf der anderen Seite aber die Abwahl der Bürgermeister und Landräte den Parlamenten überlassen wollen. Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger von dieser Abwahl ausschließen. Das passt nicht ins System. Darüber hätten Sie ein paar Takte verlieren sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frank Gotthardt (CDU): So ist es überhaupt nicht!)

Weil Sie in der Debatte so aufgeregt sind, hat es Sie offensichtlich getroffen. Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, ich möchte einmal daran erinnern: Wir haben diesen Vorschlag, den Sie jetzt gemeinsam mit der FDP eingebracht haben, im Innenausschuss diskutiert. Damals hat er die Überschrift der FDP getragen. Der Vorschlag der FDP ist damals mit der Mehrheit abgelehnt worden. Sie haben in der Vorbereitung zur zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs das,was Sie jetzt beschließen wollen,abgelehnt.Von daher müssten Sie jetzt schon einmal begründen, wie dieser Sinneswandel zustande gekommen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Hahn, es wundert mich, dass Sie hier sozusagen das Geschäft des CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten übernehmen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre nicht das erste Mal!)

Wenn Sie die Debatte einmal Revue passieren lassen, die wir über die Abwahl der Oberbürgermeisterin Härtel oder der Bürgermeisterin Diehl geführt haben, lautete der Vorschlag des Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden, dass eine vereinfachte Abwahl von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ermöglicht werden solle und man ihnen nachher die Versorgungsansprüche

in voller Höhe zukommen lassen könne. Damit könne man die öffentliche Debatte über das, was sie im Amt gemacht haben, vermeiden, und die Parteien, die diese Bürgermeisterinnen stellen, können an dieser Debatte in der Öffentlichkeit vorbeigehen. Die FDP macht dies jetzt gerade einmal schnell für den Ministerpräsidenten und stellt damit gemeinsam mit der CDU dieses Verfahren der Direktwahl für Bürgermeister und Landräte in Hessen auf den Kopf. Meine sehr geehrten Damen und Herren, so geht es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das tun Sie, ohne eine öffentliche Debatte darüber zu führen. Man kann sich darüber streiten, wie viele Punkte im Bereich der Direktwahl neu diskutiert werden müssen. Herr Kollege Rudolph hat es mit der Direktwahl von Landräten angedeutet: Wie demokratisch sind eigentlich Landräte legitimiert, die per Direktwahl bei einer Wahlbeteiligung von 30 % gewählt worden sind? Das bedeutet, 15,1 % können einen Landrat wählen. – Die Debatte darüber wäre höchst spannend.Wir können sie auch führen.

Was Sie als FDP und CDU hier machen, ist, dass Sie kurz vor Toresschluss Änderungen in den Gesetzentwurf einbringen – ohne öffentliche Debatte und ohne Fachanhörung derer, die davon betroffen sind, z. B. der Kommunalen Spitzenverbände. Ohne Diskussion in der Öffentlichkeit über die Versorgungsfälle, die Sie damit wieder schaffen, wollen Sie dieses Gesetz im Schweinsgalopp beschließen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Hahn, der Pokal für den brutalstmöglichen Kuschler gehört unbestreitbar Ihnen. Wir bewerben uns gar nicht darum. Herr Kollege Hahn, diesen Pokal haben Sie sowieso schon gewonnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr müsst euch entscheiden, was ihr wollt!)

Warum Sie ausgerechnet hier das Geschäft des CDULandesvorsitzenden machen und den goldenen Handschlag für die direkt gewählten Bürgermeister und Landräte in Hessen einführen wollen, das müssten Sie schon einmal erklären. Es ist interessant, warum wir eigentlich darüber diskutieren, wie man die Bürgermeister und Landräte, die direkt gewählt wurden, schneller oder leichter aus dem Amt bekommt.