Protocol of the Session on January 26, 2005

Sie und Ihre Landesregierung sind auf diesen Feldern nicht einfallsreicher als ein Unternehmer der Gründerjahre des 19. Jahrhunderts. Ihre Ansage heißt: Mehr arbeiten, dafür weniger verdienen – und vorher rede ich mit euch darüber überhaupt nicht.

Das tun Sie beispielsweise momentan beim Thema neue Tarifverträge. Ich sage Ihnen: Das Ergebnis dieser Politik ist, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes – die das an moderner Verwaltung umsetzen müssen, was wir alle miteinander wollen – zunehmend der Ideologie dieser Landesregierung ausgeliefert fühlen. Von partnerschaftlichem Verständnis, Teamarbeit, neuen Führungsmethoden ist immer weniger die Rede. Im Prinzip ist das, was Sie intern – im Land Hessen – tun, die Ansage: Wer spurt und schleimt, wird bei uns Karriere machen.

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, das ist nicht das, was wir uns unter moderner Verwaltung vorstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Man könnte noch sagen, die Verwaltungsspitzen müssten die Speerspitzen der Verwaltungsreform sein. Aber wenn Sie einmal in die zweite Reihe Ihrer Regierung schauen – da möchte ich jetzt gar nicht bei Ihren beiden Staatsministern aus der Staatskanzlei beginnen, sondern in die wirkliche zweite Reihe,Stichwort:Staatssekretäre –,dann werden Sie feststellen,dass es nichts hilft,wenn man nach vier Jahren einen von außen holt, der das Chaos wieder beseitigen soll, das die anderen zuvor angerichtet haben.

Im Dezember hatten wir die Debatte über die Stellung von Staatssekretär Lemke in dieser Landesregierung. Ich habe ein bisschen das Gefühl, das könnte eine Antwort auf die Querelen sein, die es da gab. Das könnte die Erklärung dafür sein, warum wir heute eine solche Regierungserklärung gehört haben. Das ist die einzige Erklärung, die aus meiner Sicht wenigstens intern noch einen gewissen Sinn ergäbe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Gute Idee! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Auch als wir noch in der Regierungsverantwortung waren, haben wir gesagt: Die Kameralistik, die Art und Weise, in der die Landesverwaltung gerechnet hat, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit, und wir wollen die doppelte Buchführung. – Herr Kollege Dr. Jung, das war Beschluss der Landesregierung im Jahr 1998.

Stichwort: Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Damals gab es übrigens Widerstand von Theo Waigel, von der Bundesebene. Aber das lassen wir jetzt einmal alles beiseite. Wir haben gesagt, das ist unsere gemeinsame Aufgabe, und wir sind der Meinung,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

dass dazu natürlich ein modernes EDV-System gehört. Auf der anderen Seite sage ich Ihnen aber auch: Wir haben einen Bereich – die Hochschulen – herausgenommen und ein Modellprojekt gestartet.

(Reinhard Kahl (SPD): Genau!)

Wir haben gesagt, wir schauen uns einmal genau an, was gut läuft, was schlecht läuft, wie viel es kostet, wo man noch nachsteuern muss, wo man mehr geben muss und vielleicht zu wenig ausgegeben hat.Wenn man aber solche Regierungserklärungen hier hält und sich einmal selbst in eine Riesenbegeisterung hineinredet und dabei gar nicht mehr auf die Realität sieht, dann kommt so etwas heraus wie eine Steigerung von 50 Millionen c – die ursprünglich einmal für die Einführung von SAP R/3 gedacht waren – auf über 300 Millionen c, wenn das reicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben dann mit dem Versuch angefangen, eine Summe von über 300 Millionen c im Jahr herunterzurechnen und zu sagen, das macht pro Arbeitsplatz nur 5.500 c aus. Ich habe es gerade einmal überschlagen: Haben wir wirklich 55.000 Bildschirmarbeitsplätze? Das kommt mir ein bisschen hoch vor. Aber lassen wir es einmal so und teilen wir, wie Sie es getan haben. Ich glaube, wir sollten uns nicht unbedingt mit denjenigen vergleichen, die uns aus Eigeninteresse und guten Gründen natürlich möglichst viele Dinge verkaufen wollen – und zwar so, dass wir in möglichst kurzer Zeit wieder möglichst neue Sachen kaufen müssen. Ich glaube, jenseits aller Begeisterung für moderne Verwaltung ist es immer noch angebracht, einmal genauer dahinter zu schauen und sich zu überlegen, ob das wirklich alles so sinnvoll ist, wie es in Hessen momentan auf der Spur liegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, wenn aber ein solches neues Kostenrechnungs- und Buchhaltungssystem wirklich einmal arbeitet, dann werden diese ganzen Taschenspielertricks der Kameralistik – Sie wissen ja: die Kameralistik wurde einst eingeführt, damit die Fürsten verschleiern konnten, wie viel Geld sie wirklich ausgeben; und unser Landesfürst, als der er sich selbst gerne sieht, macht das ähnlich – wie das Verkaufen von Ministerien und sofortiges Zurückmieten für 30 Jahre unter dem Strich als das auftauchen, was sie sind, nämlich als verdeckte Schuldenaufnahme und Vermögensverzehr.

Insofern freuen wir uns darauf, Herr Lemke, wenn das einmal wirklich funktioniert, weil wir dann unter dem Strich leider sehen werden, wie diese Hessische Landesregierung dieses Bundesland finanziell in der kurzen Zeit ruiniert hat, in der sie hier Verantwortung trägt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich möchte zur Frage Stausystem sagen: Herr Kollege Dr. Jung, wissen Sie,Wechselwegweiser sind nicht schwarz und nicht rot und nicht grün.

(Zuruf von der Regierungsbank:Aber neu!)

Sie sind Schilder an der Autobahn, sogar in blauer Farbe, aber nur in blauer, nicht in blau-gelber, Herr Kollege Hahn,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was man noch ändern kann!)

die einfach einen Standstreifen freigeben. Wie man angesichts der Freigabe eines Standstreifens hier solche Kapriolen am Rednerpult vollführen kann, wie Sie das getan haben, verstehe ich nicht. Wir haben nichts dagegen, dass es auf den Autobahnen weniger Stau gibt,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie fahren immer vorbei und schwenken Ihren Ausweis!)

aber wir wissen, Herr Ministerpräsident, im Gegensatz zu Ihnen, dass man im Ballungsraum, wo die Stadt Frankfurt liegt, die am Tag so viele Einpendler hat wie Einwohner, dieses Problem nicht lösen kann, wenn man nur auf den Individualverkehr setzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie das im Jahr 2005 immer noch nicht verstanden haben, zeigt das, dass Sie das Gegenteil von modern sind. Sie kommen wieder mit den Rezepten des Verkehrsministers Leber. Die mögen vielleicht in den Sechzigerjahren modern gewesen sein. Im Jahr 2005 sind sie es nicht mehr, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, diese Regierungserklärung war unter dem Strich der Beweis dafür, dass diese Hessische Landesregierung ratlos ist, ratlos über das Modell, das sie für die Zukunft des Landes Hessen hat. Am Ende zählen Sie Papier und sagen nicht,wo es für das Land Hessen hingehen soll. Meine Damen und Herren, das ist in unser aller Interesse eigentlich sehr, sehr schade.

Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur sagen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Wenn man hier schon noch einmal aufgrund einer Regierungserklärung der Landesregierung einen Rückblick auf das Jahr 2004 macht – nichts anderes haben wir ja gehört –, kann man nur feststellen, dass das Schlimmste im Jahr 2004 – das kommt zunehmend bei allen an, die auch nur entfernt mit Politik im Lande Hessen zu tun haben – die Beratungsresistenz und Arroganz der absoluten Mehrheit der CDU in diesem Hause sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wenn Sie sich schon extra eine halbstündige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur Frage der Modernität gönnen, wäre es an der Zeit, dass Sie sich im Sinne der Demut, die Frau Kollegin Apel immer anspricht, auch einmal überlegen, ob das, was Sie hier mit der Politik, mit der Verwaltung, mit der Opposition und mit allen,die mit dem Land Hessen zu tun haben,machen, eigentlich wirklich modern ist und uns weiterbringt. Ich hoffe da auf Änderung,sehr verehrte Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. Es wird wahrscheinlich ein Tag des Beifalls werden.Ich darf Herrn Hahn das Wort erteilen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die dringend notwendige Modernisierung der HessenVerwaltung durch die amtierende CDU-Landesregierung ist halbherzig und auf Sand gebaut.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP sieht bei der CDU-Landesregierung einen Mangel an Mut, einen Mangel an Kreativität, einen Mangel an Stil und einen Mangel an handwerklichem Geschick.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles ist nur gepumpt.

(Günter Rudolph (SPD): Jawohl!)

Jawohl, es ist richtig, dass eine Modernisierung der Landesverwaltung vorgenommen werden muss. Jawohl, es ist richtig, das im Jahr 1999, als CDU und FDP gemeinsam die Regierung übernommen haben, vieles, viel zu vieles im Argen gelegen hat. Der Ministerpräsident hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es die Organisation der Verwaltung, die fehlende Technik in der Verwaltung zu Beginn des Jahres 1999 und in den zwei oder drei Jahren danach schwer machten, ordentlich zu regieren, weil viele notwendige Daten fehlten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, seitdem Sie allein regieren, haben Sie nichts Neues mehr hinzu gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Sie machen es halbherzig, und Sie bauen Ihre Reform auf Sand. Warum bauen Sie die Reform auf Sand? Das möchte ich Ihnen für die FDP-Fraktion zu Beginn erklären.

Modern heißt in unseren Augen nachhaltig.

(Beifall bei der FDP)

Nachhaltig heißt, dass man das, was man macht, auch gegenüber der nachfolgenden Generation verantworten kann. Wer aber Schulden in verfassungswidriger Höhe aufbaut, handelt nicht nachhaltig, er handelt auch nicht modern, sondern unverantwortlich gegenüber der nächsten Generation.

(Beifall bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, wir haben deswegen von Ihnen heute eine Regierungserklärung erwartet. Das ist auch der einzige Unterschied zu Jürgen Walter und Tarek AlWazir. Wir hätten aber heute eine Regierungserklärung von Ihnen erwartet, die den Titel hätte haben müssen:Wie saniert die Landesregierung den maroden Hessen-Haushalt? Das ist Ihre Aufgabe heute und hier.

(Beifall bei der FDP)