Protocol of the Session on January 26, 2005

Es war nicht böse gemeint, aber Sie wollten die Antwort. Sie können sich offensichtlich gar nicht vorstellen, dass es Sachverhalte gibt, in die man überhaupt nichts geheimnissen muss. Dieses Schreiben, das der zuständige Referent Herr Schmäing unterschrieben hat, geht nach meiner Einschätzung 300fach aus dem Hause. Da muss doch jemand mit dem Klammersack an die Wand gelaufen sein,wenn er sich hierher stellt und nicht das sagt, was darin steht, weil Sie in Ihrer ganzen oppositionellen Verzweiflung immer die Überlegung haben: Da muss es noch irgendetwas geben, aus dem wir Honig saugen können. – Meine Damen und Herren, da gibt es überhaupt nichts. Da gibt es nur eines: Da muss man vernünftig handeln, und man muss so handeln, dass die Verwaltung damit etwas anfangen kann.

(Beifall bei der CDU – Dr. Walter Lübcke (CDU): Das kann Herr Schmitt nicht!)

Hier geht es am Schluss immer darum,dass wir Regeln haben, an die wir uns halten, auch halten müssen. Trotzdem füge ich hinzu:Erst kommt der Mensch und dann die Ordnung. Beides gehört zusammen, gerade wenn wir über Petitionsfragen sprechen. Ich freue mich darüber, dass Sie die Mitarbeiter alle so gelobt haben. Es ist selten genug, dass wir etwas gemeinsam tun. Jetzt können wir doch gemeinsam festhalten, und ich schließe alle meine Vorgänger geistig ein: Alle, die dieses Amt versehen haben und Mitglieder einer Landesregierung waren, haben sich immer bemüht, den Überlegungen und Wünschen der Mitglieder des Petitionsausschusses, soweit es vertretbar war und das Recht es hergegeben hat, nachzukommen. So war das, und so will ich es auch für die Zukunft halten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Das Wort hat Frau Kollegin Waschke, SPD-Fraktion. Fünf Minuten.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! So lange werde ich nicht brauchen. Es geht nur um zwei kurze Klarstellungen.

Große Anfragen müssen meines Wissens innerhalb von drei Monaten beantwortet werden. Unsere Große Anfrage ist am 19. Juli eingebracht worden, jetzt haben wir Januar. – So viel zu diesem Thema.

Zum Kriterienkatalog. Herr Kollege Beuth hat gesagt, wir wollen den Petitionsausschuss nicht einengen – richtig. Es geht uns auch nicht um einen Kriterienkatalog für den Petitionsausschuss, sondern es geht uns um einen Kriterienkatalog,der rechtliche und ethische Standards festlegt,die den Ausländerbehörden an die Hand gereicht werden. Da besteht das große Problem, weil bei uns Wildwuchs herrscht. Bei uns ist das nicht standardisiert. NordrheinWestfalen war ein bisschen besser als wir. Die haben seit dem Wochenende genau einen solchen Kriterienkatalog in Kraft gesetzt. Er ist gemeinsam zwischen der Landesärztekammer und dem Innenministerium ausgearbeitet worden. Genau so etwas würde ich mir auch für Hessen wünschen, weil wir dann eine Einzelfallgerechtigkeit hätten. Wir könnten Fall für Fall prüfen. Wir hätten Standards, nach denen wir das abarbeiten könnten, und wir müssten nicht diese pauschalen Anmerkungen oder Abmeierungen der einzelnen Fälle – –

(Minister Volker Bouffier: „Abmeierungen“ ist doch Quatsch!)

Wie Sie es nennen wollen, ist mir egal. Es geht mir darum, dass wir den einzelnen Fall sehen und dass nicht der eine Arzt so ein Gutachten erstellt und der andere es nach anderen Verfahren macht, je nachdem, an wen derjenige oder diejenige gerade gelangt. Genau das ist der Zustand, der im Moment noch in Hessen herrscht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Du ahnst es nicht!)

Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist der Bericht des Petitionsausschusses betreffend Tätigkeit in der 16. Wahlperiode, Drucks. 16/2670, behandelt.

Wir haben über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Abschiebung in die von der Flutkatastrophe in Südostasien betroffenen Gebiete abzustimmen. Wer diesem Dringlichen Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag einstimmig verabschiedet worden.

(Norbert Schmitt (SPD): Darin steht aber „Empfehlungen“, Herr Minister!)

Dann rufe ich den nächsten Punkt der Tagesordnung auf, Punkt 11:

Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Perspektiven der Wohnungspolitik in Hessen – Drucks. 16/2770 zu Drucks. 16/2292 –

gemeinsam mit Punkt 20:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Wohnungsgenossenschaften fördern – Hessen zukunftsfähiger machen – Drucks. 16/3166 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten je Fraktion. Die erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktion.

(Minister Volker Bouffier: Der lässt aber auch nichts aus!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die verbundene Debatte über die Große Anfrage zur Wohnungspolitik in Hessen und über unseren Antrag zur Förderung der Wohnungsgenossenschaften umfasst ein recht komplexes Thema. Deswegen werde ich angesichts der zehn Minuten Redezeit nur einige Schlaglichter benennen können.

Da Herr Milde gerade seine Wortmeldung abgibt, möchte ich ausdrücklich sagen: Herr Milde, das Lob, das Sie vorhin zum Thema Fehlbelegung und der Möglichkeit, ein bisschen Perspektive hineinzubringen, gern angenommen haben,

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Dafür haben Sie jetzt zehn Minuten!)

werde ich leider nicht ganz fortführen können, weil das, was Sie uns seitens der Regierung in dieser Großen Anfrage geboten haben, das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorhin an Vorschriften eingebracht haben, leider nicht ganz erfüllen kann.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zu Beginn einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Ressorts für die Beantwortung der Großen Anfrage aussprechen. Sie haben ihr Möglichstes unterhalb der politischen Vorgaben getan. Ich bin sicher, dass sie mehr getan hätten, wenn man sie gelassen hätte. Leider steht wieder einmal die Beantwortung einer Großen Anfrage, wie bereits mehrfach in der Legislaturperiode von der Opposition kritisiert, unter dem Motto „Tarnen, täuschen, ducken“. Die Antworten strotzen vor Allgemeinplätzen, die eine inhaltliche Debatte nicht möglich machen.

Es gibt nur zwei Ausnahmen von der oberflächlichen Beantwortung, das sind die Antworten auf die Fragen 8 und 13. In der Frage 8 geht es um experimentelle und sonstige Modellmaßnahmen. Diese werden ausführlich dargestellt. Da muss man nicht alles teilen, was geschrieben wird, aber es gab wenigstens eine vernünftige Antwort. In Frage 13 geht es um eine Liste der bekannten Wohnungsgenossenschaften, die dem Minister vom Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft übermittelt wurde.

Herr Minister, man kann solche Anfragen auch mit Engagement und Substanz beantworten. Ein Blick über die Landesgrenzen genügt. In Nordrhein-Westfalen wurde eine artgleiche Anfrage mit weniger Fragen auf 60 Seiten inhaltlich gefüllt mit substanziellen Informationen, Analysen, Zielsetzungen, Konzepten und Perspektiven. Die Beantwortung durch Roland Koch und Sie, Herr Rhiel, ist lustlos, inhaltslos und perspektivlos.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf von der CDU: Na, na, na!)

Damit bin ich beim zweiten zentralen Kritikpunkt angekommen. Es ist nicht nur die machtpolitisch begründete und systematische Verweigerung von Informationen deutlich geworden, sondern auch Ihre programmatische Verweigerung.

(Clemens Reif (CDU):Wenn Sie so weitermachen, werden Sie von der Liste gestrichen!)

Auf Ihrer kandidiere ich nicht, Herr Reif. Insofern mache ich mir keine Sorgen.

(Norbert Schmitt (SPD): Gott sei Dank! – Minister Volker Bouffier: Was gibt es denn da für eine Liste?)

Wohnungspolitik spielt für Sie offensichtlich eine untergeordnete Rolle, wobei allerdings die Frage erlaubt sein muss: Was spielt in dieser Landesregierung überhaupt eine Rolle?

Das Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt hat einen jährlichen Neubaubedarf in Hessen – um nur eines der vielen Beispiele zu nehmen; diese Zahlen haben wir übrigens erst auf Nachfrage bekommen – von 18.000 Wohneinheiten bis 2020 prognostiziert,für den Bereich des RP Darmstadt 14.500 Wohneinheiten, des RP Gießen 2.500 Wohneinheiten, des RP Kassel 1.800 Wohneinheiten.

(Norbert Schmitt (SPD): Erst macht er einen Zwischenruf, und dann geht er!)

Konzeptionelle Antworten auf diese Situation werden in der Beantwortung nicht gegeben, im Gegenteil: Das nach der „Operation düstere Zukunft“ geborene Notprogramm für 2004 für den Verdichtungsraum in Höhe von 20 Millionen c wird 2005 nicht wieder aufgelegt.

In Ihrer Antwort gibt es keinen Hinweis darauf, wie Sie den wohnungspolitischen Herausforderungen des RheinMain-Gebietes insbesondere, aber nicht nur, im Bereich des Neubaus und der Bestandssicherung begegnen wollen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Land wird das nicht allein können und soll es auch gar nicht.Aber wenigstens eine Idee könnte aus Sicht des Ministeriums formuliert werden.

Für das Thema Modernisierungsförderung und Erhalt von Wohnungsbindung, das Sie selbst in Ihrer Antwort als Problem ausmachen, fehlt ebenfalls jede weit reichende konzeptionelle Antwort. Wir haben heute Morgen deutlich gemacht, dass die vorgeschlagene Regelung zur Fehlbelegung keine hinreichende Antwort sein kann. Der von Ihnen angezeigte mangelnde Abruf von Mitteln in diesem Bereich hat wahrscheinlich auch etwas mit den Bedingungen der Förderprogramme zu tun.

Damit wären wir beim Thema „soziale Stadterneuerung“ oder besser „integrierte Ansätze“. Die Schaffung stabiler sozialer Nachbarschaften durch eine intelligente Vernetzung von verschiedenen Politikfeldern ist das zentrale Zukunftsthema für die Bewältigung unserer Probleme in den städtischen Wohnquartieren. Fünf Jahre Bilanz „soziale Stadt“ zeigen, dass sie insgesamt positiv ist. Nachfragen, die wir im Ausschuss gestellt haben, haben das deutlich gemacht. Sie haben den Ansatz ja ausdrücklich unterstützt, was wir sehr begrüßen.

Ich will an dieser Stelle einen Programmsatz aus der Anfrage zitieren, weil es einer der wenigen ist. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf sollen durch Bündelung von Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen zu einem integrierten Handlungsprogramm so weit unterstützt werden, dass sie sich wieder zu selbstständigen, lebensfähigen Stadtteilen mit positiver Zukunftsperspektive entwickeln.

(Zuruf von der SPD: Das wird im Sozialhaushalt gestrichen!)

Das ist Theorie und Praxis. Dieser Satz hat mich nämlich aus drei Gründen beeindruckt, die ich Ihnen auch gern mitteilen möchte: erstens, weil es eine der wenigen pro

grammatischen Aussagen ist, zweitens, weil er zeigt, dass, wenn Sie einmal programmatische Aussagen machen, die durch das tatsächliche Handeln konterkariert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bilanzliste und Projektliste zu dem integrierten Programm aus dem Sozialministerium und aus dem Kultusministerium bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zur sozialen Stadterneuerung hat eindeutig unterlegt,dass ein integrierter Ansatz in Hessen konzeptionell von Ihnen nach wie vor favorisiert wird, Herr Rhiel, er aber faktisch nicht mehr stattfindet. Das ist nicht nur Ausgangspunkt der „Operation düstere Zukunft“ und des Endes der LAG Soziale Brennpunkte in vielen Bereichen auf der Kreisebene gewesen, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Der Hit war die Aufnahme des Punktes „Feuerwehrhof in Lollar“ für diesen integrierten Ansatz.

Wenn wir schon beim Thema Integration sind: Der Ministerpräsident hat ja gerade am Wochenende erklärt, Hessen sei das Integrationsland Nummer eins. Zum Thema Integrationspolitik findet sich in diesen integrierten Ansätzen bei Ihnen überhaupt nichts mehr.

Drittens hat mich beeindruckt, dass Sie ausdrücklich den Ansatz teilen, sich allerdings offensichtlich in diesem Punkt nicht durchsetzen können.

Das Lob in Ihrer Antwort wegen der Landesmittel in den Jahren 1997 und 1998, Herr Rhiel, geht im Übrigen ausschließlich zugunsten von Herrn Klemm, der nämlich dafür gesorgt hat, dass mit originären Landesmitteln dieser Ansatz bereits vor der Bundesförderung aufgenommen wird.