Während der gemeinsamen Sitzung des Innenausschusses mit vielen anderen Ausschüssen, die gestern Abend stattgefunden hat,haben wir wieder einen Beleg für Folgendes erhalten. Da ein Änderungsantrag kurzfristig eingegangen ist, haben Kollegen der Oppositionsfraktionen gewagt, Nachfragen zu stellen.
Zweitens. Von Abgeordneten wie Herrn Hoff haben wir dann zu hören bekommen, die Fragen würden während der Ausschusssitzung nicht beantwortet, das könne man im Plenum behandeln.
Meine Damen und Herren, das, was Sie gestern gemacht haben, war peinlich. Die Art und Weise, wie Sie mit dem Thema umgehen, das wir heute behandeln – Herr Innenminister, Sie sind nicht in der Lage, ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten –,macht deutlich:Diese Regierung kann es nicht.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Auch von den Fraktionen eingebrachte Gesetzentwürfe stellen ein geordnetes Verfahren dar!)
Wenn die Gesetzentwürfe inhaltlich gut sind, stimme ich Ihnen zu. Herr Dr. Jung, warum versuchen Sie denn nicht, die Fristen und die Form zu wahren?
Ich will das einmal deutlich machen. In dem Gesetzentwurf der CDU wird davon gesprochen, dass im Einvernehmen mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine Lösung gefunden worden sei,
Die Eckpunkte des Gesetzentwurfs sind mit dem Hessischen Landkreistag und dem Hessischen Städtetag abgestimmt worden und der Begründung als Anlage 1 und 2 beigefügt.
Nun haben wir im Gesetzentwurf geblättert und uns gefragt: Wo sind denn die Anlagen? – Wir haben dann festgestellt, dass wir sie nicht haben. Diese wurden dann über die CDU-Fraktion versandt. Die Anlagen enthalten die Eckpunkte für die Kommunalisierung der staatlichen Oberbürgermeister als Behörden der Landesverwaltung und noch weitere Eckpunkte. Dann steht da noch ein Aktenzeichen. Herr Dr. Jung, ich nehme an, es handelt sich dabei um ein Referat in der CDU-Fraktion. Das Aktenzeichen lautet: „Z 1 – 3 v 17“.
Nein, meine Damen und Herren, es ist leider viel schlimmer. Offensichtlich handelt es sich um ein Aktenzeichen der Zentralabteilung des Innenministeriums. Sie wahren noch nicht einmal den Schein der Trennung von Legislative und Exekutive. Das ist der Vorgang, um den es hier auch geht.
Sie hätten wenigstens Tipp-Ex nehmen und das Aktenzeichen oben löschen sollen, damit zumindest der Anschein entsteht, es handele sich um einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Aber selbst dazu sind Sie offensichtlich nicht in der Lage. Das zeigt auch, wie Sie mit diesem Parlament umgehen. Inzwischen treten Sie auch die Rechte des Parlaments mit den Füßen.
Ich will das hier sehr deutlich sagen: Es können keine ordnungsgemäßen Anhörungen mehr durchgeführt werden. Unter Zeitdruck wird hier ein Gesetzentwurf nach dem anderen behandelt. Sie beschweren sich dann auch noch, wenn die Mitglieder der Opposition die ihnen nach der Verfassung zustehenden Rechte wahrnehmen. So können wir in der Tat nicht weiter zusammenarbeiten.
Es soll sich um einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion handeln. Aber alle Vorbereitungen liefen an anderer Stelle. Der Innenminister hat das gestern selbst gesagt. Aber das wissen wir auch von anderer Stelle. Das erkannten wir auch im Verlauf der monatelangen Verhandlungen mit den Kommunalen Spitzenverbänden.
Es ist richtig, die bisherige Konstruktion von staatlicher Abteilung und allgemeiner Landesverwaltung ist in Hessen in der Tat so geregelt wie in keinem anderen Bundesland. Es gab in den vergangenen Jahren auch immer wieder Diskussionen, ob wir das neu ordnen können oder müssen. Darüber kann man in der Sache reden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber, Herr Dr. Jung, als parlamentarischer Geschäftsführer haben Sie früher sehr viel Wert auf die Kleiderordnung gelegt. Erst macht die Regierung einen Gesetzentwurf,leitet ihn dem Parlament zu. Dann beraten wir ihn ordnungsgemäß, machen eine Anhörung, und am Schluss wird politisch entschieden. So ist die saubere Reihenfolge. Aber weil Sie nicht in die Puschen kommen, weil Sie die Zeitabläufe nicht beherrschen, wählen Sie ein anderes Verfahren. Deswegen ist das zu kritisieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Wenn das die einzige Kritik ist!)
Ich weiß, Herr Dr. Jung. Sie hätten früher gleich gesagt, wir müssten zum Staatsgerichtshof gehen oder irgend so etwas.
Meine Damen und Herren, ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren ist es nicht. Ein Gesetzentwurf wird im Schweinsgalopp eingebracht,weil man offensichtlich auch in der Sache nicht so gute Karten hat. Dabei kann von einer echten Kommunalisierung, von der Herr Haselbach gesprochen hat, nicht die Rede sein. Die kommunalen Vertretungskörperschaften auf Kreisebene haben auch nach der beabsichtigten Änderung überhaupt keine Mitsprachemöglichkeit. Stattdessen wird die Position des Landrats als Dienststellenleiters gestärkt, weil er der Dienstvorgesetzte ist. Aber etwa das Selbstverwaltungsorgan hat auch bei der neuen Aufgabenübertragung nichts zu melden.
Kritisch zu sehen sind nach wie vor die fehlenden Klarstellungen der eingeschränkten Weisungsbefugnis bei der landwirtschaftlichen Förderung sowie den weiteren Haftungs- und Schadenersatzregelungen des Landes. All das sind Dinge, die im Verfahren angesprochen wurden. Wir haben uns natürlich im Vorfeld mit der kommunalen Seite auseinander gesetzt, weil wir wissen wollten, ob das alles so Friede, Freude, Eierkuchen ist, wie Sie immer behaupten, dass alles wunderbar besprochen wäre.
Nein, meine Damen und Herren, so ist es nicht. Nach unserer Auffassung ist auch die Weigerung des Landes, für neu eingestellte Beamte die Versorgungslasten zu übernehmen, ein Fehler. Dies führt in Zukunft zu erheblichen Mehrbelastungen auf der kommunalen Seite, widerspricht dem Konnexitätsprinzip und wird weiter dazu führen, dass Kosten der Kreise auf die Städte und Gemeinden umgelagert werden. Dies ist heute finanzpolitisch nicht zu verantworten. Deswegen ist es falsch.
Auch Ihre Weigerung, eine dauerhafte Dynamisierung der Personalkosten festzuschreiben, ist eine Benachteiligung der kommunalen Ebene. Man hat eben so schön von der Effizienzdividende gesprochen. In den letzten Jahren war die Personalausstattung der kommunalen Ebene gerade bei der allgemeinen Landesverwaltung eher dürftig. Da können Sie nicht mehr viel herausholen, Herr Innenminister. Deswegen ist die Ankündigung, 40 Stellen zur Verfügung zu stellen, möglicherweise nicht ausreichend. Denn zumindest ich höre aus Landratsämtern aus Nordhessen, dass sie schon jetzt mit einer eher schwachen Personalausstattung zu tun haben. Deswegen ist das nicht in Ordnung.
Eine echte Kommunalisierung ist es auch deswegen nicht, weil ein ganz wichtiger Bereich von Ihnen im Vorfeld herausgenommen wurde, Stichwort: Katasterverwaltung, eine Sonderbehörde Bodenmanagement. Das ist ein ganz zentraler Punkt, der eigentlich in das gesamte Konstrukt mit hineingehören würde. Dann wäre es ernsthaft und richtig gemeint. Aber hier haben Sie eine Landessonderbehörde geschaffen. Ein wichtiger Mosaikstein wird aus der Kommunalisierung herausgenommen. Deswegen ist es keine echte Kommunalisierung, sondern eine erneute Mogelpackung. Das wollen wir an der Stelle deutlich sagen.
Wenn wir Synergieeffekte erzielen wollen, gehören auch solche Sonderbehörden mit hinein in das Tableau. Denn wenn wir Einsparungen erzielen wollen, sind sie an der Stelle möglich: zusammen mit anderen Behörden des Landrats.
Wenn im Übrigen von mehr Bürgernähe die Rede ist, dann brauchen wir nicht so viele Sonderbehörden. Denn dem Bürger ist es relativ egal, ob der Bedienstete, der das Kraftfahrzeug zulässt, ein Bediensteter des Landes Hessen oder des Kreises ist. Der Bürger will gut, vernünftig und zeitgemäß betreut werden. Deswegen spielt das nicht die Rolle. Entscheidend ist, wo man es bündeln kann. Aber mehr Zuständigkeiten, egal bei welcher Behörde angesiedelt, führen in aller Regel zur Zersplitterung. Deswegen haben Sie die große Chance versäumt, jetzt die Katasterverwaltung dort zu integrieren. Eine Sonderbehörde wird zu mehr Bürokratie führen.Deswegen ist auch das der falsche Ansatzpunkt.
Wir haben weiterhin zu kritisieren, dass es dabei bleibt, dass die Fachressorts weiter hineinregieren werden.Auch das ist nach wie vor kritisch zu sehen; denn es wird nicht dazu führen, dass es eine echte Kommunalisierung ist. Die Fachressorts neigen dazu – unabhängig davon, wer zufälligerweise gerade regiert –, ihre Fachinteressen durchzusetzen. Das ist sicherlich von Nachteil.
Doch, Herr Dr. Jung. – Deswegen klappt das bei Ihnen auch nicht mit der Gesetzgebung, weil Sie ständig nachbessern müssen, da die Regierungsmitglieder offensichtlich nicht mitkriegen, dass EU-Richtlinien umgesetzt werden müssen. Das stellen sie erst zwei Minuten vor zwölf fest. Deswegen befürchten wir, mehr Bürokratie wird nach unten verlagert, und zwar mit direkten Eingriffsmöglichkeiten der Fachressorts, was zulasten der Bürgernähe geht. Deswegen ist das an der Stelle sicherlich nicht sehr vernünftig.
Meine Damen und Herren, wir werden – das können Sie schlecht verhindern, auch wenn Sie mit Ihrer Mehrheit so ziemlich alles machen können – eine entsprechende Anhörung durchführen, offiziell durch den Landtag und nicht von irgendwelchen Fraktionen.
Wir werden in aller Ruhe die Anhörung durchführen.Wir werden sie auswerten und kritisch schauen, was vernünftig und sinnvoll ist. Wir lassen uns aber nicht von der Behauptung irritieren, das sei alles kostenneutral, wie Sie es in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs schreiben. Das entspricht schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit. Denn wenn die Versorgungslasten den Kommunen aufgelastet werden, dann ist das eine zusätzliche Belastung und schon gar nicht kostenneutral. Auch hier sollten Sie ehrlich und redlich sagen: Es gibt eine zusätzliche Belastung. – Wenn die kommunale Seite meint, sie müsse das alles übernehmen, dann ist das die eine Geschichte. Wir als Landespolitiker müssen das im Kontext sehen. Im Übrigen sieht der Hessische Städtetag diese Regelung sehr kritisch.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um ein Gesetz, das nicht so sehr im Fokus der breiten Öffentlichkeit steht. Die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger sind sicherlich vor Ort sichtbar. Es ist aber bei diesem Gesetz wie bei anderen Dingen. Sie wollten eine große Verwaltungsstrukturreform. Herr Dr. Jung, Sie haben es in der vergangenen Wahlperiode auch versucht und mussten dann mittendrin aufhören. Es ist alles nicht so erfolgreich
gewesen. Hier ist ein erneuter Beleg. Es fehlt etwas. Der Guss, Verwaltung so zu reformieren, dass sie effektiver wird, ist Ihnen nicht gelungen. Ob das mit dieser Kommunalisierung gelingt, da sind Zweifel angebracht.
Wir werden das in aller Ruhe diskutieren und am Schluss unsere politische Bewertung abgeben. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Rudolph hat es gerade schon angesprochen, ich will es auch tun. Denn es gehört mittlerweile schon zum guten Ton in der Auseinandersetzung mit der Regierung und der sie tragenden Fraktion. Es ist schon verwunderlich, wie dieser Gesetzentwurf entstanden und dann dem Hessischen Landtag zugeleitet wurde. Er trägt zwar die Unterschrift von Dr. Jung, aber entstanden ist er im Hause Bouffier. Herr Minister Bouffier hat sich in der letzten Innenausschusssitzung schon ziemlich weit vorgewagt, als es ihm rausrutschte, er habe es dem Hessischen Landtag zugeleitet.
Herr Staatsminister Bouffier,das kann man machen.Aber die Fraktion, die hier im Hause die Mehrheit stellt, sollte sich überlegen, ob man das, was sie hier macht, im Gesamtkontext dessen, was wir in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Verwaltungsreform diskutiert haben, ein geeignetes und vernünftiges Verfahren nennen kann. Ich glaube, dass dem nicht so ist.
Wir können uns noch alle an Zeiten erinnern, als hier vorne in der ersten Reihe für die CDU-Fraktion Herr Dr. Jung als Fraktionsgeschäftsführer und der Ministerpräsident als Fraktionsvorsitzender saßen. Diejenigen, die vielleicht noch ein bisschen Geschichtserinnerung haben – Lothar Klemm und andere –, werden sich noch gut erinnern:Wenn eine rot-grüne Landesregierung Ihnen solche Gesetzentwürfe in einem solchen Verfahren zugeleitet hätte, dann glaube ich, dass der innenpolitische Sprecher, seinerzeit Innenminister Bouffier, hier einen Tanz aufgeführt hätte, der sich gewaschen hätte. Also kehren Sie zu einem vernünftigen Gesetzgebungsverfahren zurück. Dann können wir darüber reden.
Jetzt können wir wieder friedlich werden. Sie haben doch gestern Abend Weihnachtsfeier gehabt. Eigentlich sind Sie doch schon auf Weihnachten eingestellt. Dann können wir auch friedlich weitermachen.
(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Sie nicht? – Michael Boddenberg (CDU): Sie reden doch gerade von Oppositionsarbeit!)
Herr Kollege Boddenberg, vielleicht sollten wir jetzt wieder zum Thema kommen. Nehmen Sie sich einfach die Zeit, vielleicht über Weihnachten – das würde ich Ihnen gönnen –, und denken Sie einmal über die Arroganz nach,