Protocol of the Session on December 14, 2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ 10.000 Stellen in die PVS gemeldet. Jetzt machen Sie eine Verwaltungsreform, die die Strukturen dem Weniger an Personal anpasst: ohne eine Aufgabenkritik durchzuführen, ohne eine Debatte darüber, welche Aufgaben das Land in der Zukunft noch erfüllen will, und ohne das Personal in diesem Prozess einzubinden. Genau so organisiert man eine Verwaltungsreform nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man die Menschen, die nachher in diesen neuen Strukturen arbeiten müssen, nicht in den Reformprozess einbindet, ist eine solche Reform zum Scheitern verurteilt.

Sie können bis heute nicht schlüssig erklären, warum der eine Standort geschlossen, der andere Standort aber erhalten bleibt. Das beste Beispiel dafür sind die Amtsgerichte. Sie begründen die Organisationsänderungen immer mit dem Bericht des Hessischen Landesrechnungs

hofs.Wenn wir Sie aber fragen, warum Sie an bestimmten Punkten von den Empfehlungen des Berichts abweichen, bleiben Sie uns die Antwort schuldig.

Im Regierungsentwurf war beispielsweise vorgesehen, das Amtsgericht Bad Vilbel als Zweigstelle zu erhalten. In dem Gesetzentwurf, den Sie dem Landtag zugeleitet haben, wurde Bad Vilbel aufgelöst.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nur das Amtsgericht! Bad Vilbel bleibt bestehen!)

Nur das Gericht, da haben Sie Recht, Herr Kollege Hahn. – Unsere Frage, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist, hat die Landesregierung nicht beantwortet.

In dem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage. Das Amtsgericht Hofgeismar soll zwar richtigerweise als Zweigstelle erhalten bleiben, das Amtsgericht Wolfhagen aber nicht. Wie kommt die Landesregierung bei ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Entscheidungen? Eine Antwort auf unsere Frage: Fehlanzeige. Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten, dass dies ein geordnetes und nachvollziehbares Verfahren zur Gerichtsorganisation in Hessen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sachliche Abwägungen zu diesen Entscheidungen geführt haben, warum bekommen wir dann auf unsere Fragen keine befriedigenden Antworten? Dabei verlangen wir noch nicht einmal befriedigende Antworten. Wir würden uns schon über Antworten freuen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen zu den Amtsgerichten Witzenhausen, Wolfhagen und Bad Vilbel einen Antrag vorgelegt. Anhand des Umgangs mit diesem Antrag können Sie beweisen, ob es Ihnen wirklich um bürgernahe und ausgewogene Amtsgerichtsstrukturen in Hessen geht oder ob Sie die Amtsgerichtsstrukturen sozusagen nach Kassenlage organisieren wollen. Aufgrund der Schließung der Bundeswehrstandorte in Nordhessen stellt sich von neuem die Frage, wie die Standortentscheidungen der Landesregierung zustande kommen. Der Bürgermeister der Stadt Wolfhagen, Herr Schaake, hat in der Anhörung gesagt:

Was uns sehr, sehr betroffen macht, ist die massive Unausgewogenheit der Maßnahmen,...

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf ein paar Beispiele nennen. Im Landkreis Kassel... sollen nach der Planung 54 Arbeitsstellen wegfallen. Es geht dabei um das Amtsgericht, das Katasteramt und das Veterinäramt.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Falsch!)

Aber insgesamt sind es beim Landkreis Kassel 54 Stellen, die abgezogen werden, und davon allein 47,5 in Wolfhagen. Das trifft unsere Stadt sehr extrem, und... das halte ich für sehr, sehr unausgewogen.

Recht hat dieser Mann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): 19 Arbeitsplätze fallen weg!)

Herr Dr. Lübcke, wir werden nachher genau beobachten, wie Sie sich bei der Beratung über unseren Antrag verhalten. Auf der einen Seite fahren Sie in Nordhessen herum und erklären, dass die Bundesregierung Standortent

scheidungen trifft, die Auswirkungen auf die Region haben. Auf der anderen Seite treffen Sie aber Personalentscheidungen, die einen massiven Personalabbau zur Folge haben. Wir werden nachher genau darauf achten, wie Sie sich bei der Abstimmung über unseren Antrag verhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch der Bürgermeister der Stadt Witzenhausen sagt:

Seit der Gebiets- und Verwaltungsreform Anfang der Siebzigerjahre ist die Maßnahme der Landesregierung der größte Schlag gegen das Mittelzentrum Witzenhausen im Werra-Meißner-Kreis. Wir sehen diesen Status jetzt als sehr gefährdet an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen Ihnen mit unserem Antrag die Möglichkeit geben, Ihre Standortentscheidungen in den drei eben genannten Fällen zu überdenken und diese Amtsgerichte als Zweigstellen zu erhalten.

Auch bei der Organisation der neuen Bodenmanagementbehörden gibt es für uns noch viele Fragen. Insbesondere die Tatsache, dass wir morgen in erster Lesung einen Gesetzentwurf zur Kommunalisierung der Landräte debattieren, macht die Sache noch interessanter. Warum machen Sie die Bodenmanagementbehörden zu Sonderbehörden des Landes? Bei einer Vielzahl anderer Behörden aus den staatlichen Teilen des Landrats kommen Sie aber zu dem Ergebnis,diese müssten kommunalisiert werden. Von einer strukturierten Reform kann, wie ich meine, keine Rede sein. Herr Frischkorn von der Bundesfachkommission Vermessung hat das in der Anhörung auch gesagt:

Wir verweisen darauf, dass wir den Rückzug der Kataster- und Vermessungsämter aus der Fläche nicht befürworten können.Gerade vor dem Hintergrund einer effektiven, bürgernahen und kundenorientierten Bodenmanagementbehörde ist das nicht gutzuheißen....Daher kann man sich nicht auf wenige Standorte in Hessen an der Peripherie zurückziehen und den Ballungsraum, das RheinMain-Gebiet, gänzlich ohne ein funktionierendes Amt zurücklassen.

Recht hat dieser Mann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder die Stellungnahme des Bezirkspersonalrats:

... ich möchte noch einmal die Dimension klarmachen: Wir sind zurzeit an 58 Standorten in Hessen untergebracht

es geht um die Bodenmanagementbehörden –

und werden dies künftig an zwölf sein. Das ist eine dramatische Vernichtung einer Flächenverwaltung im Vergleich zu bisherigen Verwaltungsreformen.... Es geht hier um ungefähr 900 Beschäftigte, die ihren Dienstsitz wechseln müssen.

Es geht eben nicht nur darum, dass wir die Standorte neu organisieren, sondern es geht auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Den Umgang der Landesregierung mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir schon bei der Einrichtung der PVS kennen gelernt. Wir sehen es an diesem Punkt wieder: Sie haben es noch nicht einmal für nötig gehalten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Prozess einzubinden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, genau wie wir, nichts gegen eine vernünftige und begründete Verwaltungsreform. Aber Sie können noch nicht einmal begründen, warum Sie Strukturentscheidungen einmal so und einmal anders treffen. Von daher kann von einer strukturierten Reform keine Rede sein.

Die Gründe für die Reform der LFN-Reform, die jetzt auch ansteht, also für die Auflösung des Hessischen Dienstleistungszentrums für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz, bleiben alleine Ihr Geheimnis, meine Damen und Herren. Erst wird das HDLGN mit viel Getöse aus der Taufe gehoben.Aber das Kind hat noch nicht einmal das Kindergartenalter erreicht, da wird es auch schon wieder eingestampft. Die Antwort auf die Frage, welche inhaltlichen Gründe dafür sprechen, bleiben Sie schuldig. Auch in den Anhörungen haben Sie nichts dazu gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Murks hat auch in Hessen einen Namen. Dieser Name ist mit der CDU-Landesregierung und dem Ministerpräsidenten verbunden: Roland Koch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht haben Sie da – er ist jetzt nicht da – eine Gemeinsamkeit mit Frau Merkel,die Sie sonst nicht so schätzen.

Wir werden Ihren Gesetzentwurf in zweiter Lesung ablehnen und beantragen hiermit die dritte Lesung des Gesetzentwurfs. Dann haben Sie vielleicht noch die Möglichkeit, die eine oder andere Frage zu beantworten. Ich hoffe das immer, allein mir fehlt der Glaube, dass Sie es machen werden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Warum beantragst du dann die dritte Lesung?)

Sie legen hier einen Gesetzentwurf vor, der unausgewogen ist, der nicht durchdacht ist, der gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht, der gegen viele Standorte geht und der insbesondere gegen Nordhessen geht. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Als nächste Rednerin hat Frau Hofmeyer für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anhörung zu dem Zweiten Gesetz zur Verwaltungsstrukturreform hat ein vernichtendes Urteil für die Landesregierung ergeben.

(Beifall bei der SPD)