Protocol of the Session on November 25, 2004

Die CDU-Landtagsfraktion ist deshalb gefordert, eine Grenze zu den üblen Äußerungen zu ziehen, die Herr Irmer in seiner Zeitung vorgenommen hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier geht es nicht um die Meinungsfreiheit eines Abgeordneten.Hier geht es darum,ob sich der Hessische Landtag und insbesondere die im Hessischen Landtag die Mehrheit habende Fraktion, die CDU-Fraktion, schweigend duldend, distanzlos zu den Äußerungen verhalten, zu denen ich jetzt kommen werde. Es ist die Frage, ob dazu geschwiegen werden soll und ob das hingenommen werden soll. Darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um was geht es? Herr Irmer ist Herausgeber und auch verantwortlicher Redakteur des „Wetzlar-Kuriers“.

(Clemens Reif (CDU): Eine erfolgreiche Zeitung!)

In der Oktoberausgabe hat er unter der Überschrift – das muss man wörtlich vorlesen – „Rot-Grün lädt Terroristen und Schwerkriminelle herzlich ein“ geschrieben:

Schwachsinn hat in Deutschland jetzt einen Namen. Er ist weiblich und heißt Brigitte Zypries.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Unerträglich! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da klatscht er noch!)

Hat Herr Reif gerade dazu geklatscht? Das muss man für das Protokoll festhalten. Ein Mann wie Herr Reif klatscht dazu. – Zu den Beitrittsverhandlungen des deutschen EU-Kommissars Günter Verheugen mit der Türkei schreibt Herr Irmer: Wer das macht, den müsste man im Grunde wegen Hochverrats in Deutschland anklagen.

(Günter Rudolph (SPD): Unerträglich! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unerträglicher Hetzer!)

Zum Asylrecht schreibt er – meine Kollegin hat das heute schon in der Aktuellen Stunde angesprochen; dazu hat Herr Jung gesagt, dass es nicht stimmt – unter der Überschrift „Für eine Abschaffung des Individualrechts auf Asyl“ wörtlich:

Im Übrigen sei er

also Irmer –

dafür, das Individualrecht auf Asyl komplett abzuschaffen.

So weit das Zitat aus der Zeitung.

(Frank Gotthardt (CDU): Lesen Sie einmal die Begründung vor, Herr Schmitt!)

Zur Homosexualität meint er, dass diese nicht angeboren sei, und er fordert Homosexuelle auf, ihre Neigungen zu überwinden. Zugleich kritisiert er die Hessische Sozialministerin, die ich jetzt leider nicht sehe,

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

weil diese keine Hilfestellungen anbiete, damit Gleichgeschlechtliche von ihrer sexuellen Orientierung loskommen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Äußerungen schlimme Entgleisungen und Beleidigungen sind. Sie sind gegen die Verfassung gerichtet, was das Asylrecht betrifft, und sie zeigen auch ein rechtsextremes Weltbild.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Das würde Ihnen so passen!)

Ich will das mit dem Programm der Republikaner in Hessen belegen. Die Republikaner fordern in ihrem Programm:

Das Grundrecht auf Asyl ist durch eine gesetzliche Regelung zu ersetzen, die es gestattet, berechtigte und unberechtigte Antragsteller in einem einfachen und schnellen Verfahren zu unterscheiden.

Genau diese Position ist völlig deckungsgleich mit dem Artikel von Herrn Irmer in der Oktoberausgabe des „Wetzlar-Kuriers“.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Gotthardt (CDU): Lesen Sie doch einmal die Begründung vor!)

Meine Damen und Herren, nicht umsonst fragt der NPDFunktionär Alfred Zutt aus Ehringshausen, ob Irmer „dann nicht auch rechtsradikal“ sei, wenn er solche Dinge

vertritt. Außerdem wirft die NPD Herrn Irmer vor, „nur nationale Phrasen“ zu dreschen. – Das ist der Vorwurf aufseiten der NPD. Ich glaube, das macht vieles deutlich.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollen wissen, insbesondere von der CDU, ob die Aufgabe des Individualrechts auf Asyl von Ihnen unterstützt wird.Deshalb werden wir die Passage gesondert zur Abstimmung stellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen auch wissen, ob die Hessen-CDU Beleidigungen der Bundesjustizministerin mitträgt. Ich frage Herrn Minister Wagner, wie er in der nächsten Justizministerkonferenz der Kollegin Zypries ohne eine eindeutige Distanzierung gegenübertritt. Da bin ich gespannt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Zur Frage der Homosexualität wollen wir ebenfalls eine gesonderte Abstimmung, weil wir wissen wollen, ob die Sozialministerin die absurde Auffassung von Herrn Irmer mitträgt. Dazu gibt es übrigens einen Leserbrief an den „Wetzlar-Kurier“, den wir allerdings nur im Internet gefunden haben. Darin schreibt Roland Heintze, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union, mit Befremden habe er den Artikel gelesen. Er schreibt außerdem, Homosexualität sei keine Krankheit, und er wehrt sich im Namen der „indirekt diffamierten Menschen“ gegen diesen Artikel.

Meine Damen und Herren von der CDU, wehren Sie sich auch gegen diese Diffamierung? Das ist doch die Frage.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wir wollen auch wissen, wie die Hessische Sozialministerin dazu steht.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist gefordert, endlich eine klare Grenze zu ziehen. Im Fall Hohmann haben Sie das nur widerwillig getan. Erst auf Druck von Frau Merkel ist an dieser Stelle reagiert worden.Aber in dieser Frage müssen Sie handeln. Es ist ein Fraktionsmitglied von Ihnen. Ich muss fragen: Wie kann ein schulpolitischer Sprecher solche intoleranten Auffassungen vertreten?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche Auffassungen dürfen in Stil und Inhalt von der Spitze einer demokratischen Fraktion nicht geduldet werden.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, es ist auch deswegen Ihr Problem, weil der „Wetzlar-Kurier“ auch im Landtag verteilt wird. Er lag auf dem Infostand vor dem CDU-Fraktionssitzungssaal aus, und die beleidigenden Äußerungen gegenüber Frau Zypries standen noch um 9.20 Uhr – das war der letzte Zeitpunkt, zu dem wir hineingeguckt haben – heute Morgen im Internet. Deswegen fordere ich: Ziehen Sie einen Schlussstrich, distanzieren Sie sich von diesen Äußerungen. Ich glaube, Sie sollten es tun.

Die FDP hatte ein Problem mit dem Abg. Kappel. Die FDP hat das anders gehandelt. Sie hat sich klar distanziert

und hat gesagt:Wir wollen nichts mit diesen Äußerungen zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen Sie sich ein Vorbild. Es ist nicht einfach, wenn Fraktionskollegen betroffen sind. Das gebe ich zu. Das ist völlig klar, und es war für die FDP auch nicht einfach.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Aber Sie müssen eine klare Grenze zu diesen Äußerungen ziehen. Ich glaube, das erfordert der demokratische Konsens auch hier im Hause.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Irmer, Sie haben den politischen Anstand in dieser ganzen Affäre verloren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zurufe von der CDU)