Protocol of the Session on November 25, 2004

(Dr.Norbert Herr (CDU):Sie traktieren die Bevölkerung mit der Bürgerversicherung!)

Ich möchte mein Rede mit einem Zitat der Fraktionsvorsitzenden meiner Partei im Bundestag beenden. Sie hat gesagt, der Streit in der Union über die Gesundheitsreform erinnere sie an eine Familie, die sich nicht darüber einigen könne, ob zu Weihnachten Fisch oder Kaninchen auf den Tisch komme. Jetzt suche diese Familie nach einem Hering mit langen Ohren. – Guten Appetit, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank.– Das Wort hat der Kollege Florian Rentsch, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man hatte schon fast Lust auf eine eigene Schwesterpartei, denn marketingtechnisch gesehen war es sensationell, wie Sie über zehn Wochen – Respekt, meine Damen und Herren – mit einer internen Parteidiskussion die Medien bestimmt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man hatte wirklich die Hoffnung, dass sich bei den drei Oppositionsfraktionen Schwesterparteien einstellen würden. Die FDP aber ist so homogen, dass sich in der nächsten Zeit keine Schwesterpartei gründen wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Effekt war, dass es mittlerweile einen neuen Politikertypus gibt: Die Seehofers dieser Welt haben zugeschlagen. Herr Seehofer hat die Medien auch dadurch beherrscht, dass sich jeder fragt, wie sein persönliches Schicksal in den nächsten Wochen aussehen wird. Mich interessiert das zwar relativ wenig, aber anscheinend interessiert es die Leute in diesem Lande doch sehr stark.

(Beifall bei der FDP)

Jedenfalls werden wir alle das Schicksal von Herrn Seehofer begleiten, denn es ist für uns und für diese Republik sehr wichtig, wie Herr Seehofer seine politische Zukunft gestaltet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir begleiten es trauernd!)

Ich hoffe, dass er sein politisches Schicksal nicht in einer Regierungskoalition aus CDU und FDP findet.

Das heutige Thema heißt: das Gesundheitsmodell der CDU. Das jetzt vorgelegte Modell ist wirklich eine sehr merkwürdige Kombination aus den beiden negativen Teilen der Diskussion zwischen CDU und CSU. Wir haben mittlerweile folgende Daten: Sie haben einen Arbeitnehmeranteil von 109 c und einen Arbeitgeberanteil von 60 c festgelegt,insgesamt also 169 c.Sie haben aber nicht das erreicht, was Sie eigentlich erreichen wollten. Sie erzielen keine Entkopplung der Gesundheitskosten vom Arbeitsmarkt. Sie sind auf halber Strecke stehen geblieben. Das Einfrieren des Arbeitgeberanteils ist nicht das, was Sie haben wollten. Es wird vor allem keine Belebung auf dem Arbeitsmarkt bringen.

Diese Regelung bringt auch kaum eine Entkopplung der Gesundheitskosten vom Steuersystem. Mithilfe eines großen Umverteilungsmechanismus wollen Sie 15 Milliarden c in das Krankenkassensystem hineinpumpen. Außerdem würde Ihr System zu einer großen Umverteilungsaktion unter den Krankenkassen mit einer wahnsinnigen Bürokratie führen. Es wird keine Altersrückstellung geben, wie Sie es eigentlich vorhatten. Aber das größte Problem ist das falsche Preissignal, das Sie geben. Sie suggerieren den Menschen in diesem Land, dass man für 109 c einen vollständigen Krankenversicherungsschutz bekommen kann. Das ist ein völlig verfehltes Signal.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat an dieser Stelle zu Recht gefragt – wir kommen in der nächsten Woche zum Thema Bürgerversicherung,da werden wir Ihnen offen legen,was das für ein Un

sinn ist –:Wo ist der Ministerpräsident? Der Ministerpräsident sitzt hier. Er hat zu diesem Thema relativ wenig gesagt – zu Recht. Denn was sollte man zu diesem Thema auch sagen, außer, dass Ihre Regelung unsinnig ist? Er hat also meines Erachtens völlig richtig reagiert.

Die Leute in diesem Lande fragen sich natürlich:Wie geht es weiter? Was erwartet die Menschen in diesem Land, wenn die FDP und die CDU im Jahre 2006 die Bundesregierung übernehmen werden?

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann es relativ einfach darstellen: Sie haben gestern Friedrich Merz zitiert, der mittlerweile anscheinend der einzig Vernünftige in der Bundes-CDU ist.Friedrich Merz hat etwas Richtiges gesagt. Er hat gesagt: Das Ding wird so nicht kommen. Dafür sorgt die FDP. – Deshalb lohnt es sich, bei der Bundestagswahl 2006 die FDP zu wählen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Sozialministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Modell, das CSU und CDU erarbeitet haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich hätte mir aber ein völlig eindeutiges, lupenreines System gewünscht.

Frau Ministerin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich möchte erst einmal im Zusammenhang ausführen.Die Opposition möchte doch etwas lernen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dieses Modell ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil damit unumkehrbar beschlossen wurde, dass es in Richtung eines Prämienmodells und einer Abkopplung der Krankenversicherungskosten vom Arbeitslohn geht.

Das, was Frau Kollegin Ypsilanti gesagt hat, ist nicht richtig. Es handelt sich nicht um ein bürokratisches Monster. Ich will Ihnen dazu gleich zwei Punkte sagen. Für den Arbeitgeber wird es in Zukunft einfacher, denn er muss den Beitrag in Höhe von 6,5 % für seine Arbeitnehmer nur an eine Stelle überweisen, die Clearingstelle – Stichwort Finanzamt –, und von dort wird das Geld an die vielen unterschiedlichen Kassen verteilt. Der Arbeitgeber muss nicht mehr schauen, in welcher Kasse seine Arbeitnehmer sind, wie hoch die jeweiligen prozentualen Beiträge sind. Das ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags ist ein Schritt hin zu einem echten Prämienmodell, hin zu einer vollständigen Umstellung des Systems.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stimme den Kolleginnen und Kollegen der FDP zu: Wir wollen das Modell weiter ausbauen, und mit der vorgeschlagenen Regelung geht es auf ein echtes Prämienmodell zu.Es ist klar:Der Schutz der Gesundheit muss bei allen Versicherten den gleichen Betrag kosten, damit ein Wettbewerb entsteht.

Frau Staatsministerin, es gibt erneut Wünsche nach Zwischenfragen.

Nein.– Ich will mit einer weiteren Mär aufräumen,die von Rot und Grün immer wieder angeführt wird. Sie behaupten, bei 20 Millionen Menschen müssten Bedürftigkeitsprüfungen durchgeführt werden. Genau das ist nicht der Fall. Bei einer finanzamtsgestützten Lösung, die es längst gibt, wird nur dann eingegriffen, wenn eine von einer Sozialklausel festgelegte Grenze erreicht ist. Deshalb muss eben keine Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt werden, wie das z. B. bei Hartz IV der Fall ist. In anderen Ländern ist das längst Usus. Daher sollten wir auch in Deutschland eine finanzamtsgestützte Lösung umsetzen, bei der von Amts wegen ein Zuschuss an die Krankenkassen für diejenigen gezahlt wird, die nicht die Möglichkeit haben, aufgrund ihres Einkommens den vollen Beitrag zu zahlen.

Wir alle wollen ein sozial gerechtes Gesundheitssystem,in dem auch in Zukunft der Einsatz von Spitzenmedizin für alle tatsächlich gewährleistet wird.

Meine Damen und Herren, darüber würde ich mit Rot und Grün gerne einmal streiten.Wo ist denn Ihr Konzept? Was geschieht, wenn wir das heutige System nicht verändern? Dann müssen Sie sich tatsächlich die Realität ansehen: welche Leistungen schon heute am Ende des Jahres nicht mehr möglich sind, weil die Budgets erschöpft sind,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

welches die dirigistischen Lenkungsmaßnahmen sind, die wir in einem durchaus schmerzlichen Kompromiss zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz mitgetragen haben.

Sie haben kein Konzept für eine so genannte Bürgerversicherung, sondern Sie haben nur ein Konzept, bei dem Sie den Leuten stärker in die Tasche greifen wollen

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

und in den unteren Einkommensgruppen alle Einkommen heranziehen werden. Sie äußern sich nicht zur Beitragsbemessungsgrenze. Sie äußern sich nicht gemeinsam darüber, ob die Kapitaleinkünfte oder die Mieteinkünfte hinzukommen und wie künftig die heutigen Ungerechtigkeiten im System beseitigt werden sollen. Heute zahlen zwei Personen mit niedrigem Einkommen mehr als der freiwillig Versicherte mit hohem Einkommen. Sie wollen eben nicht alle beteiligen, machen aber ein Brimborium auf, das keinen einzigen neuen Arbeitsplatz schafft, das keine Chance zur Abkopplung und zur Transparenz bietet.

(Zurufe des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vor allem aber verhindern Sie, dass ein mündiger Bürger tatsächlich wählen kann und die Möglichkeit hat, auch in Zukunft wirklich Spitzenmedizin in Anspruch zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das halte ich nicht für gerecht und auch nicht für sozial, was Sie dort vortragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir werden uns mit Ihrem Modell noch weiter auseinander setzen – wenn Sie es denn tatsächlich einmal auf den Tisch legen –: wo es für wen teurer wird, welche tatsächlichen Leistungen am Ende übrig bleiben und welche falschen Steuerungselemente Sie schon wieder hereinbringen.

Sie wollen doch, dass jeder bei der Krankenkasse offen legen muss, was er verdient, und dort seine Anteile zur Krankenversicherung abführt.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Sie haben das überhaupt nicht gelesen! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie gehen doch von einer zweiten Einkommensteuer aus, die jeder bei einer Kasse offenbaren muss. Das hat nichts mit gerecht und transparent zu tun. Das hat nichts damit zu tun, dass Spitzenmedizin für alle da ist, sondern Sie wollen eine neue Planwirtschaft.