Herr Gerling, Sie haben gesagt, Sie wollten nicht über Inszenierungen reden. Danach haben Sie uns erzählt, es solle eine Vermittlungsstelle für Gebärdendolmetscher geben. Das habe ich mir mit Interesse angehört. Das Problem beseht nicht darin, Gebärdendolmetscher zu vermitteln. Das ist lediglich ein Teilaspekt. Das ist eine schöne Show. Viel spannender ist die Frage, wer die Gebärdendolmetscher bezahlt.Auf diese Frage ist Herr Dr. Jürgens sehr deutlich eingegangen.
Ich komme noch einmal auf den Dringlichen Antrag der CDU zu sprechen. Da geht es auch um das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe. Das habe ich auch mit Interesse gelesen. Offenkundig verfügen Teile dieses Hauses über Informationen, die andere Teile nicht haben. Anders kann ich mir nicht erklären, wie Ihre Fraktion hinsichtlich einer Aufgabe der Gesetzgebung das Handeln der Landesregierung bejubeln kann, ohne zu wissen, was herauskommt.Aber ich bin mir sicher, dass es sich da nur um ein vorübergehendes Versäumnis handelt.
Ich sehe mit großem Interesse dem Bericht der Landesregierung, den sie im Ausschuss geben wird, entgegen, in dem die Ergebnisse der Erhebung mitgeteilt werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, behinderte Menschen haben wie alle anderen Menschen dieser Gesellschaft ein Recht auf Respekt und angemessenen ernsthaften Umgang mit ihren Anliegen. Diese Intention kann ich im Antrag der Union nicht erkennen.
Es stünde dem Landtag als Gesetzgeber gut an, sich endlich mit so viel Elan und mit so viel Erfolg, wie der Bund gehabt hat, der Aufgabe anzunehmen, behinderten Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Am Umgang mit den Schwächsten misst sich die Kraft einer Gesellschaft. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Dr.Andreas Jür- gens und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur,weil 2003 das Jahr der Behinderten ist,sondern auch, weil in Hessen über 800.000 Menschen mit Behinderungen leben, muss dieses Thema hier im Landtag debattiert werden.
Der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dafür ein guter Aufhänger.Herr Dr. Jürgens, ich bedauere aber, dass er als Entschließungsantrag eingebracht wurde. Denn mit der Form des Ent
Vielleicht gelingt es dennoch, hier in diesem hohen Hause einen fraktionsübergreifenden Konsens zur Behindertenpolitik hinzubekommen. Die letzte Legislaturperiode hat sich in der Behindertenpolitik dadurch ausgezeichnet, dass der Landtag stets einstimmige Beschlüsse dazu gefasst hat. Es wäre sicherlich ein gutes Zeichen und ein Signal für die behinderten Menschen in Hessen, wenn dies weiterhin der Fall sein könnte. Deshalb lautet mein Appell an alle Fraktionen dieses Hauses, noch einmal darüber nachzudenken,ob nicht sowohl der Entschließungsantrag der Fraktion der GRÜNEN als auch der Dringliche Antrag der Union Zustimmung finden könnten und somit ein positives Signal gesetzt werden könnte.
Behinderte Menschen wollen eigenverantwortlich und selbst bestimmt leben. Das sind von jeher Grundprinzipien liberaler Politik gewesen.
Diese Politik setzt an die erste Stelle das Individuum. Die liberale Politik für Behinderte richtet sich deshalb an dem Ziel aus, die Eigenverantwortung und die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu stärken. Es ist unsere tiefste Überzeugung,dass Behinderte nicht Objekt der Fürsorge sein wollen. Vielmehr ist ihnen wie anderen Menschen auch ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Aus diesem Blickwinkel heraus müssen die Anliegen behinderter Menschen selbstverständlich als Querschnittsaufgabe sämtlicher Politikbereiche begriffen werden. Dabei muss es vor allen Dingen darum gehen, Barrierefreiheit zu schaffen, und zwar nicht nur in jeglicher Hinsicht, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Nur so wird es behinderten Menschen möglich sein, ihr Leben möglichst unabhängig zu gestalten.
Wir haben in den letzten Jahren viel dafür getan. Ich widerspreche damit jetzt meinen beiden Vorrednern von der SPD und den GRÜNEN. Es ist wirklich einiges passiert. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen.Allen, die sich in Hessen mit Behindertenpolitik befassen und beschäftigen, wird die Person Friedel Rinn ein Begriff sein. Seit 1999 ist er Beauftragter der Hessischen Landesregierung für Angelegenheiten der Schwerbehinderten in der Landesverwaltung. Er ist auch jetzt wieder zum Schwerbehindertenbeauftragten berufen worden. Er stellt mit einer sehr pragmatischen engagierten Arbeit quasi die Personifizierung liberaler Behindertenpolitik dar.
Wir freuen uns daher wirklich sehr darüber, dass dieser überzeugte Liberale auch unter der neuen Landesregierung seine Arbeit in diesem Bereich fortsetzen darf.
Ein ganz großes Problem behinderter Menschen ist, dass sie immer wieder daran gehindert werden, an dem üblichen Leben teilzunehmen. Dies fängt z. B. bei der Berufswelt an. Erwerbstätigkeit ist gerade für Behinderte ein ganz wichtiger Faktor für Integration und Anerkennung. Gerade hier ist die Arbeit von Friedel Rinn äußerst erfolgreich. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, im
Landesdienst die Anzahl von Menschen mit Behinderungen deutlich zu erhöhen. Hessen liegt mit einer Beschäftigungsquote von über 6 % an der Spitze aller Bundesländer. Der Erfolg ist messbar. In den letzten drei Jahren ist die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter in Hessen um 32 % zurückgegangen. Bundesweit waren es nur 24 %.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist ganz sicher das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen. Es ist deshalb ausgerufen worden, um nicht behinderten Menschen mehr als bisher deutlich zu machen, dass Behinderte das Recht auf vollkommene Gleichberechtigung und Teilnahme an allen Lebensbereichen haben. Es geht darum, die Barrieren anzugehen, mit denen behinderte Menschen immer wieder konfrontiert werden. Menschen mit Behinderungen sind Bürger mit gleichen Rechten. Sie sind aktiv als Politiker, Arbeitnehmer, Verbraucher oder Steuerzahler. Neue Maßnahmen und aktives Engagement sollen behinderte Menschen mehr als bisher in die Gesellschaft einbeziehen; denn Behinderte haben zwar die gleichen Rechte, manches Mal stehen diese aber nur auf dem Papier.
Dazu ein kurzes Beispiel aus dem ganz persönlichen Umfeld.Wenn Sie als nicht behinderter Bürger zum Sozialgericht in Wiesbaden gehen – das nur als Beispiel –, dann stellt das kein Problem dar. Wenn Sie aber im Rollstuhl sitzen, mit diesem Rollstuhl vor den Stufen des Sozialgerichts stehen und Ihnen der Pförtner mitteilt, dass es keinen Aufzug gibt, dann können Sie nicht wie andere Menschen Ihre ganz normalen Rechte wahrnehmen. So etwas darf nicht sein, und so etwas muss abgebaut werden.
Wir Liberalen befürworten daher die zentralen Botschaften, die die Europäische Union für das Jahr 2003 formuliert hat. Nicht mehr ausgrenzende Fürsorge, sondern uneingeschränkte Teilhabe muss das Motto sein, nicht mehr abwertendes Mitleid, sondern völlige Gleichstellung, nicht mehr wohlmeinende Bevormundung, sondern das Recht auf Selbstbestimmung.
Meine Damen und Herren, in diesen Zusammenhang gehört auch, dass der Landtag ein hessisches Gleichstellungsgesetz beschließen wird. Eine Anmerkung: Solange der Bund über eine Rahmengesetzgebung in diesem Bereich verhandelt und solange dort kein Gesetz bestanden hat, war es sicherlich nicht sinnig, ein eigenes hessisches Gesetz auf den Weg zu bringen.
So haben wir mit den Stimmen aller Fraktionen bereits vor einem Jahr beschlossen, dass es ein Gleichstellungsgesetz geben wird. In dem interfraktionellen Antrag „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden – Barrierefreiheit auch in Hessen“ heißt es dazu:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, nach Verabschiedung des Gesetzes auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern notwendige landesgesetzliche Regelungen zu erlassen.
Es heißt weiterhin, dass der Landtag nachdrücklich das Ziel des Gesetzes unterstützt,„behinderten Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine selbst bestimmte Lebensführung zu ermöglichen.“
Dieser Antrag stammt aus dem März 2002. Er ist weiterhin aktuell, und die Sozialministerin hat vor wenigen Tagen erklärt, dass die Hessische Landesregierung ein Gleichstellungsgesetz vorlegen wird, mit dem das im Grundgesetz verankerte Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen auf Landesebene umgesetzt und Gleichstellungsbestimmungen im Landesrecht verankert werden sollen. Wir begrüßen das ausdrücklich. Auch wir wollen – da ist sicherlich Konsens in diesem Haus –, dass Menschen mit Behinderungen in Hessen genauso gut leben können wie Menschen ohne Behinderungen.
Die Vorbereitungen zum Gleichstellungsgesetz sind bereits unter unserer Regierungsbeteiligung angelaufen. Deshalb hoffen wir, dass es sehr zeitnah möglich sein wird, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die FDP geht dabei davon aus, dass sich der Entwurf an dem Bundesgleichstellungsgesetz orientieren wird. Ganz sicher werden die Interessenverbände darüber hinausgehende Forderungen stellen. Das liegt nun einmal in der Interessenarbeit von Lobbyisten. Es ist allerdings die Pflicht der Politik, diese Forderungen auf ihre Umsetzbarkeit hin zu überprüfen.Auf jeden Fall werden die Rahmenbedingungen des Bundesgesetzes auch die für das Landesgesetz sein.
Meine Damen und Herren, in der Summe begrüßt die FDP beide Anträge; ich hatte es eingangs schon gesagt. Wir teilen die Bewertung der Situation von behinderten Menschen durch den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und die Forderungen, beispielsweise nach Beseitigung der Barrieren oder nach Förderung der Selbstbestimmung.
Ein Fragezeichen – das hat der Kollege schon erwähnt – machen wir lediglich hinter dem Passus im Entschließungsantrag der GRÜNEN, in dem gefordert wird, ein Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in die Hessische Verfassung aufzunehmen, und zwar weil diese, wie der Kollege Spies schon erwähnte, durch die noch einzurichtende Enquetekommission Verfassungsreform zu bearbeiten sein wird. Ich habe gehört, die GRÜNEN übernehmen diesen Antrag. Das freut uns sehr.
Ich komme zum Schluss und würde mich freuen, wenn auch bei der nächsten Debatte zum Thema Behindertenpolitik die Reihen nicht so spärlich besetzt sind. Denn ich halte es für ein sehr wichtiges Thema. Wir sollten auch versuchen, weitgehend den Konsens in diesem Bereich zu suchen.Denn das Thema ist zu wichtig und betrifft,wie ich eingangs gesagt habe, über 800.000 Menschen in Hessen. Deshalb müssen wir an diesem Thema arbeiten, und ich bitte um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte gerne dort anschließen, wo Herr Rentsch gerade aufgehört hat, mit einem Appell an Sie, Herr Dr. Jürgens, aber auch an den Kollegen Dr. Spies. Ich finde es sehr bedauerlich, wenn hier nicht mehr um die bestmöglichen
Lösungen, auch in den unterschiedlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Behindertenpolitik, gerungen wird, sondern wenn auch an dieser Stelle mit Polemik gearbeitet werden soll. Das dient aus meiner Sicht nicht der Sache und ist mit Sicherheit der falsche Weg, auch im Europäischen Jahr der Behinderten.
Es ist gerade sehr deutlich geworden, dass in der vergangenen Legislaturperiode zumindest versucht wurde, über die Parteigrenzen hinweg – trotz unterschiedlicher Auffassungen in Einzelheiten – gemeinsam an einem Strang zu ziehen.Als Sozialministerin kann ich Ihnen versichern, dass ich versuchen werde, das weiterhin zu tun, vor allem aber mit allen gesellschaftlichen Gruppen, die in der Behindertenpolitik aktiv sind, zu sprechen.
Ich glaube, es ist schon sehr ausschlaggebend, wenn wir mit den Gruppen sprechen und sie einbinden – das wird sehr oft als vorbildlich bezeichnet –, nicht nur in wenigen Veranstaltungen. Der VdK und andere Verbände, die an der interministeriellen Arbeitsgruppe beteiligt waren, haben klar zum Ausdruck gebracht, dass die Kraftanstrengungen in Hessen, z. B. im Arbeitsmarktbereich, sowohl intern, innerhalb der Landesverwaltung für die Behindertenpolitik, als auch extern, für den Arbeitsmarkt – die Quoten, die gerade vorgetragen wurden, zeigen, dass wir bundesweit Spitze bei der Einstellung behinderter Menschen sind –, weiterhin gemeinsam getragen werden sollten.Wir als Regierung und auch die uns tragende Fraktion wollen das so fortsetzen.
Das Europäische Jahr der Behinderten trägt den Titel – der ist heute noch gar nicht erwähnt worden –: „Nichts über uns ohne uns“. Das ist ein ganz wichtiges Motto. Ich glaube,das sollte hier auch erwähnt werden,weil es darum geht, dass von den Behinderten tatsächlich Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und mit der Öffentlichkeit geschaffen wird.
Man kann sich darüber streiten, ob wir eine eigene Kampagne machen sollten, wie Sie es nennen. Wir haben z. B. gesagt, die Veranstaltungskalender werden wir allen zur Verfügung stellen,damit sie sich im Internet im Sozialnetz Hessen präsentieren können.Wir können dort das Modul „Behindertenpolitik“ neu im Sozialnetz schaffen.Wir haben gemeinsam hier im Landtag eine interministerielle Arbeitsgruppe beschlossen, die die Gesetze überprüft. Dabei kann man Punkte aufnehmen, die in einem Landesgleichstellungsgesetz gemeinsam umzusetzen sind, sodass das auf einmal gemacht werden kann und nicht an einer Stelle das Landesgleichstellungsgesetz kommt und irgendwann andere Punkte überprüft werden.
Ich halte das für den richtigen Weg, und deswegen werden wir jetzt wiederum mit den Verbänden sehr breit ein Gleichstellungsgesetz für Behinderte diskutieren, das genau dort ansetzt, Benachteiligungen aufzuheben und tatsächlich eine gleichberechtigte Teilhabe zu schaffen. Dazu gehören viele Bereiche,z.B.die Barrierefreiheit.Die Bauordnung ist vorhin schon genannt worden. Hier will ich sehr deutlich machen: Im vergangenen Jahr wurde die Hessische Bauordnung novelliert. Gemeinsam mit dem Kollegen Posch haben wir es erreicht, dass wir in Hessen inzwischen die modernste Bauordnung Deutschlands haben, die weit über die Musterbauordnung hinausgeht,