Protocol of the Session on October 6, 2004

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Dazu sind Sie aber offensichtlich nicht bereit,meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen, wie schwierig es war, dieses Zuwanderungsgesetz zu verabschieden. Sie wissen, dass es ein Kompromiss

zwischen Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuss war. Deswegen bitte ich Sie, jetzt zu diesem Kompromiss zu stehen.

Herr Frömmrich, die Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Es geht hier um Menschen, es geht um humanitäre Lösungen. Wir fordern Sie im Interesse der Menschen auf: Stimmen Sie der Einrichtung einer Härtefallkommission zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Ich darf Herrn Rentsch für die FDP-Fraktion das Wort erteilen. Herr Rentsch, Sie wissen, die Redezeit beträgt 15 Minuten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Frömmrich, ich will ein Zitat aus Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben gesagt, es gibt viele Fälle bei den Petitionen, wo einem die Leute ans Herz wachsen. – Ich kann Ihnen versichern, Sie sind mir in den letzten eineinhalb Jahren auch ans Herz gewachsen, weil Sie mein Sitznachbar im Petitionsausschuss sind.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das war fast eine Liebeserklärung!)

Aber Sie haben an dieser Stelle leider nicht ganz zum Thema gesprochen. Das hat mich schon verwundert. Sie haben erst Ihre Rede zum Thema – –

(Unruhe)

Darf ich in der ersten Reihe der CDU um ein bisschen mehr Ruhe bitten, damit der Redner gehört werden kann? – Danke schön.

Sie haben Ihre Rede mit der Feststellung begonnen, dass es Härtefälle gibt – dazu komme ich noch im Einzelnen –, und zweitens mit der Tatsache, dass bei der CDU und auch der FDP kein Bedürfnis bestehe, eine Härtefallkommission einzurichten. – Dann haben Sie aber die Anträge, die wir vorgelegt haben, nicht gelesen; denn wir haben genau zu diesem Thema einen Antrag gestellt, der auf dieses Bedürfnis eingeht.

(Beifall bei der FDP)

Das als Vorbemerkung, jetzt zum eigentlichen Antrag. Ich teile die Einschätzung des Kollegen Frömmrich: Deutschland ist ein Land, in das viele Menschen aus verschiedenen Motiven einreisen. Es gibt Menschen, die politisch verfolgt sind. Es gibt Menschen, die Bürgerkriegsflücht

linge sind. Es gibt aber auch Menschen, die nach Deutschland einreisen, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland verlassen. Ich sage an dieser Stelle auch ganz klar:Wer möchte es diesen Menschen verdenken, dass sie nach Deutschland einreisen? Wenn ich in den Petitionsakten sehe, wie es den Menschen dort geht, dann habe ich für diese Wirtschaftsflüchtlinge, wie man sie nennt, volles Verständnis.

Es ist das Anliegen des Landtags, an dieser Stelle auch auf die Gründe hinzuweisen, warum Menschen ihre Heimatländer verlassen. Das sollte man bei dieser Debatte nicht ganz aus den Augen verlieren. Die Bundesrepublik Deutschland betreibt, wie Sie wissen, Entwicklungspolitik nicht seit gestern. Sie ist ein wichtiger Baustein in Bezug auf Flüchtlinge. Denn wir müssen es schaffen, die Bedingungen in den Heimatländern dieser Menschen zu verbessern und ihnen einen Grund mehr zu geben, in ihren Heimatländern zu bleiben. Wir müssen ihnen die Möglichkeit eröffnen, auch dort ein vernünftiges Leben zu führen,mit allen Chancen,wie wir sie hier als Deutsche en masse haben. Diese Möglichkeiten müssen wir weiter fortführen und verstärken – das als Appell aus diesem Landtag an die Bundesregierung, weiterhin eine sinnvolle Entwicklungspolitik zu betreiben.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat nach langer Diskussion ein Aufenthaltsgesetz mit sehr vielen neuen Regelungen vorgelegt, über die wir schon im Vorfeld teilweise hitzige Debatten geführt haben. Kollegen der GRÜNEN haben mit dem Ruf nach der so genannten Härtefallkommission immer wieder den Eindruck erweckt, als ob alleine die Berufung einer Härtefallkommission Probleme im Ausländerbereich vollständig lösen könnte. Das ist beileibe nicht so. Alleine die Berufung einer Härtefallkommission löst in keiner Weise irgendwelche Probleme.

(Beifall bei der FDP)

Welche Situation haben wir momentan? Wir haben viele Menschen, die sich mit ausländerrechtlichen Petitionen an den Petitionsausschuss wenden. Sie versuchen, auf ihre Situation hinzuweisen, sie schildern die Situation in ihrem Heimatland, und sie versuchen mit der Petition natürlich auch, einer Abschiebung zurück ins Heimatland zuvorzukommen. Fast überwiegend kommen wir im Petitionsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Sach- und Rechtslage, also die geltenden Gesetze, nicht dazu führen kann, dass diese Menschen ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland bekommen. Diese Situation wird sich auch mit dem neuen Gesetz nur sehr unwesentlich verändern. Es wird immer wieder Fälle geben – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gerade das Zuwanderungsgesetz gibt Möglichkeiten!)

Herr Kollege Frömmrich, ich glaube, Sie haben am Wochenende Zwischenrufe trainiert. Ich habe das Gesetz hier vorliegen, und im Gegensatz zu Ihnen habe ich es gelesen. Ich will Ihnen gleich sagen, warum ich es gelesen habe: weil ich einigermaßen kompetent auf die Rede antworten wollte, die Sie gehalten haben.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben gerade rechtlich leider völlig daneben gelegen. – Herr Kollege Al-Wazir, da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was soll er sonst schütteln?)

Ich werde es Ihnen gleich gerne relativ ausführlich unterbreiten. Mit dem Kopfschütteln wird es auch nicht besser. Sie wissen, der Nacken und die Lendenwirbel, das wird nicht besser werden. Sie wissen auch, dass das Gesundheitssystem in diesem Bereich relativ stark beansprucht ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber ein Problem am Wirbel als am Kopf! – Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns bei der Situationsbeschreibung völlig einig. Da bin ich dem Kollegen Frömmrich dankbar. Es gibt viele Fälle, bei denen wir aus humanitären oder persönlichen Gründen sagen, das wäre ein Fall, in dem wir eine Rückführung in das Heimatland nicht für vernünftig halten, uns aber die geltende Rechtslage dazu zwingt. Als Kollegen aus dem Petitionsausschuss kennen wir die Möglichkeit der so genannten Altfallregelung. Es gibt diese beispielsweise für Bürgerkriegsflüchtlinge. Dort gibt es genaue Voraussetzungen, die das Gesetz normiert. Es gibt Stichtage.

(Zuruf der Abg. Silke Tesch (SPD))

Oft haben wir auch Fälle, in denen die Menschen einen Tag nach dem Stichtag eingereist sind und eine Regelung nicht mehr auf sie angewendet werden kann. Diese Fälle – das sage ich ganz bewusst auch als Berichterstatter im Petitionsausschuss – sind für den Berichterstatter sehr schwierig. Wenn man sieht, dass man wegen eines Einreisetages einen Menschen zurückführen muss, den man aus verschiedenen Gründen hier behalten möchte, weil dies möglicherweise für das Land eine Bereicherung darstellt, weil humanitäre oder persönliche Gründe gegen die Ausweisung sprechen, dann ist diese formale Position für uns als Berichterstatter im Petitionsausschuss oft sehr schwer durchzusetzen.Aber wir müssen uns daran halten.

(Beifall bei der FDP)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Ich betreue als Berichterstatter die Petition einer Familie aus Bosnien, die den Stichtag leider knapp verfehlt hat. Diese Familie ist jetzt seit über neun Jahren hier. Eine Tochter ist hier geboren. Die ganze Familie spricht hervorragend Deutsch. Ich sage ganz klar, es wäre eine Bereicherung für dieses Land, wenn die Familie hier bleiben würde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden sie aber voraussichtlich zurückführen müssen, wenn wir keine Möglichkeit haben, sie hier zu halten, weil sie einen Tag verfehlt haben. Eine andere Familie, die wir betreuen, ist einen Tag früher eingereist und hat die Möglichkeit, hier zu bleiben. Ich glaube, das ist eine Situation, die nicht gerecht ist und die auch nicht dem gesunden Menschenverstand unterfällt.

Aber heute geht es erstens ganz konkret um die Frage – unser Antrag und der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, ob wir diese Situation mit der Einrichtung einer Härtefallkommission nach § 23a Aufenthaltsgesetz aufbrechen können. Zweitens geht es darum, ob wir dafür eine von den GRÜNEN geforderte separate Kommission brauchen oder ob nicht der in diesem Haus befindliche, bereits bestehende Petitionsausschuss die richtige Einrichtung dafür ist.

Ich will kurz darstellen, was das Gesetz bei einem Härtefallersuchen vorsieht:

... ein Härtefallersuchen setzt dabei voraus, dass... dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen.

Sie kennen den Text. Aus unserer liberalen Sicht können wir die erste Frage klar mit Ja beantworten. Wir sind der Meinung,dass die Einrichtung einer Härtefallkommission ein sinnvoller Schritt ist, weil wir, wie gesagt, viele Fälle haben, die wir aufgrund der bestehenden, starren Rechtslage nicht behandeln können.

Aber auf die zweite Frage können wir klar antworten: Nein, wir sind nicht der Meinung, dass wir in diesem Land eine separate Härtefallkommission brauchen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir sind aus verschiedenen Gründen dieser Meinung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen Sie sich einmal Gedanken, ob es richtig ist, wenn die „Sehr gut!“ rufen!)

Herr Kollege Al-Wazir, ich will Ihnen die verschiedenen Gründe darlegen. Da Sie für Argumente zugänglich sind, werden auch Sie nach dieser Debatte unsere Position vertreten.

Erstens. Die demokratische Legitimation einer so genannten Härtefallkommission – das hat der Kollege Frömmrich in seinem Beitrag vorhin etwas beiseite gewischt – ist für mich ein Problem. Wer, außer dass wir sie bestimmen, legitimiert diese Kommission? Herr Kollege Frömmrich, Sie als frei gewählter Abgeordneter dieses Hauses sollten dort mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen.Sie müssen sich direkt vor der Bevölkerung in diesem Lande verantworten, und das erwarte ich auch von den Abgeordneten in diesem Hause.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich halte es für keinen guten Weg, wenn wir dem Trend folgen, immer mehr Aufgaben, die eigentlich dem Parlament obliegen, an weitere Kommissionen abzugeben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir brauchen eine klare Verantwortungszuordnung. Diese Verantwortungszuordnung muss meines Erachtens – Sie können das anders sehen,Herr Kollege Jürgens – das Parlament ausüben.

Zweitens. Ich bin, wenn es um die Beurteilung durch eine so genannte separate Härtefallkommission geht, immer noch nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, was diese Menschen anders machen können als wir Abgeordneten.