Weil Sie vorhin auf Hartz IV verwiesen haben, will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Die Hessische Landesregierung hat das Thema Alleinerziehende in den Verhandlungen und im Existenzgrundlagengesetz in den Mittelpunkt gestellt und gesagt,das darf kein Vermittlungshindernis sein, sondern hier muss angesetzt werden. Betreuungsangebote müssen zur Verfügung gestellt werden, sodass auch Alleinerziehende in Sozialhilfe die Möglichkeit haben, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
(Petra Fuhrmann (SPD): Sie erzählen Unwahrheiten! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Das haben wir aber in das Existenzgrundlagengesetz aufgenommen, und zum Glück konnte das zum Schluss auch in Hartz IV verankert werden.Das geschah aber eben mit unserer Unterstützung und nicht mit der Unterstützung Ihrer Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Es ist nicht zu fassen, wie viele Unwahrheiten Sie heute Morgen erzählen! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wir müssen uns natürlich auch anschauen, wie das die Familien empfinden. Hierüber gibt es sehr unterschiedliche Studien, die zum Teil die finanzielle Absicherung in den Vordergrund stellen.Gerade die letzte Untersuchung, die veröffentlicht wurde, hat das getan. Dazu sage ich: Das müssen wir uns gemeinsam sehr genau anschauen. Bei der „finanziellen Absicherung“ geht es aus meiner Sicht eben nicht um die Frage der Sicherung des Existenzminimums, denn in vielen Fällen sind beide Elternteile berufstätig, haben Familien zwei Einkommen, sodass sie überhaupt nicht von Sozialhilfe abhängig sind. Das muss man sehr deutlich sagen. Trotzdem stellt sich hier die Frage der Existenzsicherung – aufgrund der Ängste, die eine ganz gewaltige Rolle bei den Menschen spielen, die einen Beruf haben und eine Familie gründen wollen.
(Beifall bei der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind nur abgesichert, weil sie zwei Einkommen haben!)
An dieser Stelle treten eben nicht nur Einflüsse der Kinderbetreuung zutage, sondern es spielt eine entscheidende Rolle, wie die wirtschaftliche Perspektive ist, wie es um die Wiedereinstiegsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bestellt ist. Diese Felder blenden Sie in diesen Diskussionen immer wieder aus. Der Arbeitsmarkt spielt aber eine entscheidende Rolle – was wir im Übrigen an dem Thema Ostdeutschland und den Veränderungen nach der Wiedervereinigung sehr deutlich sehen können.
Frau Lautenschläger, Frau Schulz-Asche möchte einen zweiten Versuch starten, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.
Ich habe eben schon gesagt,Frau Schulz-Asche,hätten Sie etwas differenzierter über das Thema gesprochen, dann wäre ich jetzt gerne dazu bereit. Jetzt möchte ich aber im Zusammenhang ausführen.
Ich glaube durchaus, dass wir eine gemeinsame Basis finden können, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es das Ziel der Politik sein muss, die Geburtenrate wieder zu steigern und dafür zu sorgen, dass wir ein kinderfreundlicheres Land, ein Land für Familien werden.
Dafür wird schon eine ganze Menge an Maßnahmen unternommen. Das muss ich Ihnen einfach einmal sagen. Die Offensive für Kinderbetreuung, die heute schon mehrfach genannt wurde, ist ein Ausbauprojekt in diesem Bereich. Es gehören aber genauso ein flächendeckendes Netzwerk von Tagesmüttern und Vermittlungsstellen dazu, Qualifizierungsmöglichkeiten, Netzwerke in Unternehmen, die inzwischen sprießen, wo den hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen eine Kinderbetreuung angeboten wird. Ich spreche den Bildungsplan an, weil Frau Kol
legin Eckhardt auf dieses Thema großen Wert gelegt hat. Hessen ist das erste Bundesland, das einen Bildungsplan für Kinder zwischen null und zehn Jahren verabschieden möchte und dafür eine Fachkommission eingesetzt hat.
Als weitere Beispiele nenne ich die nationale Qualitätsinitiative im System der Tagesbetreuungseinrichtungen, an der wir uns beteiligen, die Sprachförderung, die Integration behinderter Kinder über das Programm QUINT,
den Wettbewerb „Familienfreundliche Kommune“, die kommunalen Familientische, die Kongressreihe zum Thema Familienfreundlichkeit als Standortfaktor, die wir zusammen mit der Wirtschaft und mehreren Stiftungen durchführen, und die Auditierung der Hochschulen, wo es darum geht, gerade an den Hochschulen wieder Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung zu schaffen.
All das hat die Landesregierung bereits auf den Weg gebracht. Daher streite ich mit der Bundesregierung gerne weiter über die Frage, wie das Tagesbetreuungsausbaugesetz tatsächlich aussehen muss, wo es Spielräume einengt und wie wir gemeinsam mit den Kommunen die Spielräume schaffen, dass diese mehr Kinderbetreuungsangebote in Form von Ganztagsplätzen zur Verfügung stellen können. All das sind Punkte, die noch völlig ungeklärt sind.
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie sind die Landesregierung! Klären Sie es einfach! Sie können selbst Geld in die Hand nehmen!)
Die Kommunalen Spitzenverbände fordern Sie auf, auch das SGB VIII zu novellieren, damit diese Spielräume wieder vorhanden sind. Das ist die Diskussion, die wir im Bundesrat weiterhin führen werden, aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass wir mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit brauchen, dass wir ein Umdenken in der Bevölkerung brauchen, dass Kinder, egal, wie alt sie sind, dazugehören, dass sie im Mittelpunkt stehen und dass es nicht sein kann, dass durch die Tatsache, dass man Kinder hat, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr gegeben ist.
Es muss eine echte Wahlfreiheit herrschen.Wir stellen im Haushalt Mittel dafür zur Verfügung. Wir werden das auch in den nächsten Jahren zu einem der wichtigen Themen der Landespolitik machen. Das hat selbstverständlich auch etwas mit der demographischen Entwicklung in unserem Land zu tun.Deshalb muss es auch darum gehen, die Geburtenrate in unserem Lande dauerhaft zu steigern.
Danke sehr, Frau Ministerin Lautenschläger. – Den Oppositionsfraktionen sind insgesamt drei Minuten Rede
zeit zugewachsen. Frau Fuhrmann, Sie haben als nächste Rednerin das Wort. Ihnen stehen sechs Minuten Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat mit den Worten geschlossen, dies sei ein wichtiges Thema dieser Landesregierung. Wenn ihre politische Prioritätensetzung so aussieht, dann wird einem himmelangst, wenn Themen nicht als wichtig bezeichnet werden.
Die Frau Ministerin hat meines Erachtens an zwei Punkten die Unwahrheit gesagt. Erstens. Die Revisionsklausel ist nicht über die Beratungen im Bundesrat hineingekommen, sondern sie war schon im Entwurf enthalten. Die zweite Unwahrheit betraf die Finanzierung, auf die der Kollege Rentsch in seiner A-propos-Rede mehrfach verwiesen hat. Er hat gesagt, es fehle eine seriöse Finanzierung. Das hat die Ministerin aufgenommen. Frau Ravensburg,ich kann dazu nur sagen,ich bin wirklich fassungslos.
Die Regierung von Herrn Kohl hat den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz normiert, ohne auch nur einen einzigen Pfennig in die Hand zu nehmen. Jetzt stellt der Bund 1,5 Milliarden c an Entlastung zur Verfügung, und trotzdem wird hier gerechnet, herumgemeckert und blockiert. Anders kann man das nicht bezeichnen. Ich finde, das ist ein Skandal.
Wenn man über eine „unseriöse Finanzierung“ spricht, während ein paar Jahre vorher ein von uns allen begrüßter Rechtsanspruch eingeführt wurde, ohne dass vom Bund auch nur ein Pfennig an Geld geflossen ist, dann ist das wirklich Chuzpe in der politischen Diskussion.
Der Bund hat jetzt eine klare Entlastung zugesagt. Wenn die Entlastung um 1,5 Milliarden c bei den Kommunen nicht ankommt, dann wird sogar nachgesteuert. Wir hätten uns von der Kohl-Regierung gewünscht, dass Zusagen dieser Art eingehalten worden wären.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Hoff (CDU): Sie sollten noch etwas zu Adenauer sagen!)
Ach, ist Kohl schon so weit weg wie Adenauer? Das finde ich schon erstaunlich. Sie sind von diesem Thema weit weg, das merkt man.
Meine Damen und Herren, ab 2008 haben wir festgestelltermaßen einen Fachkräftemangel. Insofern ist die Industrie inzwischen weiter als die CDU in ihrer Forderung, qualifizierte Frauen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zurückzubekommen, wenn sie Kinder bekommen.
Die Auswertung der McKinsey-Studie für Hessen sagt ganz klar:Gründe für die Kinderlosigkeit sind zu 63 % die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie und zu 40 % die fehlende Kinderbetreuung. Meine Damen und Herren, wenn uns das nicht zum Aufwachen bringt – und auch die Landesregierung –, dann weiß ich nicht.
Frau Ministerin, wenn Sie immer die Tagespflege nach vorn stellen, so sage ich dazu: Das ist ein Baustein in einem vernünftigen Konzept – aber eben nur ein Baustein. An dieser Stelle möchte ich ganz klar darauf hinweisen: Eine Tagespflege kostet zwischen 8 und 12 c pro Stunde. Das können sich Besserverdienende prima leisten, aber eben nicht alle.
Frau Kollegin Fuhrmann, Sie gestatten bitte, dass ich Sie ganz kurz unterbreche. Das geht nicht von Ihrer Redezeit ab.
Meine Damen und Herren, ich darf ganz herzlich auf der Besuchertribüne die Gattin des Staatspräsidenten von Ägypten begrüßen, Ihre Exzellenz Suzanne Mubarak. Sie sind auf der Buchmesse Gast der Landesregierung. Es ist uns eine Freude und Ehre zugleich, Sie im Hessischen Landtag begrüßen zu dürfen.
Meine Damen und Herren, selbst die Industrie hat völlig klar erkannt, dass wir einen massiven Ausbau der Kinderbetreuung benötigen. Ich kann nur sagen: Was sich dazu im Haushaltsentwurf dieses Landes wieder findet, verdient den Ausdruck „massiv“ wahrlich nicht,sondern eher den Titel „Peanuts“.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was die rot-grüne Landesregierung – Ihre Vorgängerregierung – in Hessen geleistet hat. Das waren ganze 1,32 Milliarden DM – die Hälfte in c. Damit wurden 56.000 Plätze geschaffen. Vorhin haben wir gehört, dass in Hessen für unter dreijährige Kinder etwa 30.000 Plätze fehlen.30.000,das ist ein ehrgeiziges Ziel.Wenn Sie schon vor fünf Jahren begonnen hätten, wären wir jetzt ein Stückchen weiter.
Ich sage ein Letztes. Die Familien in Hessen brauchen keine Familientische, -tage, sie brauchen keine Pressemeldungen und auch keine Lippenbekenntnisse. Schon gar nicht brauchen sie die Blockade dieser Landesregierung im Bundesrat,
sondern wir brauchen für Kinder und Eltern endlich Tatkraft beim Ausbau der Betreuung für unter dreijährige Kinder. 30.000 fehlende Plätze in Hessen sind ein Skandal. – Ich bedanke mich.
Ich darf meinen Willkommensgruß noch ergänzen: Frau Koch, Ehegattin unseres Ministerpräsidenten, Sie sind ebenfalls herzlich willkommen.