Protocol of the Session on October 6, 2004

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Geschäftsordnung!)

Herr Al-Wazir, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion möchte unseren Gesetzentwurf in erster Lesung ablehnen und hier einen Änderungsantrag verabschieden, der, als die Debatte begonnen hat, noch nicht einmal vollständig verteilt war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie möchte einen Änderungsantrag verabschieden, der sogar noch einmal handschriftlich geändert wurden, bevor er hier eingebracht worden ist. Ich sage Ihnen: Ich halte es für völlig unangemessen, wenn weder eine bei Gesetzentwürfen übliche Anhörung durchgeführt noch z. B. in den Ausschüssen die Frage beantwortet wird, was Ihr Änderungsantrag für Folgen haben wird.Welche Auswirkungen wird er z. B. auf das Verfahren im Petitionsausschuss haben? Sie wollen den Änderungsantrag verabschieden,bevor z.B.die Frage gestellt wird,ob man im Petitionsausschuss eine Zweidrittelmehrheit vorschreiben kann, wenn der Landtag nachher mit einfacher Mehrheit entscheiden kann. Die Frage ist noch nicht beantwortet, ob das eigentlich geht. Deswegen können wir hier jetzt nicht darüber abstimmen, wenn Ihnen irgendetwas an der Sache liegt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Was hat das mit der Ge- schäftsordnung zu tun?)

Herr Al-Wazir, bitte.

Herr Präsident, deswegen bitte ich, dass alle Anträge und der Gesetzentwurf in einem ordentlichen Verfahren an den Innenausschuss überwiesen werden.Was ist denn das für ein Umgang mit der Sache?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was ist denn das für ein Umgang mit der parlamentarischen Minderheit?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was ist das für ein Umgang mit Ihrem eigenen Integrationsbeirat?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU): Lächerlich!)

Ich appelliere ernsthaft an die verbliebenen – ich hoffe, es sind noch ein paar anwesend – klugen Köpfe in der CDU: Auch Sie werden irgendwann wieder in der Minderheit sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen bitte ich Sie um ein Mindestmaß an Anstand im Umgang mit der Sache und mit der parlamentarischen Minderheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Volker Hoff (CDU): Lächerlich! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Al-Wazir, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es wäre der Sache zu wünschen, dass die Mehrheitsfraktion in diesem Haus nicht der Arroganz der absoluten Macht verfällt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Gotthardt, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich tatsächlich nur zum Verfahren äußern. Zwei Punkte möchte ich erläutern.

Erstens. Wenn wir heute hier den Antrag der FDP und den gemeinsamen Änderungsantrag verabschieden, bedeutet das, dass der Petitionsausschuss zu einer Härtefallkommission in Hessen wird.

(Beifall bei der CDU – Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen alles noch schlimmer!)

Meine Damen und Herren, was macht es denn dann für einen Sinn, den Gesetzentwurf an einen Ausschuss zu

überweisen, darüber zu diskutieren und eine Anhörung durchzuführen? Dann wird gehandelt. Deswegen ist das Verfahren logisch und konsistent.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Al-Wazir, das sage ich ganz deutlich – das ist der zweite Punkt –:Sie haben selbst einen Antrag,Drucks. 16/2689, eingebracht. Darin schreiben Sie:

Die Landesregierung wird aufgefordert, bis zur Einrichtung einer Härtefallkommission keine weiteren Abschiebungen von Ausländerinnen und Ausländern vorzunehmen,...

Wenn wir über diesen Antrag heute nicht abschließend beraten, was passiert denn dann? Er wird an den Ausschuss überwiesen,und das hat nicht das zur Folge,was Sie eigentlich bezwecken, nämlich einen Abschiebestopp. Insofern ist das Verfahren, das Sie vorschlagen, nicht sinnvoll. Vielmehr müssen wir heute über diese Anträge abstimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch Blödsinn!)

Herr Walter, Sie haben das Wort für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich halte das, was wir hier gerade erleben, für einen unglaublichen Vorgang.Wenn die Entscheidung in einer Sache gesucht wird, bei der die Redner der Mehrheitsfraktion in einigen Punkten die Ansichten der übrigen Fraktionen teilen, in einigen anderen Punkten jedoch noch keine Einigung erzielt ist, besteht das übliche parlamentarische Verfahren darin, dass man eine Anhörung durchführt und Fachleute – auch juristische – zu diesen Fragestellungen hört.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe – auch Sie,Herr Kollege Jung –, sagen Sie, es gebe Fälle, bei denen eine Härtefallkommission in der Tat eine andere Entscheidung treffen könne als die Gerichte. Eine Härtefallkommission würde logischerweise nur dann gefragt,wenn die Gerichte vorher anders entschieden hätten; sonst wäre das nicht mehr nötig.

(Clemens Reif (CDU):Was hat das damit zu tun?)

Jetzt ist deutlich gemacht worden, dass es ganz offensichtlich ein rechtliches Problem gibt,nämlich dass sich der Petitionsausschuss wohl nicht über eine abschließende, rechtskräftige Entscheidung von Gerichten hinwegsetzen kann. Bei den Härtefallkommissionen ist dies aber möglich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sehe mich außerstande, diese Frage jetzt abschließend juristisch zu beurteilen. Das ist eine relativ schwierige Angelegenheit.

(Nicola Beer (FDP): Ganz einfach! Der Petitionsausschuss ist eine Härtefallkommission!)

Das ist der Normalfall bei solchen Sachlagen. In solch einem Normalfall wird eine Anhörung durchgeführt, und nach der Anhörung wissen wir alle etwas mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und erstaunlicherweise auch von der FDP, lassen Sie uns offen über das, worum es dabei geht, reden. Sie haben schlicht Angst vor der Durchführung einer solchen Anhörung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben Angst,dass Ihnen die Vertreter der Kirchen beider Konfessionen sagen werden, dass die Härtefallkommission ein geeignetes Instrumentarium und ihre Vorstellung demgegenüber ungeeignet ist. Sie haben Angst, dass auch Leute, die sich Ihren Bereichen zugehörig fühlen, in dieser Frage die Entscheidung der Oppositionsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die bessere halten. Dies ist der einzige und wahre Grund, warum Sie eine solche Anhörung nicht durchführen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte es für einen unglaublichen Vorgang,dass Sie hier Ihre Mehrheit missbrauchen, um uns das parlamentarische Recht der Anhörung zu verwehren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, auch Sie sind in der Opposition. Man muss Sie allerdings gelegentlich daran erinnern. Das, was heute mit den Stimmen der Mehrheit geschieht,wird ein Stück weit dadurch verdeckt, dass die FDP dabei mitmacht. Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, wie man sich als Oppositionsfraktion selbst der Instrumentarien der Opposition begeben kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren,haben Sie Mut, und lassen Sie uns diese Anhörung durchführen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf Frau Beer für die FDP-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Walter, das ist ganz einfach zu erklären. Erstens. Die Härtefallkommission ist ein geeignetes Instrumentarium. Deswegen wollen wir sie heute hier einrichten.