Ich gebe Ihnen völlig Recht, wenn Sie sagen, es muss gespart werden. Das sagen alle. Trotzdem kann man von einer Landesregierung verlangen,dass sie im Interesse ihrer Bürger darüber nachdenkt, wo sie spart, mit welchen Zielen sie spart und ob sie das Sparen in bestimmten Bereichen verantworten kann.
In Ihrem Antrag schreiben Sie gleich am Anfang: „Das Sparprogramm... ist und bleibt alternativlos.“ Das ist eigentlich schon die erste Lüge in diesem Antrag.
Wir haben im letzten Jahr, kurz nachdem Sie Ihren sozialen Kahlschlag ankündigten, ein Sozialbudget vorgelegt, wo wir Ihnen vorgeschlagen haben, in welchen Bereichen keine Kürzungen vorgenommen werden sollten, damit die sozialen Infrastrukturen und die sozialen Netzwerke nicht zerstört werden. Wir haben diesen Vorschlag fünffach gegenfinanziert.Sie haben ihn abgelehnt.Sie nehmen ihn nicht zur Kenntnis. Sie nehmen noch nicht einmal zur Kenntnis, dass es diesen Vorschlag überhaupt gegeben hat. Das ist eine politische Unverschämtheit.
Die in Ihrem Antrag kritisierten Finanzierungsvorschläge sollten Sie sich einmal genau anschauen. Nicht ein einziger unserer Vorschläge ist dabei. Das heißt, Sie haben auch unsere Finanzierungsvorschläge für das Sozialbudget nicht zur Kenntnis genommen. So viel Unkenntnis, so viel Aufwand bei dem Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen, hätte ich gerade Ihnen, Frau Oppermann, nicht zugetraut.
Sie behaupten in Ihrem Antrag, das soziale Netz in Hessen sei flächendeckend erhalten geblieben. Wie man das vor dem Hintergrund einer Kürzung der freiwilligen Leistungen um ein Drittel behaupten kann, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Frau Oppermann, wenn Sie sagen, die Menschen in diesem Lande würden es überhaupt nicht mehr verstehen, dann muss ich Ihnen sagen: Die Men
Frau Fuhrmann hat sehr genau und im Einzelnen ausgeführt, was die Kürzungen für die einzelnen Träger und Einrichtungen bedeuten. Sie behaupten, es habe kein Wert- und kein Unwerturteil über die betroffenen Maßnahmen gegeben.Da widerspreche ich Ihnen.Das,was Sie gemacht haben, ging bewusst in ganz bestimmte Richtungen. Sie haben das Netzwerk zwischen den sozialen Brennpunkten zerstört. Sie haben die Landesmittel für die Schuldnerberatung in einer Situation gestrichen, in der alle Menschen in diesem Lande, vor allem die Schwächeren, unter der Wirtschaftslage zu leiden haben. Just zu dem Zeitpunkt haben Sie ihnen die staatliche Unterstützung entzogen.
Deshalb können Sie sich nicht hierhin stellen und sagen, Ihre Entscheidungen seien völlig wertfrei getroffen worden. Sie haben den Schwächsten in dieser Gesellschaft die Unterstützung dieser Landesregierung entzogen.
Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, es gibt auch in Ihren Reihen einige, die immer noch Bauchschmerzen haben und denen ich immer noch ein soziales Gewissen unterstelle.
Meine Damen und Herren, wenn man Ihren Antrag weiter ansieht, so sprechen Sie davon – auch darauf ist Frau Fuhrmann bereits eingegangen –, dass das Land bei der Gesamtfinanzierung dieser Projekte nur einen Teil getragen hat, bei den freien Trägern 7 bis 30 %. Sie sagen dann: Das ist eigentlich so wenig, was kann das schon ausmachen? – 30 % sind ein erheblicher Anteil. Fragen Sie einmal, was passiert, wenn Sie einer Organisation 10 % streichen.
Wenn man sich genau anschaut, um welche Art von Leistungen es hier geht, dann bedeutet diese 10 bis 30 % im Prinzip die Zerstörung eines Angebots. Ich möchte das an einem einzigen Beispiel einmal deutlich machen.
In Frankfurt-Unterliederbach gibt es einen sozialen Brennpunkt. Dort wohnen ungefähr 3.500 Menschen. Ein sehr großer Anteil von ihnen hat einen Migrationshintergrund,und viele sind allein stehende alte Frauen.Diese alten Frauen haben seit längerer Zeit – weil der letzte Supermarkt am Ort geschlossen hat – keine Möglichkeit mehr, einzukaufen. Wenn man sich in Unterliederbach mit Gütern für den täglichen Bedarf versorgen will, muss man mit dem Auto fahren.
Das bedeutet für diese vielen alten Menschen, die dort alleine wohnen, dass sie überhaupt keine Möglichkeit haben, für ihren täglichen Bedarf einzukaufen.
Für diese Menschen gibt es nun einen ganz kleinen Dienst: Zweimal in der Woche fährt sie ein kleiner Bus zum Einkaufen. Die Kosten dafür können Sie in Ihrem Haushalt mit der Lupe suchen. Für diese Menschen aber diese Leistung einzustellen bedeutet, dass sie nicht mehr einkaufen können. Genau das tun Sie. Sie haben kleinteilige, ganz bürgernahe, ganz moralisch-menschliche Leistungen mit dem zerstört, was Sie hier getan haben.
Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag wiederholen Sie – als ob das eine Erfolgsmeldung wäre –, dass es vor der „Operation sichere Zukunft“ 32 vom Land geförderte Initiativen gab, danach „immer noch 25“. Das steht hier, als ob es eine Erfolgsmeldung wäre.
Was heißt es eigentlich, wenn Sie bei den Kürzungen über Wert- oder Unwerturteile reden? Wozu sind denn Frauenhäuser da? Doch nicht dazu, um – wie Herr von Hunnius sagt – irgendwelche alten Begehrlichkeiten zu befriedigen. Hier geht es um Frauen, die häusliche Gewalt erleben, die sich mit ihren Kindern aus dem Haus begeben und einen sicheren Ort suchen. Dazu sagen Sie: Früher gab es 32 und jetzt immer noch 25.
Meine Damen und Herren, Sie können sagen, was Sie wollen: Das ist eine Politik, die soziale Kälte eingeleitet hat und die weitere Verschärfungen bringen wird.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass es heute so wenig Zwischenrufe gibt. Wahrscheinlich fällt Ihnen dazu gar nichts mehr ein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war eine schwache Replik! Wir sind von Ihnen Besseres gewohnt!)
Ihre Zwischenrufe sind so schwach, dass ich mir Mühe geben muss, darauf etwas Besseres zu antworten.Aber es ist mir gerade gelungen.
Meine Damen und Herren, unter dem Deckmantel der Haushaltskonsolidierung haben Sie tatsächlich ein Werturteil getroffen, ein im Übrigen stockkonservatives. Sie haben die sozial Schwachen weiter geschwächt. Sie lassen Frauen bei häuslicher Gewalt allein. Sie haben zulasten der Kommunen und der freien Träger umverteilt. Bei einer Sozialministerin, der es schon im letzten Jahr nicht gelungen ist, für ihren Haushalt zu kämpfen, befürchten wir das Schlimmste – nämlich dass sie auch in diesem Jahr nicht in der Lage sein wird, sich gegen den brutalstmöglichen Kaputtsparer in diesem Land durchzusetzen. Aber Sie können darauf bauen, dass wir an der Seite dieser Menschen in diesem Land bleiben werden. Wir werden diese sozialen Streichungen, die Sie eingeleitet haben, kritisch begleiten, auch auf Demonstrationen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Was wollte sie uns damit sagen?)
Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich will kurz etwas aufnehmen,was ein Kollege der Union gerade sagte: „Brutalstmöglicher Vordrängler“ trifft auf Sie zu, Herr Kaufmann, keine Frage. Sie scheinen ein Vertreter der Ellbogengesellschaft zu sein.
Gerade überlegt der Kollege Wagner und sagt, ich müsste meine 100-m-Performance verbessern, oder ich müsste dicker werden. Ich glaube, das sind die beiden Varianten, bei denen ich mit ihm mithalten kann.
Ich finde eigentlich schon,dass der Umfang bei mir reicht, aber ich werde es mir überlegen, worauf ich eingehe.
Meine Damen und Herren, wir haben heute Morgen auf Antrag der Sozialdemokraten eine Debatte zum Sparpaket der Landesregierung. Frau Fuhrmann, ich muss schon sagen, Ihr Antrag hat mich sehr enttäuscht. Er hat mich deshalb enttäuscht, weil er ein einziger Rückblick ist. Er stellt Umstände fest, die wir hier schon mehrfach diskutiert haben. Er enthält auf der ganzen Bandbreite nichts Neues.
Ich will Ihnen zugeben, Sie nennen einige Beispiele, bei denen ich absolut Ihrer Meinung bin. Der Schluss allerdings, den Sie daraus ziehen – dass die komplette Infrastruktur in Hessen zusammenbricht –, ist mit Verlaub, um einen Kollegen hier in diesem Haus zu zitieren, sicherlich völlig überhöht und aberwitzig.
Ich glaube, wir alle in diesem Haus tun gut daran, bei dieser Debatte nicht einen Superlativ nach dem anderen zu produzieren, sondern uns etwas zu mäßigen und auf die wirklichen Probleme einzugehen, die es im Sozialbereich dieses Landes gibt.