Protocol of the Session on September 15, 2004

Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die Tatsachen, dass es seit drei Jahren fast kein Wirtschaftswachstum gibt, die Arbeitslosigkeit anhaltend hoch ist und die Steuereinnahmen wegbrechen, nicht folgenlos bleiben können.

(Reinhard Kahl (SPD): Es gibt immer noch zusätzliche Steuern!)

Aber Sie nehmen das anscheinend nicht zur Kenntnis. Sie haben nicht nur ein partielles, sondern ein komplettes Wahrnehmungsdefizit.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Schauen Sie sich doch die Höhe der Steuereinnahmen an. Im ersten Halbjahr schien es, als könnten die veranschlagten Steuereinnahmen realisiert werden. Schon riefen Sie lauthals nach einer Rücknahme unserer Sparoperation. Heute, im Monat September, wissen wir, dass die Steuereinnahmen auf dem niedrigen Niveau von 1999 verharren. Meine Damen und Herren, davor können Sie doch nicht ernsthaft die Augen verschließen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Ihr Aufruf zur Rücknahme der Sparoperation wegen der angeblich guten Entwicklung ist doch inzwischen als populistisch und finanzpolitisch vollkommen unseriös entlarvt worden.

Meine Damen und Herren, Sie werfen uns dauernd soziale Kälte vor. Ich will Ihnen dazu etwas sagen: Dieser Vorwurf mutet schon ziemlich seltsam an. Was Ihre Bundesregierung bei der Umsetzung von Hartz IV in puncto Auszahlungstermin ursprünglich vorhatte, ist soziale Kälte pur.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre handwerklichen Fehler bei der Umsetzung sind es doch, die die Menschen in Scharen auf die Straße treiben. Sie dürfen nicht nur fordern, sondern Sie müssen auch fördern.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Fördern heißt, alles zusammenzukürzen?)

Wissen Sie, wo ein Hauptunterschied zwischen dieser Landesregierung und Ihrer Bundesregierung ist? Es gibt natürlich eine ganze Menge Unterschiede;dass diese Landesregierung besser ist als die Bundesregierung, wissen wir alle.

(Lachen des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ein wesentlicher Unterschied ist: Wir erklären den Menschen, was wir machen und warum wir es machen, und wir bleiben bei unserem eingeschlagenen Weg, weil er der richtige ist.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Meine Damen und Herren, kein Mensch ist vom Sparen begeistert. Es ist allemal leichter, Geld auszugeben, als zu sagen,dass es nicht mehr geht.Aber,dass all Ihre düsteren Prophezeiungen, die Sie gerade auch wieder genannt haben, Frau Fuhrmann, nicht eingetreten sind, will ich Ihnen an einigen Beispielen erläutern. Sie haben vorhin auch Beispiele genannt.Auch wir reden mit den Menschen, deren Einrichtungen von Kürzungen betroffen sind.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine Vertreterin der Caritas sagt: Was ihr gemacht habt, findet zwar nicht meine Zustimmung, aber jetzt gilt es, nach vorne zu blicken und so umzustrukturieren, dass es weiter geht.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Was bleibt ihnen anderes übrig? – Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)

Ich habe Ihnen doch vorhin auch geduldig zugehört, wenn es auch schwer fällt.

(Zuruf der Abg.Margaretha Hölldobler-Heumüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei der Erziehungsberatung, wo die Förderung der kommunalen Träger zwischen 4 und 16 % betrug – für freie Träger zwischen 7 und 30 % –, sagte mir eine Vertreterin: Wir werden zwar notgedrungen unsere Angebote reduzieren müssen, aber es geht weiter. Wir werden mit anderen Einrichtungen kooperieren und Synergieeffekte nutzen. – Das haben wir von Anfang an gesagt. Es bleibt ein flächendeckendes Netz im Land bestehen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben als SPD-Landtagsfraktion im Juni dieses Jahres eine Anhörung der verschiedenen LAGs zu den Auswirkungen der Streichungen der Landesmittel durchgeführt. Die LAGs haben ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Erziehungsberatung eine kommunale Pflichtaufgabe sei. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass für die Träger der Erziehungsberatungsstellen die Streichung der Fördermittel durch das Land nicht ganz unerwartet kam. Es war bereits für das Jahr 2005 geplant, die unmittelbaren Landeszuwendungen für Erziehungsberatungsstellen im Zuge der Kommunalisierung durch pauschale Gesamtzuweisungen ohne Zweckbindung für einzelne Einrichtungen zu ersetzen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sind bewusst nicht nach der Rasenmähermethode über das Land gegangen, sondern haben Schwerpunkte gesetzt. Wir haben bei den Sparmaßnahmen bewusst bestimmte Projekte herausgenommen. Hierzu gehört als ein Beispiel die Kinderbetreuung. Die Mittel für die Kinderbetreuung wurden erhöht. Das nehmen Sie aber überhaupt nicht zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Die Zahlen, die vorhin genannt wurden, nehmen Sie einfach nicht zur Kenntnis.

(Reinhard Kahl (SPD): Aus dem Kommunalen Finanzausgleich!)

Ich nenne einige unserer Schwerpunkte: Kinderbetreuung, Sprachförderung, Frühförderung Behinderter, Ar

beitsmarktprogramme, Altenpflegeausbildung. Sie machen es sich als Opposition ganz schön einfach, indem Sie die Probleme nur beschreiben, ohne seriöse Alternativen aufzuzeigen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie vorhin in Bezug auf SAP und den Personalbestand gesagt haben: Die Zahlen sind doch gar nicht durchgerechnet.

(Reinhard Kahl (SPD): Selbstverständlich!)

Ich will nicht leugnen, dass es bei der Schuldnerberatung Probleme gibt. Ich will auch nicht leugnen, dass es dort Wartezeiten gibt. Aber ich will Ihnen auch ganz deutlich sagen:Wenn vonseiten der Bundesregierung in Berlin immer mehr Arbeitslose produziert werden und es keinerlei Wirtschaftswachstum mehr gibt, dann braucht man sich darüber nicht zu wundern.

(Beifall bei der CDU)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, die Jugendarbeit finde vor Ort fast nicht mehr statt, und mangels Alternativen seien die Jugendlichen zum Herumlungern auf der Straße verurteilt. Meine Damen und Herren, Ihre Parteien in Berlin haben doch mit der Diskussion um die unglückselige Ausbildungsplatzabgabe dazu geführt, dass Ausbildung verhindert wird.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mittlerweile liegt die Ausbildungsplatzabgabe zwar auf Halde,aber auszuschließen ist bei Ihnen überhaupt nichts.

(Beifall bei der CDU)

Besonders der Mittelstand, der die meisten jungen Menschen ausbildet, würde durch eine neue Abgabe am stärksten bestraft. Die jungen Menschen, die auf der Suche nach einer Lehrstelle sind, würden das sehr schnell zu spüren bekommen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ist das das Thema?)

Frau Ypsilanti, auch das gehört zum Thema. Aber Sie mit Ihrem Scheuklappendenken können das nicht verstehen.

Zum Thema Frauenhäuser. Der Anteil der Förderung von Frauenhäusern lag zwischen 17 und 63 %. Sie wissen, dass bei den Streichungen regionale Gesichtspunkte, Belegungsquoten und die Aussagen des Hessischen Rechnungshofes berücksichtigt worden sind.Vor der Sparoperation gab es 32 vom Land geförderte Frauenhäuser in Hessen, und nach der Sparoperation gibt es immer noch 25 geförderte Projekte. Von den sieben nicht mehr geförderten Häusern musste nur eines schließen.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber auch dort stehen die Frauen nicht schutzlos da, da die Zusammenarbeit zwischen den Interventionsstellen und der Polizei funktioniert. Selbstverständlich ist der Gewaltschutz für Frauen nach wie vor wichtig.

Ich habe es schon einmal gesagt:Es ist niemals populär,zu sparen. Wir müssen aber die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sicherstellen.Wir dürfen die Zukunftschancen der nachfolgenden Generationen nicht aufs Spiel setzen. Wir dürfen nicht rücksichtslos auf Kosten der nachfolgenden Generationen Schulden machen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Wort hat die Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Oppermann, eine Rede, die man zehnmal in der gleichen Version hält, wird weder besser noch wahrer, noch trifft sie inzwischen in irgendeiner Form die Realität in diesem Lande.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)