(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein, das dürfen die Rosinen laut Gesetz nicht!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht nun § 121 HGO aus? Hier lohnt sich ein Blick in das, was Sie als Gesetzentwurf vorlegen. Der Kollege Hahn vertritt zwar eine andere Auffassung als wir,
aber ihm ist es auch schon aufgefallen. Sie schreiben zwar die echte Subsidiarität ins Gesetz, definieren dann aber so viele Ausnahmetatbestände, dass die Regelung in der Praxis überhaupt keine Wirkung entfalten wird.
Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, Sie gehen doch sonst auf jeder Veranstaltung auf und ab und erzählen uns etwas von Deregulierung und Abschaffung von überflüssigen Vorschriften. Hier machen Sie ein neues Gesetz, schreiben Dinge in ein Gesetz, die überhaupt keine Wirkung entfalten. Dann lassen Sie es doch gleich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))
Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, das ist ein echtes Placebo für Ihre Klientel, ein echtes Placebo für IHKs und Handwerkskammern, wobei man da noch unterscheiden muss. Die Handwerkskammer in Kassel sieht das Gott sei Dank ein bisschen anders.
Herr Minister, es ist schon ziemlich ignorant, wenn man die Stellungnahmen, die zu diesem Bereich bei der Anhörung zum FDP-Gesetzentwurf eingereicht wurden, einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Man muss Ihnen so etwas wie Beratungsresistenz attestieren.
Es wundert mich schon, dass die – das habe ich gerade schon in Richtung der Kollegin Zeimetz-Lorz gesagt –,die sonst immer nach Deregulierung und nach weniger Vorschriften, nach weniger Gesetzen und Verordnungen schreien, ausgerechnet diejenigen sind, die etwas in Gesetze hineinschreiben, was in der Praxis überhaupt keine Anwendung finden wird.
Meine Damen und Herren, ich will noch ein paar Gemeinsamkeiten betonen. Die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips und die Verpflichtung der Gemeinden zur Erstellung von Beteiligungsberichten begrüßen wir ausdrücklich. Die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips ist notwendig, um die Leistungen den eigenen Einwohnern zugute kommen zu lassen und ihre Interessen zu wahren. Die Vorlage von Beteiligungsberichten erhöht in der Tat die Transparenz von Nebenhaushalten und dient dem Informationsbedürfnis der ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Dazu kann man wirklich Reform sagen. Das ist ein guter Ansatz,
dass man versucht, das, was in Haushalten und in Nebenhaushalten steht, zu verbinden, damit Kommunalpolitiker, die das ehrenamtlich machen, endlich einen Überblick über das Vermögen ihrer Gemeinden bekommen und anhand des Haushalts wirklich nachvollziehen können, für was Geld ausgegeben wird, was eine Leistung tatsächlich kostet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur überörtlichen Prüfung muss man noch einmal diskutieren, auch im Hinblick darauf, wie die überörtliche Prüfung damals eingeführt wurde und was man damals wollte. Ich kann mich noch gut an die Debatten erinnern, dass man nicht wollte, dass der Landesrechnungshof mit eigenen Mitarbeitern Zugang zu den Gemeinden bekommt. Zu diesem Thema würde ich gerne noch einmal mit Ihnen diskutieren.
Weitere Gemeinsamkeiten. Die Einführung der Wahlfreiheit zwischen Haushaltswesen und Rechnungswesen wird von uns ausdrücklich begrüßt, insbesondere auch für die Kommunen, die sich bisher beharrlich weigern, von einer Geldverbrauchs- zu einer Ressourcendarstellung zu kommen. Dass jetzt die Vorgabe eingeführt wird, eine Budgetstruktur im Haushalt auszuweisen, ist sinnvoll und notwendig. Wir hoffen, dass der Beantwortung der Frage nach den Kosten von staatlichen Leistungen und nach dem Vermögen von Kommunen endlich Rechnung getragen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommen wir zu einem Punkt, bei dem wir streiten müssen und den wir im Licht der Realität in der Anhörung genauer anschauen müssen. Die Änderungen der allgemeinen Kommunalverfassung und des Kommunalwahlrechts bedürfen der differenzierten Betrachtung. Insbesondere die Regelungen zu den Ein-Personen-Fraktionen und die Reduzierung der kleinsten Parlamente von 15 auf 11 Gemeindevertreter gehen meiner Meinung nach so nicht. Ich werde noch darauf zurückkommen.
Zunächst einmal erteilen wir allen Versuchen, auch der Sozialdemokraten, die durch die Hintertür wieder eine Sperrklausel einführen wollen, eine ganz klare Absage.
Herr Kollege Rudolph, ich frage mich, warum Sie jetzt ausgerechnet eine 3-%-Hürde einführen wollen. Ich weiß nicht, ob Sie in Anbetracht der letzten Wahlergebnisse von der 5-%-Hürde abgewichen sind, aber Spaß beiseite.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Hochmut kommt vor dem Fall, auch bei Ihnen!)
Wer austeilt, muss auch einstecken können, Herr Kollege. – Diese Spielchen widersprechen den Änderungen im Wahlrecht und der Einführung von Kumulieren und Panaschieren. Ich erinnere daran, es gab umfangreiche Anhörungen dazu. Keiner derjenigen, die angehört worden sind, hat meines Wissens gesagt, dass Kumulieren und Panaschieren, also die Persönlichkeitselemente, mit einer Sperrklausel zusammenpassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage noch einmal, dass das Gesetz hieß: Stärkung der Bürgerbeteiligung und der kommunalen Selbstverwaltung. Die Änderungen insbesondere des § 36a HGO zu den so genannten Ein-Personen-Fraktionen machen so keinen Sinn und werden von uns abgelehnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erst führen Sie Kumulieren und Panaschieren ein, also die Möglichkeit, Persönlichkeiten zu wählen. Dann sind die Personen ge
wählt und nehmen am Geschehen im Parlament teil.Aber Sie nehmen ihnen dann die Mitwirkungsrechte in dem Parlament, weil Sie ihnen keinen Fraktionsstatus einräumen. Das geht so nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Ein Mann ist keine Fraktion! Das ist doch logisch!)
Ich zitiere hier noch einmal aus der Sitzung am 28. März 2001. Der Staatsminister sagte damals dazu:
Wir wollten den Bürgerinnen und Bürgern das Recht einräumen, unmittelbar, persönlich wesentlich stärker auf die Vertretungen einwirken zu können,als das bisher der Fall war....Dieses neue Wahlrecht ist ein grandioser Erfolg.
Wenn diese Aussage immer noch stimmt, dann lassen Sie alles, was die Personen einschränkt, die in ein Parlament gewählt worden sind. Wir sind der Auffassung, dass diese Änderungen mit dem Prinzip des neuen Wahlrechts nicht vereinbar sind.
In diesem Zusammenhang muss man auch die Verkleinerung der kleinsten Parlamente von 15 auf 11 Personen sehen. Rechnen Sie einmal durch. Jemand, der in solch ein Elf-Personen-Parlament will, muss 9 % der Wahlberechtigten hinter sich bringen, um überhaupt in dieses Parlament hineinzukommen.Dann schreiben Sie in das Gesetz, dass er mit den 9 % zwar hineinkommen darf, aber keine Rechte als Fraktion in diesem Parlament hat, also keine Beteiligung. Das passt nicht zusammen.
Wir haben nicht nur die großen Stadtparlamente, sondern wir haben im ländlichen Raum viele kleine Parlamente. Für diese Parlamente bzw. die Mitglieder dieser Parlamente würde das eine unzumutbare Härte bedeuten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,das Gesetz,das damals verabschiedet wurde, hieß Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und kommunalen Selbstverwaltung.Ich denke,diesen Punkt müssen wir in der Anhörung genauer betrachten. Denn das, was Sie hier regeln, passt nicht zum Gesetzestext.
Wir wollen eine Modernisierung der HGO mit Bürgerbeteiligung, mit mehr Partizipation. Lassen Sie mich deshalb kurz skizzieren, wohin aus unserer Sicht die Reise gehen sollte. Ihr Gesetzentwurf ist nämlich nicht weitgehend genug. Herr Minister, da springen Sie – das ist als Sportminister peinlich – nicht weit genug.
Im Mittelpunkt unserer Gedanken zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und der Hessischen Landkreisordnung stehen deshalb nicht mehr Rechte für Parteien, mehr Rechte für direkt Gewählte, sondern wir wollen eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung der Kommunen. Wir wollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken.
Wir wollen mehr Beteiligung, mehr Partizipation. Wir wollen den Einwohnern einer Gemeinde Antragsrecht geben, wir wollen den Einwohnern einer Gemeinde Fragerecht im Parlament geben. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger in Gemeindeorganen mitwirken dürfen, auch wenn sie nicht Mitglied dieser Parlamente sind. Wir wollen die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Großstädten herabsetzen und diese Elemente auch auf Landkreisebene einführen. Meine sehr verehr
ten Damen und Herren, unter dem Strich wollen wir dem mündigen Bürger mehr Mitwirkungsrechte einräumen. Ich glaube, diese Initiative geht in die richtige Richtung.
Wir wollen ermöglichen, dass Bürgerinnen und Bürger in Sachfragen in ihrem unmittelbaren Umfeld mehr Einflussmöglichkeiten bekommen, ohne sich um ein kommunales Mandat bewerben zu müssen. Wir sehen dies auch als Chance für die jeweilige Kommune, die so auf den Sachverstand aller Bürgerinnen und Bürger zurückgreifen kann und nicht nur auf den Sachverstand derer, die in die Parlamente gewählt worden sind, angewiesen ist. Ich will nicht auf die Einzelheiten eingehen, wir werden dazu einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Lassen Sie mich nun noch auf den Bereich Bürgerbegehren und Bürgerentscheid eingehen. Mit der Änderung der HGO trat am 1. April 1993 die Regelung zu den kommunalen Bürgerentscheiden in Kraft.Eine analoge Regelung in der Hessischen Landkreisordnung fand nie statt. Wir meinen aber, dass auch auf Kreisebene Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, Einwohneranträge und all die eben vorgeschlagenen Ergänzungen Niederschlag finden müssen. Außer Hessen sind nur noch Thüringen und Baden-Württemberg ohne entsprechende Regelungen auf Kreisebene.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen also, dass wir eine konstruktive Opposition sind. Wir lehnen Ihre Vorschläge da ab, wo sie ideologisch motiviert in die Autonomie der Kommunen eingreifen, was das Gemeindewirtschaftsrecht betrifft. Wir stimmen Ihnen in den Punkten zu, in denen man die Hessische Gemeindeordnung und das Haushaltsrecht zu einem zukunftsweisenden Haushaltsrecht entwickelt. Wir machen dort Vorschläge, wo wir meinen, dass Sie nicht weit genug springen, und wo Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung, mehr Partizipationsrechte eingeräumt werden müssen.
Ich freue mich auf die Anhörung im Innenausschuss. Ich glaube, dass wir eine spannende Diskussion haben werden. Wenn Sie vielleicht ein bisschen darüber nachdenken, gute Vorschläge von anderen aufzunehmen, und Ihre Beratungsresistenz aufzugeben, dann könnten wir eine Reform der Hessischen Gemeindeordnung hinbekommen, die wirklich in allen Punkten zukunftsweisend sein wird. Somit wird den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ein Mehr an Mitwirkungsrecht ermöglicht. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Herr Hahn, ich darf Ihnen für die Fraktion der FDP das Wort erteilen.