Protocol of the Session on July 14, 2004

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zur 42. Plenarsitzung. – Ich bitte auch die Mitglieder der Landesregierung zu meiner Linken, Platz zu nehmen.

(Norbert Kartmann (CDU): Die linken Mitglieder!)

Ich begrüße Sie noch einmal ganz herzlich am 14. Juli 2004, einem bedeutenden Tag für die europäische Geschichte.Wie wir wissen,sind im Jahr 1789 um 9 Uhr – also um diese Zeit – Bürger von Paris zum Staatsgefängnis gezogen und haben die wenigen – das wissen wir heute aus der Geschichte – Gefangenen befreit.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wann stürmen wir?)

Damit haben sie den Auftakt zur Französischen Revolution gegeben. Wie wir aus heutiger Sicht sagen können, war dies der Beginn der europäischen Demokratie, wenn auch mit Rückschlägen und einem erneuten Entstehen der Monarchie. Meine Damen und Herren, für uns alle, auch für Sie als Abgeordnete des Hessischen Landtags, ist dies ein Tag, der immer wieder ins Gedächtnis geführt werden kann.

(Allgemeiner Beifall)

Am 13. Juli des Jahres 2004 hat die Landtagself einen vergleichsweise wichtigen Kampf geführt. Wie ich von der Landtagsverwaltung erfahren habe, hat unsere Mannschaft in der derzeitigen Saison den ersten großen Sieg errungen.

(Allgemeiner Beifall)

Mit 7 : 2 – ich sage einmal: leider – gegen eine Auswahl der Landesarbeitsgemeinschaft für Kulturschaffende hat sich der Landtag prächtig geschlagen.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Da sollten wir öfter spielen! – Dr. Rolf Müller (Gelnhau- sen) (CDU): Das Wunder von Rüsselsheim!)

Mir wird berichtet, dass Manfred Schaub den Auftakt schon in der dritten Spielminute mit einer 1 : 0-Führung herbeigeführt hat.

(Allgemeiner Beifall)

Durch unseren Schreiner Raimond Donzé ist das nächste Tor gefallen, dann war kein Halten mehr. Vor dem Halbzeitpfiff soll Mark Weinmeister, so wird hier in der Chronik berichtet, mit einer Glanzparade den Anschlusstreffer des Gegners verhindert haben.

(Allgemeiner Beifall)

So ging es in der zweiten Halbzeit weiter, und am Ende ist mit 7 : 2 ein glorreicher Sieg errungen worden. Ich gratuliere allen.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich stelle noch einmal fest, dass wir beschlussfähig sind.

Zur Tagesordnung sind folgende Bemerkungen zu machen: Die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b sowie die Tagesordnungspunkte 2, 4, 7, 48 und 92 sind erledigt.

Wir tagen verabredungsgemäß bis 18 Uhr mit einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesord

nungspunkt 51, dem Antrag der Fraktion der CDU, der gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 88 und 90 aufgerufen wird. Danach folgt Tagesordnungspunkt 10, der zusammen mit den Tagesordnungspunkten 13 und 29 aufgerufen wird. Nach der Mittagspause wird mit Tagesordnungspunkt 42 begonnen.

Zu Beginn der Mittagspause eröffnen wir im Umgang des Plenarsaals die Ausstellung über verbotene Bücher der Universitätsbibliothek Marburg „Verboten und nicht verbrannt“. Dies ist eine Wanderausstellung, die schon vor zwei Jahren von der Universität Marburg ausging.

Meine Damen und Herren, jetzt schon der Hinweis, dass der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zu Beginn der Mittagspause zu einer Sitzung in Raum 118 S eingeladen hat. Der Innenausschuss tagt heute Abend im Anschluss an die Plenarsitzung gegen 18 Uhr in Raum 119 M.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 51 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Durchsetzung des Optionsmodells ein Erfolg für Hessen – Drucks. 16/2480 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 88:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Schluss mit den Machtspielchen – die konkrete Umsetzung von Hartz IV und Optionsgesetz endlich beginnen – Drucks. 16/2512 –

und Tagesordnungspunkt 90:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Hartz-Reform auf dem richtigen Weg – Blockadeversuch der CDU gescheitert – Drucks. 16/2514 –

Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Erster Redner in dieser Debatte ist Herr Boddenberg für die CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Punkt „Hartz IV – kommunales Optionsgesetz“ auf die Tagesordnung gesetzt und diesen Antrag formuliert, weil wir der Meinung sind, dass wir zwar in den vergangenen Wochen und Monaten viel gestritten haben, sich aber der Erfolg all der Dinge, die wir erstritten haben, erst mittelbis langfristig zeigen wird. Wir sind der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dass die nach wie vor durchaus in einzelnen, aber nicht unerheblichen Teilen unterschiedlichen Positionen noch einmal öffentlich gemacht und diskutiert werden müssen.

Wenn am Ende die Frage auftaucht, ob das Ganze erfolgreich oder weniger erfolgreich war, müssen wir entscheiden können, welche Teile erfolgreich und welche weniger erfolgreich waren.

Meine Damen und Herren, wir halten es schon für wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Tendenz durchaus richtig ist, dass wir alle gemeinsam auf mehr oder weniger allen Ebenen, auf der nationalen, auf der Länderebene und auf der kommunalen Ebene, entschieden haben, dass wir die Arbeitslosenhilfe der Vergangenheit und die Sozialhilfe für diejenigen, die arbeitsfähig und erwerbsfähig sind, zusammenlegen müssen.Dort haben wir zwar Konsens,aber an anderen Stellen,dass ist die Meinung der CDU,werden wir in Zukunft durchaus noch einzelne Punkte diskutieren müssen.

Wir müssen festhalten, dass die ursprüngliche Initiative – da verstehe ich die Anträge der SPD und der GRÜNEN nicht so ganz – von dieser Landesregierung im Jahr 2001 ausgegangen ist.Ministerpräsident Roland Koch hat diese zentrale Frage schon vor über drei Jahren thematisiert.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Worum geht es? – Es war die ursprüngliche Forderung dieser Landesregierung,dass wir aus einer nicht hinnehmbaren Situation herauskommen müssen, in der wir auf der einen Seite latente Zunahmen bei den Langzeitarbeitslosen verzeichnen müssen und auf der anderen Seite ein Heer von Menschen in der früheren Bundesanstalt, in Summe ca. 90.000, originär mit der Problematik dieser Langzeitarbeitslosigkeit beschäftigt ist. Diese Zahlen können wir nicht mehr ohne weiteres hinnehmen.

Tatsache ist, dass sich nur relativ wenige der 90.000 Beschäftigten der heutigen Bundesagentur mit dem eigentlichen Problem beschäftigt haben. So war und ist eine der zentralen Forderungen der CDU, dass wir mehr Menschen mit der originären Betreuung der betroffenen Langzeitarbeitslosen beschäftigen müssen, und zwar wesentlich mehr. Insofern freuen wir uns, dass dieser Punkt im Konsens erreicht worden ist, wenngleich wir bei der Umsetzung dieser Absicht – das habe ich schon angedeutet – die Befürchtung haben, dass es nur in den Teilen gelingen wird, in denen die Zuständigkeit dort angesiedelt worden ist, wo wir sie immer haben wollten, nämlich auf der kommunalen Ebene.

Zum Zweiten ging es uns immer darum, dass wir nicht nur die Betreuung verbessern, sondern dass wir auch die Instrumente für die Betreuer verbessern. Wir müssen die Qualifizierung dieser Menschen viel mehr an die Bedarfe anpassen, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Wir haben hier bereits mehrfach darüber gesprochen, dass sich, unterstützt durch Subventionen in Milliardenhöhe, in den letzten Jahrzehnten eine so genannte Arbeitslosenindustrie entwickelt hat. Allein in die Qualifizierung und Nachqualifizierung sind zuletzt 27 Milliarden c investiert worden.Aber mit welchem Ergebnis? Mit einem fatalen Ergebnis: Wir müssen heute feststellen, dass 4,5 Millionen Menschen in der offiziellen Arbeitslosenstatistik verzeichnet sind.

Das heißt, wir müssen die Instrumente verbessern. Wir müssen mehr auf die Menschen und auf die unterschiedlichen Problematiken in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands eingehen. Aber – das war der zweite Teil unserer Forderung – wir müssen von den Betroffenen mehr fordern, wenn wir sie auf der anderen Seite mehr fördern.

Mehr fordern heißt, dass wir mehr Flexibilität brauchen und dass wir – das ist ein Teil dieses auf dem Tisch liegenden Gesetzentwurfs – die Grenzen für die Zumutbarkeit einer Arbeit erhöhen. Das geschieht dadurch, dass wir jetzt übereinstimmend feststellen – mit Ausnahme der uns bekannten Teile der Sozialdemokratie und insbesondere der Gewerkschaften –, dass grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist. Dies ist ein Ergebnis der jahrelangen Diskussionen, die durch die CDU, insbesondere durch Roland Koch, initiiert worden sind.

(Beifall bei der CDU)

In dem Fall, dass sich jemand weigert, entsprechende Angebote auf dem Arbeitsmarkt anzunehmen, muss es für den Betroffenen spürbare Konsequenzen geben. Als ein wichtiges Ziel konnten wir erreichen, dass diejenigen, die

nicht zu dem für uns Selbstverständlichen bereit sind, nämlich einer Leistung eine Gegenleistung entgegenzusetzen, zukünftig weniger Geld im Portemonnaie haben werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit und wurde als Ergebnis schon lange von uns gefordert.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich habe bereits angedeutet, dass es bei allem Konsens über wesentliche Eckpfeiler nach wie vor auch Grund zum Streiten gibt. Dieser Streit war notwendig angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung trotz der Verabredungen am 19. Dezember 2003 ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, indem sie das, was sie den Kommunen zugesagt hatte, nicht einhielt.

Bei diesem Streit ging es aber um sehr viel mehr als nur um Geld. Vielmehr ging es darum, dass wir mit unserer Forderung, die Zuständigkeit auf die kommunale Ebene zu delegieren – was auch verabredungsgemäß im Dezember 2003 vereinbart worden ist –, im praktischen Vollzug das erreichen wollten, was uns jetzt zumindest teilweise gelungen ist, nämlich dass die Kommunen über die notwendige personelle Ausstattung verfügen.

So dürfen wir heute feststellen, dass die Auszahlung eines Betrags in Höhe von 3,2 Milliarden c zur Entlastung der Kommunen – besser gesagt: zur Kompensation der zusätzlichen Kosten der Kommunen – vereinbart wurde. Das ist ein Erfolg dieser Landesregierung.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber gibt es nicht nur keinen Streit, sondern es gibt auch bei denjenigen, die das anders sehen, die Einsicht, dass das,angesichts all der Lasten,die wir den Kommunen zurzeit aufbürden, mehr als notwendig war.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie muten ihnen das zu! Das stimmt!)

Meine Damen und Herren, 69 Regelungen auf kommunaler Ebene sind nur ein kleiner Teil dessen, was wir wollten. Das habe ich bereits gesagt.Aber ich will noch einmal auf den Grund zurückkommen, weshalb ich gesagt habe, dass die kommunale Seite die bessere und erfolgversprechendere Seite ist. Sie ist deswegen die erfolgversprechendere Seite, weil wir nun einmal – wir haben gestern über den Föderalismus und die unterschiedlichen Strukturen in der Bundesrepublik diskutiert – die Probleme mit der Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit Problemen mit der Arbeitslosigkeit in Frankfurt am Main,in München oder im Bayerischen Wald gleichsetzen können.