Meine Damen und Herren, 69 Regelungen auf kommunaler Ebene sind nur ein kleiner Teil dessen, was wir wollten. Das habe ich bereits gesagt.Aber ich will noch einmal auf den Grund zurückkommen, weshalb ich gesagt habe, dass die kommunale Seite die bessere und erfolgversprechendere Seite ist. Sie ist deswegen die erfolgversprechendere Seite, weil wir nun einmal – wir haben gestern über den Föderalismus und die unterschiedlichen Strukturen in der Bundesrepublik diskutiert – die Probleme mit der Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit Problemen mit der Arbeitslosigkeit in Frankfurt am Main,in München oder im Bayerischen Wald gleichsetzen können.
Diese Erkenntnis hat uns immer bei dem Versuch geleitet, auch Sie davon zu überzeugen, dass wir uns, wenn wir näher an die Menschen und an die Unternehmen herankommen wollen – von denen wir in Zukunft mehr Engagement erwarten müssen, was die Generierung neuer Arbeitsplätze betrifft –, tatsächlich auf dieser Ebene bewegen müssen und keine Chance haben, wenn wir dieses Problem über starre bürokratische Regelungen auf nationaler Ebene handeln wollen.
Bei allem Respekt vor den Leistungen der betroffenen Mitarbeiter in der Bundesagentur – wir honorieren die Bewegungen, die dort mittlerweile in Gang gesetzt worden sind –:Wir wollen, müssen und werden beweisen, dass die kommunale Zuständigkeit am Ende der erfolgreichere Weg sein wird. Das, was wir jetzt haben, ist ein ers
Wir wollen aber nicht verhehlen, dass wir den Betroffenen durchaus einiges zumuten. Ich habe schon gesagt, dass die Formulierung „Grundsätzlich ist jede Arbeit zumutbar“ sehr wichtig ist.
Wir ändern das System. Während sich die Menschen früher über die Arbeitslosenversicherung ein Recht auf Ausgleich für den Fall, dass sie arbeitslos wurden, erarbeitet haben – was die Grundlage des Systems war –, bewegen wir uns heute in eine Richtung, die sich so beschreiben lässt:Wir können und dürfen zukünftig nicht mehr in dem Umfang, wie das früher der Fall war, auf frühere Beschäftigungen und auf frühere Einkommenshöhen Rücksicht nehmen, sondern wir müssen für mehr Gleichberechtigung und Gerechtigkeit bei den Bezügen sorgen, die wir in Zukunft in Form des Arbeitslosengeldes II zur Verfügung stellen wollen.
So wird es zukünftig, verbunden mit den entsprechenden Übergangsregelungen, tatsächlich zu vielen Härtefällen kommen. Das ist völlig unbestritten.Wir finden aber, dass wir damit eine ausgleichende Gerechtigkeit gegenüber denjenigen schaffen, die aus einer früheren Tätigkeit keine höheren Bezüge generieren konnten, weil sie beispielsweise aufgrund der Versorgung von Kindern – insbesondere wenn sie allein stehend waren – keine Möglichkeit dazu hatten.
Auch wenn es notwendig war und weiterhin notwendig sein wird, über das System zu diskutieren, bleibt es die grundsätzliche Aufgabe, neue Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen. Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist die erfolgreichste Arbeitsmarktpolitik. Wir alle wissen, dass wir ein Wachstum von 1,5 oder 2 % brauchen, damit die ersten neuen Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können.
Dieses Wachstum hat die CDU in Deutschland in den Mittelpunkt ihrer aktuellen Arbeit gestellt. Wir werden auf dem Bundesparteitag im Dezember dieses Jahres ein sehr umfangreiches Programm dazu verabschieden, an dem die hessische Union maßgeblich mitwirkt.
Herr Dr. Jung ist einer derjenigen, die sich mit der notwendigen Reformierung – fast hätte ich gesagt: Renovierung – der arbeitsrechtlichen Vorschriften beschäftigen. Er ist einer derjenigen, die dafür streiten, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland flexibler wird und in Zukunft schneller reagieren kann, sowie dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukünftig wissen, dass der Verlust einer Beschäftigung nicht mit Langzeitarbeitslosigkeit gleichzusetzen ist, sondern dass die Chance auf eine Neueinstellung an anderer Stelle besteht.
Das heißt, für uns ist und bleibt es im politischen Raum die wichtigste Aufgabe, das verkrustete Arbeitsrecht in Deutschland grundlegend zu reformieren.
Ein weiterer Bereich, der unter die politische Verantwortung fällt, ist die Steuerpolitik. Wir sehen heute mit an, dass internationale Unternehmen ihre Holdings eben
nicht mehr in Deutschland gründen. Wir werden dahin kommen müssen – die Forderungen und Pläne der Wirtschaft liegen auf dem Tisch –, den Holdingunternehmungen dadurch, dass wir die Mitbestimmung einschränken – insbesondere die angelsächsischen Unternehmungen kennen die Mitbestimmung in der deutschen Form nicht – und mehr Flexibilität beim Kündigungsschutz einräumen, mehr Möglichkeiten zu Gründungen in Deutschland zu geben.
Ich glaube fest daran, dass in einer Holding, die dann wiederum über Beteiligungen an operativ tätigen Unternehmungen verfügt, aufgrund der entsprechenden Nähe zu einer Ansiedlung in Deutschland insgesamt mehr für den Standort Deutschland gestritten wird.
Wir werden – das ist Thema in jeder Gazette eines jeden Tages in den letzten Wochen – auch über die Frage der Lohnkosten, der Lohnzusatzkosten, aber eben auch der Arbeitszeit weiter streiten müssen. Hier geht unsere dringende Aufforderung insbesondere an die Gewerkschaften dahin, endlich Abstand davon zu nehmen, alles auf einer völlig falschen Ebene regeln zu wollen. Wir müssen mit mehr betrieblichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen die Flexibilität gewährleisten,die für Unternehmen überlebensnotwendig geworden ist und genau damit auch Arbeitsplätze in den Unternehmen sichern.
(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Reden Sie nur weiter!)
Meine Damen und Herren, wenn ich die Gewerkschaften anspreche, dann muss man auch hin und wieder darauf hinweisen dürfen, wie sich die meisten Gewerkschaftsfunktionäre legitimieren. Bei Organisationsgraden von 5, 8, 15 % ist es doch offensichtlich, dass sich die breite Arbeitnehmerschaft offensichtlich von den Gewerkschaften nicht mehr in der früher bewährten Form vertreten fühlt.
Ich hatte in der letzten Woche Gelegenheit,mit Vertretern einer Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte zu diskutieren. Meine Damen und Herren, diejenigen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, aber beginnen, sich zu organisieren, sind viel näher bei uns, bei der Sache, bei der Gegenwart und bei der Anerkennung der Realität in diesem Lande, als es die Gewerkschaften sind, die immer noch mit der Betonkopfmentalität des letzten Jahrhunderts durch die Gegend laufen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht nur der Frankfurter Flughafen, bei dem wir über viele Tausend neue Arbeitsplätze reden. Es ist nicht nur das Mehr an Straßen, an Verkehrsinfrastruktur in Nordhessen, wodurch wir zusätzliche Arbeitsplätze schaffen; es ist notwendig, dass wir uns in Deutschland endlich entscheiden, was wir eigentlich wollen. Ich finde, bei all den Problemen, die wir auf dem Arbeitsmarkt, bei der Sozialhilfe, hinsichtlich der
Schwächeren in unserer Gesellschaft in der Vergangenheit diskutiert haben, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass der entscheidende Punkt sein wird, ein wirtschaftsfreundliches, innovationsfreundliches Klima zu schaffen, wie wir es in Hessen seit fünf Jahren tun.
Am Ende wird Hessen ein Beispiel für die Republik an verschiedenen anderen Stellen sein müssen, wenn es um die Messung der Erfolge der aktuellen Vereinbarungen im Rahmen von Hartz IV geht.Wir freuen uns auf diesen Wettbewerb. Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung mit Ihnen, auch in den anderen Bundesländern. Ich bin sicher, wir werden beweisen, dass wir es auch auf Bundesebene besser können. – Vielen Dank.
Die nächste Rednerin ist Frau Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Wir haben fast eine Minute überzogen. Also müssen alle gerechterweise eine Minute mehr bekommen.
Herr Boddenberg, es war echt eine Leistung, bei diesem Thema fünf Minuten über das Fordern und keine Minute über das Fördern zu reden, sondern allgemein über Wirtschaftspolitik. So können Sie sich Ihrer Verantwortung hier nicht entziehen.
Meine Damen und Herren, Hartz IV und das Optionsgesetz werden nun seit über einem Jahr in taktischen Spielchen zerrieben und zerredet – immer auf Kosten derjenigen, die davon eigentlich betroffen sind.
Sie brauchen gar nicht darum herumzureden. Der Entwurf des Existenzgrundlagengesetzes, das Sie letztes Jahr eingebracht haben, war eine Aktion des Ministerpräsidenten im Rahmen der Kanzlerkandidatur. Die Tatsache, dass vorgestern wieder der Handschuh gegen Angela Merkel in den Ring geworfen wurde, lässt für die Umsetzung von Hartz IV das Schlimmste befürchten.
Meine Damen und Herren, der Kollege Boddenberg hat sich hier gerade sozusagen als Retter von Hartz IV und den Ministerpräsidenten als Vater der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Soialhilfe dargestellt. Dann wundert es einen schon, dass der CSU-Generalsekretär Söder gestern, d. h. nachdem Bayern im Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hat, sagte, Rot-Grün spalte mit Hartz IV die Gesellschaft. So wird hier argumentiert: an einem Tag
hüh, am anderen Tag hott. Die Menschen, um die es hier geht, haben Sie längst aus den Augen verloren.
Was wir hier im letzten Jahr erlebt haben, waren Machtspielchen, Streit zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen, behördliches Beharrungsvermögen, zum Teil schon von einer unanständig zu nennenden Besitzstandsund Interessenwahrung gespeist, sowie der Strategie von Blockade und Destruktion im Bundesrat durch den schwarzen Lafontaine, unseren Ministerpräsidenten. Die Betroffenen sind verunsichert und verängstigt.
Meine Damen und Herren, das Spiel hat mitnichten sein Ende gefunden. Es geht gleich wieder weiter. Hier geht es nicht um ein Mautdebakel, wo Lastwagen betroffen sind. Hier geht es um Menschen. Es geht darum, dass diejenigen, die die Reform zum Scheitern bringen können, tatsächlich auch die Mittel in der Hand haben, dies zu tun. Mit der Hartz-Reform werden die Argumentation des Ministerpräsidenten zur 40-Stunden-Woche, die Äußerungen zur Reduzierung von Urlaubs- und Feiertagen, die ständigen Forderungen nach Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Forderung nach einem Niedriglohnsektor – obwohl dies zumindest die Unternehmen in Hessen für Quatsch halten – und die Aushebelung der Rechte von Beschäftigten und Arbeitslosen verbunden. Es wird gesagt: Wenn Hartz IV nicht funktioniert, dann liegt das daran, dass der Arbeitsmarkt nicht weiter flexibilisiert wurde. – Meine Damen und Herren, es geht hier darum – das haben Sie, Herr Boddenberg, gerade bewiesen –, den Sozialstaat abzubauen. Harz IV ist dafür Ihr konkretes Mittel.
Die billigste Sozialpolitik – das sage ich Ihnen – ist, wenn die Wohlhabenden um ihre Villen einen Zaun bauen, mit Stacheldraht oben drauf, und private Sicherheitsdienste nehmen. In den Ländern, in denen solche Zustände herrschen, sind die Löhne billig, es gibt dort aber keine Demokratie, die Menschen dort glauben nicht an ein funktionierendes Staatswesen.
Meine Damen und Herren,wir haben eine Entwicklung in der globalen Wirtschaft und damit auch Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt. Diese Veränderungen führen nicht nur die Politik vor neue Herausforderungen, sondern auch die Menschen. Sie fühlen sich verunsichert. Deswegen finde ich, dass man noch einmal betonen muss, dass jeder und jede, jeder Politiker, jeder Wirtschaftslobbyist und jeder, der politische Verantwortung trägt, sich fragen lassen muss: Trage ich dazu bei, dass diese Gesellschaft und diese Bürger mit diesen Herausforderungen umgehen lernen und mit ihnen leben können, oder treibe ich damit mein machtpolitisches Spiel? – Denn in einer modernen Arbeits- und Sozialpolitik muss es doch darum gehen, unter schwierigen Bedingungen zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen und den Sozialstaat zu reformieren, ohne ihn zu zerstören. Deswegen muss in der aktuellen Situation die Bürokratie abgebaut werden, die Effizienz der Leistungen erhöht werden, die Hilfsangebote müssen neu entwickelt werden, und die Verschiebebahnhöfe, die wir bisher zwischen den Ämtern haben, müssen endlich abgeschafft werden.