Protocol of the Session on May 13, 2004

Herr Ministerpräsident, damit Sie geeignete Mitglieder Ihres Kabinetts finden können, können Sie auf die Kriterien der Auswahlrichtlinie zur Auswahl und Meldung des Überhangpersonals zurückgreifen. Die Personalgespräche im Rahmen der PVS sind natürlich von Ihnen selbst zu führen. Das Gespräch findet am Vormittag im Dienstzimmer des Ministerpräsidenten statt. Für Service wie Wasser und Papiertaschentücher ist natürlich Sorge zu tragen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das Thema ist viel zu ernst, um es zu karikieren, Herr Kollege!)

Das Gespräch ist zielgerichtet zu führen, und es sollte nicht um den heißen Brei geredet werden, dass sozusagen die anderen schuld sind. Hierfür tragen Sie selbstverständlich selbst die Schuld. Auf die Literaturempfehlungen Ihres Finanzministers können Sie auch gleich zurückgreifen, insbesondere auf die Aufsätze: „Das Überbringen schlechter Nachrichten“ und „Das Trennungsgespräch: Unglücklich macht meist nicht das Was,sondern das Wie“.

Meine Damen und Herren, das ist kein Witz, das sind die Vorschläge Ihrer Regierung. Das sind die Vorschläge der Mehrheitsfraktion,wie mit Bediensteten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes umgegangen werden soll. Das ist die Politik dieser Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie nach allem Nachdenken, welches Mitglied des Kabinetts Sie nun in die PVS melden, zu keinem Ergebnis kommen, kann ich Ihnen nur empfehlen: Die Mitglieder meiner Fraktion hätten da wahrscheinlich ein paar Vorschläge zu machen. Ich könnte mir vorstellen, der Kollege Wagner hätte höchstwahrscheinlich zwei Vorschläge, die er hier einbringen könnte. Frau Kollegin Schulz-Asche hat wahrscheinlich auch den einen oder anderen Vorschlag.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe mindestens zwei!)

Sie betonen immer, dass es nicht um Stigmatisierung oder Mobbing geht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen das anders.Meine Damen und Herren,ich fordere Sie auf: Frisch ans Werk.

Aber wie sieht es wirklich aus mit den getätigten Meldungen an die PVS? 27 % der Gemeldeten sind Beamte. Wir haben einen Landesanteil von 55,9 % Beamten. 55 % der Gemeldeten sind Angestellte. Der Landesanteil bei den Angestellten beträgt aber nur 36,1 %.

(Karlheinz Weimar (CDU): Wir haben 50.000 Lehrer!)

18 % der Gemeldeten sind Arbeiter. Ihr Landesanteil beträgt aber nur 8 %. Von einem Stellenabbau gleichermaßen über die gesamte Landesverwaltung kann hier nicht die Rede sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Gries- heim) und Karlheinz Weimar (CDU))

Herr Finanzminister, dass Sie sich in die erste Reihe setzen, das ist schon sehr pikant.

(Karlheinz Weimar (CDU): Wollen Sie die Lehrer freisetzen?)

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich hier aufregen. Sie haben diese Kriterien festgesetzt. Das haben Sie ins Gesetz geschrieben.Sie haben davon geredet,dass es gleichmäßig auf die Verwaltung aufgeteilt wird. Das sind Ihre Worte, Herr Finanzminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karlheinz Weimar (CDU): Dummes Zeug!)

Meine Damen und Herren, auch bei der Betrachtung der Aufteilung auf die Laufbahngruppen kommen interessante Zahlen zum Vorschein. 11 % der Gemeldeten aus dem einfachen Dienst. Der Anteil es einfachen Dienstes in der Landesverwaltung beträgt aber nur 9,2 %.55 % der Gemeldeten sind aus dem mittleren Dienst. 28,9 % ist aber nur dessen Landesanteil.

Meine Damen und Herren,66 % der Meldungen kommen aus dem einfachen und mittleren Dienst. Der Landesanteil liegt aber bei nur 38,1 %. Das ist die Politik Ihrer Landesregierung. Sie melden die Indianer, und die Häuptlinge lassen Sie laufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

66 % der Gemeldeten sind aus dem einfachen und mittleren Dienst.Wenn Sie jetzt noch die Waldarbeiter von Hessen-Forst einrechnen,die bisher noch nicht gemeldet sind, dann werden Sie feststellen, dass es nicht 66 % sind, sondern wesentlich mehr.

Herr Ministerpräsident, von sozialer Ausgewogenheit kann hier nicht die Rede sein. Mit der Meldung von Ministern und Staatssekretären in die PVS könnten Sie einen Beitrag zur sozialen Ausgewogenheit leisten, zumal Sie zu Beginn dieser Legislaturperiode einen zusätzlichen Minister ins Kabinett berufen haben.Von der Aufblähung in der Staatskanzlei wollen wir erst einmal gar nicht reden. Sie blähen Ihren Apparat auf, dann ziehen Sie die Reißleine und schicken die Indianer in die Wüste – das ist die Politik der Regierung Roland Koch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, es ist schon zynisch, wenn Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am 2. April einen Brief schreiben, in dem zu lesen ist:

Hessen war und bleibt ein Arbeitgeber, der seinen Beitrag zu einem positiven Betriebsklima und motivierten Mitarbeitern leistet, auch in schwierigen Zeiten.

Ich habe diesen Satz gleich mehrmals gelesen, weil ich mir gedacht habe, es kann gar nicht sein, dass ein Ministerpräsident, der gerade das hier durchzieht, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen solchen Brief schreibt. Herr Ministerpräsident, Ihnen ist der Realitätssinn für das, was in der Landesverwaltung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgeht, vollkommen abhanden gekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erinnere nur einmal an Folgendes: Streichung des Urlaubsgelds, Kürzung beim Weihnachtsgeld, Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden in der Woche, Meldungen in die PVS, Kündigung der Tarifverträge,Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft der Länder. Dann schreiben Sie, „Hessen war und bleibt ein Arbeitgeber, der seinem Beitrag zu einem positiven Betriebsklima und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leistet“. – Meine Damen und Herren, zynischer kann man mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung nicht umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karlheinz Weimar (CDU): Das kann nur einer sagen, der sonst nichts schafft!)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen das natürlich anders und haben Ihnen auch dazu die passenden Worte geschrieben:

Wir stellen fest, dass die Stimmung unter den Beschäftigten noch nie so miserabel war wie unter der Ägide Roland Koch.Noch nie hat die Identifikation mit dem Beruf so gelitten.

Herr Ministerpräsident, Sie sind auf einer personalpolitischen Geisterfahrt, die ihresgleichen sucht. Selbst Ministerpräsident Wulff aus Niedersachsen, ein Parteifreund von Ihnen,merkt zur Arbeitszeitverlängerung an:40 Stunden sind genug. – Eine Verlängerung von 38,5 auf 42 Wochenstunden übersteigt einfach das Maß.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! – Zuruf von der CDU)

Am Ende Ihrer Amtszeit wird stehen: Operation mit Komplikationen gelungen – Patient, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, tot.

Wir haben immer gesagt, wenn man im Landeshaushalt Einsparungen durchführen muss, dann kommt man an den Personalkosten nicht vorbei.

(Zurufe von der CDU:Aha!)

Eine Personalkostenquote von 48 % kann man nicht außen vor lassen.

(Karlheinz Weimar (CDU):Also kündigen!)

Herr Weimar, das haben wir doch schon auf und ab diskutiert. – 1997 hat Jochen Suchan hier im Landtag ein Papier vorgelegt, in dem er ganz genau beschrieben hat, wohin sich die Personalsituation im Land Hessen bewegt.

(Zurufe der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie haben in Ihrer Regierungszeit über Schulden und Ausweitung des Personals dafür gesorgt,dass wir jetzt da sind, wo wir sind. Jetzt ziehen Sie die Reißleine, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlen die Zeche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Karlheinz Weimar (CDU): Nein, das ist falsch!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Politik der letzten Jahre mit neuen Schulden finanziert. Sie haben die Personalquote wieder nach oben geschraubt. Jetzt müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes die Zeche dafür zahlen. Sie haben noch nicht einmal den Versuch unternommen, mit den Personalräten, mit den Gewerkschaften, und mit dem Beamtenbund über diese Thematik zu reden. Sie haben Konfrontation gesät und ernten jetzt Proteste und Demotivation.

Die Jubelerklärung des Kollegen Milde habe ich schon zitiert.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wenn man sich anguckt, dass Sie auf der einen Seite die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Personalvermittlungsstellen melden und auf der anderen Seite – aus dem Berichtsantrag unserer Fraktion geht das ja hervor – Sonderprojekte in der Größenordnung von 523 Stellen beantragen, die keine Sonderprojekte sind, sondern allgemeines Regierungshandeln, die die Umsetzung von Beschlüssen des Hessischen Landtag betreffen, dann weiß ich nicht, wie Ihre Zielrichtung ist und was Sie mit dieser Personalvermittlungsstelle erreichen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Dann lassen Sie sich das doch einmal erklären! – Karlheinz Weimar (CDU): Man kann auch Abgeordnete melden! – Gegenruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die PVS soll doch erfolgreich sein!)

Meine Damen und Herren, der Hit ist die Meldung von gestern.

(Zuruf von der CDU:Wenn so einer in die PVS ge- meldet ist, will ihn doch keiner!)

Herr Finanzminister, ich würde an Ihrer Stelle noch einmal einen Blick in die Verfassung werfen. Sie sollten sich doch in der Frage wirklich zurückhalten. Wir mussten doch hier im Hessischen Landtag die Ministerbank verlängern, damit Sie genügend Minister auf die Reihe kriegen konnten. Sich dann hier aufzuführen und uns vorzuwerfen, dass wir in dieser Sache nicht richtig liegen, das geht voll an der Sache vorbei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und dann sitzt da noch nicht einmal einer! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Und dann ist Herr Riebel nie da! – Gegenrufe von der CDU)

Das Problem ist ja, dass man für Herrn Riebel nur einen kleinen Stuhl hätte hinstellen müssen, für die wenige Zeit, die er hier ist. Aber darüber wollen wir jetzt nicht diskutieren.