Meine Damen und Herren, Sie hatten einmal vor der Landtagswahl davon geredet, dass Sie 850 Anwärterstellen pro Jahr schaffen wollen; jetzt sind es nur noch 250. Wir glauben, dass Sie sich ernsthaft Gedanken darüber machen müssen, ob Sie wirklich mit dieser Zahl hinkommen oder ob es in Anbetracht der Lage, die wir in Hessen haben, und der Steigerung der Kriminalität um 5,6 % – das ist ein Spitzenplatz in der Bundesrepublik Deutschland; wir werden in diesem Zusammenhang nur noch von Mecklenburg-Vorpommern übertroffen – nicht angebracht wäre, Ihre Politik zu ändern.
Meine Damen und Herren, noch einmal zur Begründung, warum das unserer Meinung nach so nicht weitergehen kann. Wir können es nicht hinnehmen, dass Sie vor der Landtagswahl erklären, das Ergebnis Ihrer Politik sei, dass Frankfurt den Spitzenplatz in der Kriminalitätsstatistik verloren hat. Ich zitiere den Ministerpräsidenten auf dem Landesparteitag der CDU Hessen im Jahre 2002. Da hat er Frankfurt als gelungenes Beispiel dargestellt und wörtlich gesagt:
Diese Stadt lag noch vor drei Jahren auf Platz 1 der Kriminalitätsstatistik. Vor zwei Jahren war es nur noch Platz 3. Nun liegt Frankfurt auf Platz 6, zwischen Kiel und Lübeck. Das ist Politik, die den Menschen dient, weil sie für mehr Sicherheit sorgt.
Sie können nicht so einfach nonchalant darüber hinwegtäuschen, wenn genau diese Stadt Frankfurt inzwischen wieder bundesweit Platz 1 als Stadt mit der meisten Kriminalität einnimmt.
Als GRÜNE wissen wir sehr genau, dass Frankfurt eine der höchsten Einpendlerquoten der Republik bezogen auf die Einwohnerzahl hat und dass Frankfurt mit dem Flughafen und dem Hauptbahnhof über zwei bedeutende Verkehrsknotenpunkte verfügt, die ebenfalls dafür sorgen, dass die Kriminalität pro Einwohner in Frankfurt naturgemäß ein höheres Level hat als andere Städte. Nur, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz und Herr Innenminister, das war im Jahre 2002 genauso.
Der Hauptbahnhof und der Flughafen sind nicht im Jahre 2003 entdeckt worden. Deswegen sagen wir: Es hilft auch nichts, diese Zahlen wegzureden, indem Sie sagen, das liege alles an der häuslichen Gewalt.Wir alle wollten, dass das aufgeführt wird. Selbst wenn Sie alle Fälle häuslicher Gewalt, selbst die, die vor 2002 erfasst worden sind, herausrechnen, haben Sie immer noch einen deutlichen Anstieg der Kriminalität.
Meine Damen und Herren, es hilft auch nichts, zu sagen, schuld seien das Internet und neue Formen der Betrugskriminalität. Ich wusste bisher nicht, dass das Internet nur in Hessen existiert. Das ist ein Problem, das alle Bundesländer haben.
Deshalb geht von unserer Seite ein sehr ernsthafter Appell an Sie: Überdenken Sie die Politik, die Sie hier betreiben.
Wir glauben, dass wir auf den Pfad zurückkehren müssen, den Rot-Grün ab 1991 beschritten hat. Es hat keinen Zweck, in Rabulistik zu machen und dauernd Gesetzesverschärfungen oder gar den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu fordern. Man hat jetzt im Kosovo gesehen: Die können das wirklich nicht. Sogar der zuständige Ausschuss hat gesagt, das Problem der Bundeswehr im Kosovo sei, dass sie für Polizeiaufgaben nicht ausgerüstet und nicht ausgebildet sei. Genau so war es. Das konnte man auch sehen. Flüchten Sie sich nicht in Nebenkriegsschauplätze – im wahrsten Sinne des Wortes –, sondern
kehren Sie zurück auf einen Pfad, der heißt: bessere Ausbildung, bessere Bezahlung, bessere Motivation. – Die Einführung der Wachpolizei bedeutet: weniger Bezahlung. Die Arbeitszeitverlängerung auf 42 Stunden bedeutet: weniger Motivation. Meine Damen und Herren, das Ergebnis können wir sicher weiter besichtigen, denn noch nie in der Geschichte Hessens war die Stimmung in der Polizei so schlecht wie momentan. Das ist Ihre Verantwortung.Wir haben das Problem,dass wir uns fragen müssen, wie man von solchen Menschen verlangen kann, dass sie auch weiterhin das Letzte geben.
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Es ist nun an der Zeit, dass wir feststellen, dass die großen Reden über Gesetzesverschärfungen und über Videoüberwachung die Polizei, den Schutzmann auf der Straße, nicht ersetzen können. Das sehen wir an den Ergebnissen Ihrer Kriminalitätspolitik. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sich wegducken, sich den Realitäten nicht stellen, nicht nach wirklichen Lösungen suchen und durch lautstarkes Auftreten der tatsächlichen Diskussion ausweichen – das wäre eine Beschreibung für den Offenbarungseid in der Sicherheitspolitik, den wir im Augenblick erleben. Das trifft aber auch auf Ihr Parlamentsverständnis zu. Wenn wir über Innenpolitik reden,muss man auch noch ein paar Worte auf den Fall von heute Nachmittag verwenden. Sie glauben, Diskussionen und wichtigen Fragestellungen immer und immer wieder ausweichen und durch Mehrheitsentscheidungen unterdrücken zu können. Das war heute Nachmittag wieder ein unglaublicher Vorgang. Sie haben sich den aktuell anstehenden Fragen um die Abschiebung in Usingen nicht gestellt. Deshalb muss das an dieser Stelle auch angesprochen werden.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))
Bei allen Fragen, die wir morgen diskutieren werden, Herr Kollege Jung, bei allen Fragen, die sich sicher noch im Detail stellen werden, muss ich zu dem Thema Sicherheitspolitik an Herrn Bouffier die Frage stellen,ob die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen möglicherweise durch das von oben eingeführte Befehl und Gehorsam schon derartig in ihrer Handlungsfreiheit und in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sind, dass sie nicht mehr auf die Idee kommen, sich bei einem solchen Problem Rückfragen an anderer Stelle zu erlauben. Deshalb
Die Ankündigungen und die Wahlversprechen der CDULandesregierung werden in den letzten Tagen stündlich widerlegt. Herr Kollege Bouffier, Ihr aus Placebo-Instrumenten und Schauveranstaltungen bestehendes Konzept erweist sich als untauglich und als falsch.Wer nur auf Eindruck und auf subjektive Wahrnehmung zielt, gefährdet objektiv die innere Sicherheit in Hessen.
Die aktuellen Zahlen belegen, was wir Ihnen schon monatelang ins Stammbuch geschrieben haben. Ihre Politik schwächt die Polizei. Die aktuellen Zahlen dokumentieren den Offenbarungseid der Landesregierung in der Sicherheitspolitik. Jetzt rächt sich, dass Sie in den letzten Jahren allzu überheblich immer wieder mit Statistiken und Zahlen operiert haben. Jetzt müssen Sie mit dem Echo klarkommen. Jetzt müssen Sie sich der Auswertung dieser Statistiken stellen. Sie lassen im Augenblick überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Tatsache ist nämlich, dass Hessen eben nicht sicherer geworden ist, dass die Straftaten, die die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar gefährden, stark zugenommen haben und dass z. B. insbesondere aus Osteuropa kurzfristig einreisende Tätergruppen auch durch das Mittel der Schleierfahndung nicht abgeschreckt wurden.
Sie verantworten einen Kriminalitätsanstieg um 5,4 % im Vergleich zum Vorjahr und um 11 % im Vergleich zu den Zahlen vor zwei Jahren. Unter Herbert Günther und Gerhard Bökel
Da Sie so schmunzeln und nicken, freue ich mich schon auf die Replik. Das ist genau das, was Sie im vergangenen Herbst permanent an Statistiken und Zahlen ablesen wollten.
Dann muss man mit dem Echo umgehen können. Sie sind durch eine gegen die Polizistinnen und Polizisten gerichtete Politik zum Sicherheitsrisiko geworden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU – Boris Rhein (CDU): Lächerlich! – Dr. Walter Lübcke (CDU): Darüber lacht er selber! – Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))
Der Kriminalitätsanstieg in Hessen ist real. Sie stehen vor dem Scherbenhaufen einer verfehlten Sicherheitspolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Hessen fehlen Hunderte von Polizeibeamten. Es ist dreist, wenn Sie, Herr Kollege Bouffier, 500 neue Beamte versprechen, die im Übrigen nur die vakanten Stellen ersetzen sollen, und zusätzlich trotz aller Mahnungen von der Basis, von denen, die die Arbeit erledigen müssen, 1.000 weitere Stellen gestrichen werden.
Mehr Straftaten – das belegen die Zahlen – und weniger Polizei: Herr Kollege Bouffier, das ist unverantwortlich.
Ich gehe jetzt nicht auf die Zahlen aus Frankfurt ein. Das hat Herr Kollege Al-Wazir schon getan.Wir erwarten von Ihnen aber, dass Sie diese Negativbilanz nicht länger ignorieren und endlich einen sicherheitspolitischen Kurswechsel vornehmen, und zwar hin zu einer vernünftigen Personal- und Ausbildungspolitik. Bei Ihnen müssen doch sämtliche Alarmglocken klingeln,wenn klar wird,dass der Abbau von Polizeistellen und der Anstieg von Straftaten in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen sind.
Bis vor einigen Wochen haben Sie immer noch erklärt, es werde keinen Abbau von Stellen bei der Vollzugspolizei geben. Urplötzlich wurde aber aus dem Hut gezaubert, es gehe nun doch um 360 Stellen bei der Vollzugspolizei. Dazu soll es noch 608 Stellen von Angestellten weniger geben. Im Ergebnis heißt das: Es werden weniger Polizeibeamtinnen und -beamte zur Verfügung stehen. Es wird damit weniger Polizei vor Ort sein. Es wird weniger Streifen und damit auch eine weniger effektive Verbrechensbekämpfung geben. Das ist aus unserer Sicht genau der falsche Weg.
Dann werden von Ihnen in altbekannter Manier wieder Themen und Aktivitäten ausgesucht, mit denen Sie vom eigenen Versagen ablenken wollen. Da wird die Bundeswehr ins Spiel gebracht. Ich will es noch einmal sehr deutlich sagen. Das steht auch in unserem Antrag. Wir lehnen eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Inland ab.
Wir stehen nachdrücklich zu der Trennung der polizeilichen und militärischen Aufgaben. Wir stellen auch fest, dass es nicht Aufgabe der Bundeswehr sein kann, die Versäumnisse, die die Kochs und Bouffiers gemacht haben, aufzuarbeiten.
Auch Ihr zweiter Versuch der Ablenkung zieht nicht. Die freiwillige Polizei wird als Allheilmittel verkauft. Damit werden die Wachpolizistinnen und -polizisten in ihrer Funktion völlig überbewertet.