Protocol of the Session on May 12, 2004

Bei den konkreten Sachpunkten werden wir messen, wie ernst es Ihnen mit diesem Thema wirklich ist, aber nicht bei dieser Art von Schaufensteranträgen einfachster Machart.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Für die Hessische Landesregierung hat Herr Staatsminister Rhiel das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland ist die wirtschaftliche Lage derzeit die schwierigste seit vielen Jahrzehnten. Immer wieder werden drei Schwerpunkte genannt, wo die Politik daran erinnert wird, dass sie dringend handeln muss. Das ist zum Ersten die Steuerreform, zum Zweiten die Reform des Arbeitsmarktes und zum Dritten der Bürokratieabbau. Beim letzten Thema sind wir.

Wir haben in der Debatte erlebt, dass letztlich alle drei Punkte zusammenhängen. Hier ist Handeln dringend geboten. Was wir in dieser Zeit versäumen, werden wir in Zukunft noch bitter bereuen. Deswegen kommt es darauf an, dass wir uns unter dem Aspekt der Entbürokratisierung an ein Leitbild erinnern,dass wir uns daran erinnern, dass wir klare und einfache Regeln als Handlungsrahmen für die Wirtschaft brauchen, um so die Chancen für Kreativität und Innovation zu fördern und dadurch zu mehr wirtschaftlichem Wachstum und schließlich zum Wohlstand der Gesellschaft zu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir uns die Situation in der Bürokratie anschauen und das Regelwerk näher beurteilen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir von diesem Leitbild weit entfernt sind. Über 5.000 Bundesgesetze und Rechtsverordnungen mit mehr als über 85.000 Verwaltungsvorschriften zieren die Rahmenbedingungen, die in Deutschland für wirtschaftliches Handeln Gültigkeit haben.

Im Steuerrecht sind es noch mehr. Weltweit gibt es einen Wust von steuerlichen Vorschriften. Allerdings beträgt der Anteil, der davon in Deutschland beheimatet ist, 70 %. Diese Zahl beweist, dass die internationale Untersuchung, die vor kurzem durchgeführt worden ist, sicherlich zu Recht zu dem Ergebnis kommt, dass Deutschland bei dem Kriterium der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit unter den Industrieländern inzwischen von Platz 5 auf den 20. Platz abgerutscht ist.

(Petra Fuhrmann (SPD):In Hessen geht das schneller: von 1 auf 12!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist ein deutliches Warnzeichen. Wenn wir nicht jetzt handeln, dann werden wir die Folgen weiter bitter zu ertragen haben.

Denn wir haben jetzt bereits im dritten Jahr einen Stillstand beim Wachstum. Die Entwicklung im Jahr 2004 zeigt eindeutig, dass die Wachstumsprognosen, die sehr optimistisch waren, inzwischen mehr und mehr zurückgeschraubt werden müssen. Das, was uns morgen der Arbeitskreis Steuerschätzungen hinsichtlich der Frage vorlegen wird, wie hoch die Steuereinnahmen sein werden und welche Konsequenzen das für die öffentlichen Haushalte haben wird, wird uns dann noch einmal die Augen öffnen.

Es wurde bereits von den Vorrednern darauf hingewiesen, wie hoch die Belastung jedes Unternehmens, aber insbesondere der mittelständischen Unternehmen, durch das ist, was sie aufgrund bürokratischer Vorschriften abwickeln müssen. Der Aufwand in Tagen und Stunden wurde

genannt. Insgesamt entsteht der deutschen Wirtschaft ein Aufwand in einer Größenordnung von 46 Milliarden c, der notwendig wird, um die Vorgaben der Bürokratie abzuarbeiten. Wenn man die 46 Milliarden c mit einem durchschnittlichen Steuersatz multiplizieren würde, dann würde man erkennen, welche Entlastung und Einnahmesteigerung sich letztlich für die öffentlichen Haushalte ergeben würde.

Es wurde hier bereits deutlich unterstrichen: Wir brauchen deshalb in der Tat ein entschlossenes Deregulierungs- und Entbürokratisierungskonzept, das sich konsequent am ordo-ökonomischen Leitbild der sozialen Marktwirtschaft orientiert.

All das, was die Bundesregierung sicherlich in guter Absicht angestoßen hat, ist inzwischen geschrumpft. Der „Spiegel“ spricht von einer Resterampe, auf der das liege, was noch von dem übrig geblieben sei, was es im Rahmen des so genannten Masterplans gegeben hat. Ursprünglich gab es einmal 1.000 Vorschläge,die in einer großen Aktion eingesammelt und von der Wirtschaft eingebracht wurden. Von diesen sind in dem ursprünglich vorgelegten Masterkonzept 54 übrig geblieben. Es wurden dann gerade einmal neun Vorschläge umgesetzt,von denen sieben de facto gescheitert sind.

Bundeswirtschaftsminister Clement ist mit 34 Maßnahmen ins Kabinett gegangen und mit etwa 29 herausgekommen. Wichtige Maßnahmen, die eben noch von Frau Schönhut-Keil und ebenfalls von Herrn Frankenberger positiv bewertet wurden, haben bereits während der Phase der Einbringung, also bis das Kabinett darüber entscheidet, einen schleichenden Tod gefunden. Das sind die Maßnahmen, die Sie angesprochen haben. Das betrifft beispielsweise die Erleichterung der Umsatzsteuervorauszahlung.Da hat Herr Eichel eine Änderung abgelehnt. Ebenso verlief es bei der Erleichterung der Anmeldung zur Rückzahlung der Ökosteuer und ähnlichen einzelnen Programmen.

In der Tat gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem, was auf der Bundesebene angekündigt wird, und dem, was dann umgesetzt wird.Wir können aber auch einen Unterschied zum Land Hessen wahrnehmen, das hinsichtlich des Abbaus der Bürokratie Vorbildliches geleistet hat. Das betrifft zum einen all die Maßnahmen, die in der letzten Legislaturperiode umgesetzt wurden. Diese Maßnahmen haben zu einer echten Verschlankung geführt. 3.500 Vorschriften abzuschaffen ist in der Tat eine Meisterleistung. Das ist eine Leistung, die wir erst richtig würdigen können, wenn wir es mit dem vergleichen, was es auf Bundesebene derzeit an Stückwerk gibt und was man sich dort gegenwärtig vornimmt.

Hinzu kommt, dass das Hessische Landesplanungsgesetz erhebliche Erleichterungen vorsieht, die Zug um Zug umgesetzt werden.

Es geht aber nicht nur um den Abbau von Vorschriften.Es ist deutlich geworden, dass es vor allem auch darum geht, dass der Zeitraum für Genehmigungsverfahren verkürzt wurde. Wir dürfen dabei schon stolz darauf hinweisen, dass sich die Kommunen in Hessen im Durchschnitt auf einem guten Weg befinden, und zwar nicht zuletzt dadurch, dass wir in der Hessischen Bauverordnung Rahmenbedingungen geschaffen haben, die zu einem schnelleren Baubeginn führen. Wir werden die Effizienz dieser Prozesse auch dadurch steigern, dass wir die Chancen und Möglichkeiten, die das E-Government, also das elektroni

sche Government, bietet, nutzen, um die Verwaltungsprozesse zu optimieren.

Mit Stolz können wir hier auch vortragen, dass es die Hessische Landesregierung war, die auf der CeBIT eine besondere Auszeichnung, also einen Preis, dafür gewonnen hat, dass sie etwas unternommen hat, was auf dem Sektor, der die Logistikunternehmen betrifft, zu sehr schnellen Genehmigungsverfahren geführt hat.Das soll Beispiel geben und nun in ganz Deutschland umgesetzt werden.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Der Abbau der Bürokratie stellt sicherlich eine Aufgabe dar, die man nicht mit einem Federstrich erledigen kann. Hierfür braucht man einen echten Ansatz und einen festen Willen. Man braucht klare Ziele, die Zug um Zug umzusetzen sind. Diese Aufgabe hat sich die Hessische Landesregierung gestellt. Sie wird in dieser Legislaturperiode die Verwaltungsvereinfachung ganz konsequent fortsetzen. Die Arbeitsgruppe „Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren“ ist bereits dabei, dies Stück um Stück umzusetzen. Hierbei muss lange an dicken Brettern gebohrt werden. Dieses Bohren benötigt Ausdauer. Dazu wird Motivation benötigt.

Wir sind dann auch sehr erfreut, wenn wir in Einzelfällen Lob erfahren. Dies war beispielsweise im letzten Jahr bei dem größten Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Gentechnologie der Fall. Dabei ging es um eine Produktionsanlage für die Herstellung gentechnologisch erzeugten Insulins bei der Firma Aventis. Damals lagen nur dreieinhalb Monate zwischen der Antragstellung und der Genehmigung. Damit wurde die Genehmigung in Rekordzeit erteilt. Damit hat sich das Land Hessen auch auf internationaler Ebene deutlich als ein Land dargestellt, das die Interessen der wirtschaftenden Unternehmen ernst nimmt, das partnerschaftliche Beziehungen mit der Wirtschaft hat und Genehmigungen schnell erteilt. Der Produktionsstandort und Wirtschaftsstandort Hessen soll auch in Zukunft ein Qualitätsmerkmal sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen.Herr Posch hatte bereits zu Beginn seiner Rede darauf hingewiesen. In Deutschland kommt es nicht darauf an, darauf zu achten, wie die öffentliche Hand die Unternehmen möglicherweise noch stärker materiell unterstützen kann. Denn für materielle Unterstützung mittels Zuschüssen und dergleichen hat die öffentliche Hand ohnehin nicht die Mittel. Das weisen die hoch defizitären Haushalte aus. Es kommt darauf an, vor allem eines zu tun: Den Unternehmen müssen mehr Freiräume verschafft werden, damit sie sich im internationalem Wettbewerb wieder einen Vorsprung erarbeiten können.

Ich meine, in der jüngsten Vergangenheit hat das niemand so deutlich gesagt, wie es der Vorstandsvorsitzende von SAP, das hier ganz in der Nachbarschaft beheimatet ist, in einem Interview getan hat. Er hat gesagt: Ich brauche keine Zuschüsse, wenn mein Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben soll. Ich brauche aber Freiheit.

Wir arbeiten zügig und konsequent daran, den Raum für freies unternehmerisches Handeln zu erweitern. Damit werden wir den Standort Hessen noch stärker profilieren. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns dabei unterstützen würden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die drei alternativen Entschließungsanträge. – Ich bitte Sie, sich zu setzen, damit wir sehen können, wie die Voten ausfallen.

Ich rufe zunächst zur Abstimmung des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP betreffend „Entbürokratisierung“ auf. Das ist Drucks. 16/2206.Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dafür gestimmt haben die Mitglieder der Fraktionen der FDP und der CDU gegen die Stimmen der Mitglieder der SPD und der GRÜNEN. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Masterplan Bürokratieabbau des Bundes als Vorbild für die Landespolitik,Drucks.16/2261, zur Abstimmung auf.Wer will diesem Antrag zustimmen? Ich bitte um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Dann ist dieser Antrag bei Zustimmung von SPD und GRÜNEN mit den Stimmen von CDU und FDP abgelehnt worden.

Ich komme zum Schluss zum Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend erfolgreicher Bürokratieabbau in Hessen, Drucks. 16/2265. Wer hier zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Dann ist bei Ablehnung von SPD und GRÜNEN und Zustimmung von CDU und FDP auch dieser Antrag angenommen. Angenommen wurden also die Anträge Drucks. 16/2206 und 16/2265.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 4:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Bauordnung (HBO) – Drucks. 16/2164 –

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs hat Herr SchäferGümbel für die SPD-Fraktion das Wort. Fünf Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über 200.000 registrierte Brände jährlich stellen in Deutschland eine erschreckende Größenordnung dar. Im Jahre 2002 kamen nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes bei Bränden 550 Menschen ums Leben,weil Schlafende aufgrund der eintretenden Vergiftung durch den hohen Kohlenmonoxidgehalt im Brandrauch ohnmächtig wurden und schließlich verstarben.Allein in Hessen starben 2002 nach meinen Zahlen 24 Männer und 14 Frauen den Tod durch Rauch, Feuer und Flamme.

Auch viele Kinder unter den Brandopfern könnten noch am Leben sein, wenn es in den Wohnungen Rauchmelder gegeben hätte.

Das ist der zentrale Satz einer Resolution der 50. Verbandsversammlung des Landesfeuerwehrverbandes Hessen e.V. vom 24.April dieses Jahres.

Viele öffentliche Aktivitäten der Feuerwehren vor Ort und der Politik haben auf dieses Problem und auf die Möglichkeiten einer frühen Brand- und Raucherkennung durch so genannte Rauchwarnmelder hingewiesen. Leider haben diese Aktivitäten nicht den durchschlagenden Erfolg gehabt, den sich alle Beteiligten gewünscht haben.

Die Erfahrungen in europäischen Ländern, die den Einsatz von Brandmeldern gesetzlich vorschreiben, zeigen, dass die Anzahl der Todesfälle rapide abnimmt. Der Einbau von Rauchwarnmeldern an neuralgischen Stellen in privaten Neubauwohnungen schafft optimale Voraussetzungen, um Leben zu retten. Deshalb legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, dessen Ziel es ist, den Brand bereits im Stadium der Rauchentwicklung zu entdecken, um Zeit für die Brandmeldung, Brandbekämpfung sowie für die Flucht zu gewinnen. Der Gesetzentwurf beschränkt sich darauf, die Verpflichtung der Installation von Rauchmeldern in Neubauten im privaten Bereich vorzuschreiben. Ein bürokratischer Mehraufwand ergibt sich dadurch nicht.

Wir haben auch in diesem Zusammenhang ganz bewusst auf die Bestimmung eines konkreten Verfahrens – batteriebetrieben oder an die Stromversorgung angeschlossen – verzichtet, um den bürokratischen Aufwand möglichst gering zu halten.

Natürlich werden Feuerwehren und Politik auch weiterhin an die Wohnungsinhaberinnen und Wohnungsinhaber der Altbauwohnungen appellieren, Wohn- und Schlafräume sowie Flure zur Erhöhung des allgemeinen Sicherheitsstandards ebenfalls mit kostengünstigen Rauchwarnmeldern auszustatten. Mit dem Gesetzentwurf kommen wir den sinnvollen Vorschlägen der Feuerwehren zur gesetzlichen Regelung nach, ohne die finanzielle Belastung des Bauherrn merklich zu erhöhen. Ein batteriebetriebener Rauchwarnmelder ist heute im Fachhandel bereits ab 4 c erhältlich.

(Dieter Posch (FDP): 2,99 c!)

Noch billiger, sehr gut, Herr Posch. – Herr Milde hat Gott sei Dank gestern schon eine Pressemeldung zu der Position der CDU in dieser Frage abgegeben. Die Erklärung liegt mir vor, sie ist gestern schon verteilt worden. Dort wird auf eine bundeseinheitliche Regelung verwiesen.

(Lachen bei der SPD – Jürgen Walter (SPD): Das ist die Bürokratiefraktion da drüben!)

Herr Milde, ich glaube Ihnen gerne, dass es Ihnen schwer fällt, hier einen SPD-Gesetzentwurf vorzustellen. Aber, unter uns: Die Meister der Subsidiarität, die es immer wieder einfordern, fordern bei den Rauchmeldern eine bundeseinheitliche Regelung. Das ist, ehrlich gesagt, ein Treppenwitz.

(Beifall bei der SPD – Dieter Posch (FDP):Das war gemeinsame Haltung aller Bundesländer,mein Lieber!)

Herr Posch, es ist aber auch so, dass das Bundesland Saarland, konservativ regiert, und das Land Rheinland-Pfalz, SPD/FDP-regiert, entsprechende Gesetzesvorschläge gemacht haben. Der Vorschlag, den wir Ihnen nun unterbreiten, ist dezidiert an das Gesetz von Rheinland-Pfalz angelehnt.

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rauchwarnmelder können Menschenleben retten. Das sollte uns reichen, um aktiv zu werden. Wir gehen davon aus, dass alle Kolleginnen und Kollegen das so sehen, und bitten Sie daher um Zustimmung zu unserem Entwurf. Wir freuen uns auf konstruktive Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)