Protocol of the Session on March 25, 2004

Regen Sie sich doch nicht so auf,hören Sie doch erst einmal zu. Wir haben z. B. in der Bauwirtschaft seit vielen Jahren eine Umlagefinanzierung, die aber tariflich vereinbart ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! – Zurufe von der SPD – Marco Pighetti (SPD): Also geht es doch!)

Das ist ein großer Unterschied.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Al-Wazir, hören Sie gut zu. Schauen Sie sich die Entwicklung der Ausbildungsplätze auch in der Umlagefinanzierung der Bauwirtschaft an. Dort ist die Zahl der Ausbildungsplätze trotz Umlagefinanzierung und tariflich vereinbartem System kontinuierlich zurückgegangen.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die IG BAU sagt Ihnen: Mit Ihrer Zwangsabgabe werden Sie genau das Gegenteil erreichen, weil Sie keine tariflichen Ausnahmegenehmigungen mehr möglich machen wollen. Das ist eine Strafsteuer für die Ausbildungsbetriebe und für die Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Denn auch dort setzen Sie nur bei den Angestellten an, bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Was sagen denn die Spitzenverbände dazu? Die nennen das eine Strafsteuer für die Kommunen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie setzen an der falschen Stelle an und schaffen gerade keine Ausbildungsplätze, sondern Sie machen Ausbildung kaputt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Auf welche Gesetzentwürfe beziehen Sie sich denn?)

Gehen Sie endlich an die betrieblichen Rahmenbedingungen heran, damit sich Leistung und Investitionen in

Deutschland wieder lohnen. Gehen Sie an die grundsätzlichen Maßnahmen heran, betriebliche Bündnisse zuzulassen, den Kündigungsschutz in bestimmten Bereichen zu lockern.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir sind jetzt beim Kündigungsschutz gerade wieder auf dem Stand von 1998,

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): 1898!)

nach etlichen Vermittlungsverfahren – nachdem Sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zerstört haben. Das ist der eigentliche Murks, der veranstaltet wird. Daraus kommen Sie mit einer Zwangsabgabe nicht heraus.

Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung setzt mit ihren Programmen genau da an. Sie hat sich eine Selbstverpflichtung auferlegt und in der Verwaltung die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht.

(Norbert Schmitt (SPD):Wo denn?)

Sie hat Praktikantenplätze angeboten und zusätzlich die verschiedenen Programme beim Wirtschaftsministerium und beim Sozialministerium aufgestockt, um einen eigenen Beitrag zu leisten.

Frau Ministerin, die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie kriegen noch eine Minute von uns!)

Ich füge nur noch einen Satz an. Allein durch staatliche Maßnahmen werden wir die Ausbildungsmisere nicht lösen können,

(Petra Fuhrmann (SPD):Wie denn?)

sondern wir brauchen wieder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Ausbildung ermöglichen. Wir sorgen für die Nachqualifizierung von Jugendlichen. Auch durch die Gespräche mit dem Ministerpräsidenten wurde dies bewirkt.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir sorgen für eine bessere schulische Ausbildung. Aber mit Ihrer Zwangsabgabe treiben Sie die Unternehmen in den Ruin – nicht Jugendliche in Ausbildung.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Gerhard Becker (Nidda) (SPD): So viel dummes Geschwätz mitten in der Nacht!)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Das Wort hat die Kollegin Margaretha Hölldobler-Heumüller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe eine Frage an die Damen und Herren

von CDU und FDP: Welche Antwort haben Sie denn, wenn in einer deutschen Tageszeitung eine Anzeige der Firma Aldi steht und es dort heißt: „Filialleiternachwuchs gesucht; Voraussetzung: abgeschlossene Ausbildung, Fachrichtung spielt keine Rolle“? Was sagen Sie dem Betrieb, der diesen jungen Menschen ausgebildet hat? Welche Antwort haben Sie denn da?

Genau darum geht es bei der Ausbildungsplatzabgabe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wenn Sie hier versuchen, ein Schreckensbild vom Moloch Verwaltung – alles ist so kompliziert – aufzubauen, dann kann ich Ihnen nur sagen,

(Zurufe von der CDU und der FDP)

die Ausbildungszahlen sind bei den IHKs und bei den Handwerkskammern vorhanden. Da muss nichts Neues erhoben werden. Diese Zahlen sind bekannt.

(Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich habe mich gemeldet, um etwas über die 20 % der Jugendlichen zu sagen, von denen wir hier sprechen,

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

die 20 % der Jugendlichen, zu denen wir sagen: Wir als Gesellschaft bieten euch keine Perspektive für eine Ausbildung.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Diese Jugendlichen spielen in dieser Debatte anscheinend nur eine sehr untergeordnete Rolle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wird abwechselnd davon gesprochen, sie seien nicht in der Lage oder nicht motiviert,

(Zurufe der Abg. Gottfried Milde (Griesheim) und Rüdiger Hermanns (CDU))

und am Montag hat der Kollege Boddenberg gesagt: Ei, die Jugendlichen müssen halt mal ein bisschen flexibler sein. – Ich kann nicht verstehen, warum jemand, der Wände anmalen möchte, Schweine tot machen soll.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie würden auch nicht sozialpolitischer Sprecher der GRÜNEN werden wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

In der gesamten Diskussion haben wir auch bei Ihnen, Herr Gotthardt, vermisst, dass Sie Antworten auf die Misere geben. Genau diese Antworten fehlen auch von der Sozialministerin. Es geht um jeden fünften Jugendlichen in diesem Land, und da sollten wir uns überlegen, ob wir uns diese Misere leisten wollen.