Protocol of the Session on March 19, 2004

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, ich möchte viel lieber auf andere Weise das gute schwarz-gelbe Verhältnis wieder herstellen, und zwar dadurch, dass ich der Bitte des Kollegen Rentsch

nachkomme, der in der BKA-Debatte vergessen hat, folgenden Zuruf zu machen, den ich jetzt – auf seine Bitte hin – vortrage. Dieser Zuruf lautet: „Bis nach Berlin schallts ohne Ende:Vom BKA lass bloß die Hände!“

(Heiterkeit)

Lieber Florian,hiermit habe ich deinen Zuruf nachgeholt. Ich hoffe, zwischen Schwarz und Gelb herrscht jetzt wieder Frieden. Der Antrag wird von uns trotzdem abgelehnt. Lassen Sie uns aber erst einmal im Ausschuss darüber diskutieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der FDP soll analog der dort genannten Regelung im Strafgesetzbuch eine Bestimmung geschaffen werden, nach der in jedem Fall zwar ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten ist, das Gericht aber von einer Bestrafung absehen oder das Strafmaß herabsetzen kann, wenn jemand seine Waffen, die er illegal in Besitz hatte, freiwillig abgibt.

Das Institut der tätigen Reue ist zwar im bundesdeutschen Sanktionsrecht nicht neu, es stellt sich aber die Frage, ob der Antrag der FDP-Fraktion die angemessene Antwort auf den hier zur Diskussion stehenden Sachverhalt ist. Das müssen wir sehr genau prüfen. Es geht nämlich um den Besitz von Spring-, Fall- und Schmetterlingsbzw. Butterfly-Messern sowie um den Besitz von Wurfsternen.

Die Verschärfung des Waffengesetzes erfolgte im Zuge einer Initiative vieler Bundesländer als Folge und Ergebnis der schrecklichen Ereignisse von Erfurt. Wegen der Verschärfung der Bestimmungen des Gesetzes wurde eine Übergangsfrist eingerichtet. Wer bis zum 31. August 2003 seine Waffen abgegeben hatte, blieb straffrei.

Es gab eine zweite Frist, nämlich die für die so genannte Amnestieregelung, die bis zum 30. September 2003 galt. Das novellierte Waffengesetz hat den Besitzern illegaler Waffen bei Abgabe oder Entschärfung grundsätzlich eine Amnestie gewährt, wenn sie ihre Waffen vor dem 1.April 2003 erworben hatten und diese Waffen schon nach dem alten Waffengesetz erlaubnispflichtig waren.

Es gab also eine breite öffentliche Diskussion über die Verschärfung des Waffenrechtes. Außerdem konnte man zur Kenntnis nehmen – wenn man es denn wollte –, wo man Waffen straffrei abgeben oder unbrauchbar machen lassen konnte. Ich denke, der Zeitraum dafür war angemessen.Deshalb weiß ich nicht,ob Ihr Antrag wirklich die richtige Antwort auf das Problem ist.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, es seien etwa 250 Waffen abgegeben worden. Herr Rhein hat für das gesamte Land Hessen die Zahl von 409 Waffen genannt. Es war auf jeden Fall eine überschaubare Zahl, auch in den anderen Bundesländern.

Als das Waffenrecht in den Siebzigerjahren grundlegend novelliert wurde, gab es ebenfalls Übergangsfristen. Damals herrschte aber eine andere Sachlage:Es wurden Tausende von Kriegswaffen abgegeben. Deshalb bin ich ei

gentlich der Auffassung – Herr Rhein wird erstaunt sein, denn wir sind nicht oft einer Meinung –, dass es Grenzen geben muss und dass Sanktionen eingeleitet werden müssen, wenn bestimmte Fristen abgelaufen sind. Die Übergangsfristen waren angemessen lang. Wenn man z. B. Ladendiebstähle konsequent ahndet, wenn man das Schwarzfahren konsequent ahndet – auch das gehört zu einem Rechtsstaat –,dann kann man beim illegalen Besitz von Waffen,mit denen man schließlich auch Straftaten begehen kann, nicht anders handeln.Wenn z. B. – Sie haben darauf hingewiesen – Waffen, mit denen Gewaltverbrechen begangen worden sind, auf diese billige Art und Weise entsorgt werden können, dann scheint mir der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt zu sein.

Von daher gesehen habe ich den Eindruck, dass Ihr Antrag, sehr verehrter Herr Kollege Hahn, zu kurz greift. Es mag populistisch sein und gut klingen, weitere Dauerfristen zu gewähren.Dem Thema Umgang mit und Besitz von Waffen wird das nicht gerecht. Ich denke, der Antrag wird diesem Thema insbesondere nach den Ereignissen von Erfurt nicht gerecht.

Wer jetzt noch Waffen besitzt, den können wir nur auffordern, diese zurückzugeben. Das kann man beim Strafmaß berücksichtigen. Aber ich würde diesen Vorgang nicht straffrei stellen, weil wir sonst einen ganz wichtigen Tatbestand ausgrenzen. Man könnte sonst nämlich auf den Gedanken kommen, diese Regelung auf andere Bereiche auszudehnen. Das wäre falsch. Ich denke, das ist ein viel zu ernstes Thema. Ihr Antrag greift zu kurz. Wir stehen dem Thema sehr kritisch gegenüber. Die weiteren Beratungen im Ausschuss werden es zeigen. Wir lehnen den Antrag tendenziell ab.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Rhein (CDU))

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Dr. Jürgens das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die geschätzten Vorredner haben es schon erwähnt: Im Jahre 2002 wurde das Waffenrecht von der rot-grünen Koalition auf Bundesebene verschärft. Ich bin froh darüber, dass das gelungen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bis dahin erlaubnisfreie Waffen wurden der Erlaubnispflicht unterstellt. Der Kreis der verbotenen Waffen wurde ausgeweitet. Die Strafvorschriften wurden teilweise verschärft. Diese Verbesserungen mussten gegen den Widerstand von CDU und FDP durchgesetzt werden. Ich bin, wie gesagt, froh, dass dies gelungen ist, weil es tatsächlich zu einer Verbesserung der Gesetzeslage geführt hat.

Ziel des verschärften Waffengesetzes war und ist es, die Verbreitung von Waffen einzuschränken, den Umlauf illegaler Waffen möglichst zu erschweren und – vor allem – die Kontrolldichte hinsichtlich des Verbleibs von Waffen zu erhöhen. Die im Waffengesetz dafür vorgehaltenen Strafvorschriften sollen präventiv wirken und der Errei

chung dieser Ziele dienen. Deswegen trifft der Vorschlag der FDP in meiner Fraktion auf eine gewisse Sympathie.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Hahn hat es bereits gesagt: Dem Zweck, möglichst wenige – vor allem möglichst wenige unkontrollierte – Waffen im Umlauf zu haben, wird natürlich am besten dadurch Genüge getan, dass die Besitzer von Waffen diese kontrolliert abgeben.

Eine Straffreistellung von Taten, die eigentlich strafbewehrt sind, kommt immer dann in Betracht – das kann man der Systematik anderer Vorschriften entnehmen –, wenn der Täter ein Verhalten an den Tag legt, durch das vorrangige gesetzgeberische Ziele besser erreicht werden können als durch die Bestrafung des Täters. Dies gilt z. B. für die nachträgliche Erklärung steuerpflichtiger Umstände, durch die ein Steuerpflichtiger Straflosigkeit hinsichtlich der an sich vollendeten Steuerhinterziehung erlangen kann. Das Interesse der Allgemeinheit an der nachträglichen Einnahme von Steuern, die ansonsten unwiederbringlich entgangen wären, überwiegt dann eben den Strafanspruch – jedenfalls dann, wenn überhaupt erst durch eine freiwillige Erklärung des Steuerpflichtigen die Steuerpflichtigkeit und damit die Erfüllung des Straftatbestandes bekannt werden. Ohne diese Erklärung wäre nämlich die Straftat im Dunkeln geblieben.

Genau das ist der Punkt, den ich Herrn Rhein gerne entgegenhalten würde. Der Vorschlag der FDP-Fraktion stellt nach meinem Dafürhalten keinen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip dar, denn nach lebenspraktischen Überlegungen wird in den allermeisten Fällen der Täter, der seine Waffe behält, gerade nicht dafür bestraft, weil der Umstand des Waffenbesitzes im Verborgenen bleibt. Dann ist es doch viel besser, den Strafanspruch des Staates zurückzunehmen, wenn er die Waffe freiwillig abgibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Fall, den die FDP in ihrem Antrag erwähnt, liegt im Grunde genommen ähnlich wie der eben im Zusammenhang mit dem Steuerrecht geschilderte. Erst durch die freiwillige Abgabe der Waffe würde das gesetzliche Ziel, Waffen dem Umlauf und damit natürlich auch dem Gebrauch zu entziehen, erreicht. Eine Waffe, die abgegeben worden ist, kann nicht mehr gebraucht werden.

Ohne diese Abgabe würde sie in vielen Fällen beim Täter verbleiben, und wir wissen nicht, was damit geschieht, nämlich ob sie später einmal eingesetzt wird oder nicht. Soweit ich das verstehe, soll sich die Straffreiheit ohnehin nur auf den Besitz der Waffe beziehen, nicht aber auf damit begangene Straftaten. Das ist doch völlig klar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sich das einmal überlegen:Es gibt auch Fälle,in denen z. B. Jugendliche auf dem Flohmarkt – oder wo auch immer – Gegenstände erworben haben, und dann bekommen sie plötzlich mit, etwa durch eine Informationsveranstaltung der Polizei an ihren Schulen, dass dies erlaubnispflichtige Waffen sind. Sie haben aber keine Erlaubnis. Wenn sie dann sagen: „Na gut, ich muss mich der Waffe irgendwie entledigen“, dann damit zur Polizei gehen und sie abgeben, laufen sie natürlich Gefahr, wegen des illegalen Besitzes einer Waffe zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nach unserem Dafürhalten ist es dann in der Tat sinnvoll, den Strafanspruch zurückzunehmen und nicht mit dem Strafrecht darauf zu reagieren.

Es kann auch nicht jeder ohne weiteres feststellen, welche Waffe erlaubnispflichtig ist. Ich habe mir die Anlage 1 zum Waffengesetz angesehen. Da wird z. B. die Hieb-, Stich- und Stoßwaffe definiert:

Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen

Ich glaube, das ist eine Vorschrift, die nicht jeder unmittelbar versteht und aus der nicht jeder gleich erkennen kann, dass das, was er hat, eine erlaubnispflichtige Waffe ist.

Allerdings müsste im Ausschuss noch genauer über die Einzelheiten nachgedacht werden. Nach den §§ 51 und 52 des Waffengesetzes ist nicht nur der bloße Besitz von Waffen unter Strafe gestellt, sondern strafbar macht sich auch jeder, der eine Waffe ohne Erlaubnis „erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt“. Zumindest sollte niemand, der eine Waffe herstellt, bearbeitet oder mit ihr Handel treibt, diese Privilegierung in Anspruch nehmen können.

Die weite Formulierung in dem Antrag der FDP, dass jede Strafbarkeit ausgeschlossen wäre, müsste sicherlich noch einmal überdacht werden. Es müsste natürlich durch eine entsprechende Vorschrift klargestellt werden, dass nur eine wirklich freiwillige Abgabe, nicht etwa eine, die unter dem Druck einer bereits bestehenden Strafverfolgung oder eines Ermittlungsverfahrens erfolgt,tatsächlich auch zu einer Privilegierung führt. Ich denke allerdings – das hat sich im Steuerrecht auch durchgesetzt –, dass man das entsprechend regeln kann.

Herr Dr. Jürgens, Sie müssen zum Ende kommen.

Letzter Satz. – Bei einem Punkt habe ich erhebliche Bedenken, nämlich in Bezug auf die Anonymität. Wenn wir sagen: „Es ist ein vernünftiges Verhalten, die Waffe abzugeben, und dafür genießt du Straffreiheit“, bedeutet das, dass man die Waffe erhobenen Hauptes und ohne das Visier herunterzulassen abgeben kann. Dazu bedarf es keiner Anonymität. An diesem Punkt habe ich erhebliche Bedenken.Wir brauchen keine anonymen Waffenklappen bei den Polizeirevieren. Die Waffen kann man offiziell abgeben.Ich denke,wir können im Ausschuss gerne über die Einzelheiten reden. Im Grundsatz aber halten wir das für eine vernünftige Idee.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus der Debatte ergibt sich, dass ganz offensichtlich bei allen Fraktionen der Wunsch besteht, diese Probleme im Ausschuss

vertieft zu behandeln. Das begrüße ich sehr, und ich beschränke mich deshalb auf einige wenige Bemerkungen.

Die Novellierung des Waffengesetzes hat die Innenpolitiker auf allen Ebenen ungefähr vier Jahre lang beschäftigt. Dabei ist ein Gesetz zustande gekommen, das nicht unbedingt leichter verständlich und leichter handhabbar ist. Der Kollege hat eben die ganze Palette dargelegt:Waffen besitzen,Waffen in Verkehr bringen,die Gelegenheit dazu geben usw..

Eine wesentliche Überlegung dabei war, dass wir auch eine Regelung finden sollten, die es denjenigen, die z. B. als Erben in den Besitz einer Waffe geraten sind, ermöglicht, diese Waffen, deren Besitz nun nicht mehr erlaubt ist, an den Staat zurückzugeben oder sie so aus dem Verkehr zu ziehen, dass sie dabei straffrei bleiben.

Eine der Folgen war die Amnestieregelung – sechs Monate –, die es bereits einmal gab. Diese Amnestieregelung ist auf vielfältige Weise bekannt gemacht worden, z. B. in den Medien und in den Schulen. Es handelte sich also nicht nur um eine Veröffentlichung im Gesetzblatt. Man kann darüber streiten, inwieweit das Publikum das im Sommer wahrgenommen hat. Aber wir haben dies schon einmal genauso durchgeführt.

Der Antrag der Freien Demokraten unterscheidet sich in drei Punkten: Sie wollen das unbefristet gelten lassen, Sie wollen generell – undifferenziert – die Anonymität wahren, und Sie möchten – mit dem Punkt will ich anfangen – insofern eine Anonymität einführen, als Sie es jedermann erlauben wollen, eine unerlaubterweise überlassene Waffe zu einer nicht erlaubnispflichtigen zu machen, indem sie unbrauchbar gemacht wird. Dieses Unbrauchbarmachen durch den Besitzer selbst ist ein spannendes Unternehmen. Wann ist eine Waffe im Rechtssinn unbrauchbar? Das müsste zumindest irgendjemand kontrollieren.Wir können das faktisch nicht, weil wir es nicht wissen.Alle diejenigen, die sich ein bisschen mit Waffen auskennen, wissen, dass es schwierig ist, eine Waffe wirklich unbrauchbar zu machen, ohne sie dabei zu zerstören. Es gibt Möglichkeiten der Funktionshemmung. Ich kann die Funktionshemmung aber jederzeit aufheben, sodass die Waffe sofort wieder funktionstüchtig ist. Mit diesem letzten Punkt habe ich also aus rein fachlicher Sicht erhebliche Probleme.

Besonders skeptisch macht mich aber folgende Frage: Was soll uns eigentlich in der Erwartung bestätigen, dass diejenigen, die eine Waffe sechs Monate lang nicht abgegeben haben – dabei beziehe ich mich auf die Gutwilligen, die wir ja meinen –, ohne deswegen nachteilige Konsequenzen befürchten zu müssen, dies jetzt auf einmal tun? Das ist eine Erwartung, aber ich bezweifle, ob sie begründet ist.

Ein weiterer Punkt ist – das ist eine grundsätzliche Erwägung, die wiederholt vorgetragen wurde –, an welchem Punkt sich der Rechtsstaat nicht mehr ernst nimmt. Ist dieser Punkt bei der ersten, bei der zweiten oder bei einer dauernden Amnestie erreicht? Denn wenn Sie einen Strafanspruch erheben, müssen Sie eigentlich auch dafür sorgen, dass jemand bestraft wird, wenn er dem Gesetzesbefehl nicht folgt. Ich halte es für ein grundsätzliches Problem, wenn man dann sagt: Leider Gottes haben nur wenige davon gehört,und dann müssen wir den Waffenbesitz noch ein bisschen länger straffrei stellen.

Bei dem dritten Punkt geht es um die Frage – ich denke, wir werden Gelegenheit haben, im Ausschuss darüber zu sprechen, wobei ich gerne zugebe, dass der Gedanke zu