Protocol of the Session on January 28, 2004

Gründung kommunaler Wirtschaftsunternehmen künftig nur noch unter sehr restriktiven Voraussetzungen möglich ist. Ferner wird angestrebt, dem Landesrechnungshof Einblick in bereits bestehende kommunale Gesellschaften zu geben und die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen sukzessive abzubauen.

(Beifall bei der FDP)

Alle Mitglieder der FDP-Fraktion beklatschen das Regierungsprogramm des Ministerpräsidenten,das die CDU im März des vergangenen Jahres beschlossen hat.

(Dr.Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU):Wir brauchen das nicht zu beklatschen, wir machen das! – Gegenruf der Abg. Nicola Beer (FDP): Das merkt man! – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das kommt alles noch in diesem Halbjahr!)

Ich kann an dieser Stelle nur an die Union appellieren: Seien Sie vernünftig, setzen Sie das, was Sie als vernünftig akzeptieren,auch tatsächlich um,und ärgern Sie sich nicht darüber, dass eine Oppositionsfraktion den entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Das ist der eigentliche Grund, warum Sie jetzt mauern. Sie mauern nur deshalb, weil auf dem Etikett nicht „CDU“, sondern „FDP“ steht.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, das ist ein fadenscheiniges Hinhaltemanöver. Das schadet dem Handwerk und dem Mittelstand in unserem Land. Ich kann nur sagen: Schöne Grüße, auch das gehört zu der Debatte, die wir eben über den Standort RheinMain geführt haben.

Seien Sie doch nicht so hasenfüßig, zu meinen, dass Sie über das, was die FDP vorlegt, nicht mitbestimmen könnten. Kommen Sie auf den Boden Ihrer eigenen Regierungserklärung zurück, und machen Sie mit uns das, was wir in den wichtigsten Punkten unseres Gesetzentwurfs vorgeschlagen haben. Zum einen geht es um die Subsidiarität: Die Kommunen dürfen nur dann etwas anbieten – ob es nun um Bäcker, Drucker oder Autowäscher geht –, wenn es die private Konkurrenz nicht billiger machen kann. Zum anderen ist in unserem Gesetzentwurf eine überörtliche Rechnungsprüfung enthalten. Es ist klug, dass eine überörtliche Kontrolle der Beteiligungen der Kommunen durchgeführt wird.

Wir alle haben doch in den letzten Wochen mit Prof. Eibelshäuser, dem Präsidenten des Landesrechnungshofs, und seinem Stellvertreter, Herrn Freiherr von Gall, darüber gesprochen. Alle Fraktionen dieses Hauses haben das getan; ich weiß es. Ich verstehe nicht, warum das in diesem Hause heute nicht mehrheitsfähig sein soll. Sogar die GRÜNEN haben das in dem zuständigen Ausschuss unterstützt. Nur die Sozialdemokraten und die Union wollen das nicht.

Herr Kollege Rudolph, noch viel weniger verstehe ich, dass sich die beiden großen Fraktionen in den Einzelabstimmungen auch noch gegen einen Beteiligungsbericht aussprechen.Wir hatten im Innenausschuss eine sehr umfangreiche,fast sechs Stunden dauernde Anhörung zu diesem Thema. Keiner hat sich gegen einen Beteiligungsbericht ausgesprochen, noch nicht einmal die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände, die als Lobbyisten ansonsten natürlich gegen unseren Gesetzentwurf sein müssen. Alle haben gesagt: Es ist vernünftig, dass z. B. der

Kreistagsabgeordnete in einer Liste aufgeführt bekommt, welche Beteiligungen sein Kreis überhaupt hat.

Kolleginnen und Kollegen,Sie merken,dass wir Liberalen der – wie soll man es sagen? – Ignoranz und der Untätigkeit etwas machtlos gegenüberstehen.

(Volker Hoff (CDU): Na, na, na!)

Herr Kollege Hoff, was ist es denn sonst? „Arroganz“ will ich ja nicht sagen. Dazu müssten Sie mich mit Ihren Zwischenrufen erst provozieren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn der Ministerpräsident meint,in seinem Regierungsprogramm Entsprechendes formulieren zu müssen, wenn der hessische Innenminister am 6. Mai des vergangenen Jahres zu Recht erklärt hat, dass man das nicht innerhalb von ein paar Monaten machen könne, wenn aber nunmehr neun Monate vergangen sind, sage ich: Wir sollten das machen, was für unser Land vernünftig ist und mehr Freiheit für den Mittelstand bedeutet. Wenn Sie aber weiterhin ein Prä für die Kommunen und die Kommunalen Spitzenverbände haben, zeigt das, dass die Union in Hessen jedenfalls in dieser Frage staatsgläubig ist.

Wir Liberalen sind das nicht. Wir wollen einen fairen Wettbewerb vor Ort, und deshalb appelliere ich an Sie: Kommen Sie zur Vernunft, stimmen Sie für einen fairen Wettbewerb, und unterstützen Sie den Gesetzentwurf der FDP. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, eine Vorbemerkung: Es mag Sie schmerzen, dass Sie nicht mehr in der Regierung sind. Das müssen Sie aber irgendwann einmal intellektuell verarbeiten und zur Kenntnis nehmen. Die CDU-Fraktion hat die absolute Mehrheit.Das mag Ihnen passen oder nicht,aber es ist so. Deshalb sollten Sie an der Stelle mit Ihren Beschimpfungen aufhören. Das führt in der Sache nicht weiter.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema selbst. Die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Ebene erfolgt überwiegend im Bereich der Daseinsvorsorge. Das umfasst alles, was für die Infrastruktur in den Städten, Gemeinden und Kreisen notwendig ist,von der Wasser- und Abwasserversorgung über den Straßenbau bis zu all dem, was wir für das Leben brauchen. Das bezeichnet man gemeinhin als Daseinsvorsorge. Dafür ist die kommunale Ebene verantwortlich.

In dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion wird unterstellt, dass durch die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Ebene Unternehmen des Mittelstandes und des Handwerks in ihrer Existenz bedroht würden. Das ist eindeutig falsch.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion geht eindeutig an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die unterstellte Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit vor Ort gibt es nämlich so nicht. Richtig ist vielmehr, dass viele Aufträge durch kommunale Unternehmen an mittelständische Unternehmen vor Ort und gerade nicht an große Konzerne, die beispielsweise europaweit agieren, vergeben werden. Dies hat auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf ergeben. Es wurden nämlich keine Belege dafür geliefert, wonach die wirtschaftliche Betätigung von Städten, Gemeinden und Kreisen eine Änderung der gesetzlichen Grundlage des § 121 HGO erforderlich machen würde.

Auch die Beanstandungsliste, die uns das Innenministerium übersandt hat, macht deutlich, dass der gegen die Kommunen erhobene Vorwurf, sie würden die Wirtschaft behindern, einer objektiven Prüfung nicht standhält, denn sonst hätte der Innenminister als Chef der Kommunalaufsichtsbehörde längst einschreiten müssen.Das hat er nicht getan. Deswegen ist Ihr Gesetzentwurf an der Stelle ein Rohrkrepierer.

Meine Damen und Herren, wie sieht das wahre Leben in Hessen aus? Ich kann nachvollziehen, dass die FDP das Problem hat, dass sie kommunal nicht so verankert ist wie die beiden großen Parteien. Deswegen sind wir an der Stelle dichter dran. Wir sehen uns in der Tat als Lobbyisten der kommunalen Seite. Dafür können Sie uns beschimpfen, aber wir empfinden es als eine gute Sache, für die Interessen der Städte, Gemeinden und Kreise einzutreten, auch wenn Sie uns dafür schelten.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht die Praxis in Hessen aus? Schauen Sie sich die Liste einmal an: Eigenbetrieb der Stadt Offenbach, Reinigung der städtischen Gebäude; der größte Teil der Instandsetzungsarbeiten wird durch Handwerkerfirmen ausgeführt. Zweites Beispiel: Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel. Die Vergabe von Aufträgen, ob es das Auswechseln von Fenstern oder Heizungen betrifft, erfolgt in der Regel an örtlich ansässige mittelständische Unternehmen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der richtige Ansatz.Würden wir diese Aufträge europaweit ausschreiben, hätten die Handwerker vor Ort in der Regel keine Chance. Deswegen ist das, was vor Ort praktiziert wird, gut.

Der Bund der Steuerzahler, der sowieso immer alles besser weiß, behauptet, die Kommunen würden Nagellackstudios betreiben. Das gehört mit Sicherheit nicht zu den Aufgaben einer Kommune. Es gehört auch nicht zu den Aufgaben einer Kommune, eine Bäckerei zu betreiben.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Hahn, nennen Sie uns einen Fall, wo eine hessische Kommune ein derartiges Geschäft betreibt. Die gibt es nicht. Sie sollten deshalb an dieser Stelle keinen Popanz aufbauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sollten nicht versuchen, etwas zu suggerieren, was es überhaupt nicht gibt. Wenn es solche Fälle trotzdem geben sollte, dann appelliere ich erstens an den Sachverstand der Kommunalpolitiker, diesen Unsinn abzustellen, und zweitens an den Innenminister, im Rahmen der Kom

munalaufsicht einzuschreiten und zu sagen,dass das keine kommunale Aufgabe ist. Dafür braucht man aber keine Gesetzesänderung, das kann man viel einfacher lösen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Einzelfälle gibt es in allen Lebensbereichen.Auf die kann man auch einzeln einwirken. Deswegen entbehrt der FDP-Entwurf jeder sachlichen Grundlage. Glauben Sie ernsthaft, die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Mittelstandes würde besser, wenn wir den § 121 HGO ändern würden? Eine solche Annahme ist konzentrierter Unsinn.Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert werden. Das geht aber nicht dadurch, dass man der kommunalen Ebene etwas unterstellt,was nicht stimmt.In vielen Fällen gibt es eine Kooperation zwischen dem Handwerk und den Kommunen.Das ist gut so.Deswegen unterstellen Sie etwas, was der Realität nicht standhält. Die kommunale Ebene hat eindeutig dazu Stellung genommen und gesagt: Hände weg von einer Änderung der HGO an der Stelle.

Über zwei Punkte können wir reden. Die halten wir für richtig. Das habe ich bereits in der ersten Lesung gesagt. Wir halten sie aber in der Zielsetzung des Antrags für falsch. Deswegen haben wir ebenso wie die CDU-Fraktion gesagt:Wir lehnen das im Moment in der Form ab.

Ich bin sehr dafür, einen Beteiligungsbericht einzuführen. Natürlich müssen die Vertretungskörperschaften wissen, an welchen Einrichtungen ihre Kommune beteiligt ist. Das gehört zu Transparenz und Offenheit. Es ist ein Unding, wenn eine Stadt wie Darmstadt Auslandsbeteiligungen hat und kein Parlamentarier davon etwas weiß.

(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))

Jetzt weiß es auch der Herr Kollege Reißer. – Aber auch das kann man ändern. Es gibt schon jetzt Kommunen, die das auf freiwilliger Basis machen und zum jeweiligen Haushaltsplan einen Beteiligungsbericht vorlegen. Für die Vorlage eines solchen Beteiligungsberichts bedarf es aber keiner Gesetzesänderung. Hier genügt ein Erlass oder eine Vereinbarung auf der Ebene der Kommunalen Spitzenverbände.

Auch hinsichtlich der überörtlichen Rechnungsprüfung sind wir durchaus offen. Wir haben überhaupt kein Problem damit, dass sich der Rechnungshof hier einschaltet. An dem Punkt teilen wir die Bedenken der kommunalen Seite ausdrücklich nicht. Transparenz, Kontrolle und Offenheit gelten für alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Die Zielsetzung Ihres Antrags, die wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Ebene stark einzuschränken, war damit leider vermengt. Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist aber in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge notwendig, damit den Bürgerinnen und Bürgern die entsprechenden Dienstleistungen zu einem bezahlbaren Preis angeboten werden können. Es geht hier nicht um Gewinne und Profitmaximierung, sondern um Leistungen, die alle Bürgerinnen und Bürger im täglichen Leben brauchen.

Der Gesetzentwurf ist eine typische FDP-Initiative: Ideologie pur und die Forderung nach Privatisierung vieler öffentlicher Bereiche, dann werde alles gut oder besser. Offensichtlich verfügen Sie nicht über hinreichenden Sachverstand, wie ihn viele Kommunalpolitiker nutzen. Deswegen gehört der Gesetzentwurf in den Papierkorb. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP)

Das Wort hat der Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, wir hätten hier eine andere Diskussion führen können, wenn Sie mit der Rede, die Sie gerade gehalten haben, etwas mehr zur Klarheit beigetragen oder uns neue Argumente vorgetragen hätten. Das haben Sie aber nicht getan. Wir sind genauso schlau, wie wir es im Innenausschuss waren, und wir sind genauso schlau, wie wir es nach der Anhörung im Ausschuss waren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sind die alten, die staatsgläubigen GRÜNEN!)

Ich weiß gar nicht, warum Sie dazwischenschreien, Herr Kollege.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich schreie überhaupt nicht!)