Wir haben eine dramatisch steigende Zunahme der Zahl der Verbraucherinsolvenzen und Firmenpleiten. Schuldnerberatung kann und soll dazu beitragen, dass Insolvenzen abgewendet werden. Sie hilft den Menschen, wieder Tritt zu fassen. Sie hilft den Gläubigern, zumindest einen Teil ihrer Gelder wieder einzutreiben,und sie entlastet die Allgemeinheit von Sozialhilfekosten, wenn die Menschen durch eigene Arbeit wieder ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Streichung des Landeszuschusses ist also grottenfalsch.
Sie ist aber auch gesetzeswidrig;denn es handelt sich nicht um eine freiwillige Leistung, sondern um eine gesetzliche Verpflichtung.
Nach § 305 Insolvenzordnung hat das Land die Verpflichtung, ein ausreichendes wohnortnahes Angebot an Schuldnerberatungsstellen sicherzustellen. Schuldnerberatungsstellen haben in der Vergangenheit nach In-KraftTreten der Insolvenzordnung ein Genehmigungsverfahren des Landes durchlaufen, um einen Landeszuschuss bekommen zu können. Auch damit hat das Land dokumentiert, dass es geeignete Stellen nach § 305 Insolvenzordnung, ausgestattet mit ordentlichem Fachpersonal, finanziell unterstützt. Das Land hat von den bestehenden Schuldnerberatungsstellen 30 in Hessen in die Finanzierung aufgenommen und damit ein flächendeckendes Netz finanziert, wobei man sagen muss: Es ist immer zu wenig; denn es gibt nach wie vor Wartelisten von bis zu einem Jahr. Insofern wäre ein Ausbau und kein Abbruch notwendig gewesen.
In der Anhörung, die wir zu diesem Thema durchgeführt haben, wurde außerdem vorgetragen, dass nach einer Studie 1 c, der für Schuldnerberatungsstellen ausgegeben wird, 2 c Folgekosten einspart: durch eingesparte Sozialhilfe und dadurch, dass die Menschen endlich einen echten Ausstieg aus der Überschuldung finden und sich deshalb durch eigene Arbeit ernähren können.
Meine Damen und Herren, die überfallartige Streichung verstößt auch massiv gegen jeden Vertrauensschutz.
Denn man hat nach Durchlaufen des Genehmigungsverfahrens des Landes natürlich längerfristige Mietverträge abgeschlossen. Man hat Leasingverträge für Telefonanlagen abgeschlossen, für Kopiergeräte usw. Und nun? Das interessiert das Land nicht mehr.
Zweiter Punkt.In der Arbeit von Schuldnerberatungsstellen werden Entschuldungspläne abgeschlossen, die auf sieben Jahre angelegt sind. Auf diese Verträge verlassen sich Schuldner und Gläubiger. Es werden Treuhandkonten geführt bei den Schuldnerberatungsstellen. Und nun? Das interessiert Sie offensichtlich nicht mehr.
Ihr Ausweg, dies alles zu streichen und auf Anwälte zu verlagern, wie es die Ministerin mehrfach vorgeschlagen hat, wird nicht greifen. Anwältinnen und Anwälte haben nach ihrer eigenen Aussage keinerlei Interesse an dieser Aufgabe. Sie haben auch nicht die Kompetenz für die vorgelagerte Umfeldberatung wie Suchtberatung, Familienberatung, und was sonst noch alles bei der Schuldnerberatung angeboten wird. Anwälte können keine ehrenamtliche Unterstützung beiziehen, wie die Schuldnerberatungsstellen in Hessen dies können.Außerdem sind ihnen die vereinbarten Gebührensätze schlicht und einfach viel zu niedrig, um dies zu leisten.
Ich möchte Ihnen noch ein Zitat vortragen, und zwar aus einem Schreiben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen an die Ministerin. Dort steht Folgendes:
sinngemäß mit der Äußerung zitiert: Nach Wegfall der kostenfreien Insolvenzberatung durch die vom Land Hessen bisher geförderten Schuldnerberatungsstellen könnten diese Aufgaben zukünftig von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auf der Basis der Beratungs- und Prozesskostenhilfe wahrgenommen werden.
Hierbei verkennen Sie leider die Tatsache, dass gemäß § 4 Insolvenzordnung in Verbindung mit § 121 ZPO die Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur ausnahmsweise in besonders schwierigen Fällen übernommen werden können. Die Kosten für die zeit- und personalaufwendige Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs bleiben dabei ohne entsprechende Finanzierung.
Im Übrigen,selbst wenn es sich auf die Prozesskostenhilfe verlagern ließe,wäre dies auch für das Land erheblich teurer; denn die Kosten für die Schuldnerberatungsstellen machen einen Bruchteil dessen aus, was künftig an Prozesskostenhilfe im Justizministerium anfallen wird.
Meine Damen und Herren, ich fordere Sie also auf: Nehmen Sie diese Kürzung, so schnell es geht, zurück, bevor die gesamte Struktur zusammengebrochen ist. Es wird wesentlich teurer. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Das Wort hat Frau Abg. Hölldobler-Heumüller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung glänzt im Plenum entweder durch vollmundige Ankündigungen,die sie dann nicht umsetzt,
oder durch die Beschimpfung der Bundesregierung. Ich habe gedacht, ich wecke Sie kurz vor sechs noch einmal auf.Ich bin gespannt,wie Sie sich heute aus der Affäre ziehen wollen. Es liegt ein gutes Bundesgesetz vor, und es hakt bei der Umsetzung in Hessen.
Das neue Verbraucherinsolvenzverfahren trat 1999 in Kraft, es musste nachgebessert werden. Als es 1999 in Kraft trat, haben nur 1 % der verschuldeten Haushalte dieses Gesetz in Anspruch genommen. Nach den Nachbesserungen – es handelte sich um einen handwerklichen Fehler – steigerte sich diese Rate auf 60 %. Die Verbraucherinsolvenzen machen es überschuldeten Haushalten endlich möglich, in einem geordneten Verfahren ihre Verpflichtungen zu erfüllen
und nach sieben Jahren Wohlverhaltens von der Restschuld befreit zu werden. Damit wird den verschuldeten Haushalten eine Perspektive gegeben; aber sie müssen sieben Jahre lang Wohlverhalten praktizieren, d. h. vom Existenzminimum leben und alles tun, um die Schulden abzubauen. Das Verschuldungsrisiko ist in diesen Zeiten eklatant gestiegen, z. B. durch steigende Arbeitslosigkeit. In diesen Zeiten, das müssen Sie sich einmal vor Augen halten, fällt der Hessischen Landesregierung nichts Besseres ein, als den Schuldnerberatungsstellen die Zuschüsse komplett zu streichen. Warum? – Weil die Hessische Landesregierung das Geld zur Sicherung ihrer Macht zum Fenster hinausgeworfen hat, Schuldenberge angehäuft hat und nicht mehr weiß, wie sie der Schulden Herr werden soll. – Das ist infam.
Es gibt die rechtliche Seite: Damit ein Haushalt den Weg der Insolvenz beschreiten kann, muss er zuvor nachweisen, dass eine außergerichtliche Einigung nicht möglich gewesen ist. Dies hat er mit der Bescheinigung einer anerkannten Stelle zu belegen. Das Land Hessen hat im Hessischen Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung festgelegt, welche Stellen anerkannt werden können. Viele Schuldnerberatungen in Hessen erfüllen die Anforderungen des Hessischen Ausführungsgesetzes. Kollegin Fuhrmann hat ausführlich darauf hingewiesen, was die Streichung der Mittel an dieser Stelle bedeutet.
Die Schuldnerberatungsstellen stellen nach eingehenden Gesprächen nicht nur die für den Start des Insolvenzverfahrens notwendigen Bescheinigungen aus. Damit fängt ihre Tätigkeit erst an. Sie begleiten die Schuldner und Gläubiger über die siebenjährige Wohlverhaltensphase. Sie wickeln in dieser Zeit den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan treuhänderisch ab.
Ich habe keine Ahnung,wie sich die Landesregierung vorstellt, wie man mit Leuten, die nun seit zwei oder drei Jahren in diesem Verfahren stecken – d. h. es läuft noch vier bis fünf Jahre – umgehen soll.
Die Stellungnahmen der CDU-Vertreter an dieser Stelle waren im Ausschuss schlicht und ergreifend peinlich. Der eine sagte, man wolle erst einmal abwarten, wie sich die Lage ein Jahr lang entwickelt. Es ist zynisch, Experimente mit verschuldeten Bürgern zu betreiben.
Vielleicht heißt es auch:Wir können ja einmal gucken, ob die Kirchen und Kommunen das vielleicht doch auffangen, denen die Skrupellosigkeit dieser Landesregierung fehlt. – Diese Landesregierung, die zwar bereit ist, verarmten Grafen mit Millionenbeträgen unter die Arme zu greifen und als Sahnehäubchen deren Söhnen ein kostenloses lebenslanges Wohnrecht zu gewähren,ist nicht in der Lage, Menschen, die in die Schuldenfalle geraten sind, auch nur die notwendige Beratung zu finanzieren und zu gewährleisten.
Ministerin Lautenschläger wollte dies an dieser Stelle den Rechtsanwälten andienen. Es mag ja sein, dass Sie immer bestrebt sind, Ihren Kollegen zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten zu verschaffen, aber in diesem Fall ist es ein Schuss in den Ofen. Ich fordere die CDU-Juristen dieses Landtags auf, einmal 14 Tage lang ein Praktikum in einer Schuldnerberatungsstelle zu machen und danach der Ministerin Bericht zu erstatten, ob sie bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen.
Vielen Rechtsanwälten erscheint dieses Geschäft weder lukrativ, noch haben sie die Fähigkeiten, mit dieser Klientel und den Begleitproblemen umzugehen. Ohne Betreuung durch die Schuldnerberatung können die Verbraucher ihr Recht nicht verwirklichen, eine Verbraucherinsolvenz zu beantragen. Das Land bleibt verpflichtet, finanziell und von den Rahmenbedingungen her sicherzustellen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die gesetzlichen Möglichkeiten der Insolvenzordnung nutzen können. Von daher kann ich an dieser Stelle die Landesregierung nur auffordern, schnellstens Rechtssicherheit herzustellen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen.
An dieser Stelle zu sparen gehört in das Kapitel Unsinn, Ahnungslosigkeit und Skrupellosigkeit, ohne jede Aussicht auf Einsparmöglichkeiten. Gutwillige Schuldner im Regen stehen zu lassen belastet langfristig die öffentlichen Kassen mehr, abgesehen von den menschlichen Tragödien, die Sie an dieser Stelle verursachen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Fuhrmann hat hier erwähnt, dass angeblich in § 305 Insolvenzgesetz stehe, das Land sei verpflichtet, flächendeckend eine Schuldnerberatung aufrechtzuerhalten. Ich habe den Gesetzestext hier, ich kann darin eine solche Formulierung nicht finden. Worum geht es? – In § 305 des Insolvenzgesetzes ist geregelt, dass im Fall der Antragstellung nach dem Verbraucherinsolvenzverfahren derjenige, der den Antrag stellt, unter anderem eine Bescheinigung nachweisen muss, dass er eine entsprechende Beratung hatte und dass der Versuch unternommen wurde, außergerichtlich eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Im Gesetz steht auch, dass dafür nicht nur eine geeignete Stelle,sondern auch eine geeignete Person vorgesehen ist. Als geeignete Personen werden Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare und andere angesehen. Es geht nicht darum, dass das Land Hessen entsprechende Stellen, wie Sie suggerieren wollen, zur Verfügung stellen muss, sondern dass es ein Angebot gibt.
Wir haben die Situation, dass man in den Schuldnerberatungsstellen ganz erhebliche Wartezeiten hatte. Das liegt daran, dass die Schuldnerberatungsstellen diese Leistungen kostenlos anbieten.Wie immer das bei Stellen ist, die vorgehalten werden, Leistungen kostenlos anzubieten, gibt es natürlich Warteschlangen. Auf der anderen Seite hat man mit diesem System dafür gesorgt, dass sich kein Markt dafür entwickeln konnte, diese Dienstleistung anzubieten.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wer soll denn das bezahlen? – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn!)
Weil dies so ist, ist es natürlich merkwürdig, dass sich im federführenden Sozialpolitischen Ausschuss auch die FDP dem SPD-Antrag angeschlossen hat. Mich wundert das,denn Herr Rentsch ist selbst Rechtsanwalt.Seine Kollegen Rechtsanwälte sind durchaus in der Lage, diese Leistung anzubieten.
Man müsste dafür einen Markt entwickeln. Die Frage der Finanzierung, die Sie hier durch Zwischenrufe aufgeworfen haben, ist vielfach schon beantwortet worden. Sie wissen, dass dies zum Teil durch den Verschuldeten selbst möglich ist.
In dem Fall, in dem es nicht möglich ist, gibt es das Beratungshilfegesetz, das hierfür aufkommt. Es geht da nicht um Prozesskostenhilfe, wie Frau Fuhrmann vorhin angesprochen hat, sondern das wird im Rahmen des Beratungshilfegesetzes geregelt. Also gibt es auch hier eine Regelung.