Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist im Plenum noch nicht behandelt worden. Da es ein Antrag der FDPFraktion ist, ist es das gute Recht meiner Fraktion, ihn wenigstens als Erstes im Plenum zu begründen, bevor wir in die Diskussion einsteigen.
Überall fordern wir Wettbewerb.Wir fordern Wettbewerb bei den Hochschulen. Wir fordern Wettbewerb bei den Schulen. Wir fordern auch Wettbewerb zwischen einzelnen Bildungsträgern. Nur bei den beruflichen Schulen wird der Wettbewerb verweigert. Da ist er am dringendsten nötig und sollte am schnellsten eingeführt werden. Der Antrag ist im Ausschuss leider abgelehnt worden,und zwar mit der Mehrheit von CDU und SPD. Sie sehen, es gibt interessante neue Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen und auch im Plenum. In diesem Fall hat die Mehrheit der Besitzstandswahrer, derjenigen, die möglichst wenige Veränderungen wollen, zugeschlagen und hat GRÜNE und FDP überstimmt.
Gerade in Zeiten von Lehrstellenmangel und gerade in Zeiten, wo es sehr wichtig für Jugendliche ist, Ausbildungsplätze zu finden, sollte man besonders den Wettbewerb in den beruflichen Schulen zulassen; denn da ist es für Jugendliche besonders wichtig, wenn sie sich für Ausbildungen interessieren, die zukunftsorientiert sind und die nicht überall angeboten werden.
Der Antrag ist mit der Begründung abgelehnt worden: Wir wollen dem gemeinsamen und einstimmig verabschiedeten Antrag zu einem großen, runden Konzept für berufliche Schulen nicht vorgreifen. – Wir hatten einen Antrag im Plenum auf der Grundlage eines relativ detaillierten FDP-Vorschlages einstimmig beschlossen. In diesem Antrag stand, dass sich die Landesregierung verpflichtet, bis Ende 2003 das gesamte Konzept vorzulegen. Wir haben Januar 2004, und die Landesregierung hat um Fristverlängerung gebeten. Wir hatten das Thema heute schon öfter. Was Fristverlängerung bei der Landesregierung und die Vorlage kompletter Konzepte bedeuten, das wissen wir.
Wir sind schlichtweg nicht bereit, zu warten, bis irgendwann – wie es immer so schön heißt – „in den nächsten Wochen“ ein Gesamtkonzept kommt.Wir wollen die Teile dieses Konzeptes, die uns besonders wichtig erscheinen, vorher herausbrechen, direkt beschließen und umsetzen.
Aktueller Anlass war der Besuch und das Gespräch mit Schülern bei der Georg-Kerschensteiner-Schule in
Obertshausen. Ich möchte bitte den Kommentar im Ausschuss zurückweisen, da habe ein ehrgeiziger Schulleiter seine Pläne vorgestellt. Es sind die Probleme der Jugendlichen in dieser Schule gewesen, die man uns vorgetragen hat und die wir für sehr wichtig hielten.
Diese Schule bietet im Hotelfach einen neuen Ausbildungsgang an. Hotelfach und Serviceunternehmen sind das Einzige, wo Jugendliche für die Ausbildung noch eine Chance haben, wo sie vor allen Dingen eine wirklich gute Chance haben, im Rhein-Main-Gebiet übernommen zu werden, wo man dann die Chance hat, internationale Erfahrungen zu machen. Das sind Ausbildungsplätze, die zukunftsorientiert und sicher sind.
Nun hat die Georg-Kerschensteiner-Schule als eine zusätzliche Qualifikation eine Europaqualifikation angeboten. Das bedeutet, es werden drei Fremdsprachen gelernt. Es wird zusätzlich Hotelmanagement gelernt. Es gibt den Bereich Rechnungswesen und Controlling. Und es wird zusätzlich eine eigene IHK-Prüfung abgelegt. Das ist also etwas, was von den Jugendlichen zusätzliche Arbeit und zusätzliche Anstrengungen verlangt, was sie aber gerne tun, weil sie wissen, dass sie dann in den Hotels in Frankfurt willkommen sind, auch in guten Hotels in Frankfurt, und sehr gute Chancen haben.
„Leider“ sind die Hotels in Frankfurt. Da sich die Bezirksgrenzen der beruflichen Schulen nach den Arbeitsund Ausbildungsplätzen richten, müssten diese Jugendlichen nach Frankfurt in die Berufsschule gehen. Die berufliche Schule in Frankfurt bietet diese Europaqualifikation allerdings nicht an. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler, die das machen wollen, müssten einen Sondergenehmigungsantrag stellen, um in die Schule in Obertshausen gehen zu dürfen. Das ist sehr aufwendig und sehr bürokratisch. Deshalb sollte man gerade in solchen Fällen, wo bestimmte berufliche Schulen Qualifikationen anbieten, die über das normale Maß hinausgehen, diese Bezirksgrenzen schlicht und ergreifend aufheben und den Berufsschülern die Möglichkeit geben, an die Schule zu gehen, die ihnen bessere Chancen bietet.
Es ist eine Bestrafung der Schule, die Eigeninitiative und Ideen hat. Es ist eine Bestrafung der Jugendlichen, die ehrgeizig sind und ein Zukunftsfach lernen wollen, mit dem sie Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben. Wir haben in Frankfurt die Debatte über die Aufhebung von Schulbezirksgrenzen bereits für Grundschüler. Sek-ISchüler können sich ihre Schule selber suchen und werden nicht bevormundet.Aber junge Menschen mit Sorgen um einen zukunftssicheren Ausbildungsplatz werden gegängelt. Es geht ihnen wie bei der ZVS, bei der berühmten „Kinderlandverschickung“ für Studenten. Sie müssen dorthin gehen, wo man es ihnen vorschreibt.
Deshalb noch einmal ein Appell an die Mehrheitsfraktion in diesem Hause, einen wichtigen Bereich dieses gesamten Antrages vorzuziehen.Wer weiß denn,wann die große Lösung als Entwurf vorliegt und wann sie umgesetzt wird? In diesem Fall wäre es dringend nötig,für ehrgeizige Jugendliche den Weg in eine andere Berufsschule zu öffnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der 14. Plenarsitzung am 18. September 2003 haben wir einen gemeinsamen Antrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen zur Weiterentwicklung der beruflichen Schulen in Hessen einstimmig beschlossen. Als regionale Kompetenzzentren der Aus- und Weiterbildung sollen die beruflichen Schulen ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit erhalten. Die weiteren Gestaltungsfreiräume und die damit verbundene Wettbewerbssituation sollen die Qualität an Berufsschulen nachhaltig verbessern.
Verehrte Frau Kollegin Henzler, unter Spiegelstrich fünf unseres gemeinsamen Antrages fordern wir von der Landesregierung „die Neudefinition von Schulbezirksgrenzen für die verschiedenen Ausbildungsberufe unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Strukturmaßnahmen sowie der strukturpolitischen Bedürfnisse des ländlichen Raums“.
In der Begründung des Antrages haben wir,alle vier Fraktionen, gemeinsam formuliert: „Die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen zu Kompetenzzentren macht eine möglichst rentable Auslastung der Schulen erforderlich, die durch einen Neuzuschnitt von Schulbezirken für verschiedene Ausbildungsberufe besser erreicht werden kann.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier haben wir bereits erkannt, dass Schulbezirksgrenzen und Schulträger übergreifende Schulbezirke für berufliche Schulen sinnvoll und notwendig sind. Verehrte Frau Kollegin Henzler, wenn Sie an dieser Stelle anführen, dass die Behandlung dieses Antrags schon wieder verschoben wurde bzw.dass das Konzept noch nicht vorgelegt worden ist:Sie haben doch in der Sitzung des Ausschusses gehört, dass die Frau Ministerin darauf hingewiesen hat, dass noch etwas Zeit benötigt werde. Sie werden sich auch daran erinnern, dass ich seinerzeit schon sehr skeptisch war, ob wir in dieser kurzen Zeit von September bis jetzt ein solches Gesamtkonzept erstellen können.
Mit dem vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion, die Schulbezirksgrenzen für berufliche Schulen gänzlich aufzuheben, besteht die große Gefahr, dass die notwendige rentable Auslastung nicht mehr gewährleistet sein wird. Berufliche Schulen in Zentren, in Ballungsräumen erhalten dann noch größeren Zuspruch. Berufsschulstandorte im ländlichen Raum und in strukturschwachen Regionen müssen zusammengelegt und unter Umständen geschlossen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade das wollen wir vermeiden.
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, begründen Ihren heutigen Vorstoß damit, dass Auszubildende aufgrund bestehender Schulbezirksgrenzen nicht die Zusatzqualifikation erreichen können, die an benachbarten beruflichen Schulen angeboten wird. Frau Kollegin Henzler, Sie haben es noch einmal erwähnt. Sie leiten das von dem Beispiel der Georg-KerschensteinerSchule in Obertshausen ab und der Ausbildung, die dort im Hotelfachgewerbe angeboten wird, die sich, wie Sie wissen, auf Abiturienten beschränkt. Es ist also nur eine kleine Gruppe in der Schule. Dies ist nach meiner Auffassung kein ausreichend überzeugendes Argument, die Schulbezirksgrenzen für berufliche Schulen aufzuheben.
Zum einen wird es in Zukunft, wie bereits heute vielfach erkennbar, eine verstärkte Wettbewerbssituation unter den beruflichen Schulen geben. Dadurch werden an allen beruflichen Schulen verstärkt Zusatzqualifikationen über das notwendige Anforderungsprofil hinaus möglich sein. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum für einen Auszubildenden der Erwerb von Zusatzqualifikationen an einer anderen beruflichen Schule als der seines Schulbezirks nicht möglich sein soll.Verehrte Frau Henzler, gerade das ist doch ein Ziel, das wir gemeinsam anstreben: die Einbindung der beruflichen Schulen in regionale Bildungsnetzwerke der Aus- und Weiterbildung. Genau das ist die Zielsetzung unseres gemeinsamen Antrages.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, wie wollen Sie auch nur annähernd Planungssicherheit für Schulträger und Kultusministerium herstellen, wenn Sie die Schulbezirksgrenzen für berufliche Schulen gänzlich aufheben? Nach welchen Kriterien sollen in Zukunft z. B. hochmoderne Fachräume unter großem finanziellen Aufwand der Schulträger oder im Rahmen der Budgetierung durch die Schulen selbst eingerichtet werden, wenn nicht durch Schulbezirksgrenzen ein gewisses Maß an Planungssicherheit besteht? Wie wollen Sie in Zukunft eine vernünftige, an den Erfordernissen unserer weiterentwickelten beruflichen Schulen orientierte fachspezifische Lehrerzuweisung gewährleisten?
Im zweiten Absatz Ihres Antrages fordern Sie die Landesregierung auf, „sicherzustellen, dass der Informationsaustausch auf der Ebene der Staatlichen Schulämter, der Berufsschulen sowie der Industrie- und Handelskammern über das Angebotsspektrum an Zusatzqualifikationen in den einzelnen Branchen... gewährleistet ist und allen Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Berufsberatung frühzeitig mitgeteilt wird“.Meine sehr verehrten Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen,dies geschieht doch bereits. Wir haben die Berufsberatung, die junge Leute sehr informativ auf ihre spätere Berufsausbildung hinweist. Wir haben die Berufsinformationszentren. Wir haben die Infoabende an den allgemein bildenden Schulen durch das Arbeitsamt und die Berufsberatungen. Zusätzlich verwenden junge Menschen in der heutigen Zeit ganz verstärkt in hohem Maße moderne Kommunikationsmittel,wie das Internet,und können sich so ausführlich informieren.
Wie Sie sich selbst überzeugen können, präsentieren die beruflichen Schulen anschaulich und informativ ihr jeweiliges Bildungs- und Leistungsangebot.Wir haben all diese Fragen bereits sehr ausführlich im Ausschuss diskutiert und sind zu der Auffassung gekommen, Frau Henzler und verehrte Kollegen von der FDP-Fraktion, dass wir den Antrag ablehnen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin meinem Kollegen Klein sehr dankbar, dass er mehr als fünf
Das erspart mit einiges.Vielleicht darf ich zu Anfang eine Feststellung zu Ihnen, Frau Henzler, machen. Ich freue mich, dass die gemeinsame Ablehnungsfront gegen Ihre Absicht auch heute wieder bekräftigt worden ist.
Ich will Ihnen auch gerne erklären, warum. Es ist offensichtlich so, dass die Fachkenntnisse über das besondere System beruflicher Schulen bei den kleinen Fraktionen nicht so ausgeprägt sind,
denn sonst könnten Sie nicht auf die Idee kommen, die Schulbezirksgrenzen für diese Schulform völlig aufheben zu wollen. Das widerspricht gerade bei der FDP-Fraktion deutlich den übrigen Absichten, z. B. bei dem Konnexitätsprinzip.Dass der Arbeitsplatz bei den Auszubildenden in den beruflichen Schulen eine wichtige Messgröße für den Schulbezirk darstellt, macht den so bedeutenden Unterschied zu Grund-, Hauptschulen und Gymnasien aus, dass das gerechtfertigt ist. Auch wenn wir keinen gemeinsamen Antrag eingebracht hätten, hätte ich dieses Ansinnen zurückgewiesen, weil es den beruflichen Schulen in Hessen den Boden unter den Füßen entzieht – wenn man weiß, was man damit bewirkt.
Die Schulbezirksgrenzen sind auch jetzt schon keine Grenzen wie zur ehemaligen DDR, sondern sie sind flexibel, und sie sind überschreitbar. Dass Sie sich besonders für die kleine Gruppe der Abiturienten stark machen, nehme ich Ihnen nicht übel. Sie sollten aber das Umfeld sehen, in dem berufliche Bildung in Hessen stattfindet, und zwar nicht nur in Obertshausen, sondern in allen anderen 118 beruflichen Schulen dieses Landes, denen Sie die Planungsgrundlage entziehen, wenn Sie die Schulbezirksgrenzen abschaffen.Sie haben hier gesagt,das wollen Sie tun.
Wir sind dafür, dass die Schulbezirksgrenzen flexibler gehandhabt werden als in der Vergangenheit. Dazu brauchen wir aber nicht ihre Abschaffung, sondern wir brauchen auf dem Verordnungswege die Ermunterung, mehr Ausnahmen von der Regel zuzulassen als bisher, als Grundlage für die Finanzierung der Ausstattung in den beruflichen Schulen. Diese unterscheidet sich deutlich von der in den Gymnasien und den Grundschulen. Das müssten Sie inzwischen gemerkt haben. Wir können es den Schulträgern nicht zumuten, dass zwischen den Schülern ein Wettbewerb im Windhundverfahren geführt wird. Eine Schule, beispielsweise in Korbach oder in Alsfeld, unterliegt anderen Bedingungen,auch was die Entfernungen für die Schülerinnen und Schüler angeht, als eine Schule in Frankfurt. Dafür müssen wir Vorsorge treffen.
Deswegen sind die Schulbezirksgrenzen für die beruflichen Schulen eine unverzichtbare Grundlage, auf die wir – auch wenn man noch so modern werden will – niemals verzichten können, insbesondere dann nicht, wenn wir den Schulen diesen Freiraum geben wollen, von dessen
Notwendigkeit wir alle überzeugt sind. Sie müssen aber auch einmal an denjenigen denken, der diesen Freiraum finanziert. Das sind nicht wir, sondern das sind die Schulträger.Wer das Konnexitätsprinzip auf seinen Fahnen stehen hat, der sollte nicht solche Lösungen vorschlagen, die einen Wettbewerb für ein paar Lieblinge von uns eröffnen, wenn die Kosten bei den Schulträgern hängen bleiben. Deswegen bin ich sehr froh, dass unsere gemeinsame Ablehnung aufrechterhalten wird. Ich würde Ihnen raten, sich etwas intensiver mit der besonderen Situation dieser Schulform zu beschäftigen, damit auch in Zukunft in dieser Frage Einigkeit besteht. – Vielen Dank.
Herr Kollege Riege,vielen Dank.Ich nehme nicht an,dass Sie das Präsidium oder den Präsidenten kritisieren wollten, als Sie die Redezeit des Kollegen Klein angesprochen haben. Wir haben den Weg – er war schon hier vorne –, den er wieder zurück- und vorgehen musste, im Präsidium festgehalten und ihm zusätzliche Zeit gegeben. Im Übrigen war Ihre Redezeit etwas kürzer. Zusammen stimmt es dann wieder.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Riege, wir kennen uns lange genug, dass wir auch ertragen können, dass wir unterschiedlicher Meinung sind.Wir müssen dann dem anderen nicht jeweils unterstellen, dass er sich mit der Thematik noch nicht beschäftigt hat. Das zu Beginn der Rede.