Protocol of the Session on December 18, 2003

Wenn Sie mich zum Thema Steuerreform fragen, bleibe ich weiter dabei, dass kein Staat das Recht hat, mehr auszugeben, als er eigentlich strukturell bezahlen kann. Mir hilft es nicht – das werden wir nachher an anderer Stelle sehen –, wenn es nur um Vermögensveräußerungen geht. Vermögen zu veräußern, um strukturelle Kosten zu bezahlen, ist eigentlich eine problematische Geschichte. Warum hat sich Hans Eichel – wie in der Zeitung steht – nachts, nachdem der Kompromiss geschlossen war, zu Wort gemeldet und gesagt, er wolle nur darauf hinweisen, dass er mit diesem Kompromiss die Maastricht-Kriterien im Jahre 2005 nicht erfüllen kann?

Er hat darauf hingewiesen, weil auch dieser Kompromiss durchaus noch Probleme hat. Wir haben uns dabei ziemlich schwer getan. Wir haben dabei feststellen müssen, dass der Bundeskanzler – der früher immer sehr freigebig mit Geld war und für den Rentenkompromiss mehr als 8 Milliarden c ausgegeben hat – und der Bundesfinanzminister zugeben müssen: Selbst wenn sie alles Vermögen veräußern, das der Bund noch fungibel hat, wenn sie alles an Haushaltsausschöpfung tun, wie sie es für möglich halten, dann kommen sie auf nicht mehr als 5,3 Milliarden c.

Wir haben dann schlicht festgelegt, dass wir uns in diesem Lande zulasten unserer Kinder nicht nennenswert mehr leisten als das, was wir in dieser Generation selbst bezah

len können. Das ist ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses.

(Beifall bei der CDU)

Ich wäre, wie wir als faire Verhandlungspartner in der Nacht miteinander umgegangen sind, am Ende gerne bei den 25 % geblieben. Ich sage Ihnen auch:Wir Hessen sind nicht bereit, einen Fehler der Bundesregierung, nicht rechnen zu können – – Bei aller Freundschaft: Die Tatsache, die letzte Steuerschätzung bei der Berechnung zu vergessen, ist wirklich ein vorwerfbarer Fehler. Es gibt manchmal auch etwas, das man nicht ändern kann.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich gehe nicht so weit wie Herr Bökel, der immer behauptet, es sei Absicht gewesen

(Gerhard Bökel (SPD):Trick!)

oder ein Trick, ich glaube das nicht –, es war aber ein starkes Stück.Wir haben gesagt:Wir ändern nicht ein drittes Mal die Steuertabellen – das hätte man eigentlich machen müssen, da der Bund nicht mehr Geld zur Finanzierung hat – und machen aus 16 % 16,5 % und aus 45 % 45,5 %, sondern wir lassen es dabei. – Das zeigt ein Stück weit, wie dort verhandelt worden ist. Es zeigt aber auch, wie die Bundesregierung an dieser Stelle auf dem letzten Loch gepfiffen hat.Wir haben am Ende gesagt:Wir wollen ein Ergebnis haben, das gerade noch unter dem Gesichtspunkt vertretbar ist, wie wir mit der nächsten Generation umgehen und am Ende die Politik nicht handlungsunfähig machen.

Ich halte es für eine verantwortliche Position, das nach harter Verhandlung erreicht zu haben. Darauf bin ich auch ein bisschen stolz. Das ist das Vertreten hessischer Interessen, wie ich es an dieser Stelle sehe.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, die den Fraktionen zustehende Redezeit ist abgelaufen.

Deshalb will ich hinzufügen:Ich glaube,dass das,was Peer Steinbrück und ich vorgeschlagen haben,eine Chance hat, dass es sich als Modell ein Stück weiterentwickelt. Ein paar Dinge sind in den Verhandlungen herausgestrichen worden, und zwar von A- und von B-Ländern. Im Großen und Ganzen ist das Modell aber zusammengeblieben.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist wesentlich mehr, als wir in zehn Jahren Diskussion erreicht haben.Wir haben das erste Mal eine substanzielle Kürzung von Subventionen über viele Jahre. Das dient uns und unserem Haushalt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei den kommunalen Strukturen – das sage ich an die Sozialdemokraten gerichtet –

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

muss man niemandem etwas nehmen. Herr Pipa kann im Main-Kinzig-Kreis – wenn der Main-Kinzig-Kreis das

will – in Zukunft das, was er bisher schon so klug macht, weitermachen. Wenn sich die Bundesregierung durchgesetzt hätte,wäre es ihm in Zukunft verboten gewesen.Das ist schlicht und ergreifend der Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt nicht nur für ihn. Es hat nicht nur etwas mit Geld und mit Umsatzsteueranteilen zu tun. Es wird in Zukunft nur noch zwei Modelle geben. Nach dem Gesetz spielen die Kommunen in der Arbeitsmarktpolitik keine Rolle mehr, wenn sie die Aufgaben nicht ganz übernehmen. Insofern werden wir dann einen Wettbewerb von zwei Modellen haben, die fair finanziert sind. Das akzeptiere ich. Ludwig Stiegler und ich haben nach der Entscheidung des Bundeskanzlers, das einzuräumen, einen Punkt gefunden, sodass eine faire Finanzierung für die Zukunft möglich ist.

Was ist Schreckliches daran? Bleiben wir bei Herrn Pipa, gehen wir in den Main-Taunus-Kreis, oder gehen wir in den Landkreis Waldeck-Frankenberg oder nach Fulda, wo unsere Modellprojekte sind. Die Kommunen werden versuchen, jedes Jahr zu zeigen, dass sie Langzeitarbeitslose ein Stück schneller wieder in Beschäftigung bringen, als es die Bundesagentur für Arbeit macht. Die Bundesagentur für Arbeit wird jedes Jahr nervös gucken müssen, ob sie wirklich besser ist als die Kommunen, die das mit den gleichen finanziellen Bedingungen leisten. Was ist schlecht daran, dass wir jetzt einen Wettbewerb haben, wie wir den Menschen am besten helfen können?

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Insofern sage ich Ihnen:Ich bin mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zufrieden. Ich möchte nur eines als letzten Satz sagen: Es soll bitte niemand glauben, dass damit die Arbeit erledigt wäre.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Richtig!)

Mit diesem Kompromiss ist kein nennenswerter Impuls für das Wirtschaftswachstum verbunden, weil die wesentlichen Probleme, die uns in Deutschland lähmen, dazu führen, dass wir nur ein begrenztes Wachstumspotenzial haben.Diese Fragen sind nicht beantwortet,weder im Bereich des Niedriglohns noch bei der Flexibilität der Arbeit, noch hinsichtlich einer großen Steuerreform.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Unter den Bedingungen, die die Bundesregierung gestellt hat, haben wir das Maximale erreicht, was eine Opposition, eine Bundesratsmehrheit in Kompromissen leisten kann. Das ist gut für eine Demokratie. Es ist aber nicht mehr als ein kleiner Zwischenhalt. Wenn die Bundesregierung glaubt,sie könne sich auf dem Ergebnis ausruhen, dann ist sie in einer sehr gefährlichen Situation; denn das alleine hilft uns nicht weiter. Es müssen weitere Schritte, sehr viel größere und sehr viel wichtigere,kommen.Da sie uns gar nicht vorgelegt worden sind, konnten wir das bei allen Verhandlungen auch gar nicht erreichen. Deshalb wird diese Auseinandersetzung auch in Zukunft weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann ist auch diese Aktuelle Stunde besprochen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Absetzung der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 2004 – Drucks. 16/1735 –

Es liegt mir eine Wortmeldung des Fraktionsvorsitzenden, des Kollegen Walter, vor. Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das hat sich nach dem Beitrag des Ministerpräsidenten erledigt!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip kann man, was dieses Thema angeht, gleich an die Rede des Herrn Ministerpräsidenten in der Aktuellen Stunde anschließen.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Ich glaube, in der Tat gehört ein Satz der Erklärung dazu, wenn man auf der einen Seite sagt: „Wir hätten uns gewünscht, dass die Steuerreform als Ganzes vorgezogen wird“, man auf der anderen Seite aber sagt: „Wir wollen, dass in Hessen ein verfassungsgemäßer Haushalt vorgelegt wird“. Das komplette Vorziehen der Steuerreform hätte das Land Hessen mehr Geld gekostet, sodass die Haushaltslage in unserem Bundesland Hessen bei gleicher Ausgangslage eine schlechtere gewesen wäre. In dem Sinne gehört es zur Redlichkeit, dass man zunächst einmal einen Satz zu dieser Situation sagt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Satz zu den Verhandlungen und ein Satz zur Situation, wie sie sich nach den Verhandlungen darstellt. In den Verhandlungen – ich muss sagen, ich verstehe die Positionierung der Union nicht wirklich, Herr Ministerpräsident – ging es um Subventionsabbau. Sie sagen zu Recht, mit den Vorschlägen von Herrn Koch und Herrn Steinbrück sowie von anderen sind das erste Mal größere Reduzierungen von Subventionen vorgenommen worden. Das stimmt, aber die Bundesregierung hat an vielen Stellen Vorschläge gemacht, wie man zu einem weiteren Subventionsabbau hätte kommen können. – Stichwort Eigenheimzulage.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Diese weiteren Vorschläge wurden von der B-Seite abgelehnt. Dies bringe ich nicht ganz in Übereinstimmung mit dem, was die Union mittlerweile als ihr Parteiprogramm landauf, landab vertritt. Wenn ich das richtig sehe, hatten Sie ungefähr 14 Tage vor dem Vermittlungsverfahren ihren Bundesparteitag. Dort haben Sie mit großer Mehrheit und mit großem Enthusiasmus das neue Steuerprogramm von Herrn Merz – man könnte auch sagen: Solms oder Kirchhof, wer auch immer das in der Richtung schon gemacht hat – beschlossen. Ich fasse das Prinzip zusammen: geringere Steuersätze, vereinfachtes Steuerrecht, dafür Subventionsabbau. – Es besteht im Wesentlichen Einvernehmen darüber, dass dies dem Staat, jedenfalls im Saldo, nicht viel weniger Geld bringen darf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau dies war von der Bundesregierung im Vermittlungsverfahren vorgeschlagen worden.

(Michael Boddenberg (CDU): Das stimmt doch nicht!)

Es ging zwar nicht um die 36 %,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

die Herr Merz vorschlägt, sondern es ging um einen Spitzensteuersatz von 42 %. Es ging um einen Eingangssteuersatz von 15 %. In der Tendenz aber waren die Vorschläge: geringere Steuersätze und dafür stärkerer Abbau von Subventionen.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Es ging um das gesamte System!)

An dieser Stelle hat die Union gegen ihr eigenes Parteiprogramm gesagt:Nein,wir wollen einen weiter gehenden Subventionsabbau nicht.Wir wollen dafür die Subventionen behalten, weil wir nicht die Kraft haben, wenn es bei der Entscheidung konkret wird, beispielsweise bei der Eigenheimzulage, weitere Kürzungen vorzunehmen. – Dies zu dem Verfahren.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Das Merz-Modell ist etwas anderes! Ich schicke Ihnen das Merz-Modell, damit Sie den Unterschied sehen! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Zweitens zum Ergebnis: verfassungswidriger Haushalt, Überschreitung der Verfassungsgrenze, was die Verschuldung angeht. – Wenn wir jetzt sagen: „Stellen Sie die Beschlussfassung über diesen Haushalt bis mindestens zur Januar-Sitzung zurück, und überprüfen Sie ihn anhand aller Vorschläge,die die Oppositionsfraktionen gemacht haben“, dann mag es sein,