Ich sage das hier deshalb so ausdrücklich, weil der Herr Ministerpräsident zwar den Dalai Lama als seinen Freund bezeichnet. Aber wenn es darum geht, in irgendeinem Punkt zu sagen, dass das jetzt nicht nach China geht, ist er der Erste, der sagt:Alles muss raus. – So geht es nicht.
Wir waren mit dem, was der Bundeskanzler, der die Debatte angestoßen hat, am 2. Dezember in China gesagt hat – ich drücke es jetzt einmal vorsichtig aus –,
mehr als unzufrieden. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist es auch angesagt, dass im Bundeskanzleramt debattiert wird, wie die Öffentlichkeitsarbeit in solchen Situationen aussieht – das jenseits der Sache. Denn wenn am Ende von einer Chinareise übrig bleibt, dass wir eine Plutoniumanlage exportieren und ein Waffenembargo aufheben wollen, dann ist das nichts, was unsere Zustimmung findet.
Wie ich Ihnen ausgeführt habe: Sowohl über das Außenwirtschaftsrecht wie auch über die EU-Verordnung und
das Thema Proliferation sehen wir genügend Möglichkeiten, wenn man sie ernsthaft prüft, dass am Ende die Hanauer Anlage kein Fall für den Export, sondern ein Fall für den Alteisenhandel wird. Das, meine Damen und Herren, würden wir nachdrücklich begrüßen. – Vielen herzlichen Dank.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Einmal schauen, welche Position er vertritt! – Gegenruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD): Das ist doch voraussehbar! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die von Schröder?)
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Etwas Stil, bitte! Die Form bestimmt den Inhalt! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat kaum ein Wort gesagt, da beginnt das schon wieder!)
Jetzt darf ich die Anrede machen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Erster Punkt. Der Unterschied ist, dass Sie, wenn Sie von Fortschritt reden, den Fortschritt von vor 40 Jahren meinen. Aber das, was vor 40 Jahren als Fortschritt galt, ist heute bereits veraltet. Wenn Sie es mit der Globalisierung und der technischen Entwicklung ernst meinten,würden Sie hier solche Reden nicht mehr halten, sondern Sie würden darüber sprechen, wie Deutschland mit Technologien, die nicht vergangenheits-, sondern zukunftsorientiert sind, an die Spitze kommen kann.
Der zweite Punkt ist die nette Story über Hoechst. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass die Zerschlagung des Konzerns Hoechst das Werk eines begnadeten CDUPolitikers war – Jürgen Dormann hieß er –, der es geschafft hat, aus einem funktionierenden Industrieunternehmen einen kleinen, bescheidenen Haufen verschiedener Unternehmen zu machen, von denen zwei funktionieren, zwei jedoch nicht.
Wenn wir über Industriepolitik reden, sollten wir uns vielleicht einmal den Spaß erlauben,darüber zu sprechen,wie Chemiepolitik international funktioniert.Aber ich denke, das ist heute nicht das Thema.
Wir haben heute darüber zu reden, welche Art von Entwicklung wir weltweit haben wollen. Die Frage ist, wie wir mit Ländern umgehen, die auf dem Weg der nachholenden Entwicklung sind. In den Debatten ist die Rede davon – übrigens wird diese Debatte von Ihrem Parteifreund Töpfer angeführt, der in dieser Frage leicht zitierbar ist –,dass es immer zwei Möglichkeiten gibt.Entweder gibt es die Möglichkeit,dass Länder,die eine nachholende Entwicklung nehmen, genau die gleichen Schritte tun wie die Länder vor ihnen, oder – dafür haben wir das schöne englische Wort „Leapfrogging“ – es gibt die Möglichkeit eines Entwicklungssprungs.
Wenn Sie die Veröffentlichungen der Vereinten Nationen zur weltweiten Energiepolitik lesen, werden Sie feststellen, dass eine der entscheidenden Fragen hinsichtlich der Entwicklung der weltweiten Energieversorgung ist, ob Länder wie China einen Entwicklungssprung schaffen. Schon aus diesem Grund ist es falsch,diesen Ländern eine Technologie aufzureden, mit der wir sie darin unterstützen, eine Entwicklung zu nehmen, über die wir hinaus sind.
Auf Deutsch:Atomfirmen haben Probleme in deregulierten Märkten, weil sie nur mit Staatssubventionen funktionieren.
Das ist genau der Punkt, in dem wir uns unterscheiden. Wer über die Marktwirtschaft redet, muss darüber reden, dass der Staat zwar den Start einer Technologie subventionieren kann – –
(Clemens Reif (CDU):Ich stimme Ihnen ja zu,aber warum verkaufen Sie das dann? Uns brauchen Sie nicht katholisch zu machen!)
Die Staatssubventionierung macht Sinn bei der Einführung einer Technologie. Insofern war das zu dem Zeitpunkt, als noch alle Menschen darauf hofften, dass es uns einen Fortschritt bringt, ein möglicher Weg. Heute ist es ein vernünftiger Weg, das in einer wirtschaftlicheren Form, wie beim Energieeinspeisungsgesetz, zu machen. Ich denke, auch das ist ein Punkt, in dem wir uns einig sind.Aber ich zitiere einmal einen Kollegen aus der CSULandtagsfraktion: Die Kernenergie ist eine Übergangsenergie und auf Dauer keine Lösung. Dafür staatliche Mittel einzusetzen ist unsinnig. Das gilt für Deutschland, und das gilt genauso gut für China.
Nächster Punkt – damit sind wir ganz schnell bei der Marktwirtschaft –: Es ist in der Tat ein Problem, dass wir in Deutschland bestimmte Technologien produzieren und exportieren können, die im eigenen Land nicht angewandt werden dürfen. Das gilt z. B. für bestimmte Medikamente. Man muss einmal offen darüber diskutieren, dass in Lateinamerika Medikamente verkauft werden, die auf dem deutschen Markt nicht mehr zugelassen werden. Das gilt außerdem für Waffen und für die Kernenergie. Es gibt für diese Produkte relativ schlichte Regeln, die im Außenwirtschaftsgesetz und im Waffenkontrollgesetz festgelegt sind.
Wenn Sie entscheiden, was Sie tun, müssen Sie also präzise darauf achten, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten sind. Dabei sind Sie in einer schlechteren Position als der Bundeskanzler. Der Bundeskanzler konnte sich, als er seine Rede gehalten hat, nämlich noch darauf berufen, dass nur der zivile Handel ein Problem sei. Drei Wochen später kann sich angesichts der öffentlichen Debatte kein Mensch mehr darauf berufen, dass es nur um den zivilen Handel geht. Wer die militärische Frage ausklammert, handelt verantwortungslos. Genau das war Ihre Position.
Tschernobyl hat in Wirklichkeit vor allem eine Anschauung dafür geliefert, was passieren kann, wenn solche Anlagen unter den Bedingungen einer Kommandowirtschaft betrieben werden. Russland, die Ukraine, aber auch China bieten bis heute keine Gewähr dafür, dass die Aufsichtsbehörden zuverlässig kontrollieren, Schlampereien der Öffentlichkeit bekannt und Pannen nicht vertuscht werden.
Wenn Sie das ernst nehmen, müssen Sie mit uns darüber debattieren, dass die Kontrollen so streng wie möglich gehandhabt werden. Sie können keinen solchen Antrag stellen, wie Sie ihn hier gestellt haben. Sie müssen Ihre Position an der Stelle anders beschreiben.
Wir werden relativ schnell zu einer gemeinsamen Position kommen, wenn wir uns einig sind, dass es bei der zivilen Produktion nach deutschem Recht und Gesetz geht und dass es klare Regeln dafür gibt, dass aber die Frage, ab wann es als waffenfähig gilt, noch beantwortet werden muss.