Allerdings haben Sie es nicht einmal für notwendig erachtet, vor der Verkündung Ihrer Operation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reden.
Wir als SPD-Fraktion schlagen deshalb einen anderen, moderneren Weg vor. Wir fordern Sie auf, mit allen Mitarbeitern – übrigens auch mit den Angestellten; denn mit diesen werden Sie nächstes Jahr das Problem bekommen – über eine Vereinbarung zu verhandeln, die die Personalkostensteigerung langfristig auf 1 % jährlich begrenzt. Voraussetzung für einen solchen Personalsicherungsvertrag ist allerdings, dass Sie Vertrauen in die Mitarbeiter haben und diese nicht nur als Kostenfaktor begreifen.
Herr Ministerpräsident, mit Ihrem antiquierten Weltbild, das gerade bei der Personalpolitik deutlich wird, schaden Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der gesamten Verwaltung und dem Land Hessen überhaupt.
Die Auswirkungen Ihrer Politik dürften am deutlichsten an den Schulen zutage treten.Wenn nach den Sommerferien beispielsweise an einer Grundschule zwei Mathematiklehrer in Pension gehen,
nützt es den Schülerinnen und Schülern doch nicht, wenn der Deutschlehrer länger arbeiten muss. Bei einer konsequenten Umsetzung Ihrer Vorschläge ist das Chaos an den hessischen Schulen vorprogrammiert. Noch größere Klassen, demotivierte Lehrkräfte, schlechter Unterricht: Das sind die Folgen Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns doch alle darüber einig, dass die Bildung tatsächlich der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes ist. Herr Ministerpräsident, trotzdem brechen Sie Ihr Wahlversprechen. Sie haben versprochen, 500 zusätzliche Stellen – es heißt ausdrücklich „Stellen“ – an den Schulen zu schaffen. Allein im nächsten Jahr werden wir an den hessischen Schulen 1.000 Stellen weniger haben.
Statt bei den Hochschulen in Lehre und Forschung zu investieren, brechen Sie den Hochschulpakt. Sie degradieren die Hochschulen zu Inkassostellen des Landes, und dann wundern Sie sich über den Widerstand auf den Straßen, zu dem es beispielsweise gestern Abend gekommen ist.
Auch die Vertreter der Hochschulen selbst prophezeien Ihnen, dass diese Politik junge Menschen langfristig von einem Studium abhalten wird. Sie werden damit leben können, dass junge Menschen vom Studium abgehalten werden.
Herr Kollege, ich sage Ihnen: Damit werden Sie leben können; denn es entspricht doch Ihrer Ideologie, dass wir in den Bildungseinrichtungen möglichst viele Schüler aussortieren. Es entspricht Ihrer Ideologie, in den Schulen damit möglichst früh anzufangen und schon nach der vierten Klasse zu sagen, welche Wege einzuschlagen sind und
wer später einmal ein Studium beginnen kann. Es entspricht der Grundvorstellung der konservativen Bildungspolitik in Hessen, möglichst früh und möglichst hart auszusortieren und zu selektieren.
Nur, Herr Kollege, eines werden Sie damit nicht erreichen: Sie werden unser Bundesland Hessen dadurch nicht zukunftsfähig machen, weil – alle wissen das – wir mehr und nicht weniger Hochschulabsolventen brauchen, wenn wir unseren gesellschaftlichen Wohlstand erhalten wollen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Wir brauchen mehr Handwerker!)
Mehr Handwerker, genau. Nach der vierten Klasse legen wir das alles fest und machen die Unis zu. Es ist gut, wenn sich der eine oder andere Ideologe gelegentlich zu erkennen gibt. Das wissen wir ja von Ihnen.
(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Was haben Sie denn gegen Handwerker? – Clemens Reif (CDU):Erzählen Sie doch einmal ein bisschen, was Sie gegen Handwerker haben! – Weitere Zurufe von der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass der vorgelegte Haushaltsplanentwurf derart schlecht ist – eigentlich ist er sogar nicht beratungsfähig –, dass er besser zurückgezogen und neu erarbeitet werden sollte. In Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse wissen wir aber, dass das Notwendige nicht geschehen wird. Wir haben uns daher auf drei Schwerpunkte geeinigt, um aus einem miserablen Entwurf einen besseren zu machen.
Zweitens wollen wir ein nachhaltiges Zeichen für mehr wirtschaftliche Entwicklung, mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze in unserem Land setzen. Drittens wollen wir der jungen Generation Chancen auf mehr und bessere Bildungsangebote eröffnen.
Zu diesen drei Bereichen werden wir nach der zweiten Lesung des Haushaltsplanentwurfs Anträge vorlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Ihnen die Menschen in unserem Land am Herzen liegen, stimmen Sie unseren Anträgen zu – in den Ausschüssen merkt es niemand –, und lassen Sie diese Anträge in einen neuen, veränderten Haushaltsplanentwurf eingehen, den Sie im Dezember einbringen.
Ich möchte mit den Anmerkungen schließen, mit denen ich begonnen habe. Ich habe gesagt, dass die Popularität des Ministerpräsidenten am 2. Februar ihren Zenit überschritten hat. Seitdem geht es bergab.
Ich glaube, dass es mittlerweile auch Ihrer eigenen Fraktion nicht mehr ganz verborgen geblieben ist,dass Sie Ihre politische Fortune, Ihr Gefühl für Stimmungen im Volk verloren haben.
Ihre Abgeordneten werden von den Beamten beschimpft, weil ihnen das Weihnachts- und das Urlaubsgeld genommen werden, während Sie zur gleichen Zeit durchdrücken, dass Vorstandsvorsitzende 150.000 c mehr im Jahr bekommen. Dies ist für Sie sicherlich vergnügungsteuerpflichtig.
Nein. – Ich möchte der Frau Kollegin eines sagen:Tun Sie doch nicht so, als ob das völlig aus der Luft gegriffen wäre. Diese Fragen werden Ihnen allen in Ihren Wahlkreisen gestellt.
Herr Reif, Ihnen werden diese Fragen nicht gestellt. Sie sind ja in keinem Wahlkreis unterwegs.Aber die Kolleginnen und Kollegen der CDU haben doch dieses Problem in ihren Wahlkreisen.
Herr Stoiber hat Ihnen im Sommer wegen Ihrer katastrophalen Haushaltspolitik ordentlich etwas erzählt. Daraufhin haben Sie mit heißer Nadel Ihre Notoperation gestrickt. Ergebnis dieser Notoperation ist, dass jetzt Zehntausende von Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße stehen und rufen: Koch muss weg.
Ich bin davon überzeugt, dass Sie nicht nur als Ministerpräsident Ihren Zenit überschritten haben, sondern dass Sie auch an die Grenzen Ihres Politikmodells gelangt sind. Sie betreiben Politik als Ich-AG. Sie treffen Ihre Entscheidungen danach, ob sie Ihnen auf dem Weg nach Berlin nützen oder schaden. Sie stellen Machtfragen über Wertentscheidungen.
So etwas geht nur eine Weile gut. Die Menschen in unserem Lande merken das, und sie merken es jetzt.
Herr Ministerpräsident, Sie stoßen auch an die Grenzen dessen, was Ihre Partei mitmacht. Mitglieder Ihrer Partei haben über 20 Jahre lang Schwarzgeld aus dem Ausland nach Hessen importiert. Kein Widerspruch regte sich.