Protocol of the Session on October 15, 2003

Zweitens. Wie kann man eine systematische Sozialplanung und damit eine systematische soziale Berichterstattung einführen, und wie soll dies erfolgen?

Drittens. Wie können Kommunen dem Land und das Land den Kommunen gemeinsam wechselseitige Information zur Verfügung stellen? Wie soll das in der Praxis ausgestattet werden?

Viertens. Wer nimmt die Wirkungskontrolle der getroffenen Maßnahmen vor?

Sie sehen, es gibt eine Reihe von Fragen, die zu klären sind, wenn man dieses Projekt weiterführen will. Ein Hauptpunkt bei der Weiterführung dieses Projektes ist aber die Finanzierung.

(Petra Fuhrmann (SPD):Aha!)

Wer dieses Projekt weiterführen will, kann das nur tun, wenn er eine langfristige Finanzierung für dieses Projekt vorschlägt.Eine Einjahresplanung in diesem Bereich wird nicht helfen, das ist ganz klar. Wer sich mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Projektgruppe unterhalten hat, weiß, dass der Erfolg des Projektes gerade daran lag, dass man die Mittel auf drei Jahre ausgegeben hat, dass man Verträge über drei Jahre machen konnte und somit die freien Träger überhaupt erst in der Lage waren, langfristig zu planen. Dadurch hat man es geschafft, Einsparungen zu treffen, effizientere Mittelgestaltung zu veranschlagen. Das geht nur, wenn man diese Mittel langfristig festlegt.

Die Intention und die Absicht des Landes, diesen Modellversuch auszuweiten und fortzuführen, unterstützen wir extrem und immens. Das geht nur, wenn das Land bereit ist,Mittel für drei Jahre zur Verfügung zu stellen.Wir müssen ehrlich sein: Wenn es nur für eine Einjahresplanung reicht, dann kann man diesen Modellversuch nicht fortführen. Dann solle man dieses Etikett auch nicht benutzen.

Das möchten wir gerne mit Ihnen diskutieren. Das behandelt unser Antrag.Wir hoffen auf Ihre Zustimmung in diesem Bereich. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schulz-Asche, Sie haben schon die Gelegenheit, jetzt als Rednerin für die GRÜNEN aufzutreten und ihn gelegentlich zu fragen.

Danke schön, Frau Präsidentin. Ich wollte noch eine Zwischenfrage stellen, aber jetzt kann ich sie mir selber beantworten.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Man kann sich auch mit sich unterhalten!)

Wir können uns immer unterhalten. Dagegen habe ich überhaupt nichts.

Herr Kollege Rentsch, zur Zwischenfrage: Sie haben völlig Recht, dass ein so breiter Ansatz der Kommunalisierung sehr sinnvoll ist und dass man darüber reden muss. Sie hatten am Ende gesagt, dass die Landesregierung offensichtlich plant, diesen ganzen Ansatz auszuweiten. Deswegen wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht andere Informationen haben als ich. Auf meiner Liste der Streichungen, die für das Jahr 2004 vorgesehen sind, ist auch der Modellversuch Kommunalisierung mit einer Kürzung von über 50 % vorgesehen, sodass ich mich frage, ob Sie unter Umständen neue Informationen haben. Angesichts des Kahlschlags, den wir insgesamt zu erwarten haben, wäre das einmal eine positive Nachricht. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen.

Sie haben im Prinzip völlig Recht,dass es eine Reform zur Kommunalisierung der sozialen Hilfen geben muss. Wir wissen alle, wie engagiert in den letzten Jahren dieser Prozess von verschiedenen Trägern,von den beteiligten Kommunen usw. verfolgt wurde. Herr Kollege Rentsch, wenn Sie es wirklich ernst meinen,was Sie gesagt haben – davon gehe ich aus –, dann müssen Sie eigentlich diesen Antrag angesichts der jetzt vorgelegten Giftliste zurückziehen.

Aufgrund der gnadenlosen Streichung bei der sozialen Daseinsfürsorge und -vorsorge in Hessen, die wir heute Morgen schon diskutiert haben, aufgrund der Tatsache, dass die Kommunen,die freien Träger,die Kirchen 30 Millionen c – ich wiederhole:30 Millionen c – ab dem nächsten Jahr auffangen müssen oder Hilfs- und Beratungsangebote einstellen müssen, ist es doch ein Hohn, von dieser Landesregierung ein Konzept einzufordern, dass Hessen weiter effiziente und bedarfsgerechte Strukturen von sozialen Hilfen gewährleisten könnte.

Welche soziale Infrastruktur, frage ich, da die Landesmittelkürzung im Jahreshaushalt 2004 in ganz wesentlichen Bereichen – wir haben es heute schon ausführlich diskutiert – zu einer Zerstörung genau dieser sozialen Infrastruktur führen wird und die Frage,wie man weiter verknüpfen kann, damit aufgegeben ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie haben doch in den vergangenen Jahren – das muss auch einmal gesagt werden – die unverantwortliche Haushaltspolitik mit zu verantworten. Sie haben sich bisher nie ernsthaft für Sozialpolitik interessiert.

(Dorothea Henzler (FDP): Das können Sie wirklich nicht beurteilen!)

Herr Rentsch, ich freue mich, dass es bei Ihnen anders ist. Aber in allen Nachtragshaushalten der letzten Jahre, die in den letzten Jahren von Schwarz-Gelb verabschiedet worden sind, sind bereits im Sozialhaushalt über 7 Millionen c bei den freiwilligen Leistungen eingespart worden. Jetzt auf einmal dieser Antrag, mit dem Sie sich auf etwas draufsetzen, von dem Sie wissen, dass es eigentlich gar nicht Ihr Ding ist.Nicht umsonst schweigen Sie bei diesem Antrag – das ist eigentlich auch nicht seriös – über das Finanzvolumen, über das Budget, das dahinterstehen sollte.

Wie gesagt, in der Kahlschlagliste der Regierung sind die Mittel für den Modellversuch bereits erheblich gekürzt worden. Ich habe gerade erfahren, dass am Montag die Stadt Kassel aufgrund dieser Kürzung beschlossen hat, unter diesen Bedingungen den Modellversuch in Kassel nicht weiterzuführen. Darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Das sind nämlich schon die Folgewirkungen, von denen wir geredet haben, dass sich das Land aus bestimmten Bereichen zurückzieht und die gesamte Last den Kommunen überlässt, die aufgrund ihrer eigenen Finanzsituation überhaupt nicht in der Lage sind, diese fehlenden Mittel aufzufangen.

In Ihrem Antrag fehlen weiterhin die Forderung der Festlegung von Qualitätsstandards und die Forderung nach einer Steuerungsfunktion des Landes in der Sozialpolitik. Es ist aber gerade das A und O, dass man sich überlegt, welche Funktionen die einzelnen Ebenen erhalten. Wir wissen, dass die Landesregierung genau diese Landessteuerung nicht will.

Frau Schulz-Asche, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Rentsch?

Wenn ich diese Runde in Gedanken abgeschlossen habe, ja. Ich hoffe, daran zu denken.

Durch den Kahlschlag – das muss man so brutal sagen – hat die Kommunalisierung sozialer Hilfen stattgefunden. Das Land ist ausgestiegen und führt keine oder kaum noch soziale Hilfen durch. Der Rest bleibt bei den Kommunen. Die Landessteuerung ist praktisch nicht mehr existent. Eine Sozialministerin, die sich zu diesem Thema kaum noch in die Öffentlichkeit wagt und in einer schriftlichen Erklärung verlautbaren lässt, sie habe nach intensiver Prüfung und sorgfältigem Abwägen ein auf sachorientierten Kriterien basiertes intelligentes Sparkonzept entwickelt, können wir als Sozialpolitiker nur als zynisch bezeichnen.Der Umgang mit dem Modellversuch „Kommunalisierung sozialer Hilfen“ ist ein weiteres Beispiel dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Tatsächlich verabschiedet sich die Regierung Koch gewollt und gezielt aus einer aktiv gestaltenden Sozialpolitik. Sie haben einseitig den Reformprozess aufgekündigt, der mit hoher Beteiligung – Herr Rentsch hat es sehr gut dargestellt – und hohem Engagement von allen Beteiligten geführt wurde. Das Ergebnis wird sein, dass sich die Kommunen – –

Frau Schulz-Asche, es ist Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Das Ergebnis wird sein, dass die Kommunen nach ihrer eigenen Finanzlage über soziale Hilfen entscheiden werden. Eine einheitliche Struktur sozialer Hilfen wird es in diesem Land nicht mehr geben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Frau Fuhrmann für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Ihnen,Herr Kollege Rentsch,durchaus gratulieren. Der Antrag, den Sie gestellt haben, ist nicht schlecht.

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Wir haben oft Ähnliches eingefordert. Ich würde sagen, wenn man den Antrag um die Frage von Qualitätsstandards ergänzen würde – denn davon ist in Ihrem Antrag in der Tat nicht die Rede – oder wenn man ihn um die Rüge an die Landesregierung ergänzen würde,dass sie die Frage der landesweiten Sozialplanung und -steuerung sträflichst vernachlässigt, könnte man diesem Antrag im Prinzip zustimmen.

Ich sage Ihnen aber: Die Landesregierung hat die Geschäftsgrundlage für die beiden Modellversuche und damit für die Kommunalisierung via Internet gekündigt,und zwar nachträglich, Herr Kollege Rentsch. Wir haben es heute Morgen ausführlich diskutiert. 60 % der Mittel für die beiden Modellversuche sind schlicht weggestrichen worden. Das zeigt den völlig unverantwortlichen Umgang der Landesregierung mit allen Fragen der sozialen Infrastruktur. Das zeigt die Unkenntnis der Problemlagen und bedeutet im Endeffekt das Aus für die Kommunalisierung. Die Geschäftsgrundlage ist schlicht entfallen. Wenn ich das richtig sehe, hat die Stadtverordnetenversammlung Kassel genau dies beschlossen. Mit 40 % der Mittel die Verantwortung für 100 % der Einrichtungen zu übernehmen, wäre in der Tat auch verrückt. So wird die Antwort der Kommunen höchstwahrscheinlich überall aussehen, meine Damen und Herren.

Die Landesregierung hat sich als ernst zu nehmender Vertragspartner – auch das habe ich heute Morgen schon einmal gesagt – für die Kommunen, für die Kirchen und für andere soziale Organisationen abgemeldet. Wer brutalst

möglich und ohne jede Ankündigung 60 % der Mittel aus einem solchen Modellversuch nimmt, der zeigt, dass er nicht mehr über vernünftige und zukunftsweisende Strukturen sprechen will. Er schlägt diese Strukturen nämlich kurz und klein. Genau das ist passiert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, Ihr Antrag, so richtig er in der Intention und im Wollen sein mag,ist im August eingebracht worden.Wir haben jetzt leider Oktober.

(Heinrich Heidel (FDP): Das ist so, dass die Zeit weitergeht!)

Das ist so. – Insofern ist durch dieses fatale Handeln, durch den Kahlschlag und die Giftliste die Geschäftsgrundlage für diesen Antrag und die Beratung dieses Antrages entfallen.

Meine Damen und Herren, ohne das von uns heute Morgen eingeforderte Sozialbudget wird man auch über eine Kommunalisierung sozialer Leistungen und über Hilfestrukturen nicht mehr sprechen, weil die Strukturen von dieser Landesregierung zerschlagen worden sind. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Caspar für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Fuhrmann, Sie haben sich nach Ihrem engagierten Beitrag heute Morgen zum zweiten Mal in ähnlicher Weise geäußert, weniger zu dem Antrag selbst als allgemein über die finanziellen Kürzungen, die es gegeben habe. Man muss die Größenordnung betonen, um die es geht. Im Verhältnis zum Haushalt des Landes Hessen machen die Kürzungen bei den freiwilligen sozialen Leistungen 1,4 Promille aus. Da werfen Sie ein Bild an die Wand und sagen: Da bricht das soziale Netz in Hessen zusammen,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Weil es für die 100 % ausmacht!)

der Kahlschlag kommt, und Ähnliches. – 1,4 Promille des Landeshaushaltes sind hier gekürzt worden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hätten Sie die nicht woanders kürzen können?)

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Schulz-Asche zu?

Ich lasse sie nicht zu. – Es ist ganz wichtig, diese Zahlen zu verdeutlichen. Es gibt das Vorurteil, dass Sozialisten von Geld nichts verstehen, außer, dass sie es anderen Leuten wegnehmen wollen.