Ich bin fest davon überzeugt – ich glaube auch, dass ich damit Erfolg haben werde –,dass Eltern nicht wollen,dass
und dass sie es durchaus mitleben, in jeder Hinsicht. Es gibt viele Diskussionen und Schwierigkeiten. Niemand behauptet – etwa bei der Einführung von G 8 –, dass alles schon so wäre,wie wir es haben wollen.Das ist wie bei vielen anderen Reformen auch. G 8 wegen der Anfangsschwierigkeiten nicht umzusetzen, obwohl inzwischen in 13 deutschen Bundesländern nach acht Jahren das Abitur gemacht wird, und zu glauben, wir in Hessen könnten es uns leisten, diesen Vorteil für junge Menschen, ein Jahr der Zeit einzusparen, bis sie sich beruflich entwickeln können, hessischen Kindern vorzuenthalten, wäre falsch.
Natürlich ist es ein komplizierter Weg, auch für andere Bundesländer. Es gibt Länder, die G 8 seit 10 oder 15 Jahren haben. Es gibt seit langer Zeit Kinder, die nach G 8 Abitur gemacht haben. Sie begegnen uns an den Universitäten und anderswo. Sie haben die gleichen Erfolgsmöglichkeiten wie nach einem Abitur nach neun Jahren. Der Staat hat nicht das Recht, den Kindern ein Jahr mehr abzuverlangen, wenn es nicht sein muss.
Natürlich werden wir über die organisatorischen Schwierigkeiten und die Herausforderungen reden. Deshalb spricht Karin Wolff mit dem Landeselternbeirat, der damals zugestimmt hat, jetzt auch über die Frage, wie es weitergeht.
Wir reden darüber,dass wir nicht wollen,dass in der 5.und 6. Klasse schon mehrere Nachmittage für den Unterricht vorgesehen sind; denn die Stundentafel gibt überhaupt nicht her, dass mehrere Nachmittage in Anspruch genommen werden müssen.Also werden wir über die Organisation sprechen.Aber eines machen wir nicht:Wir sind nicht in der Weise populistisch, dass wir sagen:Wenn es am Anfang einer Reform Schwierigkeiten gibt, stecken wir die Reform wieder weg.
Das ist Ihre bundespolitische Haltung: Überall, wo es bei einer Reform Schwierigkeiten gibt,gehen Sie in Deckung. Das war auch im Land immer Ihre Haltung. Meine Damen und Herren, das ist das Gegenteil von geradliniger, berechenbarer Politik, für die diese Landesregierung steht. Das gilt auch und gerade für die Bildungspolitik.
Ich gebe zu, dass ich mich schon darüber gewundert habe – denn eigentlich haben Sie die Erfahrung; es gibt einige bei Ihnen, die das alles erlebt haben –, dass Sie jetzt anfangen, die alte bildungspolitische Debatte wieder zu eröffnen.
Nein, Frau Kollegin Ypsilanti, Sie versuchen zwar, zu vermeiden, dass die gleichen Begriffe wie damals bei Ih
nen noch einmal auftauchen. Aber am Ende sind die Dinge schon ziemlich klar. Sie sagen: „Alle werden bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet. Es gibt keine Nichtversetzung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich ziehe jetzt einmal einen Zeugen heran, den wir lange kennen: Rainer Dinges, der seit fast 30 Jahren nicht nur über hessische Landespolitik, sondern ganz besonders über Schulpolitik berichtet, durch all diese Zeiten hindurch. Ich würde gerne vorlesen, was er sagt, denn mir würden Sie es ohnehin nicht glauben.
Was die hessische SPD beschließen wird, hieße für die Gymnasien in letzter Konsequenz, dass sie alle Schüler aufnehmen müssen, deren Eltern das wünschen. Eine Empfehlung der Grundschule für eine bestimmte Schulform soll es nämlich auch nicht mehr geben. Haben Schulen die Kinder einmal aufgenommen,dürfen sie keines mehr abschieben.Das ist dann doch Gesamtschule, und zwar von oben verordnet. Dann bedarf es keiner Beschlüsse von Eltern und Lehrern mehr. Von Wahrheit und Klarheit, die die Politiker so gern vom Gegner einfordern, ist da nichts zu spüren.
Da wird eher verschleiert, was man verändern will. Wieder einmal geht es in einer hessischen Landtagswahl also letztlich um die Frage, ob es auch in Zukunft das dreigliedrige Schulsystem oder nur noch eine Schule für alle geben soll. Da mögen Sozialdemokraten und GRÜNE noch so oft beteuern, dass sie nicht die bildungspolitischen Schlachten der Siebzigerjahre noch einmal schlagen wollen, in denen es vor allem anderen um die Schulorganisation ging. Nur darum geht es.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Entscheidung haben Sie getroffen, und wir stellen uns ihr durchaus. Im Augenblick gehen 82 % aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland in ein gegliedertes Schulwesen. Es liegen doch Untersuchungen darüber vor. Ich glaube, dass dies durchaus ein Punkt ist, über den man mit Eltern und Lehrern sachbezogen und im Detail reden muss.Wir haben die PISA-Untersuchung.
(Andrea Ypsilanti (SPD): Sie haben aber nichts daraus gelernt, das ist das Problem! – Hildegard Pfaff (SPD): Sie ziehen die falschen Konsequenzen!)
Jetzt zitiere ich einmal, was Jürgen Baumert, der Leiter des deutschen PISA-Konsortiums, über die Frage der unterschiedlichen Schulformen, die er vorgefunden hat, schreibt.
Aus den Befunden internationaler Vergleichsstudien lassen sich keine zwingenden Aussagen über die Effekte unterschiedlicher struktureller Differenzierungen ableiten. Mit Blick auf die Ergebnisse aktueller Bildungsstudien und Vergleichstests kann allerdings festgestellt werden, dass sich die darin integrierten Gesamtschulen in Deutschland kaum als
Zukunftsmodell empfehlen. Die durchschnittlichen Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler liegen im Durchschnitt nur zwischen denen der Hauptschüler und Realschüler.
Konsistent wird in den älteren wie den neueren Studien auf die ungünstigeren Fachleistungen an den Gesamtschulen im Vergleich zum differenzierten System hingewiesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie es den Fachleuten nicht glauben – ein letztes Zitat. Gabriele Behler, die letzte sozialdemokratische Kultusministerin Nordrhein-Westfalens, schreibt:
Die Veränderung der Schulstruktur wird von wichtigen Protagonisten der SPD immer noch verstanden als der Kampf gegen Privilegien des Bürgertums. Als deren Symbol wird das Gymnasium bekämpft. Die offensichtlichen Probleme der Gesamtschulen, die trotz guter Bedingungen unbefriedigende Ergebnisse sowohl in der Leistungshöhe wie bei der Chancengleichheit haben, werden immer wieder geleugnet. Nun sollte man annehmen, dass damit im PISA-Zeitalter Schluss wäre. Aber weit gefehlt: Keine SPD-Konferenz, kein regionaler Parteitag, auf dem zurzeit nicht wieder die vermeintlichen Heilsgewissheiten verkündet würden. Von Franz Müntefering
über Edelgard Bulmahn und Heide Simonis bis zum Unterbezirksdelegierten aus Köln: Da feiern manche Mythen eine fröhliche Auferstehung – was prompt Kulturkämpfe nach dem Muster früherer Jahrzehnte nach sich zieht und nichts anderes als Blockaden bewirkt.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Wie groß muss die Not dieses Ministerpräsidenten sein, wenn er Sozialdemokraten zitieren muss?)
Wir nehmen diese Auseinandersetzung ernst. Eltern von Kindern im gegliederten Schulwesen müssen wissen, dass dieses System mit Ihnen nicht fortgesetzt wird. Sie verwenden viele Tricks, und zwar nicht nur in den Worten. Im Übrigen finde ich Ihren Slogan „Kein Kind wird zurückgelassen“ gut. Aber wissen Sie, wen Sie da gerade kopieren? „No child left behind“ ist die Überschrift des Bildungsplans von Georg W. Bush.
Man hätte es nicht für möglich gehalten. Frau Kollegin, ich habe dagegen nichts einzuwenden. Der Satz ist ja richtig.Aber dass Sie ihn für richtig halten, ist überraschend.
Die Frage, die mit dem Haus der Bildung zusammengeführt wird, und die Überlegungen, die dahinter stecken, sind die Botschaft an die hessischen Eltern, dass sie fünf Jahre vor sich haben,in denen alles anders wird,als es vorher war. Es wird ein Durcheinander, ein Rückführen aller Reformen der letzten neun Jahre.
Die zweite Botschaft an die Eltern ist, dass die Differenzierung des Schulwesens aufgehoben wird. Ihre Behauptung, sie machen das freiwillig, geht nach dem alten sozialdemokratischen Trick der Siebzigerjahre. Das hat Domisch, Ihr Experte dafür, sehr lieb formuliert.
So, wie man früher nur Geld bekam, um Gesamtschulen zu bauen. Für Gymnasien und Realschulen war kein Landesgeld mehr da. Meine Damen und Herren, Sie wollen auf kaltem Wege Ihre Ideologie durchsetzen.
Wir haben einen anderen Weg. Wir haben in den letzten Jahren viel über die Hauptschule gesprochen, weil sie uns besondere Sorgen macht. Viele Eltern und insbesondere viele junge Menschen fühlen sich in dieser Schule alleingelassen.Sie kann nicht so bleiben,wie sie ist.Darüber besteht noch kein Streit. Die spannende Frage ist jedoch: Wie wird sie? Wir haben uns entschieden, in den kommenden Jahren diese Schule in eine Schule mit einer deutlich stärkeren Praxisorientierung, unter dem Stichwort Schule und Betrieb, umzubauen. Wir reden darüber nicht mehr nur theoretisch, sondern auch praktisch. Wir haben es inzwischen in Hunderten von Schulklassen ausprobiert. Wir wissen, dass die Zahl derjenigen, die in dieser Hauptschule schon einen Ausbildungsplatz bekommen, gigantisch hoch ist.Wir sehen, dass alle Schülerinnen und Schüler, die im letzten Jahr in der SchuB-Klasse waren, am Ende nicht am Arbeitsmarkt zu irgendeiner Vermittlung anstehen mussten. Sie haben entweder eine Ausbildungsstelle erhalten, oder sie sind mit ihrem Abschluss an eine weiterführende Schule gegangen.
Wir sehen, dass die schwierigsten und herausforderndsten Schülerinnen und Schüler, auch was die Leistungen und ihre noch nicht volle Entwicklung angeht, die wir in die SchuB-Klassen gesteckt haben, zu 100 % den Hauptschulabschluss gemacht haben, während es von den anderen nicht alle geschafft haben.
Wir wissen, dass das gut ist. Was ist die Botschaft? Die Botschaft ist, die Schule findet in der 7., der 8. und der 9. Klasse nur noch teilweise im Schulunterricht statt. Im ersten Jahr an einen Tag, im zweiten und dritten Jahr vielleicht an zwei Tagen und vor dem Schulabschluss vielleicht sogar an drei Tagen sind die Schülerinnen und Schüler im Betrieb und nur noch die restlichen Tage in der Schule. Wir haben ein System, in dem man einen Teil der schulischen Leistungen schon als betriebliche Leistungen einbringen kann. Wir haben ein System, in dem die Schülerinnen und Schüler das Anödende von Schule – das muss nicht jeder so empfinden, es ist jedoch aus der Sicht vieler so – austauschen gegen Spaß im Beruf.