Protocol of the Session on November 14, 2007

Deshalb haben wir gesagt, dass wir 4 Millionen c in den Haushaltsplan einstellen werden, damit sich die Kinder aus sozial benachteiligten Familien nicht mehr vom Mittagessen in der Schule oder im Kindergarten abmelden müssen.Wir werden diese Familien unterstützen und diesen Kindern das Essen bezahlen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle kommt immer die klassische Frage: Wie wollen Sie das alles finanzieren? – Ja, das ist richtig: Wir nehmen 291 Millionen c mehr in die Hand für soziale Gerechtigkeit, für Bildung, für einen Umbau von Wirtschafts- und Ökologiepolitik.Darin investieren wir,das ist richtig. Aber eine Partei, die den Anspruch erhebt, im nächsten Jahr zu regieren, muss diesen Anspruch auf Gestaltung auch sichtbar und nachvollziehbar machen. Und das geht eben nicht zum Nulltarif. Aber dazu stehen wir, weil wir finden, wir können es uns nicht leisten, nicht in Bildung zu investieren.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in den letzten neun Jahren fünfmal einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt. Das ist bei dieser Regierung Normalität.An dieser Stelle kann ich Ihnen sagen: Das werden wir mit Sicherheit nicht tun.

(Beifall bei der SPD)

Die wahre Leistungsbilanz der Regierung Koch ist das Gegenteil dessen, was Sie von sich behaupten. Sie beweihräuchern sich immer mehr, je mehr Sie merken, dass die Menschen in Hessen Ihre Bilanz wirklich hinterfragen. Sie opponieren immer mehr gegen Zukunftskonzepte, je weniger Sie anzubieten haben. Nichts von Aufbruch ist in Ihrem Haushalt angelegt. Die Substanz, die Hessen noch hat, hat es nicht mit dieser Landesregierung, sondern trotz dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Ich werfe Ihnen vor, dass Sie Regierungsmacht als Selbstzweck betrachten. Sie bleiben den Menschen die Gründe dafür schuldig, warum Sie an der Macht bleiben sollen. Es erschließt sich uns nicht,warum Sie eigentlich im nächsten Jahr wiedergewählt werden wollen. Für den Sozialabbau? Für die Ausbeutung des Ehrenamtes? Dafür, dass das Vorzeigeland Hessen hinter andere Bundesländer zurückgefallen ist? Für eine zukunftslose Energiepolitik? Für den Wortbruch beim Flughafen? Für die Gängelung der Kommunen? Für eine desaströse Bildungspolitik? Oder vielleicht doch nur für weitere Karriereambitionen des Herrn Koch? Meine Damen und Herren, Sie sind uns in diesem Entwurf die Antwort schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessen hat eine andere Regierung verdient. Am 27. Januar haben die Menschen die Wahl zwischen einer Politik des „Weiter so“ mit einem rückwärtsgewandten Neoliberalismus und einem Aufbruch in eine soziale Moderne mit der Sozialdemokratie.Darum wird es in den nächsten Wochen gehen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): War es das schon? – Axel Wintermeyer (CDU): Selten eine so schwache Rede gehört!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig ist, die Haushaltsdebatte über den Einzelplan des Ministerpräsidenten muss der Platz sein, an dem die grundsätzlichen unterschiedlichen Positionen deutlich werden. Natürlich ist es so, dass, wenn eine Wahl bevorsteht, es eine Kombination von Bilanz auf der einen Seite und von Ausblick auf der anderen Seite sein soll.

Frau Kollegin Ypsilanti,ich habe während Ihrer Rede versucht, ein bisschen zu verfolgen, welches Bild Sie von diesem Land haben. Denn wenn man Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin eines Landes werden will, müssen die Bürger eine Vorstellung davon haben, ob man wahrnimmt, was in dem Land passiert. Deshalb ist auch die Frage, auf was man sich bezieht, eine ganz spannende. Immer, wenn ich in den Debatten der letzten Monate – an der einen oder anderen Stelle werde ich mir das auch heute erlauben – gesagt habe: „Schaut, wie es vor neun Jahren war“,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist lange her!)

wird abgewinkt: Das ist so lange her, das hat doch keinen Einfluss mehr auf das,was heute passiert.– Gut,dann nehmen wir das doch einen Augenblick einmal so. Das Bundesland Hessen ist mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt

(Norbert Schmitt (SPD): Pro Erwerbstätigen, aber nicht mehr!)

pro Erwerbstätigen weitab vor allen anderen. Das Bundesland Hessen ist mit weitem Abstand das Bundesland mit dem höchsten Arbeitnehmerentgelt unter den Flächenländern in der Bundesrepublik Deutschland.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war es schon immer!)

Das Bundesland Hessen ist mit weitem Abstand das Land mit den höchsten Stundenlöhnen für die Arbeitnehmer aller Flächenländer in der Bundesrepublik Deutschland – deutlich vor Bayern, deutlich vor Baden-Württemberg und natürlich vor allen anderen,mit denen wir uns im normalen Vergleich nicht so sehr messen.

(Reinhard Kahl (SPD): Sie wollen doch nicht behaupten, dass das vor 1999 anders war?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,aber Hessen ist auch eines der Länder mit den meisten Abiturienten.Am Ende haben 46 von 100 einen Hochschulabschluss.In dem Musterland Rheinland-Pfalz, das nebenbei genannt wird, sind es 38. Wir haben pro 1.000 die höchste Zahl der Studierenden unter allen Flächenländern. Wir haben in diesem Land die höchste Quote von Abiturienten, die ein Studium beginnen.

Wir haben mit 18 % der hessischen Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren,die einen Hochschulabschluss haben, mit weitem Abstand den höchsten Prozentsatz in Deutschland. Wir sind das Land, das von 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die meisten Menschen in Forschung und Entwicklung im Vergleich zu allen anderen Ländern hat – ob Flächenländer oder Stadtstaaten in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir sind inzwischen in der Versorgung mit Krippenplätzen, um es für den sozialen Bereich zu sagen, unter allen westdeutschen Flächenländern mit Abstand das Land Nummer eins.

(Norbert Schmitt (SPD): Falsch!)

Wenn Sie zum Schluss fragen, wie das die Versicherungen fragen:Wir sind auch von allen deutschen Bundesländern das Land, in dem die Menschen am wenigsten Angst vor Arbeitslosigkeit haben und sich am glücklichsten fühlen, wenn sie hier leben. Das ist die Bilanz der Zeit, in der wir hier arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin, deshalb müssen Sie sich die Frage stellen lassen, ob Sie vom richtigen Land reden, ob Sie an der richtigen Stelle waren,

(Heiterkeit bei der CDU)

oder ob Sie in einem verblendeten oppositionellen Tunnelblick die Leistungen der Menschen, die sie jedes Jahr hier erbringen, überhaupt nicht mehr sehen. Vielleicht ist das der Grund, warum Sie im 30-%-Getto verharren – bei allem, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Es müsste doch gelegentlich eine Zeit des Nachdenkens darüber geben, warum die, die angeblich das Land so schlechtmachen,wie Sie es sagen,immer vor Ihnen liegen,

(Norbert Schmitt (SPD): Nach den Umfragen haben Sie 9 % verloren! – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

wenn das ganze Land in einer Aufbruchstimmung wäre, die so schrecklich wäre, dass einem alles leid tun müsste. Ich behaupte nicht, dass wir keine Probleme haben. Ich behaupte nicht, dass wir das Paradies sind. Das sind wir nicht.Aber wir sind ein Land, in dem mit großer Anstrengung der Menschen und mit großer gelassener Entscheidungskraft der Politik in den letzten Jahren die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass dieses Bundesland Hessen spitze ist und dass die Menschen in diesem Land das wissen. Das ist eine der Ausgangsvoraussetzungen.

(Beifall bei der CDU)

Wir befinden uns in einer Haushaltsdebatte. In der Tat muss man die Zahlen gegeneinander abwägen. Der Länderfinanzausgleich – ich komme noch auf andere Zahlen zu sprechen – ist durchaus ein Indiz für diese Entwicklung.

Was ist anders geworden? Wir zahlen in diesem Jahr mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal – die Abrechnungsdaten liegen vor – mehr als 3 Milliarden c in den Länderfinanzausgleich. Das ist mehr, als ein Land in der Bundesrepublik Deutschland bislang gezahlt hat. Es ist der bisher größte Abstand, den wir zu anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland haben. Dieser Abstand ist aufgrund der hohen Einkünfte der Menschen

und aufgrund der hohen wirtschaftlichen Produktivität, also durch unsere Leistung bedingt, zustande gekommen.

Es ist nicht nur das.Vielmehr definiert der Länderfinanzausgleich auch den Abstand, den wir aufgrund unserer Leistungskraft zu anderen Ländern haben.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat ihn denn verlängert?)

Ich kritisiere ihn im Augenblick gar nicht, sondern stelle nur fest, was wir im Verhältnis zu anderen leisten. Ich bin überhaupt nicht am Lamentieren, sondern beschäftige mich mit der Frage, wie gut dieses Land ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Lamento kommt noch!)

Bei der Frage, wie gut dieses Land ist, muss man eines feststellen: Wir haben in dieser Legislaturperiode – also von 2003 bis 2007, mit einer Nettokreditaufnahme von 5,4 Milliarden c in dieser Zeit – in den Länderfinanzausgleich Zahlungen in Höhe von 10,2 Milliarden c geleistet. Das heißt,wir haben nur 52 % dessen,was wir in den Länderfinanzausgleich gezahlt haben, durch eine Nettokreditaufnahme ergänzen müssen.

(Norbert Schmitt (SPD): „Nur“ ist gut!)

Wenn alles so gut wäre, müsste es vorher anders gewesen sein. Jetzt nenne ich ein anderes Beispiel, nämlich den Zeitraum von 1991 bis 1995, also Ihre Regierungszeit. Das ist lange her; aber ich rede nicht über die Zahl, sondern über den Abstand zu anderen Ländern. In dieser Zeit war der Betrag, den wir in den Länderfinanzausgleich der Bundesrepublik Deutschland zu zahlen hatten, nicht signifikant höher. Wir mussten für etwa 35 bis 40 % des gesamten Länderfinanzausgleichs aufkommen, nicht für 50 %.Wir waren also, was diesen Betrag betrifft, näher an den anderen Bundesländern dran.Aber in den Jahren von 1991 bis 1995 hatten wir bei einer Zahlung in den Länderfinanzausgleich in Höhe von 4,4 Milliarden c eine Kreditaufnahme von 5 Milliarden c. Da muss man eine Sekunde lang zuhören.

Oder nehmen wir den Zeitraum von 1995 bis 1999, Ihre zweite Legislaturperiode. Da haben Sie bei einer Zahlung in den Länderfinanzausgleich in Höhe von 5,9 Milliarden c Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden c aufgenommen. In Ihrer Regierungszeit befanden Sie sich in der Situation, dass die Zahlung in den Länderfinanzausgleich so hoch war, dass Sie fast alle Mittel aus der Nettokreditaufnahme dafür investieren mussten.

Inzwischen sind wir so weit, dass die Zahlung in den Länderfinanzausgleich weit darüber hinausgeht. Niemand ist stärker, auch was die Solidität des eigenen Haushalts betrifft. Aufgrund unserer Stärke haben wir es geschafft, Beiträge zugunsten anderer Länder Deutschlands zu leisten. Das liegt daran, dass dieses Land so erfolgreich ist. Man kann sich gelegentlich darüber ärgern, dass wir so viel helfen müssen. Wir können aber auch einmal stolz darauf sein, wie gut wir sind und wie viel wir an diesen Stellen verändert haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das Land lebt doch von der Substanz! Gucken Sie sich einmal die Zahl für das Wirtschaftswachstum an! Im unteren Drittel!)

Wir reden,auch im Wettbewerb mit anderen,darüber,was ein Land politisch voranbringt. Das bezieht sich auf das eigene Land, auf die Gedanken, die sich dort entwickeln, aber aufgrund des Vorteils des föderalen Wettbewerbs

durchaus auch auf den Vergleich mit anderen.Wir wollen uns auch daran messen, ob wir mit den Ideen, die hier entstanden sind, andere überzeugen können. Das heißt, es geht darum, ob wir am Ende sozusagen die einsamen Rufer in der Wüste bleiben oder ob wir,da wir es als Erste gemacht haben, andere mitziehen konnten.