Protocol of the Session on September 25, 2007

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal vorwegschicken, dass wir nicht vergessen sollten, dass wir uns in der Zielsetzung eigentlich einig sind. Ich glaube, niemand in diesem Hause ist damit einverstanden, wenn jemand zu Löhnen beschäftigt wird, die dazu führen, dass er kein lebenswürdiges Dasein führen kann.

(Beifall bei der FDP)

Ich will das sagen, weil das nicht der Streitpunkt sein kann. Aber genau das wird in diesem Diskurs versucht, denn man sagt, derjenige, der gegen Mindestlöhne ist, sei dafür, einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass die Menschen kein auskömmliches Einkommen haben.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Nein, nein!)

Doch, Frau Ypsilanti, Sie unterstellen demjenigen, der gegen Mindestlöhne ist, er sei unsozial. Das ist – mit Verlaub – schlicht und ergreifend dummes Zeug.

(Beifall bei der FDP – Andrea Ypsilanti (SPD): Sie wollen das freie Spiel der Kräfte! Das sind dann Löhne um 3,50 c! Deswegen reagiere ich auch gleich!)

Das kann man so nicht im Raum stehen lassen. Wenn schon Daten genannt werden, dann doch bitte der Redlichkeit halber so, wie sie wirklich sind. Es gibt nicht nur sieben Länder mit einem Mindestlohn. Sie sprechen von denen mit einem Mindestlohn ab 7,50 c. Es gibt 14 weitere europäische Länder, in denen es zwar einen Mindestlohn gibt, dieser aber unter 3,90 c liegt. Damit will ich sagen: Die Situation ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Man kann diese Länder nicht ohne Weiteres miteinander vergleichen, denn ich glaube, dass die Sozialversicherungssysteme in Deutschland anders geartet sind, als es in anderen europäischen Ländern der Fall ist, die als Vergleich herangezogen werden.

Sie müssen einsehen,dass das,was wir im Arbeitsrecht haben, nicht mit dem vergleichbar ist, was man in anderen Ländern an Arbeitsschutzmöglichkeiten hat. Dies müsste aber im Zusammenhang des Schutzes des einzelnen Arbeitnehmers in gleicher Weise einbezogen werden. Deswegen ist ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern in höchstem Maße problematisch.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wissen, weshalb die Sozialdemokraten einen solchen Antrag stellen. Dieser Antrag ist rein taktischer Natur, um deutlich zu machen, dass man sich in der Koalition anders positioniert; bzw. es wird versucht, sich in diesem hessischen Landtagswahlkampf gegenüber einem weiteren Mitbewerber zu profilieren. Das ist der einzige Grund, weshalb Sie eine Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz zum Anlass nehmen, sich auch hier darüber zu unterhalten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Ich will Ihnen klar sagen: Die FDP sieht das Problem.Wir haben auf dieses Problem auch eine Antwort – aber dies wird eine andere sein als die Ihre. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen.Wir glauben,dass Mindestlöhne beschäftigungsfeindlich sind und im Besonderen dazu beitragen, die Beschäftigungschancen gering qualifizierter Menschen in diesem Lande zu reduzieren.

Sie begründen – darauf gehe ich noch einmal ein – die Notwendigkeit eines Mindestlohns damit, dass die Entlohnung zu gering sei; und Sie fordern die Gewährung eines fairen und angemessenen Entgelts.Wenn Sie aber die geringe Entlohnung in diesem Lande beklagen, dann müssen wir uns darüber Gedanken machen, weshalb in den letzten Jahren eine derart geringe Entlohnung entstanden ist.Wir leben in einem Land, in dem es eine steuerliche Belastung gibt, die letztendlich hierzu geführt hat. Die rot-grüne Politik – in diesem Zusammenhang meine ich auch ihre Fortführung in der Großen Koalition – hat dazu geführt, dass wir heute Arbeitnehmer haben, die ungefähr 1.500 c pro Jahr weniger verdienen, als dies noch vor etwa zehn Jahren der Fall gewesen ist. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP)

Es ist die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Vergangenheit – die Erhöhung der Abgaben, der Steuern –, die letztendlich dazu geführt hat, dass die Bürger im Portemonnaie netto weniger haben.

Meine Damen und Herren, Herr Al-Wazir hat auf dieses Problem hingewiesen, doch hat er für meine Begriffe nicht die richtige Antwort gegeben. Es ist nicht damit getan, zu sagen: Wir beklagen den Zustand, dass es so viele Unternehmen gibt, die sich der Tarifbindung nicht unterwerfen, indem sie keinem Arbeitgeberverband beitreten. – Dies geschieht insbesondere in den neuen Bundesländern. Daher muss man sich die Frage stellen: Warum gibt es keine Solidarität mehr, sodass die Arbeitgeber nicht mehr den Arbeitgeberverbänden beitreten? – Weil sie keine Veranlassung sehen und zudem in einer Art und Weise durch Steuern und Abgaben belastet werden, dass sie sich nicht durch Beitritt in einen Arbeitgeberverband zusätzlichen Belastungen aussetzen wollen.

Nun ein Wort zur Realität. In einer Bundestagsdebatte ist dies, als es im Sommer hierzu eine Diskussion gegeben hat, dargestellt worden. Der bedarfsdeckende Mindestlohn eines Arbeitnehmers, der damit seine Familie ernähren will, würde bei mindestens 12 c pro Stunde liegen. Dieses Beispiel zeigt, dass nicht der Mindestlohn die Lösung darstellt, sondern ein Mindesteinkommen.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Wir haben diese Frage diskutiert; und wir haben hiervon zugegebenermaßen nicht alle überzeugen

können, doch geben wir die Hoffnung nicht auf. Wir haben diese Diskussion mit dem Ziel geführt, zu sagen: Wir fassen die Sozialleistungen in Form eines Bürgergeldes zusammen; und dieses Bürgergeld stellt dann die Gewähr dafür dar, dass die Differenz dessen, was durch das Arbeitnehmereinkommen nicht gesichert wird, tatsächlich als Erwerbseinkommen in erforderlicher Weise gesichert wird.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Mindestlohn stellt also keine Alternative dar, weil wir glauben, dass dies der falsche Weg wäre, sondern die Gewährleistung eines Mindesteinkommens. Wenn ich höre, welche Situation tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt herrscht, dann geht es mir an die Nieren und auch an die Nerven.Wenn ich die Zahl noch richtig in Erinnerung habe – das ist gestern in den Nachrichten berichtet worden –, dann gibt es 150.000 Fälle, in welchen beim Bau das Entsendegesetz in der Baubranche nicht eingehalten wird. Ich frage Sie: Sind Sie allen Ernstes der Meinung,dass wir das Problem damit lösen könnten, dass wir hinter jeden Arbeitnehmer einen Polizeibeamten stellten, der dann überprüfte, ob das Entsendegesetz eingehalten würde?

(Petra Fuhrmann (SPD): Freie Fahrt für freie Bürger?)

Verehrte Frau Fuhrmann, ich habe Ihnen gerade gesagt, wir müssten über die Ursachen nachdenken. Wenn Sie aber in einem Lande die Steuerlast derart erhöhen, wie Sie das gemacht haben,dann dürfen Sie sich nicht darüber wundern, dass sich die Unternehmen der Tarifbindung entziehen und eben diesen Weg gehen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Wir alle – insbesondere Sie, die in der letzten Zeit die Regierungsverantwortung getragen haben – trugen dazu bei, dass die Belastungen angestiegen sind. Es war doch nicht unsere Erfindung, dass die Mehrwertsteuer um 3 % erhöht worden ist. Es war auch nicht unsere Erfindung, dass die Soziallasten für die Unternehmen gestiegen sind, sodass nun eine Flucht aus den Verbänden stattfindet.

(Beifall bei der FDP)

Wir hatten schon einmal eine sozialpolitische Idee bzw. Fata Morgana, der wir erlegen sind. Das war die 35-Stunden-Woche. Mittlerweile haben wir gemerkt, dass dies der falsche Weg ist; und jetzt versuchen wir, von diesem eingeschlagenen Weg wieder wegzukommen. Es ist ein schwieriger Weg,den wir gehen müssen.Deswegen glaube ich, es macht keinen Sinn, diesen Weg noch einmal zu gehen.

Meine Damen und Herren, es wird immer gesagt, das sei alles so unproblematisch und man könne dies ohne Weiteres tun.Es liege ein politisches Defizit vor,und daher sei der Staat gefragt. – Ich sehe das anders. Die „FAZ“ hat im Juni dieses Jahres eine Umfrage durchgeführt, bei der sie Wirtschaftswissenschaftler befragt hat. Hierzu zitiere ich den Chef des Münchener Ifo-Instituts,Hans-Werner Sinn, der sagte, dass ein solcher Mindestlohn 1,1 Millionen Jobs vernichten würde. Nehmen wir die Warnung dieses Wirtschaftswissenschaftlers – er ist immerhin ein Mann, dessen Reputation unbestreitbar ist – nicht ernst?

Aus der Sachverständigenkommission des Bundes kommen ähnliche Aussagen. An dieser Stelle darf ich den

Sachverständigen Wolfgang Franz zitieren,der am 17.Juni dieses Jahres in der „FAZ“ Folgendes sagte:

Muss den wenig qualifizierten Menschen also zugemutet werden, eine Arbeit anzunehmen, von der sie nicht leben können? – Nein, sagen die Ökonomen, doch um sozial zu sein, darf die Politik nicht in die Preise, Löhne oder Mieten eingreifen. Wenn der Staat Familien helfen will, macht er auch kein Gesetz über die Höchstpreise von Babywindeln, sondern er fördert Väter und Mütter, indem er ihnen Kinder- und Elterngeld überweist. Der Staat soll ein Mindesteinkommen sichern, anstatt Mindestlöhne vorzuschreiben.

Das sagt der Sachverständige Wolfgang Franz;und dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren,ich sage Ihnen – auch wenn sich die CDU-Fraktion in Person von Herrn Boddenberg heute hingestellt und gesagt hat, dass sie dies alles ablehne –, was Sie im Zusammenhang mit den Dienstleistungen bereits gemacht haben, lässt erkennen, was dabei herauskommt. Wenn man sich anschaut, was dieser Tage diskutiert wird, dann stellt man fest: Da stellt sich ein Noch-Monopolist hin, vereinbart mit dem von ihm selbst initiierten Arbeitgeberverband einen Mindestlohn von 9,80 c, wobei er sagt, es seien 51 % gewesen, sodass dies für allgemein verbindlich erklärt wird. Daher frage ich Sie: Was ist das Ergebnis? – All denjenigen,die auf dem Postmarkt tätig werden wollen – das ist auch in Hessen eine Vielzahl von Unternehmen –, werden auf diese Art und Weise Knüppel zwischen die Beine geworfen; und es findet keine Wettbewerbsgerechtigkeit mehr statt.

(Beifall bei der FDP)

Sie wissen natürlich ganz genau, dass sich ein neues Unternehmen, welches sich auf dem Markt der Postdienstleistung betätigt, eben nicht in der Lage ist, dies zu finanzieren. Es ist hochinteressant, dass der zweite Arbeitgeberverband einen Repräsentanten hat, der Ihnen, verehrte Frau Ypsilanti, sehr bekannt ist – nämlich Herrn Gerster.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Na ja!)

Ja, ja. Das ist Ihnen unangenehm. – Aber Herr Gerster sagt jetzt, insbesondere aufgrund dieser Situation – –

(Michael Boddenberg (CDU): Er kommt aus Rheinland-Pfalz!)

Er kommt aus Rheinland-Pfalz, vielleicht wird diese Initiative daher auch hier zur Abstimmung gestellt. – Selbst Herr Gerster kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht möglich sei, und versucht nun, wie man dies in der Politik auf eine Art und Weise auszuhandeln versucht,über einen weiteren Arbeitgeberverband zu einer Lösung zu kommen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ein unglaublicher Vorgang!)

Vielen Dank, Herr Boddenberg. Das ist ein unglaublicher Vorgang. Diesen unglaublichen Vorgang hat die Union in Berlin aber möglich gemacht. Herr Boddenberg, diesen haben Sie möglich gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Die Frau Bundeskanzlerin hat sich zu dieser Frage geäußert, und sie hat sich damit den Unmut von Herrn Beck

eingehandelt, weil sie nun natürlich sieht, zu welchen Problemen dies führt.

Wenn Entsendegesetz und Mindestlöhne dazu führen, dass neue Arbeitsplätze nicht entstehen können, dann stelle ich fest: Das ist für uns Liberale in der Tat ein echtes Problem. Ich sage Ihnen – damit zitiere ich Wolfgang Gerhardt, der dies häufig sagte, und ich halte dies für sehr trefflich formuliert –:

Das Glück der Menschen in diesem Lande hängt eher davon ab,ob sie einen Arbeitsplatz haben oder nicht. Den Arbeitsplatz schaffen diejenigen, die bereit sind, Risiken einzugehen, und dazu ist ein Mindestlohngesetz der falsche Weg.

Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Posch. – Frau Fuhrmann, es liegt ihrerseits eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor.