Protocol of the Session on September 5, 2007

(Nicola Beer (FDP): Dafür ist es nicht zu spät!)

Entsprechende Vorlagen haben Sie als Mitglieder der Oppositionsfraktionen schon erhalten. Es handelt sich um ein Gesetz zum Kinderschutz.Wenn ich richtig informiert bin, wird dieser Gesetzentwurf im zweiten Plenum im September, also in zwei Wochen, eingebracht.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Rentsch, damit haben Sie die Gelegenheit, den Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode rechtskräftig werden zu lassen. Dann steht der Kinderschutz nicht nur deklaratorisch in der Verfassung, sondern er ist konkret in einem Gesetz verankert und kann umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Wir werden Ihre Initiativen nicht aus inhaltlichen Gründen ablehnen, sondern von dem Ziel geleitet, in der nächsten Legislaturperiode eine grundlegende Reform im Geiste der Enquetekommission durchzuführen. Dazu rufe ich Sie alle auf. Deswegen brauchen wir ein Gesetz zur Stärkung der Kinderrechte, nicht aber einen verfassungsändernden Schnellschuss.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Wintermeyer.

(Axel Wintermeyer (CDU): Antrag auf Abstimmung!)

„Antrag auf Abstimmung.“ Wir lassen aber erst einmal die Frau Sozialministerin reden. – Frau Kollegin Lautenschläger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle, sowohl die verschiedenen Fraktionen des Landtags als auch die Landesregierung, sind uns darin einig, dass Kinder in besonderem Maße unserer Aufmerksamkeit, der Erziehung, der Bildung, der Fürsorge und vor allem auch des Schutzes bedürfen.

Es geht nicht nur um die Fälle, die vor Kurzem bekannt geworden sind. Wenn wir uns erinnern, stellen wir fest, dass einige Fälle schon im Jahr 2006 durch die Presse gegangen sind.Auch damals haben wir schon über den Kinderschutz und seine weitere Verbesserung gesprochen. Jedes Kind muss angemessene Chancen auf Entwicklung, auf Erziehung und auf eine Förderung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit haben.

Die staatliche Gemeinschaft unterstützt die Eltern bei der Erfüllung dieser Pflichten. Gleichzeitig hat sie die Aufgabe, über deren Erfüllung zu wachen. Das heißt, der Staat hat zum Schutz der Kinder ein ganz besonderes Wächteramt auszuüben.

Selbstverständlich fällt darunter alles, was zur Bildungspolitik gehört. Ich will nur darauf hinweisen – Thema Bildungs- und Erziehungsplan –,dass wir tätig waren,was die frühe Förderung aller Kinder und besondere Maßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund betrifft, die in unserer Gesellschaft an vielen Stellen tatsächlich benachteiligt sind.Wir haben Maßnahmen ergriffen und setzen dies als Landesregierung fort.

Wenn wir über den Kinderschutz sprechen,müssen wir sehen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Eltern der Aufgabe der Erziehung ihrer Kinder zum Glück mit großem Engagement widmet. Gleichzeitig zeigen aber die Fälle von Kindeswohlgefährdungen und Kindestötungen, die uns in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt haben, dass der Kinderschutz auf allen Feldern intensiviert und verbessert werden muss.

Die Studien des Robert-Koch-Instituts weisen im Übrigen auch darauf hin, dass nicht nur die Themen Kindeswohlgefährdung, Kindestötung und Verwahrlosung eine Rolle spielen. Diese Untersuchungen und auch Untersuchungen zur Gesundheit der Schüler machen deutlich, dass wir, gerade was die Gesundheit betrifft, eine noch stärkere Förderung der Kinder brauchen.

Das ist unser aller Anliegen, in welcher Form auch immer es in der Verfassung zu verankern ist. Aber es sind sich zum Glück alle einig, dass für den Kinderschutz mehr getan werden muss. Das zeigt z. B – auch unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung – das Thema Gesundheitsförderung von Kindern. Die Enquetekommission hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass wir auf diesem Gebiet eine besondere Förderung von Kindern brauchen, auch damit die Rahmenbedingungen für die Eltern verbessert werden.

Das stellen wir fest, wenn wir über Betreuungsangebote und den Ausbau der Betreuung sprechen. Wir brauchen dies, damit unser Land kinder- und familienfreundlich bleibt. Ich glaube, auch die Zielsetzung, ein familienfreundliches Klima zu schaffen, wird von allen geteilt.

Aber ich will deutlich machen, dass es nicht nur um Zielbestimmungen geht, sondern dass auch umfassende praktische Maßnahmen zugunsten des Kinderschutzes hinzukommen müssen. Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir mit dem Kindervorsorgegesetz einen ganz wichtigen Schritt gehen.Wir haben nämlich sehr frühzeitig gesagt – im Übrigen glücklicherweise schon vor dem Bekanntwerden des Falls Kevin –:Wir brauchen verpflichtende Untersuchungen. Wir brauchen auch beim Gesundheitsschutz mehr. Das alles muss dazugehören.

Ich hoffe, eine breite Mehrheit ist sich weiterhin darin einig, dass wir in der nächsten Zeit genau diese Handlungsansätze weiter umsetzen müssen. Wir haben nämlich leider festgestellt, dass wir dort keine bundeseinheitliche Lösung bekommen. Deshalb befindet sich momentan ein Entwurf für ein Gesetz zur verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung und zum besseren Schutz der Kindergesundheit in der Regierungsanhörung. Daher kann auch hier eine Verbesserung für Kinder erreicht werden.

Dazu gehört neben der verpflichtenden Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen – die zumindest hier eine breite Mehrheit gefunden hat –, dass wir das Netz für Kinder weiter verbessern, z. B. mit dem Leitfaden „Gewalt gegen Kinder“, der in Zusammenarbeit mit Ärzten herausgegeben wird und der Notfallambulanzen und Krankenhäusern, wenn ihnen Kinder mit Verletzungen vorgestellt werden,etwas an die Hand gibt,was ihnen zeigt,woran sie

sich orientieren, was sie machen und an wen sie sich wenden können. Dazu gehört auch, die lokalen Netzwerke weiter zu verstärken. Die Landesregierung muss diese Netze schließen, weil dadurch sehr schnell eine Verbesserung des Kinderschutzes erreicht werden kann.

Wenn wir über die verpflichtende Teilnahme an Kindervorsorgeuntersuchungen sprechen, muss aber auch erwähnt werden, dass es nicht nur um die Verhinderung oder Aufdeckung von Misshandlungen geht, sondern um viel mehr. Es geht nämlich darum, dass Vorsorgeuntersuchungen in erster Linie dazu dienen, die ungestörte geistige und körperliche Entwicklung von Kindern zu begleiten. Neben der Entdeckung von Erkrankungen und angeborenen Fehlentwicklungen gehört auch die Feststellung von körperlichen Fehlentwicklungen dazu, ob es nun um Adipositas, Unterernährung oder motorische Schwächen geht. Auch die kognitive Entwicklung der Kinder gehört dazu. Sie muss ebenfalls verbessert werden.

Die Landesregierung will den Schutz für Kinder schnell und praktisch verbessern: durch das Fortbildungsangebot der Jugendämter im Zusammenhang mit dem Schutz vor häuslicher Gewalt, durch die weiteren Vernetzungsforen Kinderschutz, die in diesem Jahr mit den Jugendämtern stattfinden, durch die Fortbildung von Hebammen zu Familienhebammen und durch die Projekte mit der Hessenstiftung „Keiner fällt durchs Netz“.Auch dort ist man darauf konzentriert, zum Wohl der Kinder vor Ort schnell Verbesserungen des Kinderschutzes einzuführen.

Aber es geht auch um Projekte zur frühen Prävention bei schwangeren Suchtmittelabhängigen, um dort eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Ämter zu gewährleisten. Die vielen Fälle, die in der Öffentlichkeit bekannt werden, sind immer typische Beispiele dafür, dass die Kommunikation – das Netz zum Schutz der Kinder – nicht funktioniert hat.

Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Schritte schnell und konsequent umsetzen müssen, um einen besseren Schutz von Kindern zu gewährleisten,um die Kinder stark zu machen und um hier gemeinsam ein Gesetz zur verpflichtenden Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen verabschieden zu können,damit die Kinderärzte eine bessere Grundlage haben und die Hebammen besser eingebunden sind.

Es geht aber auch darum, dass wir die Kinder besser finden, die von ihren Eltern keine Unterstützung erhalten und bei denen wir erst die Jugendämter und viele andere einschalten müssen, damit sie so gefördert werden, wie es im Sinne dessen ist, was die Redner der verschiedenen Fraktionen hier vorgetragen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,es wird Sie nicht wundern, wenn die Sozialministerin selbstverständlich auch der Auffassung ist – wie wir es mit den Kinder- und Jugendministern schon beschlossen haben –, dass die Verankerung des Kinderschutzes in der Verfassung weiter vorangebracht werden muss. Wir bringen zum einen tagespolitische Initiativen ein, die wir dort weiter umsetzen. Aber selbstverständlich gilt es auch, neben dem Thema Kinder- und Familienland Hessen und den Projekten der Hessenstiftungen, die sich um diese Themen kümmern, dies weiter zu verankern. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es der Respekt vor den parlamentarischen Beratungen gebietet, dass im Parlament entschieden wird, wie die Verfassungsänderungen in einem Bündel aussehen sollen, dass man dies gemeinsam beraten kann und dann hoffentlich auch mit einer großen Mehrheit diese

Themen gemeinsam verabschieden kann. Denn zum Schutz von Kindern müssen wir in dieser Gesellschaft gemeinsam weit mehr tun.

Dazu zählen für mich vor allem all die vielen praktischen Maßnahmen, die wir in den vergangenen Jahren angegangen sind, um die Verhältnisse für die Kinder in unserem Land zu verbessern – für die, die unter Verwahrlosung leiden, für die, die misshandelt werden, aber auch für all die Kinder, die in der Gesundheit gefördert werden müssen, die bei der Sprachentwicklung unterstützt werden müssen, ob im Kindergarten, vor der Schule oder während der Schule, um Barrieren abzubauen. Ich will dick unterstreichen, dass genau diese Bereiche tatsächlich notwendig sind und weitergeführt werden müssen, damit Kinderschutz nicht etwas bleibt, hinter dem sich alle nur versammeln, sondern Kinderschutz und Kinderförderung müssen auch in der Praxis täglich umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Rentsch noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich, dass in der CDU-Fraktion gerade eine solche Unruhe aufgekommen ist. Denn was hier gerade vorgeht, sollte auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU ein bisschen zum Nachdenken anregen. Ich werde dazu gleich noch kommen.

Meine Damen und Herren, das ist heute wieder eine Episode aus dem Stück:Wo nicht CDU draufsteht, dem können wir leider nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Wintermeyer, Ihre Rede hat leider in keiner Weise dem entsprochen, was ich von Ihnen erwartet habe. Denn ich glaube, dass auch Sie gemerkt haben, dass das Thema – da haben Sie Recht, das habe ich gesagt – nicht nur aus aktuellen Gründen Handlungen vom Parlament erfordert, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen. Es ist kein Thema, das wir erst seit zwei Monaten diskutieren, dass es Verwahrlosung, Tötung und Misshandlungen von Kindern gibt. Aber ich sage auch, dass mich die letzten Fälle besonders betroffen gemacht haben. Mich wundert, wenn das bei der Union nicht so sein sollte.

Am meisten ärgert mich,dass Sie gerade beantragt haben, diesen Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Verfassung zur sofortigen Abstimmung zu stellen. Das machen Sie – das sollte man noch einmal erwähnen –,weil Sie nicht wollen, dass ein anderer mit einem solchen Thema nach außen kommt. Sie wollen nur das, wo CDU draufsteht, hier auch zur Abstimmung bringen. Das ist alles andere als parlamentarisch.

(Beifall bei der FDP)

Ich wünsche demjenigen, der möglicherweise demnächst mit der Union koaliert, viel Spaß dabei.Aber das werden wir an einer anderen Stelle noch diskutieren.

Das normale Verfahren wäre gewesen, dass wir diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss überwiesen hätten und dass wir dazu eine Anhörung durchgeführt hätten. Das ist

aus Ihrer Sicht aber nicht sinnvoll, weil Sie einen eigenen Gesetzentwurf einbringen. Herr Kollege Wintermeyer, das Erstaunliche ist – da haben Sie sich gerade selbst dekuvriert, wie Sie vorhin gesagt haben; offenbart, entlarvt, könnte man auch sagen –: Für die Beratung des Gesetzentwurfs der CDU ist genügend Zeit. Es ist auch kein Schnellschuss, obwohl die Frau Ministerin auch aktuelle Beispiele als Anlass genommen hat, um diesen Gesetzentwurf zu begründen. Aber für den Gesetzentwurf der FDP zur Änderung der Hessischen Verfassung ist nicht genügend Zeit. Da widersprechen Sie sich selbst. Das wissen Sie auch.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Wintermeyer, am meisten ärgert mich: Ja, es ist richtig, dass dieses Thema nicht neu ist. Das stimmt. Dieses Thema ist ausgewogen und ausführlich in anderen Bundesländern diskutiert worden. Das ist richtig. Diese Diskussion, die in anderen Bundesländern geführt worden ist, wurde in vielen Fällen auch von der CDU mitgetragen. Auch das ist richtig. Warum also die hessische CDU wieder hinter anderen Bundesländern zurückbleibt, bleibt den hessischen Bürgerinnen und Bürgern sicherlich ein Rätsel. Aber eigentlich wissen wir es ja: Weil nicht CDU draufsteht, können Sie hier auch nicht mitmachen. Ich muss sagen: Ich werde jedem hessischen Bürger und jeder hessischen Bürgerin, die Kinder haben, empfehlen, dass sie bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen, dass die hessische CDU aus wahlkampftaktischen Gründen nicht in der Lage war, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Günter Ru- dolph (SPD))

Für die Union hat Herr Wintermeyer das Wort.

Herr Kollege Rentsch, ich habe mich noch einmal gemeldet, weil ich dachte, vorhin freundlich mit Ihnen umgegangen zu sein.

(Nicola Beer (FDP): Sie wollen die Anhörung verhindern!)

Ich will Ihnen eines sagen – wenn Sie Ihren Kollegen Posch fragen, wird er es Ihnen bestätigen –: Die Fraktionen von SPD und CDU haben damals in der Verfassungsenquetekommission Kinderrechte und Kinderschutz mit eingebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von Ihrer Fraktion kam nichts, gar nichts, kein Antrag auf Änderung dieses Artikels.Das sage ich sehr deutlich.Jetzt kommen Sie auf einmal und wollen eine Änderung.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bleibe dabei: Es ist ein wahltaktisches Manöver, das Sie hier fahren. Lassen Sie mich noch eines dazu sagen – ich will es nicht zu sehr erweitern –:Wahrscheinlich ist Ihnen nicht bekannt, dass eine Verfassungsänderung nach unserer Geschäftsordnung zwingend in drei Lesungen durchgeführt werden muss.Wir bieten Ihnen durchaus an, das Gesetz zum Schutz von Kindern nach der zweiten Lesung abzustimmen und zur Rechtskraft zu erheben. Denn