Protocol of the Session on September 18, 2003

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Nur zur Korrektur: Zu diesem Komplex ist auch Tagesordnungspunkt 78 aufgerufen:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend hessische Gesetzesinitiative „Mehr Arbeit, mehr Geld“ in den Bundesrat – Drucks. 16/550 –

Dieser Entschließungsantrag wurde gerade fälschlich in das Ausbildungspaket gepackt.

Jetzt hat Herr Abg.Brückmann für die CDU-Fraktion das Wort.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das jetzt die Abschiedsrede? – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Mach Schwung hier! – Gegenruf des Abg. Uwe Brückmann (CDU): Ein bisschen Schwung? Das mache ich gerne, extra für Sie, Frau Hinz! – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wunderbar, das freut uns doch!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen erst einmal eines festhalten, Frau SchulzAsche: Die rot-grüne Bundesregierung trägt mit dazu bei, dass wir so eine katastrophale Wirtschafts- und Finanzpo

litik haben. Sie trägt auch die Verantwortung für die desolate Situation auf dem Arbeitsmarkt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich dachte, Sie hätten diese Sprechblase schon in den Papierkorb geworfen!)

Die notwendigen Strukturreformen sind bisher in Berlin verschleppt worden. Wenn Sie die Maßnahmen ansprechen,die die Regierung Koch getroffen hat,dann muss ich Ihnen sagen, dass das die Auswirkungen dessen sind, was in Berlin nicht gemacht worden ist, nämlich eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben. Wir haben in Hessen ein Einnahmeproblem. Die Einnahmeausfälle sind eklatant, sodass auch Hessen bei den Ausgaben kürzen muss. Das ist doch das Problem. Diese desolate Situation besteht auch auf dem Arbeitsmarkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu Rot-Grün in Berlin wird in Hessen gehandelt. „Mehr Arbeit, mehr Geld“ ist das hessische Modell zur aktivierenden Sozialhilfe und Unterstützung des Niedriglohnsektors.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gestern haben Sie hier noch „mehr Arbeit, weniger Geld“ verkauft!)

Das ist unsere Antwort, und ich denke, gemeinsam mit dem Münchner ifo-Institut ist uns doch ein hervorragendes Reformmodell gelungen, das zur Beseitigung der Strukturkrise beiträgt und auf dem Arbeitsmarkt aktivierend eingesetzt wird. Dies ist eine Initiative, um Deutschland aus der derzeitigen Wirtschaftkrise herauszuführen und den erwerbslosen Menschen einen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu zeigen.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Der aktuelle Stand ist: Die unionsregierten Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen haben auf der Ebene des Bundesrates diese Initiative der Hessen aufgenommen, um den Gesetzentwurf Hartz IV für eine Arbeitsmarktreform zu stoppen und durch eine weiter gehende, wirksamere Regelung zu ersetzen. Unter hessischer Federführung wurde ein gemeinsamer Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die umgehende Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gefordert wird.

(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Wir sagen hier noch einmal sehr deutlich: Das Hartz-Konzept ist unzureichend und wird deshalb von uns abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Hartz-Gesetzentwurf zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II ist ein Placebo für die Wirtschaft. Er bringt nur unzureichende Veränderungen im Bereich der Sozial- und Arbeitslosenhilfesysteme und wird die bestehenden strukturellen Verkrustungen nicht aufbrechen. Den Hilfeempfängern werden zu wenige Anreize für eine Arbeitsaufnahme gegeben – das ist das Grundproblem –, und die Regelung zur Anrechnung des erzielten Erwerbseinkommens auf die Hilfeleistungen sind zu restriktiv, sodass es auch in Zukunft attraktiver sein wird, Hilfe zu beziehen, statt zu arbeiten.

Ebenso ist die vorgesehene Kürzung der Hilfeleistung unzureichend, die bei Arbeitsverweigerung greifen soll. Er

forderlich ist nach unserer Auffassung eher eine Verschärfung der Sanktionen, um den Aktivierungsdruck zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU)

Erhebliche Defizite weist die Ausgestaltung der Eingliederungsvereinbarung auf, die als individueller Hilfeplan Pflichten und Rechte des Hilfeempfängers definiert.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung einen grundlegenden Konstruktionsfehler. Der Bundesanstalt für Arbeit soll die Zuständigkeit für die Betreuung und Vermittlung der Empfänger des Arbeitslosengeldes II übertragen werden. Dies führt nach unserer Auffassung zum Aufbau einer Mammutbehörde, die Geld und Personal verschlingt und vor Ort nicht effektiv arbeiten kann, weil sie zu weit von den Menschen weg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP)

Effizienter und effektiver ist es, die Kommunen mit dieser Aufgabe zu betrauen. Sie verfügen im Gegensatz zur Bundesanstalt für Arbeit über Kenntnisse der regionalen Besonderheiten, über Kompetenz in der Betreuung erwerbsloser Hilfeempfänger sowie über Erfahrungen im Umgang mit den vor Ort tätigen Anbietern vielfältiger Beratungs- und Betreuungsleistungen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das war jetzt ein Wunschbild!)

Die Bundesregierung blendet mit neuen Etiketten.So sollen z. B. die Arbeitsämter künftig „Agenturen für Arbeit“ heißen, und aus der Bundesanstalt für Arbeit wird, ganz modern,die „Bundesagentur für Arbeit“.Doch hinter den schönen Namen wird die Bundesanstalt mehr und mehr zu einer Mammutbehörde. „Klienten des Sozialamts der Nation“ – so umschreibt es das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln – sind demnächst nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch die bisher von den Kommunen betreuten erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger und deren Familien,insgesamt etwa 7 Millionen Menschen.Nach Meinung der Kölner Experten ist das aus ordnungspolitischer Sicht abzulehnen und wirkt in höchstem Maße kontraproduktiv gegenüber dem Ziel,die Arbeitslosigkeit durch Strukturreformen deutlich abzubauen.

(Zurufe von der SPD)

Die komplizierten neuen Regeln zur Förderung von Arbeitslosen, die eine Stelle antreten, machen es für viele Betroffenen günstiger, statt einer Vollzeitstelle einen subventionierten Minijob anzunehmen. Damit wird – das muss man hier deutlich sagen – das Prinzip „Fördern und fordern“ nicht konsequent umgesetzt. So lautet auch die Kritik des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.

Das IW hat Recht: alles nur Flickschusterei und nicht durchdacht. Machen Sie den Weg frei. Das ist auch unser Appell an Rot und Grün hier im Landtag. Nehmen Sie Hartz IV vom Markt, und empfehlen Sie der Bundesregierung, unseren Gesetzentwurf anzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Angesichts dieses Beispiels kann ich dem niedersächsischen SPD-Landesvorsitzenden, Wolfgang Jüttner, nur Recht geben, der in der „Spiegel“-Ausgabe der vergangenen Woche wie folgt zitiert wird: „Viele Leute glauben euch Berlinern nichts mehr, trauen euch aber alles zu.“

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Ich denke, das umschreibt die Situation sehr deutlich. Ich will herausheben, dass sich die von der Union regierten Bundesländer nicht auf die Ablehnung des Hartz-Entwurfs beschränken, sondern als alternative Lösung das Hessen-Modell zur Sozialhilfereform fordern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit dem so genannten Existenzgrundlagengesetz ist von der Hessischen Landesregierung ein guter Vorschlag unterbreitet worden. Das Gesetzeswerk weist mit der Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe auf kommunaler Ebene den richtigen und konsequenten Weg.Nur durch die Verzahnung der Reformen bei der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe sowie im Niedriglohnbereich werden auf der einen Seite Bedürftigkeit abgebaut und auf der anderen Seite mehr Wachstum und Beschäftigung geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Das vorgesehene Maßnahmenpaket – mit verschärften Sanktionen im Falle der Arbeitsverweigerung und Zahlung eines Lohnzuschlags bei Arbeitsaufnahme – bewirkt einen höheren Aktivierungsdruck, beschränkt die Möglichkeiten der Schwarzarbeit und führt zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor.Es entsteht mehr Arbeit. Zugleich haben die Betroffenen mehr Geld in der Tasche, wenn sie eine niedrig entlohnte Beschäftigung annehmen, was den Anreiz zur Arbeitsaufnahme deutlich verstärkt.

Ich darf noch einmal zusammenfassen: Der Vorschlag, der jetzt im Bundestag zu diskutieren ist, ist eine wirkliche Strukturreform, stärkt die Binnennachfrage, führt zu höheren Haushaltseinkommen, gerade bei den Beziehern niedriger Einkommen, und trägt dazu bei, dass wieder Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor nach Deutschland zurückkehren. Der Vorschlag führt außerdem zu mehr Dynamik und zu mehr Wachstum für die deutsche Wirtschaft.

Es muss etwas geschehen.Alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden.Mit dem Vorschlag,den wir jetzt vorgelegt haben, gehen wir den richtigen Weg. Die Zeiten der bequemen Hängematte sind vorbei. „Fördern und fordern“ muss in den Mittelpunkt unseres Handelns auf dem Arbeitsmarkt gerückt werden. Die CDU-Fraktion begrüßt noch einmal sehr deutlich und eindringlich den vorgelegten Entwurf.

Wir halten fest: erstens Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe, zweitens finanzielle Anreize zur Förderung des Ausstiegs aus der Sozialhilfe, drittens Gegenleistungen in Form von Arbeit, viertens Abbau von Barrieren, gerade bei Alleinerziehenden z. B. dadurch, dass wir die Kinderbetreuung sicherstellen.

All das sind Faktoren, die wir jetzt auf den Weg bringen. Auch das ifo-Institut sagt, dass wir mit diesem Gesetzentwurf langfristig jährlich 10 Milliarden c einsparen werden. „Mehr Arbeit, mehr Geld“ – das hessische Modell zur aktivierenden Sozialhilfe und zur Unterstützung des Niedriglohnsektors wird dazu beitragen, Deutschland aus der Wirtschaftskrise herauszuführen und erwerbslosen Menschen einen Weg aus der Arbeitslosigkeit aufzuzeigen. „Fördern und fordern“ muss in den Mittelpunkt des Handelns auf dem Arbeitsmarkt gerückt werden. Insofern noch einmal der herzliche Appell an SPD und GRÜNE: Stimmen Sie unserem Entwurf zu, damit sich

endlich etwas bewegt. Ich denke, Rot-Grün in Berlin braucht unbedingt Dampf.

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Ich komme zum Schluss. – Letzte Rede, letzte Plenarsitzung: Ich darf mich für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken und sage Auf Wiedersehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Herr Kollege Brückmann, da wir sehr lange zusammen gearbeitet haben,darf ich Ihnen auch von dieser Stelle aus viel Erfolg in Ihrer neuen Position wünschen.

Jetzt spricht Frau Abg. Fuhrmann für SPD-Fraktion.

Herr Kollege Brückmann, ich bin von Kollegen meiner Fraktion gebeten worden,mitzuteilen,dass sich deren Applaus auf Ihren letzten Satz bezog. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute. Das habe ich Ihnen auch persönlich schon gesagt.