Frau Schulz-Asche, das, was die GRÜNEN hier als neue Botschaft verkauft haben, ist ursprünglich eine Forderung der FDP. Darüber freuen wir uns. Es gilt immer wieder: Bei uns nachlesen heißt lernen.
Eines ist völlig klar: Nur wenn die beiden Partner die gleichen Möglichkeiten haben und keiner der Partner versucht, den anderen zu übervorteilen, wird dieses Projekt gelingen können. Vor allem muss man dabei bedenken, dass die Kommunen an den Menschen einfach näher dran sind. Sie müssen sich einbringen können. Es darf nicht darum gehen, nur Nürnberger Bürokratie umzusetzen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat den Kampf um die Vorherrschaft bei den Jobcentern schon aufgenommen. Das hat nicht nur etwas mit der Gesetzeslage zu tun. Sollte nämlich die Gleichberechtigung durchgesetzt werden, muss dies auch für die Praxis gelten.Wenn es von Nürnberg aus zu Aktivitäten kommt, dann doch immer nur auf den Feldern, auf denen sie nichts zu suchen hat.Auch Herr Gerster hat diesen Moloch bisher nicht in den Griff bekommen. Es gibt die althergebrachten Machtspielchen, die die Kommunen jetzt zu spüren bekommen werden. Dies wird sicherlich auch nicht besser werden, wenn dieser Apparat durch weitere Tausende hoch motivierte Arbeitsvermittler ergänzt wird.
Der „schöne“ Satz aus Nürnberg: „Das Einzige, was uns hier noch stört, sind die Arbeitslosen“, ist leider immer noch aktuell. Wenn man dieses Problem nicht endlich in den Griff bekommt, wird auch dieser Punkt des HartzKonzeptes an der Realität der deutschen Bürokratie scheitern.
Ein weiterer wichtiger Punkt besteht darin,dass sich diese neue einheitliche Leistung in ihrer Höhe an geltenden Sätzen der Hilfe zum Lebensunterhalt orientieren wird. Diese Leistung muss für arbeitsfähige Empfänger so ausgestaltet sein, dass sie Anreize zur Aufnahme von Arbeit auch aus dem Niedriglohnsektor schafft.
Danke schön. – Das wird mit der Stärkung der Bereitschaft der Anspruchsberechtigten einhergehen, sich auch wirklich um Arbeit zu bemühen. Es muss der Grundsatz gelten, dass es keine Leistung ohne die Bereitschaft zur Gegenleistung geben darf.
Bisher mussten die Ämter den Beweis erbringen, dass ein Hilfeempfänger arbeitsfähig ist. Die Beweislast muss umgekehrt werden. Sie muss beim Antragsteller liegen. Er sollte nunmehr beweisen müssen, dass er eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen kann. Das wäre nicht nur von der Sache her richtig. Vielmehr würde dies auch einen deutlich geringeren Verwaltungsaufwand bedeuten. Die Praxis hat gezeigt, dass es bisher oft nicht möglich war, dem Antragsteller die nicht vorhandene Bereitschaft zur Aufnahme von Arbeit nachzuweisen.
Ebenso richtig und wichtig ist es, dass mögliche Einsparungen, die sich durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ergeben könnten, den Kommunen verbleiben würden. Es kann doch nicht sein, dass die Kommunen, die gute Arbeit leisten, bestraft werden und die eingesparten Mittel noch an den Bund abführen müssen.
Gerade angesichts der schwierigen und von uns allen diskutierten Finanzlage der Kommunen wäre es von entscheidender Bedeutung, den Kommunen einen Anreiz zu geben, sich um dieses Projekt zu bemühen.
Wir Liberalen setzen große Hoffnung in die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Aber auch wir wissen, dass dies nicht das erste Projekt des Hartz-Konzeptes wäre, das nicht oder nur schlecht umgesetzt wird. Aber auch bei diesem Punkt geben wir die Hoffnung nicht auf. Vielleicht erfüllt der Bundeskanzler einmal eines seiner Wahlversprechen und kümmert sich wirklich um die Menschen dieses Landes. – Vielen Dank.
Herr Rentsch, vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Frau Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das nächste Mal ziehe ich etwas höhere Schuhe an, dann bin ich mit dem Absenken des Rednerpultes etwas schneller fertig.
Herr Rentsch, ich danke Ihnen für Ihre Rede. Ich fand sie sehr interessant. Sie ist auch sicherlich dafür geeignet, dass Sie als Vorsitzender der Jungen Liberalen wieder gewählt werden.
Sie haben natürlich Recht: Hier besteht quer durch alle Fraktionen weitgehend Konsens darüber – dies ist auch auf bundespolitischer Ebene so –, dass die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe notwendig ist und im Interesse der Menschen liegt, die diese Leistungen in Anspruch nehmen.
Natürlich gibt es hinsichtlich dieser Frage auch wesentliche Meinungsunterschiede. Ich denke, diese sind deutlich geworden. Das ist aber in einem demokratischen Verfahren normal.
Gerade auch in diesem Bereich erleben wir wieder die typische Blockadepolitik des Herrn Koch. Herr Rentsch, darauf sind Sie leider nicht eingegangen. Diesmal ist das Mittel der Entwurf zum Existenzgrundlagengesetz.
Herr Koch, darin liegt Zynismus. – Ich sage dazu jetzt erst einmal nichts weiter. Er ist im Moment nicht hier im Raum. Hier taucht aber immer wieder mal jemand auf. – Man muss den Entwurf dieses Existenzgrundlagengesetzes im Zusammenhang mit den Schlagwörtern sehen, die Sie zu diesem Gesetzentwurf verbreitet haben. Diese lauten: mehr Arbeit, mehr Geld. – Gerade gestern haben Sie für Hessen aber mitgeteilt, dass Sie im Rahmen Ihres Sparpaketes die Förderung der Hilfe für Arbeitsuchende in besonderen sozialen Lagen auf null setzen wollen.
Auf Bundesebene blockieren Sie die Verabschiedung von Gesetzentwürfen. Gleichzeitig stellen Sie alle Maßnahmen ein, die hier in Hessen Unterstützung bieten.
Meine Damen und Herren, Ihr Motto heißt in Wirklichkeit: mehr Arbeit für die Helfenden und weniger Geld für die Hilfsbedürftigen. – Das ist Ihre Sozialpolitik, die Sie hier in Hessen machen. Dies führt zu einer langfristigen Ausgrenzung der Betroffenen aus dem Arbeitsmarkt. Sie wollen die Angebote zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung streichen. Sie wollen eine Subventionierung der Unternehmen bei Niedriglöhnen. Dies steht im Gegensatz zu den Herausforderungen, die der moderne Arbeitsmarkt stellt. Wir werden alles versuchen, dass Sie die Zerstörung der sozialen Infrastruktur in Hessen nicht auch noch mit einer Blockadepolitik auf Bundesebene verbinden.
Unser Interesse als GRÜNE ist im Prinzip die Lösung von zwei Fragen. Erstens. Wie kann dem einzelnen Menschen, der hilfebedürftig ist, möglichst umfassend und bedarfsgerecht geholfen werden? Zweitens. Wie kann Unterstützung von Arbeitslosenhilfeempfängern und erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern aus einer Hand angeboten werden? – Wenn wir über notwendige Sozialreformen reden, dann sind das unsere Leitfragen und nicht: Wie kann man sich am besten als Kanzlerkandidat in Startposition bringen?
Ich betone das auch deswegen immer wieder, weil das Thema wirklich ernst ist.Wir haben auch zu beachten,was es für den einzelnen Menschen zu bedeuten hat, der davon betroffen ist. Viele Menschen spüren zunehmend diese Blockadepolitik und die Unfähigkeit auf Bundesebene, Reformen durchzusetzen, aufgrund Ihrer Politik. Unser Antrag versucht deshalb, die Landesregierung endlich zu einem konstruktiven Verhalten bei den Sozialreformen zu verpflichten.
Aus grüner Sicht sind die von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe – die Hartz III und IV genannt werden, weil sie sich in den Reformenkomplex des letzten
Jahres einbinden – ein wesentlicher Schritt zur aktivierenden Grundsicherung von Arbeitsuchenden.Wir begrüßen in den Entwürfen natürlich die Erfolge unserer grünen Verhandler, sozusagen unabhängig von der Frage, wer als Erster auf die Idee gekommen ist. Aber z. B. der Einstieg in die Kindergrundsicherung ist ein grünes Thema, das Ende der Verschiebebahnhöfe zwischen Kommunen und Arbeitsamt, der Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger und die Einbindung der Kommunen, die allerdings – Herr Rentsch hat es bereits angesprochen – auch uns nicht weit genug geht und wo es auch von uns weiteren Diskussionsbedarf gibt.
Zu dem im Bundestag vorgelegten Gesetzentwurf haben wir selbst parlamentarischen Nachbesserungsbedarf angekündigt, und das – jetzt komme ich auf den Schwerpunkt, den auch Herr Rentsch gesetzt hat – insbesondere in Bezug auf Bürgernähe und Bürgerorientierung der Organisation der Jobcenter.
Hören Sie doch auf, immer dazwischenzureden. – Meine Damen und Herren, wenn man die Diskussion verfolgt, dann stellt man fest, dass der Städtetag der Meinung ist, die Bundesanstalt für Arbeit sei geeigneter. Der Landkreistag meint, die Kommunen seien geeigneter. Alle haben unterschiedliche Meinungen, natürlich auch je nach Problemlage in den östlichen und den westlichen Bundesländern.Wir haben eine Vielzahl von Einschätzungen und natürlich die Situation, dass Herr Koch genau der entgegengesetzten Meinung wie die Bundesregierung ist.
Wir wissen aber, dass es viele Kommunen gibt, die gerade bei den Jobcentern über gute Erfahrungen verfügen. Es gibt sie in kommunaler und privater Trägerschaft.Wir wissen auch, dass es Kommunen gibt, vor allem auch in östlichen Bundesländern, die über wenig Erfahrung in diesem Bereich verfügen,wo kaum Kompetenzen vorhanden sind oder die nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um es umzusetzen. Ebenso haben wir eine Reihe von sehr positiven und sehr negativen Erfahrungen dort, wo wir Jobcenter in Trägerschaft der Arbeitsämter haben. Wir haben natürlich auch – das muss man doch einfach eingestehen – in Hessen bereits existierende Kooperationsformen zwischen den Kommunen und den Arbeitsämtern.
Unser Vorschlag ist daher: Lassen Sie uns einfach mit normalem Menschenverstand und pragmatisch an die Sache herangehen. Es kann doch nicht sein, dass erfolgreiche Strukturen zerstört werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass überall erfolgreiche Strukturen gestärkt oder aufgebaut werden können. Das heißt, dass einerseits die Kommunen gestärkt werden müssen, dass aber auch das sozialpolitische Engagement des Bundes in der Beschäftigungspolitik erhalten bleiben muss, vor allem auch, um die Kommunen in ihrer begleitenden Tätigkeit beim Aufbau der notwendigen Infrastruktur zu unterstützen.Dabei liegt mir besonders die Betreuung von unter Dreijährigen
Ich möchte Sie wirklich bitten, diesen Zusammenhang zu sehen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir beim Sparpaket der Hessischen Landesregierung eine Streichung der Berufseingliederungsmittel für Frauen von 100 % zu verzeichnen haben. Diese Gesetze stehen in direktem Zusammenhang mit dem hessischen Sparpaket, und wir sollten das nie vergessen.
Wenn wir also bundesgesetzliche Voraussetzungen brauchen, um eine vernünftige Organisation der Jobcenter vor Ort zu erreichen, dann brauchen wir auch eine Kooperation auf lokaler Ebene. Wir brauchen bundesgesetzliche Voraussetzungen, die diese Formen ermöglichen, z. B. in Gestalt von GmbHs. Die Variante, nur die Kommunen oder nur die Bundesanstalt für Arbeit zu beauftragen, ist vor dem Hintergrund der bereits existierenden Strukturen absurd.
Meine Damen und Herren,das Thema ist einfach zu ernst, um es zum Handelsobjekt auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten verkommen zu lassen. Das sage ich gerade auch mit Blick auf den Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom letzten Samstag. Denn wir wissen seit diesem Sommer in Bezug auf den so genannten Gesundheitskonsens: Große Koalitionen sind nicht umfassend reformfähig.Wir brauchen pragmatische Lösungen für die Menschen, und dafür werden wir GRÜNEN uns hier im Landtag und im Bundestag einsetzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.