Protocol of the Session on July 4, 2007

Wenn wir über eine Änderung des Versorgungsrechts sprechen, dann sind wir – Stand von heute – nach meiner Kenntnis das einzige Land, das diesen Weg gehen will. Der Bund hat diese Forderung gerade abgelehnt. Eine Trennung der Systeme bedeutet nämlich, wie es der Kollege Hahn skizziert hat, dass die betroffenen Beamten in einer für das Beamtenrecht eine völlig neue Konfiguration darstellenden Weise behandelt werden. Bisher ist ein

Beamter ein Lebenszeitbeamter. Das Alimentationsprinzip bedeutet: Der Staat verspricht ihm, ihn auf Lebenszeit zu versorgen, und der Beamte verspricht, auf Lebenszeit treu zu dienen, im aktiven Dienst in besonderer Weise. – Wer von diesem Prinzip abweichen will, der kann das nicht in zwei Zeilen skizzieren, sondern der muss viele Konsequenzen beachten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Deshalb habe ich gesagt:in aller Ruhe – aber dringlich!)

Damit kommen wir ganz schnell in einem Bereich, der besonders kompliziert ist. Die Wahlbeamten sind vom Volk oder von einer Vertretungskörperschaft gewählt worden. Sie haben einen eigenen Status, aber generell gesehen fallen sie unter das Beamtenrecht. Daraus ergibt sich eine sehr schwierige Gemengelage.Wenn wir an eine Trennung der Systeme herangehen – hierüber scheint in diesem Hause eine gewisse Übereinstimmung zu bestehen –, müssen wir sagen: Während des aktiven Dienstes erwirbt ein solcher Beamter einen Anspruch für die Zeit des Ruhestands, und in der Zwischenzeit erwirbt er weitere Ansprüche. Diese Ansprüche werden kumuliert.

Wenn wir diesen Weg gehen, müssen wir uns zwingend z. B. um die berühmten Vordienstzeiten kümmern: KannZeit, Soll-Zeit, Ist-Zeit. Ich bin da sehr kundig. Es sind viele in diesem Saale, die ich persönlich diesbezüglich beraten habe.Dann stellt sich die Frage:Was machen wir mit den Studienzeiten und mit Zeiten anderweitiger Tätigkeiten?

Wer das Problem kennt, kommt in dem Fall des Landrats, um den es hier geht, wie auch in anderen Fällen zu folgendem, aus meiner Sicht nicht vertretbaren Ergebnis: Dieser Mann würde nicht nur die Ansprüche verlieren, die er während seiner Zeit als Landrat erworben hat, sondern er würde aufgrund des geltenden Versorgungsrechts auch seine gesamten Versorgungsansprüche verlieren, die er zuvor als Bürgermeister und anderweitig erworben hat. Das kann nicht richtig sein, aber so ist die Gesetzeslage.

Das wollen wir ändern. Das können wir aber erst ändern, seit wir die Kompetenz dafür haben. Diese Kompetenz haben wir durch die Föderalismusreform erhalten. Dem Ergebnis der Föderalismusreform haben nicht alle Parteien zugestimmt. Das muss man fairerweise auch einmal sagen. Erst seit diesem Jahr sind wir überhaupt in der Lage, eigenständig diesbezügliche Regelungen zu treffen. Das werden wir tun, und das halte ich für richtig.

Letzte Bemerkung: Ich halte den Antrag der SPD-Fraktion für nicht wirklich zielführend. Wenn ich den Gesetzentwurf, den Sie eingereicht haben, wörtlich nehme, bedeutet das, dass kein kommunaler Wahlbeamter – wirklich gar keiner – jemals aus besonderen Gründen beurlaubt werden könnte. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Es gab in der Vergangenheit gute Gründe,erfahrene kommunale Wahlbeamte aus verschiedensten Gründen zu beurlauben – um z.B.in internationalen Organisationen mitzuarbeiten oder im Rahmen einer Aufbauhilfe bestimmte Aufgaben wahrzunehmen.Der prominenteste Fall in Hessen – das war auch in den Zeitungen immer wieder zu lesen, deshalb darf ich daran erinnern – ist der des ehemaligen Frankfurter Kämmerers, Tom Koenigs. Er ging zur UNO, wurde Verwalter für das Kosovo und ist mittlerweile in Afghanistan tätig. Ich hätte noch mehr Beispiele parat. Ich halte das jetzt aber kurz. Ich halte es für klug,

wenn jemand, der Verwaltungs- und Führungserfahrung hat, im Rahmen solcher Aufgaben tätig werden kann.

(Günter Rudolph (SPD): Er war aber nicht direkt gewählt!)

Aber Ihr direkter Beigeordneter ist doch auch weggegangen. – Wir müssen ehrlich fragen: Wenn wir in bestimmten Ländern der Welt in vielfältigen Situationen für eine gewisse Zeit erfahrene Kräfte einzusetzen wollen, können wir die zur Mitarbeit bewegen, wenn wir sagen: „Wir wollen, dass du Aufbauhilfe leistest, wir wollen, dass du deutsche Interessen in multinationalen Einrichtung vertrittst, aber das darfst du nur tun, wenn du deine Versorgungsbezüge verlierst“?

(Günter Rudolph (SPD): Es besteht also Regelungsbedarf, einverstanden!)

Deshalb scheint mir der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht zielführend zu sein. Die Angelegenheit in WaldeckFrankenberg wird durch ein Gericht zu beurteilen sein. Die Maßnahmen der Landesregierung haben von den vier Fraktionen Zustimmung erfahren. Ich denke, das reicht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Danke sehr, Herr Minister. – Herr Kahl, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme Ihnen zu, Herr Minister: Man kann über die Versorgungsregelungen in aller Ruhe reden. Man muss zu Veränderungen kommen. Das wird man in diesem Jahr nicht mehr schaffen. Deshalb hat die SPD-Fraktion dazu auch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Da sind wir uns einig.

Ihre Entscheidung, den Beschluss des Kreisausschusses aufzuheben, findet sicherlich breite Zustimmung. Das sage ich sehr klar. Ich hatte eigentlich vor, an dieses Pult zu treten und Ihnen zu sagen, dass wir die Art und Weise, wie Sie mit dem Fall umgegangen sind, positiv sehen und ausdrücklich würdigen –

(Günter Rudolph (SPD): So weit würde ich gar nicht gehen!)

bis auf den Punkt, dass Sie gesagt haben, dass alle ihn loswerden wollen. Dazu sage ich gleich etwas.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Da hat er aber Recht gehabt! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das heißt, unsere Zustimmung zu dieser Entscheidung ist eindeutig. Sie ist auch deshalb eindeutig, weil meine Fraktion im Kreistag den Antrag gestellt hat, in dem Ihre Entscheidung ausdrücklich begrüßt wird. Dieser Antrag hat leider keine Mehrheit gefunden.

(Minister Volker Bouffier: Den haben meine Freunde nicht mitbeschlossen!)

Dem haben Ihre Freundinnen und Freunde leider nicht zugestimmt. Frau Ravensburg musste den Saal wegen

Nichtzuständigkeit sogar verlassen. Ich weiß nicht, warum.

Ich möchte auch hier ausdrücklich betonen, dass die Gespräche mit Ihrem Haus in dieser Frage sehr konstruktiv waren.

(Minister Stefan Grüttner: Jetzt wird es verdäch- tig!)

Herr Staatsminister Grüttner, es muss doch möglich sein, dass man sich über Sachfragen unterhalten kann.

(Minister Stefan Grüttner: Mit dem Volker immer! – Große Heiterkeit bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Mit dem Grüttner ist das schwieriger!)

Sie sagen, alle wollten, dass er geht. Auch dieser Satz stimmt.Aber die sozialdemokratische Fraktion hat immer gesagt:auf rechtlich einwandfreiem Weg.– Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir im Kreisausschuss einen Änderungsantrag gestellt haben, war selbstverständlich, weil wir nämlich ausschließen wollten, dass er eine privatrechtliche Tätigkeit aufnimmt.Wer sagt Ihnen, dass wir dem Antrag insgesamt zugestimmt hätten, wenn dem zugestimmt worden wäre? Das ist doch reine Spekulation.Wir sind schlicht dagegen, dass das in der Form angewandt wird.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt rede ich über den Punkt, den wir hier vortragen wollen. Der Fall Eichenlaub ist kein Einzelfall, sondern Sie sehen, dass es erhebliche Interpretationsschwierigkeiten gibt.Wir haben folgende Situation,Herr Minister:Die Urlaubsverordnung war längst verabschiedet, bevor es eine Direktwahl der Landräte und Bürgermeister gab.Wir haben in der Hessischen Gemeindeordnung Funktionen festgelegt, die nur auf direkt Gewählte bezogen sind. Ich nenne in diesem Zusammenhang die ausschließliche Zuständigkeit eines direkt Gewählten für die Geschäftsverteilung, außerdem ein eigenes Antrags- und Initiativrecht, ein eigenes Beanstandungsrecht und – qua Amt – die Mitgliedschaft in bestimmten Gremien, über die wir an anderer Stelle geredet haben.

Herr Minister, die spannende rechtliche Frage ist doch – diese Frage müssen Sie sich stellen –:Sind die Funktionen, die nur einem direkt Gewählten zugeordnet sind, für 20 Monate auf einen nicht direkt Gewählten übertragbar? Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Deswegen können wir darüber diskutieren, ob wir unseren Antrag an der Stelle ein Stück weit korrigieren müssten, indem wir sagen, das betrifft nur direkt Gewählte. Darüber kann man reden.Aber die Frage, ob Funktionen, die nach der Hessischen Gemeindeordnung nur ein direkt Gewählter innehat, übertragbar sind, wenn man dem direkt Gewählten 20 Monate Urlaub gewährt, ist eine spannende rechtliche Frage.Diese Frage müssen Sie sich schon stellen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Für einen Juristen ist das nicht spannend!)

Wir haben immer gesagt: Es darf sich höchstens um eine gewisse Zahl von Monaten handeln – entsprechend Ihrer Vorgabe im Vergleichsfall Mutz –, außerdem muss ein öffentliches Interesse gegeben sein. Darüber kann man an

dieser Stelle reden. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg sagt aber der Erste Kreisbeigeordnete, seines Zeichens Verwaltungsjurist: Es interessiert uns nicht, dass ein öffentliches Interesse gegeben sein muss. – Er behauptet, auch ein persönliches Interesse reiche aus. Mit anderen Worten: Wenn der Landrat den Antrag gestellt hätte, bei der Verpackungsindustrie eine Geschäftsführerstelle übernehmen zu dürfen, was er eigentlich hätte tun wollen, hätte der Kreisausschuss unter Leitung des Ersten Kreisbeigeordneten als amtierendem Vorsitzenden diesem Antrag zugestimmt.Wenn das so ist, dann muss es hier unserer Auffassung nach zumindest eine Klarstellung geben.

Herr Kollege, jetzt ist Ihre Redezeit abgelaufen.

Deswegen sage ich an dieser Stelle sehr klar: Wegen der Funktion eines direkt Gewählten und wegen des öffentlichen Interesses muss über die Urlaubsverordnung diskutiert werden. Dazu haben wir einen Vorschlag gemacht. Über diesen Vorschlag kann man entscheiden.

Meine Damen und Herren, im Übrigen kann ich nur jedem empfehlen,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Fahrt nicht ins Burgenland!)

sich in dieser Frage auf das zu beziehen, was der hessische Innenminister im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidenten entschieden hat. Alle, die diese Provinzposse – das muss man wirklich sagen – vor Ort weiter vertreten, erreichen nur, dass im Grunde genommen die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt gefährdet wird. Meine Damen und Herren, deswegen muss es darauf ankommen – –

Herr Kahl, bitte.

Deswegen muss es im Interesse der Politik darauf ankommen, dass solche Fälle nicht mehr auftauchen. Das wäre der richtige Ansatzpunkt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Frömmrich, Sie haben noch einmal das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war jetzt noch einmal die Kreistagsrunde!)