Protocol of the Session on July 4, 2007

den. Aber eines ist falsch in der Situation: dass wir am Schluss zu viel Zeitdruck dabei haben. Wir müssen schon frühzeitig das Signal setzen, in welche Richtung es geht.

Denn eines ist klar:Wenn das Gesetz in der jetzigen Form weiter gilt und die Aufgabe automatisch an die örtlichen Träger geht, dann müssen sie sich, wenn es so der Fall wäre, auf diese Aufgabe vorbereiten. Das kann ich doch nicht von heute auf morgen erwarten. Deswegen sollten wir eine klare Position beziehen.

Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen schon sehr dankbar, wenn Sie darstellen, ob in dieser klaren Frage auch die Landesregierung eine Position hat. Ich meine, sie kann fachlich gar keine andere haben als das, was durch viele Gespräche deutlich geworden ist, was durch Kienbaum deutlich geworden ist.

Eines ist klar: Wir brauchen in der Behindertenhilfe keinen Verschiebebahnhof. Jeder örtliche Träger wird sich immer die Frage stellen, dass er selbst bezahlen muss, wenn er deutlich ausbaut.Wenn er aber nicht ausbaut, bezahlt es der Landeswohlfahrtsverband, indirekt natürlich auch sie mit der Umlage, aber erst bezahlt es die größere Solidargemeinschaft, und das kann im Interesse der behinderten Menschen nicht der richtige Weg sein.

Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Keiner denkt daran, die übrigen ambulanten Hilfen auf der Ebene des Landeswohlfahrtsverbandes zentralisieren zu wollen. Die gehören dorthin, wo sie derzeit sind. Damit gibt es überhaupt keine Probleme. Aber ich glaube schon, Herr Staatssekretär,es wäre im Interesse der Betroffenen wichtig, dass Sie als Fachministerium dazu eine Position beziehen. Dazu möchte ich Sie gerne auffordern.Aber wir werden gemeinsam die Anhörung durchführen, und ich gehe davon aus, dass sich das Sozialministerium dann fachlich dazu äußert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kahl. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit hat die erste Lesung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Drucks. 16/7495, stattgefunden.

Es wird vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der Demokratie auf kommunaler Ebene – Drucks. 16/7499 –

Zur Einbringung hat Herr Kollege Rudolph das Wort.Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzminister hat vermutlich ein bisschen spaßhaft den Innenminister gefragt: Wer ist der Herr Eichenlaub? – Den nennt man gelegentlich in Fachkreisen auch Landrat Eigenlob. Aber gut, das ist in der Tat ein interessanter Fall.

Meine Damen und Herren, wir haben heute einen Gesetzentwurf eingebracht, weil die SPD-Fraktion Konsequenzen aus dem Vorgang Eichenlaub ziehen will. Wir wollen, dass kein Sonderurlaub mehr für Wahlbeamte möglich ist. Das ist die Quintessenz aus den merkwürdigen, kuriosen und nicht mehr nachvollziehbaren Vorgängen, aus dem, was sich in dem wunderschönen Landkreis Waldeck-Frankenberg abspielt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr gut!)

Das, was die Mehrheit aus CDU, FDP und FWG in den letzten Wochen praktiziert hat, hätte ich nicht für möglich gehalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Dietzel, Sie sind nicht im Kreistag, aber ein bisschen muss ich Sie schon mit verhaften bei dem, was da passiert, weil Sie politisch durchaus eine wichtige Rolle spielen.

(Gerhard Bökel (SPD): Der Minister ist im Kreistag? – Gegenruf des Ministers Wilhelm Dietzel: Nicht mehr!)

Die Vorgänge um Herrn Eichenlaub und seinen beantragten Sonderurlaub weiten sich immer mehr zu einem Skandal aus. Herr Eichenlaub will 20 Monate vor Ablauf seiner Amtszeit Sonderurlaub bekommen, um in die Privatwirtschaft zu wechseln. Begründet wurde die Entscheidung im Kreisausschuss Waldeck-Frankenberg damit, dass ein öffentliches Interesse vorliege, das die Gewährung des Sonderurlaubes zwingend notwendig mache. Diese Argumentation ist geradezu abenteuerlich, um nicht zu sagen, lächerlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und das nur, weil jemand amtsmüde ist. Das ist auch offensichtlich. Das ist auch schon durch die Presse gegangen, und Herr Eichenlaub hat es selbst gesagt: Bei wichtigen Entscheidungen habe er keine Mehrheit mehr im Kreistag. Zu gut Deutsch: Er hat noch nicht einmal – Herr Kollege Heidel, Sie sind im Kreistag – eine Mehrheit in seiner eigenen Koalition.Nur weil er damit unfähig ist,Politik zu gestalten, hat er keine Lust mehr. 20 Monate vor Ende seiner Amtszeit will er in die Privatwirtschaft wechseln,um ordentlich Kohle zu machen.Das soll er auch tun, aber klar ist auch:mit allen Konsequenzen,die sich daraus ergeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit es ja keinen Verlust bei den Versorgungsansprüchen gibt, hat man die Nummer mit dem berühmten Sonderurlaub gefunden. Mit dieser Haltung und auch den fehlerhaften Beschlüssen der Gremien in Waldeck-Frankenberg, dieser Koalition aus CDU, FPD und FWG, wird dem Instrument der Direktwahl ein schwerer Schaden zugefügt.

Meine Damen und Herren,Herr Eichenlaub ist – ich muss es zugeben – beim letzten Mal knapp noch einmal von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden. Ein Großteil wollte ihn schon nicht mehr, gerade im Altkreis Frankenberg. Als Belohnung ist er in diese Kommunen schon gar nicht mehr hineingegangen, hat dort keine Termine mehr wahrgenommen. Er spielt auch noch die beleidigte Leberwurst.Aber das ist eine andere Geschichte.

Herr Eichenlaub ist bis zum 31.12.2009 gewählt worden, und die Bürgerinnen und Bürger in Waldeck-Frankenberg können zu Recht erwarten, dass ein direkt gewählter Landrat seinen Verpflichtungen gegenüber den Wahlbürgern nachkommt – relativ klar, aber auch relativ eindeutig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man nicht einmal eben abstreiten und sagen:Ich habe keine Lust mehr, ich will Sonderurlaub, damit ich keinen Euro weniger Versorgungsansprüche bekomme. – Ein solches Vorgehen führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust der Politik insgesamt, nur weil man aus egoistischen Eigeninteressen handelt.

Zu Recht hat der RP in Kassel in enger Abstimmung mit dem Innenminister die Entscheidung des Kreisausschusses Waldeck-Frankenberg als fehlerhaft aufgehoben. Da es öffentlich war, kann man auch daraus zitieren. Der Regierungspräsident führt aus, dass die Bürgerinnen und Bürger davon ausgehen können, dass der Kandidat für das zu wählende Amt im Regelfall auch die ganze Amtszeit zur Verfügung steht. Diese Erwartung kann insoweit die Wahlentscheidung maßgeblich beeinflussen.

Ich glaube, sowohl das Regierungspräsidium als auch der Innenminister – erneute Übereinstimmung, Herr Bouffier, zwischen Ihnen und uns –

(Minister Volker Bouffier: Das wird ja unheimlich!)

haben zu Recht eine missbräuchliche Entscheidung aufgehoben. Meine Damen und Herren, das war richtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sollte man glauben, die Koalition aus CDU, FDP und FWG in Waldeck-Frankenberg hätte daraus etwas gelernt. Weit gefehlt. Da wird der Vorsitzende der kleinsten Fraktion – ich nehme an, das ist die FDP – –

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nein!)

Dann ist es die FWG.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die Schärfe ist misslungen!)

Die FWG macht sich auch größer, als sie tatsächlich ist. Herr Hahn, dann stimmen wir jetzt wieder überein.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dieser Vorsitzende,Herr Graf,schreibt in der Zeitung,die moralische Bewertung des Urlaubsantrages sei in der Öffentlichkeit hochgespielt worden. Dann heißt es, die Beanstandung des Beschlusses sei auch falsch. In Kassel und Wiesbaden wolle man unwissend bleiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das erinnert mich an den bekannten Geisterfahrer. Er fährt falsch, und es kommen ihm Tausende entgegen. Er sagt: Menschenskind, das kann gar nicht sein. Ich fahre richtig, und alle anderen Tausend fahren falsch.

(Zuruf von der CDU: Der war nicht neu!)

Ja, aber Sie sehen, in Waldeck-Frankenberg ist das noch gar nicht angekommen, Herr Kollege Klee. Das macht es nicht besser.

Meine Damen und Herren, jetzt setzt die Koalition in Waldeck-Frankenberg dem Ganzen die Krone auf und will dagegen klagen, was kein normaler Bürger verstehen kann. Im Ergebnis führt das zu einem Vertrauensverlust in die Politik in Gänze, und das ist das eigentlich Verwerfliche. Nur weil irgendjemand keine Lust mehr hat, nicht in der Lage ist, vernünftige Entscheidungen hinzukriegen, einen lukrativen Job in der Wirtschaft annehmen will, soll hier das Instrument der Direktwahl missbraucht werden.

Ich hätte jetzt Ihren Zwischenruf erwartet.Dann stelle ich die Frage gleich selbst und beantworte sie: In Gießen ging es um Herrn Mutz.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ah!)

Sehen Sie, Herr Hahn, ich wusste, es kommt irgendetwas. Aber auch da bin ich, wie immer, gut vorbereitet. – Die SPD hat damals dem Sonderurlaub nicht zugestimmt. Die Entscheidung, etwas zu gewähren, war damals genauso falsch.

Meine Damen und Herren,die Konsequenz ist relativ eindeutig.Wenn Herr Eichenlaub keine Lust mehr hat, dann soll er gehen, mit allen Konsequenzen, auch mit versorgungsrechtlichen Abschlägen. Dies ist nachvollziehbar.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Das gilt dann quer durch alle Parteien. Die Entscheidung macht das nicht besser, Herr Kollege Heidel. Deswegen brauchen Sie hier nicht zwischenzurufen. Solche Entscheidungen in Bezug auf die Direktwahl haben klare Konsequenzen.

Meine Damen und Herren, deswegen ist unser Gesetzentwurf konsequent und folgerichtig. Wir wollen für Wahlbeamte nicht mehr die Möglichkeit eröffnen, Sonderurlaub zu beantragen. Im Übrigen ist es auch sehr sachgerecht. Kommunale Wahlbeamte kann man nicht mit Laufbahnbeamten gleichsetzen. Ich glaube, das ergibt sich auch aus der Funktion des Amtes. Auch das ist sachlich nachvollziehbar. Deswegen muss das geändert werden. Unser Gesetzentwurf bietet dazu die Möglichkeit.

Ich sage an der Stelle – das kann man aber jetzt nicht lösen, weil es komplexer ist –: Wir müssen auch an die versorgungsrechtlichen Lösungen der direkt Gewählten herangehen.Aber das werden wir nicht mehr in dieser Wahlperiode schaffen.Das gilt hier wie für andere Regelungen. Den Sonderurlaub kann man, wenn man es politisch will, schnell regeln. Das andere ist etwas komplexer. Dafür sollten wir uns die nächste Wahlperiode vornehmen. Ich halte es aber für regelungsbedürftig. Um es ganz vorsichtig und ganz freundlich zu formulieren: Es kann nicht angehen, dass ein direkt Gewählter nach sechs Jahren schon im Alter von 40 Jahren Versorgungsansprüche hat.