Protocol of the Session on July 4, 2007

Zum Ernst der Sache zurück. Natürlich haben die Jugendfeuerwehren derzeit einen relativ guten Zulauf. Natürlich stehen sie im Wettbewerb mit vielen. Ich nehme ein Beispiel, das ich von vielen Eltern gehört habe. Die Einführung von G 8 führt zum Teil dazu, dass gerade Jugendliche in diesem Alter extrem mit Nachmittagsunterricht und vielen Aufgaben belastet sind. Das führt dazu, dass Eltern teilweise schon ihre Kinder von Vereinen abmelden. Das ist ein Problem, über das man reden muss. Natürlich steht die Feuerwehr auch im Wettbewerb mit vielen anderen privaten und Freizeitinteressen.

Das eigentliche Problem ist aber der Übergang der jungen Menschen in die Einsatzabteilung. Wenn nur etwa 30 % der Jugendfeuerwehr wechselt, regional sogar teilweise noch weniger, ist das zu wenig. Natürlich haben wir in kleinen Orts- und Stadtteilen schon Probleme, die Einsatzbereitschaft aufrechtzuerhalten.

Aber, Frau Kollegin Erfurth, das sollten wir den Feuerwehren vor Ort überlassen. Es gibt freiwillige Zusammenschlüsse; die wissen das schon zu regeln.Auf freiwilliger Basis wird es Veränderungen geben. Hier müssen wir gesetzlich nichts machen. Denn ich möchte das dort bestehende ehrenamtliche Engagement nicht kaputt machen.

Herr Innenminister, zum ehrenamtlichen Engagement gehört auch die Gemeinde Höchst im Odenwald mit der Einführung des freiwilligen Polizeidienstes.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ah!)

Jetzt wird es unangenehm, Herr Hahn.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein, aber langweilig! – Weitere Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich will nur, dass wir nicht länger tagen müssen. Sonst rügt mich der verehrte Herr Präsident nachher. – Die Gemeinde Höchst im Odenwald hat den freiwilligen Polizeidienst eingeführt. Das Ergebnis war, dass die Feuerwehren sagten: Wir machen mindestens genauso gut unsere ehrenamtliche Tätigkeit. Das machen wir nicht mehr. –

Das Ergebnis war, dass die Gemeindevertreter sagten, sie müssten ihnen ein bisschen Geld geben. Also muss man die ehrenamtliche Tätigkeit entsprechend gesellschaftspolitisch honorieren.

Ich sehe Probleme. Ich habe auch mit Feuerwehrleuten vor Ort gesprochen. Es gibt Gruppen für Sechs- bis Zehnjährige und Gruppen für Zehn- bis Vierzehnjährige.Es erfordert einen höheren Einsatz derjenigen, die Jugendarbeit leisten, und andere pädagogische Konzepte. Das ist keine Frage. Deshalb reicht es nicht, das ins Gesetz zu schreiben und den Versicherungsschutz zu gewähren.Wir müssen gemeinsam Hilfestellung geben. Es wird nicht ganz einfach, aber es ist ein richtiger und wichtiger Ansatz.

Zweitens zur Änderung des § 125 HGO. Gelegentlich würde es mich reizen, ein paar Ausführungen zu machen. Nun sage ich das, was ich sagen will. Das ist eine spannende Diskussion. Ich bin auch in gutem, intensivem Kontakt mit den kommunalen Vertretern meiner Fraktion, wie andere das auch sind, insbesondere die Kollegen von der CDU. Sie haben 1999 eine Gesetzesänderung verabschiedet, nämlich die Stärkung der direkt Gewählten mit allen Konsequenzen. Diese Änderung haben wir damals für falsch gehalten, und wir halten sie auch heute für falsch, um das klarzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Juristen legen Dinge eben unterschiedlich aus.Jetzt haben Sie ein Problem. Man kann es so sehen wie das Verwaltungsgericht Wiesbaden in der ersten Instanz. Man kann es möglicherweise so sehen wie die Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz. Wenn man es anders sieht, muss man Gesetze ändern. Das haben Sie jetzt vor. Das ist so. Deshalb war der Einsatz der kommunalen Familie in allen Fraktionen intensiv und groß. Zeitweise war es das wichtigste Problem, das das Bundesland Hessen beschäftigt. Wir werden uns als SPD natürlich nicht verwehren, dieses Problem zu lösen.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, deswegen mögen diese Ausführungen an dieser Stelle genügen. Ich könnte mehr sagen, aber im Interesse eines effektiven Zeitmanagements will ich es lassen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wir haben verstanden!)

Wir machen eine kurze Anhörung im Innenausschuss und können uns dann noch weiteren, wichtigeren Fragen zuwenden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Innenminister, Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich dem Haus eine Freude machen und sagen: „Ich schließe mich allen Vorrednern an.“ Das geht jetzt aber nicht mehr, nachdem Frau Kollegin Erfurth ein paar Fragen gestellt hat. Da das Protokoll von den Interessierten nachgelesen wird, muss ich ein paar Bemerkungen machen.

Meine Damen und Herren, ich will ganz ernst mit der folgenden Überlegung beginnen.Wenn wir uns klarmachen, was in einer Gemeinschaft eigentlich das Wichtigste ist, werden wir feststellen, dass es nicht die Themen sind, die wir hier meistens verhandeln. Das sind nicht die wirklich wichtigen Themen. Der Kern und das Wichtigste einer Gemeinschaft ist doch, dass wir als Gemeinschaft in der Lage sind, jemandem, der in Not ist, qualifiziert zu helfen. Das weiß jeder, der z. B. nachts einen Unfall hat, der irgendwo liegt und hofft, dass jemand vorbeikommt, der zudem noch qualifiziert Hilfe leisten kann. Jetzt kommt das Geniale – das gibt es nur in Deutschland und ansatzweise in Österreich –: Diese Kernaufgabe einer Gemeinschaft, die weitgehend als selbstverständlich hingenommen wird, bis es einen selbst trifft, wird in Deutschland zu 98 % ehrenamtlich wahrgenommen.

Was dieses Haus so ununterbrochen und mit riesiger Einsatzfreude diskutiert, steht in einem groben Missverhältnis zu dem Thema, bei dem wir jetzt gerade sind. Der Kernträger dieses Ehrenamtes und der Hilfe insbesondere in Situationen, in denen die Menschen Hilfe ganz dringlich brauchen, sind die Hilfsorganisationen – vorneweg die Feuerwehr.

Es ist richtig, worauf der Kollege Peuser und der Kollege Hahn hingewiesen haben: Wenn es in den letzten Jahren 20 % weniger geworden sind und die demografische Entwicklung so weitergeht, wird es in weiten Teilen des Landes bald keine Einsatzfeuerwehr mehr geben. Was ist denn dann unsere Antwort? Wir werden sie nicht aus der Hüfte schießen können. Aber das ist ein Thema, das weit wichtiger ist als das, mit dem wir uns hier gelegentlich beschäftigen. Es wird fast immer ausgeblendet. Dabei wird das Problem nicht in 30 Jahren auftreten, sondern nach allem, was wir sehen, in den nächsten 10 bis 15 Jahren.

Deshalb ist es aller Ehren wert und notwendig, bestehende Organisationen zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.Zukunftsfähig wird man am besten dadurch,dass man Nachwuchs gewinnt.

Frau Kollegin Erfurth, es ist richtig, dass dies gesetzestechnisch die Erweiterung des Versicherungsschutzes ist. Aber das ist nichts Geringes, gerade in diesem Bereich. Wenn wir Feuerwehr definieren – hier will ich mich an den Kollegen Hahn anlehnen und in Erinnerung rufen, was er zu Recht, wie ich finde, gesagt hat –, haben wir alles zu unternehmen, damit Feuerwehr auch für Kinder in ihrem Entwicklungsalter attraktiv ist und sich die dort Tätigen in einem geschützten Rechtsrahmen bewegen, zumindest in den Fällen, in denen – was der Himmel verhindern möge – etwas passiert.Deshalb bedanke ich mich dafür, dass zumindest insoweit Einvernehmen herrscht.

Sie haben darauf hingewiesen,das sei zu kurz gesprungen. Jetzt warte ich auf die Vorschläge, die es noch gibt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ja, warten Sie einmal!)

Ich kenne keinen einzigen – außer vielleicht einem, den es mit mir nie geben wird. Wer auf die Idee kommt, Befähigungsnachweise von denjenigen zu verlangen, die die Jugendfeuerwehr betreuen, ist genau auf diesem – Verzeihung, Herr Präsident – Wahnsinnstrip, auf dem sich diese Gesellschaft oft befindet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da tun sich Hauptberufliche zusammen und formulieren Anweisungen, Ideen und Standards, die genial sind – die nur den Nachteil haben, dass sie so gut wie niemand erfüllt. Wir bewegen uns hier

ausschließlich auf der Ebene des Ehrenamts. Nun wollen Sie diese Ehrenamtlichen noch mit Befähigungsnachweisen traktieren, die von irgendeinem Hauptberuflichen geschrieben worden sind. Ich sage nichts über die Inhalte, sondern ich wehre mich dagegen, dass wir immer wieder glauben, durch Bürokratisierung Probleme lösen zu können. Man kann sie damit überhaupt nicht lösen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Erfurth?

Lassen Sie einmal. – Wir müssen den Ehrenamtlichen die Aufgabe so leicht wie möglich machen. Ich habe es beim Landesfeuerwehrtag nicht zum ersten Mal gesagt, sondern sage es im Gespräch mit Feuerwehren immer wieder: Die Pflege des Nachwuchses ist Chefsache, nicht derjenigen, die noch übrig geblieben sind. Wenn mir der Wehrführer sagt, das sei schön, er brauche aber irgendeinen, dann bin ich froh, wenn es überhaupt jemand macht. Wir wünschen uns, dass es jemand besonders gut und pädagogisch klug macht. Bürokratische Hemmnisse halte ich hier für falsch.

Auf der gleichen Ebene liegt das Problem der Ortsteilfeuerwehr. Sie muss erhalten bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Dabei sind die roten Autos – das sage ich den Kommunen immer wieder – nahezu das Unwichtigste. Es wird immer mit Leidenschaft diskutiert, ist aber völlig uninteressant. Ich suche noch die Städte, die sich wenigstens alle drei Jahre einmal mit der Entwicklung der Einsatzabteilung beschäftigen. Darüber wäre zu diskutieren und sicherzustellen, dass in zehn Jahren auch noch jemand da ist.

Wenn sie die Ortsteilfeuerwehren nicht mehr haben, wird es ihnen nicht auf Dauer gelingen, Ehrenamtliche zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Jeder, der das Land kennt, weiß: Gerade in Flächengemeinden, die zum Teil sehr unterschiedlich und sehr weit strukturiert sind, finden Sie Menschen, die in diesen schweren Dienst gehen, durch deren Umfeld – Bekannte, Verwandtschaft und Familie – und ihre persönliche Situation. Es wird niemanden geben, der einem 10 km entfernten Gemeindeteil, mit dem er herzlich wenig zu tun hat, in der notwendigen Weise als Ehrenamtler zur Verfügung steht. Das spricht nicht gegen eine Zusammenfassung, wo es geht. Ich habe beispielsweise vor Kurzem in Pfungstadt eine neue Feuerwehrgeräteeinheit für drei Stadtteile eingeweiht.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist kein Widerspruch!)

Das ist kein Widerspruch. Aber im Kern müssen Sie alles tun – das ist das Oberziel; alles andere ist völlig nachrangig –, um Menschen zu gewinnen.

Herr Staatsminister, seien Sie so lieb, und denken Sie an die Redezeit.

Ja, Herr Präsident. – Ich sage es mit Bedacht: In weiten Teilen dieses Landes kommt der Hochmut mancher Städter ganz komisch an, die nur wissen, dass es eine Berufsfeuerwehr gibt, und sich gar nicht vorstellen können, wie die Wirklichkeit aussieht.

(Beifall bei der CDU – Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na! Wir haben auch eine freiwillige Feuerwehr!)

Der Präsident hat gemahnt, daran will ich mich halten. – Frau Erfurth, die Ortsteilfeuerwehr ist die Grundlage dafür, dass wir auch in Zukunft noch Menschen für diesen unverzichtbaren Dienst finden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Zwei Bemerkungen zum Schluss. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie anerkannt hätten, dass diese Landesregierung die Jugendarbeit fördert wie keine andere in Deutschland oder in Hessen je zuvor.Wir haben nur für die Jugendfeuerwehr 1 Million c zur Verfügung gestellt. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben.Wir haben die Aufwandsentschädigung für die Jugendwehrführer drastisch erhöht. Herr Kollege Rudolph, was Höchst angeht: Ein wesentlicher Teil des Problems war, dass die Gemeinde Höchst für die Feuerwehr viel zu wenig ausgegeben hat. Das ist jetzt gelöst.

Herr Kollege Rudolph, G 8 und Ehrenamt – ein Thema, das man nicht ausklammern kann. Aber wenn Sie dies hier vortragen, gestatten Sie mir die Anmerkung:Wer die zwangsweise Ganztagsschule verlangt, kann an dieser Stelle beim besten Willen nicht gehört werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Warum haben Sie es eigentlich nötig, so einen Unsinn zu erzählen?)

Zur HGO-Änderung hat der Kollege Rudolph vorgetragen. Ich will ein Beispiel nennen. Ich habe damals für die Landesregierung diese Gesetzesänderung vertreten und tue dies heute wieder. Die Beteiligten wissen es: Ich halte es für notwendig und richtig. Mir kann niemand vortragen, es sei klug, dass einem Beigeordneten im Rahmen des zulässigen Erwerbs eines Nebeneinkommens – je nachdem, wie es gestaffelt ist –, wenn er in den Stadtwerken, im Aufsichtsrat oder wo auch immer die Gemeinde vertritt, bis zum Betrag von X die Nebentätigkeit vergütet wird und dem direkt Gewählten nicht. Das scheint mir nicht wirklich klug. Deshalb scheint es mir möglich, die Diskussion an dieser Stelle zu beenden. Ich bedanke mich bei der Fraktion.Wenn ich es richtig verstanden habe,darf ich davon ausgehen, dass an dieser Stelle Einmütigkeit im Hause besteht. Wir werden die Diskussion im Ausschuss vertiefen. – Ich danke Ihnen.