(Die Fragen 784 bis 786, 789 bis 793 und die Ant- worten der Landesregierung sind als Anlage beige- fügt. Die Fragen 787, 788, 794 und 795 sollen auf Wunsch der Fragestellerin und der Fragesteller in der nächsten Fragestunde beantwortet werden.)
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur organisatorischen Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt (TUD-Gesetz) – Drucks. 16/7429 –
Zur Einbringung hat Herr Kollege Siebel für die Fraktion der SPD das Wort. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vor zwei Jahren in diesem Hause zusammen das Modelluniversitätsgesetz für die Technische Universität Darmstadt verabschiedet. Das Gesetz sollte einer Hochschule, der Technischen Universität in Darmstadt, ermöglichen, in wesentlichen Teilen von der Detailsteuerung durch das Ministerium befreit zu werden. Das Gesetz übertrug die Bauherrneigenschaft und die Entscheidungen über die Personalfragen an die Hochschule. Darüber hinaus erhielt die Universität in Darmstadt das Recht, sich ihre Grundordnung über das Hessische Hochschulgesetz hinaus selbst zu geben.
Dies alles hat sich bewährt und findet nach wie vor die Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion. Nach zwei Jahren sind wir heute aber an einem Punkt angekommen, an dem wir in einem Bereich eine wichtige Revision vornehmen müssen. Es hat sich als ein Irrweg erwiesen, den Hochschulrat als ausschließlich extern besetztes Gremium mit derart starken Rechten auszustatten, sodass in die inneren Prozesse der Hochschule eingegriffen werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was sich jetzt alles im Zusammenhang mit der Wahl des Präsidenten der Technischen Universität in Darmstadt abspielt, ist ein Chaos, und diesem Chaos muss ein Ende bereitet werden, indem wir wieder zu einer gesetzlichen Regelung kommen, die trägt.
Wir wollen Hochschulen, die autonom und demokratisch konstituiert sind. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, die Rechte des Hochschulrates zurückzuführen und ihm im Hochschulgesetz wieder den Rang eines beratenden Gremiums für die Hochschulen zu geben.
Es geht darum, Autonomie und Demokratie wirken zu lassen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dies mit unserem Vorschlag realisieren können. Wir wissen doch, unsere Hochschulen sind mittlerweile stark genug, dass sie sowohl Wirtschaftspläne als auch Grundsatzentscheidungen selbst regeln können. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Hochschulen in der Lage sind – das machen die anderen durchaus auch –, ihren Präsidenten selbst zu wählen,und das ohne den Ratschlag und die Einflussnahme eines Hochschulrates,der so wie in Darmstadt seine Finger mit im Spiel hat.
Ich glaube, es war notwendig, dass wir an den Hochschulen einen Veränderungsdruck haben wirken lassen.Dieser Veränderungsdruck hat zwar nicht unbedingt den Muff von 1.000 Jahren aus den Talaren getragen, aber es war notwendig, diesen Veränderungsdruck wirken zu lassen, um zwei wesentliche Dinge zum Ausdruck zu bringen. Das eine ist die Frage der Internationalisierung, das zweite die Frage der Berufsorientierung. Das ist das, was wir an den Hochschulen gemeinhin Bologna-Prozess nennen. Dies hat sich auch verändert, aber es hat sich insbesondere durch die Stärkung der Funktionen der Präsidien und der Präsidenten verändert. Die haben Bewegung in die Hochschulstruktur gebracht. Die Hochschulen haben sich also dieses Bologna-Prozesses angenommen, und ich glaube, das ist eine gute Entwicklung.
Auf der anderen Seite ist es so, dass Hochschulen keine Aktiengesellschaften sind, dass Studierende keine Produkte sind und dass der Hochschulrat kein Aufsichtsrat ist. Deshalb wollen wir mit dieser Gesetzesinitiative den Hochschulrat im Sinne des Modelluniversitätsgesetzes auf das zurückführen, was ihm gebührt. Wenn Sie so wollen:Wir wollen den Hochschulrat gegenüber dem jetzigen Zustand in der Tat entmachten. Diese Macht gehört ihm nicht, diese Macht gehört zurück in die Strukturen der Hochschulen.
Es war keine gute Entscheidung, externen Vertretern ohne demokratische Legitimation, ohne eine wirkliche Einbindung in die Hochschulen eine Macht zu vergeben, die in die inneren Angelegenheiten der Hochschule hineinwirkt. Ich will damit im Übrigen auch nicht die einzelnen Mitglieder des Hochschulrates angreifen. Sie haben sicherlich aus bestem Wissen und Gewissen heraus versucht, die Probleme zu lösen.
Es ist aber kein personelles Problem. Es ist ein Strukturproblem, und daher wollen wir diesem Strukturproblem auch mit einer Struktur entgegenwirken. Wir sagen deshalb: Der Hochschulrat wird mit unserem Gesetzentwurf auf eine beratende Funktion zurückgeführt. Er wird seiner Macht entledigt, weil es sich als falsch erwiesen hat, ihn mit dieser Macht auszustatten.
Wie kommen wir zu diesem Schluss? Wir haben in dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst den Fortgang des Gesetzes mittels zweier Zwischenberichte des Präsidiums der Technischen Universität Darmstadt beobachten können, und wir haben in zwei Zwischenberichten erfahren, wie sich der Modellgedanke dort tatsächlich verwirklichen und umsetzen lässt. Daraus wurden unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Eine Konsequenz hat die Landesregierung mit dem jetzt vorliegenden Hochschulgesetzentwurf, den wir nach der Sommerpause weiterhin beraten werden, gezogen.
Wenn ich mich allerdings an die Anhörung zu diesem Teil des Gesetzentwurfs erinnere, dann muss ich feststellen, dass diese Anhörung für die Landesregierung nicht sehr schmeichelhaft gewesen ist. Wenn ich mir die Hochschulpräsidenten anhöre, dann meine ich, dass unter diesem Teil des Gesetzentwurfs wohl eher der folgende Satz stehen müsste: Es kreißte der Berg und gebar eine Maus – zumindest, was diesen Teil des Gesetzentwurfs, unabhängig vom Gesetzentwurf für die Stiftungsuniversität in Frankfurt, angeht.
Während der Anhörung ist aber auch ein Aspekt klar geworden, und dieser musste seitens der Gutachter, die
hierzu gesprochen haben, beachtet werden. Es sind nämlich unter anderem verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einem starken Hochschulrat zum Ausdruck gebracht worden, und zwar dahin gehend, dass gesagt worden ist, das sei nicht mit der Hessischen Verfassung und dem Selbstbestimmungsrecht der Hochschulen sowie der Organisation der Hochschulen ihrer selbst kompatibel. Das heißt,im Zusammenhang mit der Stiftungsuniversität sind gegenüber der Vorstellung von einem starken Hochschulrat noch einmal verfassungsrechtliche Bedenken deutlich gemacht worden.
So etwas muss ein Ministerium doch ernst nehmen; so etwas muss in der Hauptsache der Hessische Landtag ernst nehmen. – Wir tun dies mit dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute vorgelegt haben.
Wir ziehen die Konsequenz,da wir der Überzeugung sind, dass Autonomie und Demokratie wieder zusammengehören. Deshalb sagen wir: Die Entscheidungen über die Präsidentenwahl, Entscheidungsrechte bei Struktur-, Entwicklungs- und Bauplanung gehören in die Verantwortung der Gremien. Mit diesen Änderungen wird die Entscheidungskompetenz der Hochschulen gestärkt. Damit wird auch die demokratische Legitimation von Entscheidungen gehoben. Dennoch geht der Sachverstand des Hochschulrats mit unserem Gesetzentwurf nicht verloren, da er mit beratender Stimme vorhanden bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir wollen eine demokratisch verfasste, dennoch gesteuerte Hochschule, die sich zusätzlichen Sachverstand zunutze macht.Wir,die SPD-Fraktion, wollen keine übermächtigen Hochschulräte, die in den Hochschulen zwar die Entscheidungen treffen sollen,aber zumeist dazu führen,dass sie diese blockieren. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir als FDP-Fraktion können dem Vorschlag, den Herr Kollege Siebel gerade für die Fraktion der SPD vorgetragen hat, nicht folgen. Denn, Herr Kollege Siebel, Sie zielen mit Ihrem Gesetzesvorschlag – zumindest so, wie Sie diesen gerade verbal begründet haben – wiederum darauf ab, der Technischen Universität Darmstadt und zu einem späteren Zeitpunkt auch allen anderen Hochschulen, die das sogenannte TUD-Leitmodell im Rahmen der jetzigen, sich noch in der Beratung befindlichen Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes wählen, im Detail vorzuschreiben, welche Organisationsstruktur diese dann haben sollen. Das wollen wir als FDP-Fraktion nicht.
Wenn man Ihren Gesetzentwurf anschaut,dann stellt man fest, dass Sie unter anderem dem Hochschulrat das Bestätigungsrecht für weitere Präsidiumsmitglieder nehmen wollen, und Sie wollen ihn auch von der Zustimmung zur Entwicklungsplanung ausschließen. Wir Liberale hingegen möchten nur die Rahmenbedingungen vorgeben, und
wir wollen seitens der Politik eben keine Detailsteuerung mehr haben – weder durch das Ministerium noch durch den Hessischen Landtag.
Wir sind der Meinung, dass sich die hessischen Hochschulen alle miteinander – das gilt in der Fortführung nicht nur für die Technische Universität Darmstadt,sondern für alle Hochschulen – sowohl im nationalen als auch internationalen Wettbewerb bestmögliche eigenständige Profile geben müssen.
Herr Kollege Siebel, dies erfordert dann aber auch, dass sich die Hochschulen jeweils solche Strukturen schaffen müssen, die diesen eigenen Profilen am besten dienen – und diese können in Darmstadt ganz andere sein als in Frankfurt, Kassel oder auch Fulda.
Daher muss nach unserer Auffassung zur Autonomie auch das Recht gehören, dass die Hochschule über ihre Organisationsstruktur selbstständig entscheidet, und zwar im Rahmen ihrer Grundordnung. Herr Kollege Siebel, ich sage an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Dies gilt dann auch für die Stellung des Hochschulrats und die Frage,wie stark dieser ausgestaltet werden soll.
Wir als Liberale wollen die Hochschulen lediglich an den Rahmen binden, wie dieser bereits in § 39 des Hessischen Hochschulgesetzes vorgegeben wird. Das muss so geregelt sein, dass Entscheidungskompetenzen eindeutig zugeordnet werden, um klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Das Präsidium sehen wir als ein Organ des operativen Geschäfts, während der Senat für die akademischen Grundsatzangelegenheiten zuständig ist. Der Hochschulrat wiederum hat als Beratungs- und Kontrollgremium zu fungieren – auch das lassen Sie in der veränderten Fassung des TUD-Gesetzes bzw. in Ihrem Änderungsantrag bestehen. Die Festlegungen, die die jeweilige Hochschule in Bezug auf ihre Grundordnungen trifft, müssen dann allerdings der Beschleunigung und Vereinfachung des Entscheidungsprozesses und der Leistungsorientierung der Verwaltung dienen sowie die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit unterstützen.
Herr Kollege Siebel, wir wollen einen Rahmen vorgeben. Wir, die FDP-Fraktion, können uns aber vorstellen, dass wir innerhalb dieses Rahmens aufgrund von zwölf verschiedenen Grundordnungen auch zwölf verschiedene Profile haben könnten, sodass wir sagen:Wir werden keinen Gesetzentwurf unterstützen, der ausgerechnet der Technischen Universität Darmstadt vorschreibt, wie sie ihren Hochschulrat zu gestalten hat.
Herr Kollege Siebel, da Sie gerade dazwischenrufen, möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal auf zwei Dinge hinweisen: Erstens. Bei der Durchsicht Ihres Gesetzentwurfs ist es doch sehr verwunderlich, dass Sie ausgerechnet das, was Sie sowohl während der Pressekonferenz als auch hier im Hause vorgegeben haben, abschaffen zu wollen, mit Ihrem Gesetzentwurf gar nicht beantragen – dass Sie mit diesem Gesetzentwurf nämlich angeblich abschaffen wollen, dass dem Hochschulrat das alleinige Vorschlagsrecht für die Liste der Präsidenten obliegt, aus der dann wiederum das Wahlgremium auszuwählen hat. Daher rate ich Ihnen dringend:Wenn Sie dies
wirklich verändern wollen, dann sollten Sie Ihre beantragte Änderung zu § 6 Abs. 3 noch einmal daraufhin durchschauen; denn genau dies haben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht vorgelegt.
An dem alleinigen Vorschlagsrecht des Hochschulrats für das Amt des Präsidenten ändern Sie mit Ihrem Gesetzentwurf rein gar nichts. Das ist insofern auch gut, weil es nämlich – ausweislich der Anhörung zur vierten Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes – überhaupt nicht dem Wunsch der Hochschulen und auch nicht dem Wunsch der Universität Darmstadt entspricht.
Die Beratungen haben gerade anlässlich des Beispiels der Universität Frankfurt ergeben, dass die Hochschulen einmütig davon gesprochen haben, dass eine gemeinsame Findungskommission sinnvoll ist. Dies haben auch die Darmstädter entsprechend bestätigt. Herr Kollege Siebel, wir müssen hier allerdings keine Regelung für eine gemeinsame Findungskommission, was man innerhalb der Grundordnung der jeweiligen Hochschule regeln kann, als Detailsteuerung der Politik vorgeben.
Herr Kollege Siebel, das will heißen: Das, was Sie hier gern regeln möchten, haben Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht vorgelegt. Sie haben juristisch also unsauber gearbeitet. Das finden wir als FDP-Fraktion insofern nicht schlimm, da wir genau diese Detailsteuerung per Gesetz überhaupt nicht beschlossen haben wollen. Daher werden wir Ihren Gesetzentwurf – egal, wie Sie dies hier beantragen – ablehnen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Siebel, Ihre gespielte Empörung, die Sie hier vorgetragen haben, ist empörend. Dies macht auf uns wenig Eindruck.