Wir haben eine Redezeit von 7,5 Minuten für die beiden Anträge vereinbart, einmal fünf Minuten und einmal 2,5 Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Ende April beobachten wir im Klinikum Fulda und im Heiliggeist-Seniorenheim eine Salmonelleninfektion, die in zwei Wellen abgelaufen ist und insgesamt ca. 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Patienten betroffen hat. Es gab mehrere Todesfälle, darunter zwei, die in direkten Zusammenhang mit der Infektion gestellt werden. Zurzeit läuft ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Soweit zum aktuellen Stand.
Wir haben glücklicherweise seit elf Tagen keine neuen Infektionen zu verzeichnen. Aber nach Angaben des Robert-Koch-Instituts handelt es sich um eine der größten Salmonelleninfektionen dieser Art in Deutschland.
Für gestern wurde uns ein abschließendes Ergebnis der Untersuchungen angekündigt. Nach dem Apfelschnee in der Mitarbeiterkantine erklärt die Klinik nun Schokoladenpudding und Vanilleflan zu weiteren Ursachen. Nach Angaben des Kreisgesundheitsamtes kann man das noch immer nicht bestätigen, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Außerdem habe man auch noch Salmonellen in einer Salatsoße gefunden.Allein die Berichterstattung heute Morgen zeigt, welches Chaos seit vier Wochen um das Klinikum Fulda herum in diesem Bereich herrscht. Ich finde, dass hier endlich aufgeklärt werden muss.
Die Folge dieser Situation ist nicht nur ein enormer Vertrauensverlust in das Klinikum Fulda,sondern auch in alle Kliniken hier in unserem Land. Deswegen finde ich, dass es an der Zeit ist, sich mit den Ursachen und der Frage, was falsch lief, wirklich ehrlich auseinanderzusetzen und die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Es kann doch nicht sein, dass bei einer Infektion von diesem Ausmaß das zuständige Gesundheitsministerium in Person von Frau Lautenschläger über die Presse davon erfährt und nicht durch formalisierte Meldeverfahren. Es kann doch nicht sein, dass der Oberbürgermeister von Fulda von einer Heimsuchung spricht und man sich inzwischen fragt, ob die Heimsuchung nicht darin besteht, dass die Klinik,die Politik und die Verwaltung vor Ort,die sich gegenseitig zu kontrollieren haben, hier versagt haben und im konkreten Krisenfall auch noch überfordert waren.
Wir müssen uns letztendlich auch fragen – und hier ist die Landesebene auch in einem besonderen Fokus –, ob sich Frau Lautenschläger, nachdem deutlich geworden war, dass die lokale Ebene überfordert ist, nicht sehr viel früher persönlich hätte einschalten müssen.
Bei solch einer Krise, die vier Wochen lang auch bundesweit Aufsehen erregt hat, hätte ich erwartet, dass die Gesundheitsministerin sich mindestens einmal vor Ort zeigt. Denn es geht in diesem Fall nicht nur darum, die einzelnen Ursachen zu klären, sondern es geht auch darum, sich ein persönliches Bild zu machen, sich mit den betroffenen Menschen zu unterhalten und vor Ort zu fragen, welche zusätzlichen Unterstützungen notwendig sind.
Das ist die Aufgabe einer Gesundheitsministerin. Ich frage Sie, Frau Lautenschläger:Warum haben Sie sich vier Wochen lang vor Ort nicht gezeigt? – Das ist die Frage,die hier offen ist.
Ich halte das für ein ganz persönliches Versäumnis, wenn man von anderen Dingen absieht, die eher in die fachpolitische Richtung gehen. Wir diskutieren hier darüber, dass sich die Ministerin nicht nur nicht gezeigt hat, sondern sich auch noch zuletzt am Donnerstag im Ausschuss für nicht zuständig erklärt hat und sich auf eine sehr allgemeine Formulierung des Hessischen Krankenhausgesetzes berufen hat.
Es kann doch bitte schön nicht die Reaktion einer zuständigen Gesundheitsministerin sein, dass sie sagt, gesetzliche Vorgaben seien nicht umgesetzt worden, und dass sie nach Eintritt dieser Krise sagt, das sei richtig so gewesen und sie sehe keinen Handlungsbedarf. Das werfe ich Ihnen als Ministerin persönlich vor. Sie haben Handlungsbedarf. Wir als grüne Fraktion werden Sie zwingen, sich hier auch fachlich noch weiter damit auseinandersetzen zu müssen.
Uns allen ist klar, welcher Kostendruck auf den Krankenhäusern lastet. Wir wissen, dass spätestens ab dem nächsten Jahr durch die jetzige Gesundheitsreform weitere Kostenbelastungen auf die Krankenhäuser zukommen.
Aber umso wichtiger ist es gerade, als Land in der Politik Rahmenbedingungen zu bestimmen und zu sagen: Hier geht es um Patientenschutz und Verbraucherschutz, und diese Qualitätsmerkmale müssen in Krankenhäusern in Hessen eingehalten werden. Deswegen wäre es Ihre Aufgabe, jetzt genau hier diese Rahmenbedingungen zu definieren. Dazu fordere ich Sie an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich auf.
Werfen Sie uns bitte in diesem Zusammenhang keine Fundamentalopposition vor. Denn auch andere, wie z. B. die CDU in Rheinland-Pfalz, haben aufgrund der Epidemie in Fulda, die wir jetzt erlebt haben, eine Krankenhaushygieneverordnung gefordert.
Ich denke, dass andere Bundesländer, die sich jetzt mit den Fragen nach den Ursachen und nach einer zukünftigen Vermeidung auseinandersetzen, solche Krankenhaushygieneverordnungen auch erlassen werden. Das steht auf der Tagesordnung.
Meine Damen und Herren, eine Infektion mit Salmonellen wird in der Regel über verunreinigte Nahrungsmittel übertragen, in seltenen Fällen auch über personelle Kontakte. Wir wissen bis heute nicht im Detail, wie diese Übertragungen in Fulda stattgefunden haben.Hier gibt es noch sehr großen fachlichen Aufklärungsbedarf.Aber wir wissen auch, dass es in Krankenhäusern Keime gibt, die sehr viel gefährlicher sind und sich sehr viel schneller ausbreiten als Salmonellen.
Vor diesem Hintergrund kann man sich doch nicht als Ministerin hierhin stellen und sagen: Ich habe vier Wochen lang zugesehen, und ich bin auch nicht weiter dafür verantwortlich. – Die Patientinnen und Patienten und die Bürger in Hessen haben wirklich eine andere Gesundheitsministerin verdient, die sagt, dass es hier Handeln heißt, und zwar sofort und so schnell wie möglich.
Frau Kollegin Schulz-Asche, ich weise Sie nur darauf hin, dass die fünf Minuten schon deutlich abgelaufen sind.
Ich komme zum Ende. – In der „Frankfurter Neuen Presse“ hat der Journalist Haupt geschrieben: „Möge der Himmel die Hessen bitte vor den apokalyptischen Reitern bewahren. Hierzulande scheitern sie schon an ein paar Salmonellen.“ – Ich denke, das ist eine richtige Beschreibung der Aktionsunfähigkeit der Landesregierung in dieser Frage. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einmal Salmonellen – das ist Schicksal. Zweimal Salmonellen – das ist Stümperei.Das ist eklatantes Missmanagement im Fuldaer Filz. Man denkt an Rügen und die Vogelgrippe. Es ist nur gut, dass Apfelschaum und Vanilleflan nicht fliegen können.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie die Bundeswehr einsetzen?)
Aber dann muss hier die Rede von Verantwortung sein. Es geht um die Verantwortung einer Krankenhausleitung, die über sechs Tage und über 100 Erkrankte braucht, um eine Lebensmittelvergiftung zu bemerken und das Gesundheitsamt zu informieren. Wer ist Aufsichtsratsvorsitzender? – Das ist der Oberbürgermeister von der CDU. Wir reden hier von einem Gesundheitsamt, das weitere vier Tage braucht, um Vertuschung und Verheimlichung zu dulden, und damit die Verantwortung für eine Patientin mitträgt, die in dieser Phase aufgenommen wurde, erkrankte und offenkundig dieser Krankheit erlegen ist. Wer ist für dieses Gesundheitsamt zuständig? – Der Dezernent, CDU, der Landrat, CDU.
Wir reden von einer Krankenhausleitung und einem Gesundheitsamt, die zehn Tage lang behaupten, eine Massenlebensmittelvergiftung sei keinesfalls über das Essen aus der Küche übertragen worden.
Eine Krankenhausleitung und ein Gesundheitsamt, die weitere drei Wochen brauchen, um dann festzustellen, dass eine Lebensmittelvergiftung tatsächlich über Lebensmittel vermittelt wurde. Wie denn sonst? Aber bis heute wissen wir in Wahrheit nicht, was tatsächlich zur ursprünglichen Erkrankung führte, weil keine Proben gesichert wurden.
Meine Damen und Herren, wir reden von einer Krankheit, die jeder, der es kann, in drei Tagen unter Kontrolle bekommt – nur nicht in Fulda. Aber da hatte man auch keinen Experten. Wir reden von einer Sozialministerin, die vier Wochen ins Land gehen lässt, bis sie endlich dem Druck der Schlagzeilen nachgibt und auch einmal schaut, was die Parteifreunde in Fulda so machen.Wir reden von einer Sozialministerin, die keine Krankenhaushygieneverordnung erlassen hat, obwohl dieser Landtag kurz zuvor genau diese gesetzlich vorgeschrieben hat. Wir reden von einer Sozialministerin, die bis heute hauptamtliche Krankenhaushygieniker für Fulda nicht für erforderlich hält.
Meine Damen und Herren, was sagt das Robert-Koch-Institut dazu? Das ist die unzweifelhaft wichtigste Instanz, hinter der sich die Landesregierung zu verstecken versucht. Das Robert-Koch-Institut sagt in seinen Empfehlungen:Ab 450 Betten braucht man einen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker.
Nur nicht in Fulda mit 934 Betten – das sagen Oberbürgermeister, Landrat und Sozialministerin. In Fulda braucht man das offenkundig nicht.
Dann ist die Rede von einer Empfehlung des Gesundheitsamtes.Am 10 Mai empfiehlt das Gesundheitsamt,die
Küche zu schließen.Aber weil keine Infektionen mehr da sind, sieht das Krankenhaus davon ab.Am 11. gibt es neue Fälle.Am 12.gibt es neue Fälle.Am 13.sind es fast 30 neue Fälle. Am 14. sind es fast 20 neue Fälle. Erst am 15. teilt man es dem Gesundheitsamt mit, und am 16. schließt man endlich die Küche.
Meine Damen und Herren, dafür gibt es nur eine einzige vernünftige Erklärung: aus Kostengründen. Da es am Wochenende teuer ist, die Ernährung der Patienten anderweitig zu sichern, hat man darauf verzichtet, notwendige Maßnahmen zu ergreifen.
(Michael Boddenberg (CDU): Ein ungeheuerlicher Vorwurf ist das, Herr Spies! – Weitere Zurufe von der CDU)
Oder wollen Sie uns hier ernsthaft erzählen, dass die Aufmerksamkeit in diesem Krankenhaus so desolat war, dass man drei Wochen nach Beginn einer Lebensmittelinfektion in der zweiten Phase nicht bemerkt hat, dass am Wochenende 30 Patienten neu erkranken? Das können Sie jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht.
Ja, wir reden von einem außergewöhnlichen Fall. Wir reden deshalb von einem außergewöhnlichen Fall, weil Management und Verantwortungsträger andernorts in der Lage sind, eine banale Salmonelleninfektion im Krankenhaus oder an jedem anderen Ort zu managen – nur in Fulda-Sumpf kann man das nicht.