Protocol of the Session on May 30, 2007

Meine Damen und Herren, dieser Unmut bezieht sich auch nicht nur auf den Wissenschaftsminister; denn der wird schon lange nur als Handlanger und nicht als Gestalter gesehen. Die Wut richtet sich gegen Koch und seine Landesregierung. Die Proklamation des Bildungslandes Nummer eins ruft im Lande wirklich nur noch höhnisches Gelächter hervor. Das gilt für die Hochschulen genauso wie für die Schulen. Dass das inzwischen auch bei der Landesregierung angekommen ist, wird daran deutlich, dass ihre Nerven immer blanker liegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Das kann ich nicht erkennen!)

Herr Boddenberg, an Ihren Zwischenrufen wird es auch manchmal deutlich.

(Michael Boddenberg (CDU): Also keine Zwischenrufe mehr!)

Sie kommen inzwischen gar nicht mehr mit Argumenten. Sie hören nicht zu, und Sie schauen nicht hin, was an Hochschulen wirklich los ist, und Sie haben keine Konzepte, wohin es perspektivisch gehen soll.

Schauen wir uns die Entscheidungen dieser Legislaturperiode näher an, dann merken wir, dass sich Fehlentscheidungen,Dilettantismus und Desinteresse wie ein roter Faden durch die Wissenschaftspolitik der letzten Jahre ziehen. 2003 wurde der Hochschulpakt erstmals gebrochen. Das waren 30 Millionen c weniger für die Hochschulen. 2004 wurde das Ganze dann verdeckter gemacht. Es gab einen sogenannten Strukturausgleich, der den Hochschulen 190 Millionen c abzog, die ihnen laut der leistungsorientierten Mittelvergabe eigentlich zugestanden hätten.

2005 hat Herr Corts dann eine Kürzung von 2,5 % bei den Hochschulen angekündigt, die den Hochschulen wieder 30 Millionen c genommen hätte. Dies konnte Gott sei Dank durch die lauten Proteste der Hochschulen und auch der Opposition verhindert werden. Da Sie selbst gemerkt haben, dass weitere Kürzungen an den Hochschulen nicht mehr opportun sind,haben Sie die Mittelvergabe an die Hochschulen einmal eben so umgestellt und die neue Hochschulsteuerung damit konterkariert.

Meine Damen und Herren, die Hochschulen sind unterfinanziert. Das können Sie auch mit Ihren adretten Hochglanztabellen nicht verschleiern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vom Bildungsland Nummer eins ist die Regierung Koch weit entfernt, und die Investitionen in Bildung waren nie

oberstes Ziel der Regierung Koch. Werfen wir als Beweis einen kurzen Blick in die jüngste Vergangenheit.Wer war es, der die Annahme von 5,4 Millionen c für die Förderung der Umsetzung des Bologna-Prozesses verweigert hat? Wer war es, der Bundesländer für die Exzellenzinitative monatelang torpediert hat? Wer war es, der durch das strikte Nein zur Abschaffung der Eigenheimzulage im Jahr 2006 die Investition von sage und schreibe 630 Millionen c für Wissenschaft und Forschung allein aus ideologischer Motivation heraus blockiert hat?

Wer war es? – Haargenau, hier sitzt er: der Hessische Ministerpräsident Koch. Was könnte mehr verdeutlichen, dass es Koch nicht ums Gestalten von Zukunftsfragen geht, sondern alleine um Ideologie und Parteitaktik, als die Tatsache, dass diese vehemente Blockadepolitik urplötzlich, als Rot-Grün in Berlin nicht mehr an der Macht war, gebröckelt ist und der Ministerpräsident sich um 180 Grad gedreht hat?

Meine Damen und Herren, gerade in der Wissenschaftspolitik geht es nicht nur ums Geld, sondern es geht auch um andere politische Rahmenbedingungen.Da der CDURegierung all diese Fehlentscheidungen noch nicht genügen, haben Sie, um das Vertrauen der Hochschulen dann vollkommen zu verlieren, immer noch eins draufgelegt. Der nächste Schritt in der Chronologie war die Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes, auch 2003. Die Umgestaltung des HHG war und ist ein Angriff auf die demokratischen Strukturen an den Hochschulen und auf die Mitbestimmung insbesondere der Studierenden. Dass Sie jetzt bei der nicht gelungenen Wahl des TUD-Präsidenten nichts Besseres zu tun haben, als Dreck in Richtung der Kritiker des Hochschulrats zu werfen, das ist eines Wissenschaftsministers eigentlich unwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Ihre Aufgabe wäre es eigentlich gewesen, sich schützend vor die TUD zu stellen und bei der Lösung der aktuellen Probleme mit Rat und mit Tat zur Seite zu stehen. Stattdessen unternehmen Sie den hilflosen Versuch, uns als Opposition als Schutzschild zu missbrauchen, da wir dem TUD-Gesetz zugestimmt haben.

Herr Corts, auch Ihnen ist hoffentlich klar – wir haben es auch während der Verhandlung zum TUD-Gesetz, insbesondere aber auch während der Beratungen zum Hessischen Hochschulgesetz immer wieder betont –: Wir und auch die SPD haben eine vollkommen andere Vorstellung von Hochschulautonomie und vor allem von der Mitbestimmung an den Hochschulen. Ginge es nach unseren Vorstellungen, hätte der Senat eigene Kandidaten oder sogar Kandidatinnen vorschlagen können. Das Desaster an der TUD wäre so verhindert worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Siebel (SPD))

Meine Damen und Herren, ja, die Hochschulen sind unterfinanziert. Die Lösung dieses Problems wäre, endlich ein Programm zur Verbesserung von Forschung, Lehre und Studienbedingungen aufzulegen, statt mit Studiengebühren den Studierenden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren hat die Landesregierung Erwartungen zur Verbesserung der Studienbedingungen an den Hochschulen geweckt, die sie nicht erfüllen kann. 2003 wurden in Hessen bereits Langzeitstudiengebühren eingeführt. Das waren 39 Millionen c, die die Landesregierung den Studierenden aus der Tasche gezogen hat. Dieses Geld ist aber ein

fach im Landeshaushalt versickert. Die allgemeinen Studiengebühren, die die CDU jetzt ab dem kommenden Wintersemester einführen will, sind mit Sicherheit die fatalste wissenschaftspolitische Entscheidung dieser Landesregierung. Wir GRÜNEN sind sicher: Studiengebühren sind bildungspolitisch falsch. Sie sind unsozial und verfassungswidrig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn Studiengebühren werden junge Menschen vom Studieren abhalten, statt sie dazu zu ermuntern. Die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft wird sich durch allgemeine Studiengebühren weiter verschärfen. Nicht alle, die dazu geeignet sind, werden zukünftig in Hessen ein Studium aufnehmen können. Gerade Menschen aus ökonomisch schwächeren Familien werden durch Studiengebühren von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt. Die Situation von Teilzeitstudierenden wird nicht genügend berücksichtigt, und die Vereinbarkeit von Familie und Studium wird massiv erschwert.

Meine Damen und Herren, nicht nur zahlreiche Argumente, sondern auch die Hessische Verfassung stehen gegen Studiengebühren.Wir haben – das ist inzwischen hinlänglich bekannt – gemeinsam mit der SPD vor dem Staatsgerichtshof gegen das Studiengebührengesetz geklagt, und wir unterstützen natürlich auch die sogenannte Klage von unten, die in den nächsten Tagen sicher Erfolg haben wird.

Selbst wenn wir mit unserer Klage vor dem Staatsgerichtshof nicht erfolgreich sein sollten, werden die Studiengebühren abgeschafft, wenn die GRÜNEN im kommenden Jahr wieder Regierungsverantwortung übernehmen sollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nicht nur mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren setzt die Landesregierung für die Zukunft das falsche Signal. Die Hochschulen stehen noch vor weiteren wichtigen Herausforderungen, bei denen sie von der Landesregierung im Stich gelassen werden. Wir haben bereits anlässlich der Regierungserklärung im letzten Plenum darüber diskutiert: Wir brauchen mehr Studierende, wir brauchen mehr Absolventinnen und Absolventen. Wir brauchen mehr Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem. Wir brauchen sehr viel bessere Studienbedingungen und eine bessere Lehre.Wir brauchen gute Forscherinnen und Forscher mit exzellenten Ideen, und wir brauchen eine sehr viel stärkere Förderung der Chancengleichheit von Frauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Meine Damen und Herren von der CDU-Landesregierung, Ihre politischen Entscheidungen werden den Anforderungen an die Wissenschaftslandschaft nicht gerecht. Wir brauchen mehr Studierende. Das sagen alle Studien, das sagen alle, die sich in dem Thema auskennen. Der Hochschulpakt ist aber nicht ausfinanziert, und allein durch die betreuungsintensiveren Bachelor- und Masterstudiengänge, aber natürlich auch zur Qualitätsverbesserung brauchen wir gute Ideen zur Kapazitätserhöhung. Diese finden aber insbesondere in Hessen nicht statt.Wir brauchen mehr Chancengerechtigkeit, aber die soziale Situation der Studierenden wird durch die Nullrunden beim BAföG und vor allem durch die Einführung von Studiengebühren noch weiter verschärft. Gerade bei der Frauen

förderung muss endlich Schluss sein damit, dass sich in Sonntagsreden zwar alle einig sind, de facto aber nichts passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Corts hat gezeigt, dass ihm wenig Neues und Konkretes einfällt, um die hessischen Hochschulen auf ihrem Weg zu unterstützen.Wir bemerken insbesondere bei der Bildungspolitik – von der frühkindlichen Bildung angefangen bis hin zu den Hochschulen –, dass die Landesregierung nur sehr halbherzig und ohne Konzept handelt; denn eines haben Herr Corts und Frau Wolff gemeinsam: Sie ersetzten Fingerspitzengefühl durch Arroganz. Daraus wird nun wirklich keine gute Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wissenschaft und die Bildung generell haben in Hessen anderes verdient. Daher ist es gut, dass die Wählerinnen und Wähler im nächsten Jahr das Wort haben, damit die Zukunft nicht länger verschlafen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin Sorge, vielen Dank. – Das Wort hat der Wissenschaftsminister, Herr Staatsminister Corts.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass meine persönliche Lebensplanung zu einem Thema gemacht werden würde, habe ich durchaus von zwei Oppositionsfraktionen erwartet. Ich habe lediglich die ganze Zeit über gerätselt, welche der beiden Fraktionen es sein würde.Aber dazu möchte ich nichts weiter sagen, denn über Stil lässt sich bekanntlich streiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, wir sollten das Ganze auf ein sachliches Fundament stellen, und wir sollten einmal Ihre Regierungszeit heranziehen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an dieser messen zu lassen.

Ich kann jedenfalls für mich und unsere Landesregierung Folgendes sagen: Es ergibt sich nun eine wunderbare Gelegenheit dafür, noch einmal deutlich zu machen, wie erfolgreich unsere Wissenschaftspolitik war und welche Bausteine wir hier zusammengetragen haben, um für die nächsten Jahre richtungweisend und wettbewerbsfähig zu sein.

Wenn ich allein an Ihre Regierungszeit von 1991 bis 1999 denke – es wird immer wieder hervorgehoben, dass ich nur gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten erfolgreich sein könne –, dann stelle ich fest: Das ist richtig. In Ihrer Regierungszeit war das anders. Da wurden die Wissenschaftsministerinnen alleingelassen. Sie liefen heulend aus irgendwelchen Koalitionsverhandlungen, und ich brauche mir da nur die Zahlen anzuschauen, um festzustellen: Sie waren mutterseelenallein – von dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister alleingelassen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das war zu Ihrer Zeit eine Tatsache. Die Zahlen belegen dies. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einen Finanzminister habe, der erkannt hat,

dass dieses Land nur zukunftsfähig sein kann, wenn es in Innovationen, in die Hochschul- und Wissenschaftspolitik investiert. Wir werden das an verschiedenen Beispielen noch einmal aufzeigen. Anhand der fünf Bausteine, die wir in den letzten Jahren aufgezeigt haben, werde ich Ihnen dies verdeutlichen. Es ist eine Menge passiert.

Ich habe für meinen Teil im Ministerium noch einmal Folgendes nachfragen lassen:Ich habe gefragt,was mir meine Beamten darüber berichten könnten, was in den vergangenen fünf Jahren, während derer Sie die Regierungsverantwortung getragen haben, Epochales passiert sei. Das war eine Fehlentscheidung, denn keiner konnte mir irgendetwas nennen. Befragen Sie meinen Abteilungsleiter; wir haben gefragt und recherchiert, was noch geblieben sei. Am Ende meiner Rede werden Sie feststellen, und das werden Sie auch noch in zehn Jahren feststellen können, dass wir Richtungweisendes eingeführt haben – wie z. B. Studienbeiträge, Autonomie der Hochschulen usw.

Nun komme ich zu den fünf Bausteinen:

Erstens. Wir haben für Autonomie und Handlungsfähigkeit gesorgt.

Zweitens. Wir haben erstmalig eine Hochschulprofilbildung und Hochschulentwicklungsplanung durchgeführt.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unter rot-grüner Vorbereitung!)

Drittens.Wir haben für eine verlässliche Finanzierung gesorgt.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir gerade gemerkt,wie verlässlich diese ist!)

Wir haben Investitionen getätigt und Studienbeiträge eingeführt.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, ja!)